Auf Donner folgt gern Regen

Ole Frerks
01. Juni 201616:54
LeBron James konnte in dieser Postseason schon recht viele Triples feiern getty
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Obwohl die Finals 2016 von den gleichen Teams wie im Vorjahr bestritten werden, hat sich einiges geändert: Die Cleveland Cavaliers haben sich heuer viel mehr dem Stil der Golden State Warriors angepasst und suchen ihr Heil ähnlich oft von Downtown. Aber können sie die Dubs in deren Spezialgebiet tatsächlich schlagen?

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Es sind wahrlich keine einfachen Zeiten für Charles Barkley. Der TNT-Experte ist bekanntlich einer der größten "Hater" des aktuellen Spiels und findet, dass die NBA "noch nie auf einem schlechteren Niveau" gewesen ist als in diesen Tagen. Insbesondere das immer häufigere Geballere von Downtown ist Barkley ein Dorn im Auge.

Vielleicht kommt diese Abneigung daher, dass der Chuckster selbst mit nur 25,5 Prozent der schlechteste Schütze der Liga-Geschichte unter all denen ist, die in den Playoffs mindestens 250 Dreier genommen haben - auch wenn Russell Westbrook (29,8 Prozent) ihm diesen Titel womöglich bald streitig macht. Aber das ist eigentlich unerheblich.

Die Jump-Shooting-Teams, die seiner Meinung nach nie einen Titel gewinnen würden, haben schon in den letzten Jahren regelmäßig das Gegenteil bewiesen. Bei den Warriors 2015 gab er das sogar erstmals zu, wenngleich schon seit 2001 14 von 15 Titeln an das Team gingen, das in den Finals die bessere Dreierquote hatte.

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Nachdem ebenjene Warriors sich nun in einer epischen Schlacht gegen OKC durchsetzen konnten, kann man sich sicher sein, dass der Titel erneut an ein Jump-Shooting-Team gehen wird. Denn auch wenn die Dubs dank der fleischgewordenen Flammenwerfer Stephen Curry und Klay Thompson zu Recht als das Dreier-Team schlechthin gelten, steht ihr Gegner ihnen in diesen Playoffs in nichts nach.

LeBron: Schießen dürfen andere

"Wir sind kein Jump-Shooting-Team und wollen auch nicht als solches gelabelt werden", hatte LeBron James zwar nach Spiel 2 der Conference Semifinals gesagt und das ist auch verständlich: Gerade er selbst hat seine Qualitäten bekanntlich woanders. Nur rund ein Viertel seiner Würfe sind Dreier, wobei er davon auch nur 32,2 Prozent im Korb unterbringt.

LeBron richtet seinen Schaden in unmittelbarer Ringnähe an, wo er in der Postseason überragende 72 Prozent seiner Würfe getroffen hat. Die Möglichkeit dazu hat er aber vor allem auch deshalb, weil seine Mitspieler ihm mit bärenstarkem Shooting den nötigen Platz verschaffen.

Obwohl die Cavs in den Conference Finals mit 38,9 Prozent von Downtown merklich abkühlten, haben sie über die Playoffs gesehen mit 43,4 Prozent die beste Dreierquote in der Geschichte für NBA-Finalisten. Und das bei 14,4 Treffern pro Spiel! Selbst die Warriors (40,2 Prozent bei 12,5 Treffern) kommen gegen diese Werte nicht an.

Laut nba.com/stats sind 40,8 Prozent der Cavs-Abschlüsse in diesen Playoffs Dreier, auch das ist mit Abstand Spitzenwert. In der Regular Season waren es noch 35,3 Prozent der Abschlüsse gewesen, und das bei ziemlich mittelmäßigen 36,3 Prozent Quote.

Explosion aus vielen Gründen

Dabei kommen mehrere Faktoren zusammen, welche diese plötzliche Explosion bedingt haben. Tyronn Lue übernahm die Mannschaft bekanntlich erst in der Saisonmitte - vermutlich hat es einfach ein wenig gedauert, bis der Coach den Cavaliers seinen Stempel aufdrücken konnte. Die Offense hat sich deutlich verbessert, seitdem Lue das Zepter von David Blatt übernommen hat.

Das ist aber freilich nicht der einzige Grund. Kyrie Irving etwa hat sich nach seiner Verletzung nach und nach wieder in Form gespielt und gegenüber der Regular Season eine riesige Schippe draufgelegt. Uncle Drew legt derzeit 24,4 Punkte und 45,6 Prozent von Downtown auf, in der Hauptrunde waren es noch 19,6 und 32,1 Prozent gewesen.

Auch Channing Frye, der vor der Trade Deadline für zwei Radkappen und eine Portion Spaghetti-Eis aus Orlando gestohlen wurde, findet sich mittlerweile perfekt bei den Cavs zurecht: Seine unfassbaren 58 Prozent von Downtown (bei 3,5 Versuchen) sind der Spitzenwert für alle Spieler, die mindestens 20mal abgedrückt haben. Zudem führt der Big Man mit absurden 81,8 Prozent Effective Field Goal Percentage (gewichtete Bewertung von Zweier- und Dreierquote) die komplette Liga an.

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Dreier auf Warriors-Niveau

Kombiniert mit Kevin Love, J.R. Smith oder auch Richard Jefferson und Matthew Dellavedova hat Lue eine monströse Firepower zur Verfügung - in bisher 14 Playoff-Spielen knackten die Cavs schon sechsmal die 15-Dreier-Marke, ihre 25 Dreier aus Spiel 2 gegen die Hawks sind aktuell sogar ein Postseason-Rekord. Passenderweise hatte deren Big Man Kris Humphries danach gesagt, die Schützen der Cavs seien "auf einem Golden State-artigen Level".

Zumal die Cavs in LeBron eben auch den perfekten Fixpunkt für eine so schusswütige Offense haben. In den Playoffs haben nur Russell Westbrook und Reggie Jackson mehr Punkte durch Assists vorbereitet als LeBron (18,9), Irving liegt mit 12,9 Punkten ebenfalls in der Top 10. Das Rezept ist simpel: Lass' die Defense durch die Drives der beiden kollabieren, zieh' die Hilfe und spiel' den Pass nach draußen - Bang, um es mit den Worten von ESPN-Kommentator Mike Breen zu sagen.

Die Wurfverteilung der Cavs in den Playoffsnba.comDie NBA im Livestream bei DAZNnba

Interessant ist dabei, dass das Rezept "Vier Schützen plus LeBron" vor allem mit Bankspielern bestens funktioniert. Die Kombination aus dem King mit Dellavedova, Frye, Jefferson und Iman Shumpert ist tatsächlich sogar das potenteste Playoff-Lineup überhaupt mit mehr als 50 Minuten Einsatzzeit.

Pro 100 Ballbesitze macht diese Truppe unfassbare 46,6 Punkte mehr als der Gegner und legt dabei 26,5 Assists auf - auch das ist mit Abstand Playoff-Rekord. Hände hoch, wer beim Label "Death Lineup" als allererstes die Gesichter von Jefferson und Delly im Kopf hatte!

Auch die Starting Five aus LeBron, Kyrie, Smith, Love und Tristan Thompson hat sich in größerer Stichprobe allerdings mehr als solide verkauft und die Gegner pro 100 Ballbesitze noch um 21,4 Punkte geschlagen, was nur minimal schwächer war als das Starting Lineup der Warriors mit Harrison Barnes (22,7).

Dennoch könnte es gut sein, dass die "James Gang" mit den Bankspielern in den Finals eine noch größere Rolle einnehmen wird. Denn bei allem Respekt für Detroit, Atlanta und auch Toronto: Die Warriors-Offense ist ein anderes Biest. Und in Clevelands Starting Five stehen nominell immer noch zwei unterdurchschnittliche Verteidiger.

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An den Aufgaben wachsen

Lue hat als Coach in Cleveland bisher viel Gutes bewegt, von der Einnordung James' bis hin zur Entdeckung dieses Killer-Lineups in den Playoffs. Die Defense jedoch war bis hierhin keineswegs beeindruckend, ein Defensiv-Rating von 102,9 zugelassenen Punkten pro 100 Ballbesitzen bewegt sich im Mittelmaß der Playoffs.

Und wie gesagt: Golden State stellt offensiv ein anderes Kaliber dar als die bisherigen Gegner, das Offensiv-Rating der Dubs (109,8) ist nach dem der Cavs (116,2) das beste der Postseason. Gegen Toronto oder Atlanta konnte Cleveland die mittelmäßige Defense problemlos kompensieren, indem man vorne selbst die Lampen ausschoss - aber funktioniert das auch, wenn der Gegner ebenso potent ist?

Die größte Herausforderung Lues bisheriger Coaching-Karriere wird es sein, Love und Kyrie irgendwie so zu verstecken, dass Golden State sie nicht pausenlos attackieren kann. In den Treffen beider Teams in der Regular Season klappte das kaum, aber damals traf eben auch noch ein anderer Head Coach die Entscheidungen.

"Ein komplett anderes Team"

Gerade im Fall von Love, der aufgrund seiner Position einen größeren Schaden für die Team-Defense darstellen kann, gibt es in einigen Fällen vielleicht auch nicht die Möglichkeit ihn zu verstecken - dann darf Lue, ähnlich wie in den Conference Finals, nicht zögern, ihn in den heißesten Phasen vielleicht auch mal draußen zu lassen. Auch Irving muss nicht zwangsläufig immer den Vorzug vor Delly bekommen.

Der große Vorteil, den Lue gegenüber seinem Vorgänger hat, ist die Tatsache, dass er nun tatsächlich Optionen zur Hand hat und je nach Spielverlauf Änderungen vornehmen kann. "Wir sind ein komplett anderes Team als in der Vorsaison, weil wir diesmal Kyrie und Kevin zur Verfügung haben und Frye neu bei uns ist", bestätigte der Coach dementsprechend auch.

Auch James freut sich deutlich mehr auf diese Finals, weil er nicht die Ein-Mann-Abrissbirne geben muss wie im letzten Jahr, als seine absurden 35,8 Punkte, 13,3 Rebounds und 8,8 Assists bei weitem nicht reichten. Er hat diesmal Hilfe und musste vor allem auch noch lange nicht so viel Energie investieren wie noch im letzten Jahr.

Offense schlägt Defense?

Vielleicht setzt sich das ja auch in den Finals fort. Wenn Love und Irving im Rhythmus sind und offensiv mehr Schaden anrichten können als defensiv, hat Cleveland gute Aussichten auf seinen ersten Titel überhaupt. "Bessere Offense hat großartige Defense schon immer bezwungen", sagte James.

Das ist zwar richtig, gilt aber andersrum natürlich auch - und auch das bestätigte LeBron: "Steph und Klay sind womöglich die beiden besten Shooter, die wir jemals gesehen haben. Man kann noch so viel versuchen, aber man wird sie nicht komplett aus dem Spiel nehmen können."

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Auch damit hat er vollkommen Recht. Von den Warriors wissen wir, dass sie in den entscheidenden Situationen defensiv tatsächlich drei Gänge hochschalten können. In den letzten drei Spielen der Conference Finals hielten sie OKC bei einem Offensiv-Rating von 100,6, nachdem die Thunder in den Playoffs zuvor bei über 110 gelegen hatten.

Shootout gegen die Über-Shooter

Von Cleveland hat man eine derartige Defense noch nicht gesehen und mit diesem Personal ist es auch unwahrscheinlich, dass die Cavs dazu in der Lage sind. Insofern liegt ihre beste Chance vermutlich wirklich darin, ihr Heil in der Flucht nach vorne zu suchen.

Es gibt leichtere Aufgaben, als einen Shootout gegen die beiden besten Shooter der Welt zu gewinnen. Allerdings gibt es eben auch Gründe, dass die Warriors bei allen Buchmachern favorisiert sind - und wenn LeBron an die Finals 2015 zurückdenkt, nimmt er diese Aussicht sicherlich trotzdem gerne.

Die Statistiken in diesem Artikel stammen von nba.com/stats, ESPN und basketball-reference.com und sind auf dem Stand vom 1. Juni.

Die Finals in der Übersicht