Die Monster AG

Martin Klotz
13. Oktober 201619:29
SPOX
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Kurz vor dem Saisonstart nehmen wir die Creme de la Creme der Association unter die Lupe - abseits purer Statistiken. Wer hat das ultimative Gesamtpaket aus Offense, Defense, Leadership und Cleverness? SPOX blickt auf die Top 10 der besten Spieler.

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Platz 10

Kyrie Irving (Cleveland Cavaliers)

Ein Dreier, der die Sportwelt nicht nur in Ohio verändern sollte. In Game 7 traf Uncle Drew den wichtigsten Wurf seiner Karriere und schoss die Cavs zum Titel. Dass diesen Versuch nicht LeBron James Richtung Ring schickte, war zwar ein vorgegebenes Play, aber dennoch keine neue Hackordnung in Cleveland.

Irvings Spielübersicht ist oberste Kategorie, dennoch hat er oft nicht die Entscheidungsgewalt - dazu fehlt der Ball in seinen Händen. Er ist in der Lage, sich zu jeder Zeit einen Wurf zu kreieren oder seinem Defender Knoten in die Beine zu spielen. Vom Ballhandling die klare Nummer zwei der Association hinter Steph Curry. Allerdings verhindern seine Probleme mit dem Longball (15/16: 32 Prozent) und der schwache Wurf vom Zonenrand eine bessere Offensiv-Bewertung.

Durch den Ring-Winner hat sich Irving das Recht erkämpft, in naher Zukunft auch mal den allerletzten Wurf eines wichtigen Spiels zu nehmen, während LeBron danebensteht. Aktuell ist seine Führungsrolle durch die Präsenz des Kings naturgemäß eingeschränkt. Defensiv hat Irving sein Potenzial ausgeschöpft, doch um ein überdurchschnittlicher Defender zu sein, der gegen die Top-Spieler seinen Mann stehen kann, reichte das eben nicht.

Platz 9

James Harden (Houston Rockets)

Niemand spaltet Beobachter, Kollegen und Fans so sehr wie Harden. Während ihn die Spieler selbst 2015 bei den Player's Association Awards zum MVP und zum am schwierigsten zu verteidigenden Spieler wählten, wurde Harden dieses Jahr für nicht eines der drei All-NBA Teams berücksichtigt. Und dabei waren seine nackten Zahlen besser als in der Spielzeit zuvor (29 Punkte, 6,1 Rebounds, 7,5 Assists).

Der Bart weist die größte Diskrepanz zwischen Offense und Defense unter den Top-Stars auf. Im Eins-gegen-eins ist er quasi nicht zu halten, am eigenen Korb bekleckert er sich selten mit Ruhm. Aber nicht falsch verstehen: Harden ist nicht so grausam in der Verteidigung, wie er oft dargestellt wird. In der On-Ball-Defense hat er sich verbessert. Nach wie vor ein Problem ist aber, dass er sich von Zeit zu Zeit zurücklehnt, Rotationen verschläft oder seine Gegenspieler aus den Augen lässt.

Ebenfalls nicht auf Bestniveau sind Hardens Führungsqualitäten. Auch ihm ist es anzukreiden, wie Houston in der vergangenen Saison aufgetreten ist. Denn der Leader gibt die Stimmung vor - und auch die Art und Weise, wie mit querschießenden Akteuren (Dwight Howard!) umgegangen wird.

Die neue Rolle als Point Guard unter Mike D'Antoni wird offenbaren, wie stark Hardens Playmaking wirklich ist. In jedem Jahr steigerte er seine Assists (von 1,8 auf 7,5). Er ist noch kein Nate Archibald, aber er kratzt diese Saison an 10 Vorlagen pro Partie.

Platz 8

DeMarcus Cousins (Sacramento Kings)

Klassische Brett-Center sind in Top-10-Rankings der Neuzeit inzwischen so selten zu finden wie Nick-Young-Assists im Boxscore. Der moderne Center parkt schon fast auf der Auslinie - doch Cousins ist die Verschmelzung von beiden Ansätzen.

Boogie ist der einzige dominante Zonen-Kämpfer, den die Liga noch hat. Dazu hat er im vergangenen Jahr gezeigt, dass man sich in recht kurzer Zeit einen akzeptablen Dreier aneignen kann (33,3 Prozent). Die Quote wird weiter steigen und macht den Kings-Center noch vielseitiger, da er nun selbst gegen die besten Ringbeschützer ohne großen Aufwand punkten kann.

Die vielen Querelen der Vergangenheit haften Cousins immer noch an, zudem verläuft die Charakterentwicklung des 26-Jährigen nach dem Prinzip zwei Schritte vor, 1,9 Schritte zurück. Die Chaos-Truppe in Sacramento macht es ihm aber auch nicht gerade leicht, das Team zu führen.

In Sachen Verteidigung kommt er übers Mittelmaß nicht hinaus. Immerhin hat das Training mit dem Team USA ihm geholfen, seine Pick-and-Roll-Defense zu verbessern. Eine höheres Ranking verhinderten die oft unnötigen Turnover.

Platz 7

Paul George (Indiana Pacers)

Ganz anders sieht die Sache bei Paul George aus - an beiden Enden des Courts ist der Indy-Forward eine Macht. "LeBron für Arme" ist in diesem Fall keine Beleidigung, sondern ein Kompliment für einen der drei besten Flügelverteidiger der Liga.

PG-13 hat sich nach seiner Horror-Verletzung eindrucksvoll zurückgemeldet, auch wenn er bisher immer nur phasenweise in der Lage war, den Pacers die Richtung vorzugeben. Seine sieben versuchten Dreier pro Spiel sind kein Konzept für Team-Erfolg.

Ein wenig mehr Spielübersicht und Geduld sollte sich George auf den Trainingsplan schreiben, denn aktuell hinkt die Führung auf dem Court seinen verbalen Statements abseits des Feldes (Stichwort: MVP) etwas hinterher.

Platz 6

Russell Westbrook (Oklahoma City Thunder)

Maschine. Biest. Monster. Die Athletik und die Explosivität von Russ sind über jeden Zweifel erhaben, doch leider beziehungsweise zum Glück ist Basketball nicht nur Power. Man würde RW0 aber Unrecht tun, ihn nur auf seine - zugegeben prägendste - Fähigkeit zu reduzieren.

Westbrook steigerte seine Vorlagen im vergangenen Jahr deutlich und kam erstmals auf eine zweistellige Assist-Ausbeute (10,4). Dennoch ist spielerisch und in der Entscheidungsfindung noch Luft nach oben. Die Balance zwischen eigenem Scoring und Passing war nicht immer gegeben, zudem macht sich die Unsicherheit in spielentscheidenden Situationen gleich mehrfach in der Saison bemerkbar.

Aufgrund der Defensive gibt es noch kleinere Abzüge, da Westbrook zwar alle Fähigkeiten mitbringt, aber nicht besonders diszipliniert auftritt und mehr auf Steals spekuliert als jeder andere Spieler der Liga. Das reicht so nicht, wenn wir über die allerbesten Spieler der Liga sprechen.

Platz 5

Chris Paul (Los Angeles Clippers)

Wie ein Uhrwerk spult Chris Paul Minute um Minute auf den Courts des Landes ab. Messerscharf der Verstand, jede Spielsituation in der Entstehung lesend. Seine Dominanz in der Assist/Turnover-Ratio über die letzten zehn Jahre ist gleichermaßen erschreckend wie ungebrochen.

Zudem ist Paul mit klaren Aktionen effektiv, auch ohne vorher drei verschiedene Dribble-Moves ausgeführt zu haben. Gegen ihn spricht offensiv einzig, dass der lange Zweier und der Dreier, die er im Vergleich am schlechtesten trifft, mehr als die Hälfte seiner Würfe ausmachen. Eine etwas bessere Auswahl und er schafft es noch in den legendären 50/40/90-Klub.

Gerade in den Playoffs hat Paul mehrfach seine Clutchness unter Beweis gestellt, auch wenn die Clippers weiterhin auf den großen Wurf warten. Auf der Eins ist Paul defensiv einzig Patrick Beverley ebenbürtig.

Platz 4

Stephen Curry (Golden State Warriors)

Was? Platz 4 für den MVP? Lest erst zu Ende und urteilt dann. Keine Frage, Curry kann aus jeder noch so schwierigen Situation scoren und ist zu Recht zweifacher MVP. Er hat mit seiner Range und der Abschlussfähigkeit aus den schwierigsten Dribblings die Liga revolutioniert. Das ist alles nichts Neues.

Jetzt kommt das Aber: Es ist kein Zufall, dass die Cavs in den Finals immer wieder den von Steph verteidigten J.R. Smith zum Block zu Irving oder James schickten. Der oftmals erzwungene Switch machte den schwächsten Verteidiger im Lineup of Death der Warriors zum On-Ball-Defender.

Die fehlende Größe und Kraft machten sich hier bemerkbar. Mehr als Ligadurchschnitt ist Curry in dieser Hinsicht nicht. Aufgrund der starken Team-Defense (und der potenten Offense) fiel das im Gesamteindruck nicht großartig ins Gewicht. Doch individuell ist die D von Curry ein Faktor.

Sein spektakuläres Offensivspiel reißt auch mich immer wieder von den Sitzen, doch nimmt man auch noch die Assist-Turnover-Ratio von 2,0 hinzu, verliert Curry nochmal an Boden. Damit liegt er gerade einmal auf Rang 45 (!) von allen Spieler, die in der Saison mehr als 200 Vorlagen gegeben haben. Damit schafft er es in der Endabrechnung nicht in die absolute Elite.

Platz 3

Kawhi Leonard (San Antonio Spurs)

Da stand er. Kawhi Leonard hatte soeben von Bill Russell den MVP-Award der Finals 2014 in Empfang genommen und war eine wilde Mischung aus verdattert und im siebten Himmel. Es war ein Fingerzeig, wohin es für die Klaue gehen sollte.

Die schon damals elitäre Defense baute Leonard weiter aus und wurde zu Recht zum zweiten Jahr in Folge zum besten Verteidiger der Liga ernannt. Seine stoische Ruhe erinnert verdächtig an Tim Duncan. Innen stetig arbeitend, lässt Kawhi äußerlich nur selten einen Gefühlsausbruch zu. Der Level seiner Konzentration hebt sich von vielen Top-Stars ab.

Selbst wenn bei den Spurs im Halfcourt gar nichts mehr geht, Leonard findet fast immer einen Weg, den Spalding mit ablaufender Uhr durch den Ring zu befördern (21,2 Punkte). Unkompliziert, ohne Schnörkel - und trotz steigender Verantwortung und Aufmerksamkeit der gegnerischen Defense unfassbar effizient (50,6 Prozent FG, 44,3 Prozent Dreier).

Jede Saison steigerte er Scoring, Assists und Blocks, von denen er im Übrigen pro Spiel mehr produziert als Ballverluste (1,8 vs. 1,5). Und lasst euch gesagt sein: Die Reise für Kawhi ist noch nicht zu Ende.

Platz 2

Kevin Durant (Golden State Warriors)

Bei Gleichstand in Game 7 der Finals möchte ich, dass KD den letzten Wurf zum Sieg nimmt. Immer. Er ist mit seinem unendlichen Arsenal an Abschlussmöglichkeiten der kompletteste Offensiv-Spieler der Liga. Auch, wenn ihm der Dreier von der Mittellinie (noch) fehlt, der Größenvorteil gegenüber Curry macht ihn für mich in dieser Hinsicht zur ersten Wahl.

Durants Defensivarbeit wurde lange Jahre unterschätzt - zugegeben auch von mir. Seine laterale Schnelligkeit und die langen Arme waren in den Playoffs mehrfach das einzige, was zwischen einem gegnerischen Angreifer und dem erfolgreichen Korbabschluss stand.

Der Wechsel nach Oakland wird den Druck von Durant nehmen, sich um alles auf dem Court kümmern zu müssen. Die angespannte Beziehung zu Russ weicht dem besten Teamgefüge der Liga. Die zahlreichen offenen Würfe werden dafür sorgen, dass Durant am Ende der Saison wieder eine Rede halten muss.

Platz 1

LeBron James (Cleveland Cavaliers)

Brauchte es einen Beweis, dass LeBron James der beste Spieler der Welt ist? Ja, den brauchte es. Nach der zwischenzeitlichen Machtübernahme von KD und dem sensationellen Aufstieg von Curry meldete sich der King mit einer Postseason-Performance vom allerfeinsten auf dem Thron zurück.

Verstummt sind die Kritiker seiner Wurfauswahl, verebbt die Verurteilung des von James mitverantworteten Rauswurfs von David Blatt. Es gibt keinen besseren Leader in der NBA, das hat LBJ mit dem sensationellen Comeback in den Finals erneut unterstrichen. James' Fokus sucht seinesgleichen.

Seine Passing-Skills, sein Auge, sein Timing - nach Ende der ersten Highflyer-Jahre hat LeBron stetig andere Aspekte seines Spiels bis zur Perfektion geschärft. In den Finals Curry verteidigen? Kein Problem.

Der King ist das komplette Paket - und bis auf weiteres an der Spitze unantastbar. Dafür muss er weder 40 Minuten spielen noch weitere MVP-Awards abräumen. Doch das will er ohnehin nicht mehr. Er will nur eins: Titel.

Am Cut gescheitert

Karl-Anthony Towns, Anthony Davis, Damian Lillard, Draymond Green, Kyle Lowry, Blake Griffin und Klay Thompson.