SPOX: Shawn, Sie gehörten zu Ihrer Zeit zu den einzigartigsten Spielern der Liga. Sie konnten alle Positionen verteidigen und waren auch offensiv sehr vielseitig. Wenn man sich heute in der Liga umblickt, sind derartige Schweizer Taschenmesser überall zu finden, gerade auf der Drei und Vier. Haben Sie da einen Trend geschaffen?
Shawn Marion: Das würde ich nicht sagen, denn wenn man heute 'alle Positionen verteidigt', bedeutet das etwas ganz Anderes als zu meiner Zeit.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Marion: Richtige Post-Player kann man doch heute an einer Hand abzählen. Ich konnte tatsächlich alle Positionen verteidigen und das nicht nur gelegentlich für ein paar Minuten, sondern ganze Spiele über. Dabei half mir meine Verbissenheit - und natürlich auch meine Athletik. Aber das war ganz anders als heute. Jetzt laufen nur noch wenige echte Bigs herum, dafür sind die Positionen Eins bis Vier nahezu austauschbar. Wer diese Vier nach Switches mal übernimmt und ordentlich verteidigen kann, macht meiner Meinung nach etwas völlig Anderes als ich damals. Es gibt jetzt vielleicht zwei Spieler in der Liga, die tatsächlich das tun könnten, was ich früher tat - Draymond Green beispielsweise. LeBron James wäre auch dazu in der Lage, aber in seinem Alter und bei seiner Verantwortung in der Offensive wäre es natürlich keine gute Idee, so viel Energie zu investieren. Denn es war hart, das kann ich Ihnen sagen. (lacht)
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SPOX: Als Sie mit Phoenix Ihre beste Zeit erlebten, sahen die Power Forwards etwas anders aus als heute.
Marion: Das kann man so sagen! Es gab Dirk Nowitzki, Tim Duncan, Kevin Garnett, Chris Webber - die Jungs spielten auch noch alle in meiner Conference! Dazu kamen Leute wie Rasheed Wallace oder Karl Malone, der zwar aufs Ende seiner Karriere zuging, aber immer noch unheimlich stark und schwer zu verteidigen war. Die Vier war damals die vielleicht am besten besetzte Position in der NBA - an fast jedem Abend wartete eine Herkulesaufgabe auf mich.
SPOX: Wer hat Ihnen die meisten Probleme bereitet?
Marion: Nun, da können Sie sich eigentlich einen der 7-Footer aussuchen. Ich war 2,01 m (6'7") groß, da war es gegen keinen der Jungs leicht, die 2,13 m oder größer waren. Dirk, Duncan, KG... ich weiß es gar nicht. Sie waren alle hart für mich, aber das Team brauchte das von mir, daher habe ich es getan. Und immerhin war ich in der Offense dann ja auch zu schnell für sie und konnte punkten. Es hat sich also ausgeglichen. (lacht)
SPOX: Wussten Sie von Anfang an, dass Sie das hinkriegen würden? Oder gab es bei Ihnen auch mal Zweifel, wenn es gegen die Giganten der Liga ging?
Marion: Zweifel gab es nur von anderen. Mich hat jede Herausforderung angestachelt, die sich mir geboten hat. Umso mehr, wenn irgendjemand meinte, ich wäre einer Aufgabe nicht gewachsen. Ich hatte einfach immer riesigen Spaß am Wettbewerb, und es hat dann ja in der Regel auch ganz gut funktioniert.
SPOX: Ihre Vielseitigkeit war einer der Schlüssel für die revolutionären '7 Seconds or Less'-Suns. Heute findet man bei fast allen erfolgreichen Teams Elemente des damaligen Suns-Stils. Wird das Team für seine Pionier-Rolle ausreichend wertgeschätzt?
Marion: Ich glaube schon. Die Leute wissen, wie es angefangen hat und wo es angefangen hat. Und es stimmt, dass man überall Elemente davon sieht, aber man stellt auch immer wieder fest, dass es dafür das richtige Personal braucht. Man braucht Spieler, die kein Problem damit haben, eine Position aufzurücken und sich defensiv fürs Team zu opfern, selbst wenn man gegen jemanden ran muss, der einen Kopf größer und 40 Kilo schwerer ist als man selbst. Wenn Einstellung und Vielseitigkeit nicht gegeben sind, kannst du so viel rennen und Dreier ballern wie du willst - du wirst trotzdem nichts gewinnen.
SPOX: Sie haben in Phoenix und auch in Ihrer späteren Karriere viele verschiedene Situationen erlebt - mit sehr erfolgreichen, aber auch mit Lottery-Teams. Welches Team hat Ihnen rückblickend am meisten Spaß gebracht?
Marion: Nun, für mich repräsentiert jedes Team einen Teil meiner Karriere, deswegen haben alle eine gewisse Bedeutung. Da ich immer gewinnen wollte, waren einige Erfahrungen natürlich nicht so schön, aber ich habe aus jeder einzelnen Situation etwas gelernt und möchte sie deshalb nicht missen. Ich habe es überall genossen, Basketball zu spielen und mich mit den Besten der Welt zu messen. Aber wenn ich jetzt zurück denke, sind natürlich Phoenix und Dallas ganz vorne. Es wurmt mich noch immer, dass wir damals mit Amar'e Stoudemire, Steve Nash und mir keinen Titel gewinnen konnten. Aber das ist mir 2011 dann ja zum Glück mit den Mavs gelungen.