Braucht Dennis Schröder neue Mitspieler? Wer kann die Warriors wirklich stoppen? Und wie sieht die Zukunft von DeMarcus Cousins aus? Die SPOX-Redakteure diskutieren mit NBA-Experte Jonathan Tjarks von The Ringer.
spoxDer Draft-Jahrgang ist einer der schlechtesten der Geschichte
Jonathan Tjarks: Es ist vielleicht noch ein wenig früh, um die Rookie Class komplett zu verurteilen. Es ist sicher nicht so ein starker Jahrgang wie 2015, aber in ein paar Jahren kann man das besser einschätzen. Die Jungs vom College werden sich immer erst an die Liga gewöhnen müssen. Und noch wichtiger: Ben Simmons stand noch nicht eine Minute auf dem Court. Brandon Ingram hat auch das Potenzial, ein Großer zu werden, das deutet er bereits jetzt an. Er ist einfach noch verdammt jung, teilweise jünger als die Spieler im kommenden Draft. Er kann definitiv ein All-Star werden. Aber es stimmt schon: Die negative Wahrnehmung ist da. Das wäre sie nicht, wenn die beiden Top-Picks des Jahrgangs starke Zahlen auflegen würden.
Martin Klotz: Aber es sind ja nicht nur die Top-Picks, Jonathan. Wo ist der klare RotY-Kandidat, wenn die ersten beiden vermeintlich besten Spieler keine Rolle spielen? Wo ist der Lottery Pick, der richtig für Furore sorgt? Jamal Murray? Naja. Wo ist der Nobody, den sich jeder Spieler beim Fantasy Basketball nach den ersten Partien geholt hat und der später den Titelkampf entscheiden kann? Dorian Finney-Smith? Wohl eher nicht. Enttäuscht bin ich diese Saison bisher von No.4-Pick Dragan Bender. Von ihm hatte ich mir mehr erhofft. Er spielt zwar aufgrund der Situation bei den Suns wenig, aber auch in seinen Einsätzen hat er mich nicht überzeugt.
Jonathan Tjarks: Ich würde Bender nicht so schnell abschreiben. Klar, bei den vielen Big Men in Phoenix muss etwas passieren. Ich erwarte, dass sie bald einen Trade durchziehen. Spätestens vor der nächsten Saison. Denn Bender und auch Marquese Chriss brauchen Minuten. Zudem bin ich gespannt auf Thon Maker. Er hat für seine Größe wie Bender ein unglaubliches Skill-Set und könnte daher auf kleineren Positionen spielen und dort richtig abgehen. In einem Gespräch neulich hat Jason Terry ihn sogar mit KG verglichen. Auch, wenn sie bislang noch keine Rolle spielen, werden uns die beiden noch zeigen, wie gut der Jahrgang wirklich ist.
Martin Klotz: Aber wie beurteilen wir das denn eigentlich? Was sind denn überhaupt die schlechtesten Jahrgänge der Geschichte? Die Class von 1997 hatte zwar mit Tim Duncan einen zukünftigen Hall of Famer zu bieten, außer T-Mac und Chauncey Billups aber sonst nur Kraut und Rüben. Ist das dennoch ein guter Jahrgang? Oder was ist mit 2000? Drei All-Stars - das ist schon echt wenig.
Jonathan Tjarks: Wie wäre es mit einem anderen Ansatz, Martin? Für mich geht es eher darum, wie viele Teams durch den Draft entscheidend besser geworden sind. Das ist im Endeffekt wichtiger als individuelle Erfolge, auch wenn daran natürlich die Qualität der Spieler im allgemeinen gemessen wird.
Alex Schlüter: Um auf 2016 zurückzukommen: Ich bin bisher auch nicht wirklich überzeugt. Die Rookies, die wir bislang auf dem Court gesehen haben, waren tatsächlich eher mies. Egal in welcher Richtung - ob, bei den Top-Picks oder in der Tiefe. Ja, es ist erst ein Drittel der Saison rum und bei Leuten wie Ingram und Brown wussten die Verantwortlichen, dass sie noch nicht NBA-ready sind. Aber trotzdem: Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Domantas Sabonis hat wohl kein Neuling positiv überrascht. Und die Rookie-Wall ist ja noch nicht einmal in Sichtweite. Trotzdem glaube ich nicht, dass man in ein paar Jahren davon sprechen wird, dass dieser Jahrgang einer der schlechtesten aller Zeiten war. Der Grund dafür heißt Simmons. Die Fähigkeiten, die er am College und in der Pre-Season angedeutet hat, lassen mich fest daran glauben, dass er ein ganz Großer wird. Die NBA 2020 wird fest mit seinem Namen verbunden sein, das wird dann wohl auch seinen Draft-Jahrgang retten.
Ole Frerks: Bitter, dass Joel Embiid schon vor zwei Jahren gedraftet wurde, nicht wahr? Dann hätten wir immerhin ein transzendentes Talent in diesem Jahrgang. Ich bin auch nicht ganz so überzeugt von Simmons wie du, Alex. Sein Passing Game ist wunderschön, aber ich muss erst einmal sehen, ob ein Spieler mit so kaputtem Wurf heutzutage noch wirklich "ein Großer" werden kann. Ganz abgesehen davon, dass die Sixers im Frontcourt immer noch ein unfassbarer Chaoshaufen sind (wann befreit jemand Noel?!) und ich nicht davon überzeugt bin, dass Simmons, wenn er fit ist, die optimalen Voraussetzungen für sich finden wird. Das sind für mich schon legitime Fragezeichen. Dennoch: Es ist definitiv zu früh, den Jahrgang jetzt schon zu verteufeln. Ich bin bisher auch etwas enttäuscht, dass kaum ein Rookie wirklich Aufsehen erregt, aber das sollte sich noch ändern - wie Fran Fraschilla schon sagte: Das One-and-Done-System produziert im seltensten Fall fertige NBA-Spieler. Und ich denke schon, dass Leute wie Murray, Sabonis, Pöltl, Siakam, Dunn, Chriss, Valentine und wie sie alle heißen schon zu soliden NBA-Spielern reifen können. Abgesehen von Simmons, Ingram, Bender und Brown gibt es vielleicht nicht so viele potenzielle Stars wie in manch anderem Draft, aber wer weiß - 2013 wurde am Anfang auch viel gemeckert, jetzt sind Gobert und McCollum Max-Player und der Greek Freak ist einer der besten Spieler der Liga. Es ist einfach noch zu früh, hier alles schlechtzureden.
Jonathan Tjarks: Richtig, Ole. Aber um noch eine Sache zu Embiid zu sagen: Er hat natürlich auch Vorteile gegenüber den anderen Rookies. Vielleicht nicht unbedingt mit seinem verletzungsanfälligen Körper, aber er steht immerhin schon zwei Jahre im Roster einer Franchise. Das macht enorm viel aus. Du kennst jedes Play, erlebst den NBA-Alltag und lernst von gestanden Veteranen. Embiid hat unglaubliches Potenzial. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er diese Saison der beste Rookie sein wird. Und ich sehe die Sixers in ein paar Jahren ohne Okafor, Noel und Saric, dafür mit Simmons, Embiid und drei Shootern. Dann kann Simmons seinen starken Drive zur Geltung bringen und sein schwacher Wurf fällt auch nicht so ins Gewicht. Das könnte ein ganz besonderes Team werden.
spoxCousins sollte vor der Deadline getradet werden
Alex Schlüter: Ich kann verstehen, dass das Management der Kings in den letzten Monaten alles dafür getan hat, den offensiv besten Center der Liga zu halten. Sie waren vielleicht sogar nur 1-2 gute Trades (zum Beispiel auf der Eins) von einem klaren Leistungsschub entfernt. Wer weiß, was das mit dem Identifikationslevel von Boogie gemacht hätte. Nun sieht der Status Quo aber anders aus, und man muss sich endgültig vom Gedanken einer Vertragsverlängerung von Cousins verabschieden. Ein Trade wäre darum mehr als logisch. Die schwierigere Frage ist für mich dann eher: Welche Leute bzw. Verträge holt man sich als Gegenwert ins Haus? Das Maximum an Qualität oder kurzfristige, dicke Verträge, die man schnell wieder loswerden kann, um einen klaren Neuanfang einzuleiten? Ich tendiere zu Letzterem...
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Ole Frerks: Sacramento braucht kein Maximum an Qualität und ein Neuanfang reicht mir nicht - die Kings brauchen einen Exorzismus! Und Boogie auch. Wobei ich mich in seinem Fall langsam wirklich frage, ob es nicht schon zu spät ist. Ich bin und bleibe Boogie-Fan, aber seine Aktionen in der letzten Zeit waren selbst für seine Verhältnisse extrem und ich weiß nicht, ob er seine schlechten Angewohnheiten und die wirklich erbärmliche Körpersprache nochmal ablegen kann, wenn er bei einem echten NBA-Team landen sollte. Ich hoffe aber, dass wir es bald herausfinden. Sacramento kann jetzt noch wirklich was für ihn bekommen, im Idealfall einen Haufen Picks und den einen oder anderen jungen Spieler (Boston? Denver?). 2018 kann er abhauen und wird das auch tun, also wäre jetzt der Zeitpunkt. Und was Boogie betrifft: Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass er beim richtigen Team wie damals Rasheed Wallace oder Zach Randolph die Kurve kriegt, nur eben mit viel mehr Talent. Der Mann könnte von den Fähigkeiten her ein Top-5-Spieler sein und der bisherige Verlauf seiner Karriere ist für mich fast schon tragisch. Ich als Celtics-Fan würde mir einerseits wünschen, dass Boston das Risiko eingeht und ihn holt, gleichzeitig hätte ich aber auch große Angst davor. Vielleicht käme seine "Rettung" wirklich schon zu spät.
Jonathan Tjarks: Kann ich gut verstehen, Ole. Es ist wirklich eine harte Entscheidung für jedes Team, ob man überhaupt versuchen soll, Cousins zu bekommen. Und noch schwieriger ist es für die Kings. Sie sind schon so lange so schlecht. Wenn sie Boogie traden, müssen sie damit leben, noch drei oder vier Jahre unten drin zu stecken. Und das ist nur das Best-Case-Szenario, wenn ihre Draft-Picks einschlagen. Ich verstehe, warum sie sich bisher gescheut haben, ihn abzugeben. Aber sie müssen es tun. Man hat fast das Gefühl, dass sie seit 2015 schon damit rechnen, ihn abgeben zu müssen. Warum hätten sie sonst Cauley-Stein und Papagianis draften sollen? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Boogie 2018 einen neuen Vertrag unterschreibt und seine gesamte Karriere bei einem schwachen Team bleibt. Und seine Aura ist nicht positiv. Ich habe ihn gerade vor wenigen Tagen beim Spiel in Dallas gesehen und er wirkt nicht so, als würde er gern in Sacramento sein. Er will gewinnen, das will jeder.
Martin Klotz: Natürlich kann man nicht riskieren, dass so ein Talent wie Cousins in eineinhalb Jahren ohne Gegenwert geht. Aber es sind eben auch noch eineinhalb Jahre. Da kann einiges passieren. Und die Kings sollten versuchen, ihn zu halten. Trotz der Sonne Kaliforniens ist Sacramento nun mal kein Ziel für Top Free Agents. Wenn das Management seine Grabenkämpfe beendet und die Franchise konstruktiv nach vorn bringt, gelingt es vielleicht, ihn zu halten. Dafür braucht es zwei Dinge. Erstens: Die Kings müssen alles tun, was Cousins will. Ok, fast alles. Zweitens: Das Team um Boogie herum muss so verbessert werden, dass er eine Perspektive sieht. Im Sommer einen der starken Point Guards draften (Ball, Fultz, Smith, Fox), zwei gute, verfügbare Flügelspieler mit Geld bewerfen (Allen, Porter, Caldwell-Pope, Gallinari) und ein bis zwei Big Men in einem sinnvollen Trade gegen Qualität eintauschen. Dann bleibt Cousins.
spoxNur der eigene Kopf kann die Warriors stoppen
Ole Frerks: Ich würde die These wie folgt erweitern: Nur der eigene Kopf, die eigenen Knochen und vielleicht LeBron James können die Warriors stoppen. Im Westen sehe ich tatsächlich momentan kein Team, dass die Warriors in voller Stärke schlagen könnte. Die Clippers haben einen riesigen Dubs-Komplex, wie man kürzlich wieder sehen konnte, die Spurs nicht das richtige Personal - still und heimlich ist Tony Parker einer der schlechteren Starting Point Guards der Liga geworden, so leid mir das tut. Houston ist aufgrund seiner Offense immer gefährlich, aber über eine Serie gesehen werden die defensiven Defizite nicht zu kompensieren sein. Utah hätte theoretisch die Möglichkeit, aber nicht die Gesundheit, um mit den Warriors mitzuhalten. Es ist leider einfach offensichtlich, dass die Dubs mehr Talent haben als alle anderen und schon jetzt unglaublich gut zusammenspielen. Mittlerweile haben sie ja sogar auch schon das zweitbeste Defensiv-Rating - von wegen Schwachstelle! Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass Golden State und Cleveland für mich die einzigen echten Contender sind und ich sehe keinen Grund, an der Aussage etwas zu ändern. Stand jetzt wären bei einem weiteren Re-Match für mich die Warriors ganz klar die Favoriten. Und ich sage auch für den Christmas Day einen mehr oder weniger deutlichen Dubs-Sieg voraus.
Jonathan Tjarks: Auf das Spiel bin ich auch gespannt, Ole. Die große Frage wird sein: Was kann LeBron gegen dieses Warriors-Team reißen? Am neugierigsten bin ich ehrlich gesagt auf ein mögliches Playoff-Duell gegen Utah. Die Jazz sind diese Saison ein bisschen tiefer und sind das einzige Team, das fünf richtig gute Verteidiger auf den Court stellen kann. Die Spurs sehe ich nicht in der Position, Golden State zu schlagen. Die alten Männer Gasol und Parker können die Offensive der Dubs nicht in einer Sieben-Spiele-Serie stoppen. Houston finde ich zwar ebenfalls stark und so wie Harden momentan spielt, sind sie ein harter Brocken. Aber wie sollen die Rockets beispielsweise Ryan Anderson auch nur eine Minute spielen lassen? Dazu haben die Warriors einfach zu starke Waffen in der Offensive. Ich glaube aber nicht, dass es für Houston reichen kann.
Alex Schlüter: Kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen. Ein Team wie Golden State, das so viele Wahnsinns-Schützen im Kader hat, kann sich grundsätzlich nur selbst stoppen. Aber es ist vielleicht eher das Handgelenk als der eigene Kopf, um nochmal auf die These zurückzukommen. Für jeden Herausforderer wird die Aufgabe sein, in genau den Spielen, in denen bei den Dubs die Würfe nicht so fallen, wie gewünscht, die eigenen Stärken aufs Feld zu bringen. Das heißt im Klartext: Big Men, die den Warriors mit Scoring und offensive Rebounding wehtun können. Eiskalte Transition, die Ballverluste von Curry und Co. bestrafen. Die Cavs haben solche Waffen, die Spurs vielleicht auch.
Martin Klotz: Es gibt noch etwas, das den Warriors schaden kann: Es hört auf den Namen Draymond Green. Die Bezeichnung "Es" ist in diesem Fall wirklich manchmal angebracht, bei dem animalischen Trieb, den Green ab und zu an den Tag legt. Ich bewundere, dass er es an so vielen Abenden schafft, die Warriors mit seiner unbändigen Energie nach vorn zu peitschen und dabei nicht die gesamte Halle abzureißen. Aber leider findet er nicht immer die Balance, vor allem, wenn es die Gegner gezielt darauf anlegen, ihn zu provozieren. Und das erwartet ihn in den Playoffs in jedem Spiel. Wir alle haben gesehen, wie der Rauswurf und die Sperre Greens - und anschließend seines Selbstbewusstseins und seiner Identität - die Dubs die Finals gekostet hat. Ohne Bogut ist Green noch einmal wichtiger geworden. Er darf sich keinen Ausrutscher leisten. Sonst könnte es böse enden für Golden State. Einen Durant- oder Thompson-Ausfall kann das Team mal verkraften, dann nehmen einfach die anderen Splash Brothers mehr Würfe. Aber Green kann niemand ersetzen.
Jonathan Tjarks: Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Green ist der MVP im Team der Warriors. Er macht jeden anderen Spieler besser, in der Defense und in der Offense. Betrachtet man das Talent, müssen die Warriors einfach der Favorit auf den Titel sein. Man sollte meinen, dass die Erfahrung aus den Finals Draymond ihn hat reifen lassen. Seine letzten Aktionen lassen nicht unbedingt darauf schließen, aber da müssen wir wohl bis zu den Playoffs warten.
Martin Klotz: Warten müssen wir wohl auch, um herauszufinden, ob Golden State häufiger Probleme gegen gute Defensiven wie zuletzt gegen die der Grizzlies hat. Die Tatsache, dass sie in fast jedem Spiel mit ihrer Offense souverän durchkommen, sehe ich noch als möglichen Stolperstein in Richtung Championship. Das wird in einer Serie gegen Memphis oder Cleveland ganz anders sein. Und es ist nicht unbedingt ein Vorteil, das im ganzen Jahr kaum simulieren zu können.
Jonathan Tjarks: Da bin ich anderer Meinung, Martin. Die Warriors werden in den Playoffs eher noch besser sein. Dort wird Green eine noch größere Rolle spielen als in der Regular Season, da Steve Kerr viel häufiger Small Ball mit ihm auf der Fünf spielen lassen wird. Vielleicht sogar mit Kevin Durant auf der Fünf. Und das werden wir bis April nicht sehen. Dieses Lineup bereitet der gegnerischen Defense so viele Schwierigkeiten, dass ich nicht mal sicher bin, ob es dafür überhaupt ein Gegenmittel gibt.
spoxPhil Jackson will seinen Abschied erzwingen
Alex Schlüter: Phil Jackson ist sicherlich ein sehr intelligenter Mensch, der viele Dinge mit Kalkül sagt und tut. Er ist aber auch ein Mann mit Stolz und Ehre - der Kerl hat mehr Ringe gewonnen als er tragen kann, so jemand wählt nicht einen solchen Weg, um sich vorzeitig aus dem Staub machen zu können. Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen.
Ole Frerks: Es ist schon was dran, dass bei Jax eigentlich noch nie etwas ohne Kalkül passiert ist. Der Typ hat Kobe in seinem Buch als "untrainierbar" bezeichnet und danach noch zwei weitere Meisterschaften mit ihm gewonnen, um nur eins von etlichen Beispielen zu nennen. Früher hat er sich aber wenigstens nur auf seine eigenen Spieler konzentriert, jetzt pinkelt er ja nicht nur Melo, sondern auch dem mächtigsten NBA-Spieler, LeBron James, ans Bein. Meiner Meinung nach ist er dabei ganz klar übers Ziel hinausgeschossen. Aber war vielleicht auch das kalkuliert? Will er Melo soweit verärgern, dass der seine No-Trade-Klausel verstreichen lässt und einem Trade zustimmt, damit Phil die Knicks um Porzingis aufbauen kann? Will er seine Kündigung erzwingen, damit er eine Abfindung bekommt und danach ganz entspannt wieder zu seiner Verlobten Jeannie Buss ziehen kann, der die Lakers gehören? Mich würde bei Jackson ehrlich gesagt nichts überraschen. Die Alternative wäre wohl, dass er die Zeichen der Zeit einfach nicht verstanden hat und nicht realisiert, dass die heutigen Superstars etwas mächtiger sind als in den 90er Jahren.
Martin Klotz: Und noch etwas scheint Jackson nicht verstanden zu haben: Das Spiel ist inzwischen ein anderes geworden. Man kann nicht einfach alte Erfolgs-Konzepte aus der Schublade holen und sie über ein neues Team stülpen, samt Coach wohlgemerkt. Kein Wunder, dass die Triangle Offense auf wenig Gegenliebe in New York stößt. Außerdem war die Verpflichtung von Joakim Noah einfach nicht zeitgemäß. Mit so einem Spieler gewinnst du in einer Small Ball Liga keinen Blumentopf mehr.
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Jonathan Tjarks: Schauen wir uns mal Jacksons Resumee in New York an: Er hat Porzingis gedraftet, das war die einzig wirklich wichtige und vollkommen richtige Entscheidung. Alles andere sind nur Nebengeräusche, auch die Wortgefechte mit Melo und LeBron. Jackson hat das Problem, dass er Anthony nicht traden kann. Ich würde es übrigens sofort tun, wenn ich könnte. So sind die Knicks aber erst einmal gefangen, da Porzingis erst 21 Jahre alt und New York aktuell noch nicht gut genug ist, um ein Contender zu sein. Das wird sich erstmal nicht ändern, bis namhafte Free Agents kommen wollen. Aktuell ist das ja nicht der Fall. Man muss sich nur mal vor Augen führen, dass die Knicks Noah 18 Mio. pro Jahr anbieten mussten, damit er kommt. Diesen Deal muss man Jackson ankreiden. Noah verdrängt Kristaps von der Fünf und Carmelo von der Vier, obwohl das eigentlich das beste Lineup der Knicks ist. Grundsätzlich wird sich die Gesamtsituation in New York erst aber erst einmal nicht ändern, wenn Melo nicht überraschend die Reißleine zieht. Auch nicht durch einen Weggang von Jackson. Und ob die Lakers für ihn noch einmal eine Option sind, das wird sicherlich davon abhängen, ob sich Jim und Jeannie Buss irgendwann einigen, wer die Franchise führen soll.
spoxDie Hawks brauchen einen Trade
Alex Schlüter: Im Vergleich zu anderen Franchises, ist das Team der Hawks eigentlich relativ ordentlich zusammengestellt. Das Problem, dass mir in den miesen Wochen mit all den Niederlagen am meisten aufgefallen ist: Sie haben das Spiel nicht so gespielt, wie sie es mit dem Personal, das sie haben, spielen sollten. Mit Horford ist ein intelligenter Big an gegangen, mit Schröder ein - im besten Fall enorm aggressiver Point Guard - in die Starting Five gekommen. Wenn man im Sommer diese Moves macht, dann muss man das Zepter aber auch komplett in Schröders Hände geben. Coach Budenholzer hat die Spielzüge aber so gut wie gar nicht angepasst, Dennis war dadurch viel zu oft ein passiver Ballverteiler. Ich habe das Gefühl, dass sich das jetzt geändert hat. Coach Bud sagt weniger Spielzüge von außen an, lässt Schröder mehr spontan aus dem Pick-and-Roll kreieren. Dennis ist jetzt selbst viel präsenter, was den Hawks enorm gut tun. Daher sehe ich aktuell keinen Druck, einen neuen Spieler zu holen.
Ole Frerks: Die Entwicklung von Schröder ist der Lichtblick in Atlanta, ganz klar. Perfekt ist das natürlich noch nicht, aber ich denke, dass er sich auf einem sehr guten Weg befindet. Abgesehen davon finde ich die Aussichten der Hawks allerdings nicht so rosig. Howard ist nach starkem Saisonstart zwar immer noch solide, aber wieder etwas auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Millsap ist die gewohnte Bank und einer der komplettesten Spieler der Liga. Aber sonst? Korver ist alt, Bazemore meilenweit von seiner Contract-Year-Form entfernt, wahnsinnig viel junges Talent ist im Kader nicht vorhanden. In welche Richtung soll das gehen? Die Hawks sind bei weitem kein Contender, aber auch zu gut für einen Pick, der sie wirklich weiterbringt. Ich würde daher versuchen, den Tradewert von Millsap und vielleicht auch Korver zu testen.
Martin Klotz: Das wäre auch mein Vorschlag. Ein Millsap-Trade würde für mich am meisten Sinn ergeben. Er kann im Sommer aus seinem Vertrag aussteigen und nachdem man schon Horford ohne Gegenwert verloren hat, darf das bei Paule nicht nochmal passieren. Ich überlege gerade, welchem Team Millsap derart helfen könnte, dass sie bereit sind, Atlanta dafür ein vernünftiges Angebot zu machen.
Ole Frerks: Wie wäre es mit Toronto? Jemand wie Millsap könnte das Loch auf der Vier stopfen und der Trade würde die Raptors direkt in Schlagdistanz zu den Cavs bringen. Ein guter Vierer ist alles, was in Kanada fehlt. Auch Korver könnte bei einem Contender mit seinem Shooting immer noch eine wichtige Ergänzung sein. Spontan fallen mir da die Grizzlies ein. Als Trade-Material könnten beide Atlanta mehr bringen als jetzt, da die Hawks auch mit ihnen höchstens gutes Mittelmaß darstellen und sich mitten im Niemandsland befinden. Die teuren Verträge von Howard und Bazemore haben den Hawks natürlich einiges an Manövrier-Spielraum genommen, aber mit ein paar Trades könnte man mittelfristig die richtigen Voraussetzungen schaffen, um das Team sinnvoll(er) um Schröder aufzubauen. In der jetzigen Form jagen die Hawks einfach niemandem Angst ein.
Jonathan Tjarks: Bazemore ist erst 27 Jahre alt, unwahrscheinlich, dass er sein Mojo komplett verloren hat. Wie viele Jahre gute Korver noch hat? Eher weniger. Ich würde noch ein paar Wochen warten, vielleicht bis zur All-Star Break. Ich würde das Team in seiner jetzigen Zusammenstellung noch nicht aufgeben, auch wenn sie - das muss man sagen - in den letzten Wochen wirklich furchtbaren Basketball spielen.
Martin Klotz: Wohl wahr, Jonathan. Wenn man sich schon dafür entscheidet, auf das 1-5 Pick-and-Roll mit Schröder und Howard zu setzen, dann ist das Zauberwort "Spacing". Und davon hatte Atlanta aufgrund der schwachen Shooter einfach Null Komma Null. Das fehlende Ball Movement und das Flügelproblem sind die Uraschen für die Krise, aber da die Hawks weder Bazemore (neuer Vertrag) noch Sefolosha (bester Verteidiger) abgeben können, bleibt außer einem Trade nur eins: Die Jungs müssen einfach performen. Punkt. In den vergangenen Jahren hat Mike Budenholzer die Franchise zu einem Pass-First-Team gemacht, davon ist man mit der Entscheidung pro Schröder abgewichen.
Jonathan Tjarks: Man könnte sagen: Atlanta hat seine Identität verloren. Betrachtet man das große Ganze, war es vielleicht nicht die beste Entscheidung, sich in diese Richtung zu entwickeln. Aber in dem Moment, in dem sich Horford für Boston entschieden hat, hatte Atlanta keine andere Wahl mehr, als Howard zu holen und damit den Spielstil zu verändern. Schröder macht bisher einen Super-Job und sowohl er als auch die anderen Jungs brauchen natürlich Zeit, um sich an das neue Konzept anzupassen. Dennis ist erst 23 Jahre alt und dafür hat er schon eine große Verantwortung. Es macht Hoffnung, dass sein Jumper deutlich besser geworden ist. Aber es hat es als Point Guard, der am besten besetzten Postion in der Liga, nicht einfach. Er muss noch besser darin werden, die Spieler um sich herum besser zu machen. Das ist der Unterscheid zwischen einem durchschnittlichen und einem wirklich guten Spielmacher. Ich bin sehr gespannt, wohin Schröder dieses Team führen kann.