And the Oscar goes to… Kevin Love

Martin Klotz
12. Juni 201715:37
Kevin Love steht im Schatten von LeBron James und Kyrie Irvinggetty
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Kevin Love spielt bärenstarke Finals. Im Schatten der Protagonisten der Cleveland Cavaliers, LeBron James und Kyrie Irving, nimmt davon aber kaum jemand Notiz. Dabei glänzt er nicht nur als Shooter, sondern auch in der Verteidigung. In Spiel 5 (ab 3 Uhr live auf DAZN) könnte sich Love trotz der Abschieds-Gerüchte eine Auszeichnung sichern - auf die das Team noch hofft.

Die nötigen Zutaten für einen guten Hollywood-Streifen zu finden, ist gar nicht so schwer. Man nehme einen prominenten Superstar und besetze mit ihm die Hauptrolle. Dazu sucht man sich noch einen Co-Star, der auf dem aufsteigenden Karriere-Ast ist, aber an der Seite eines Top-Stars noch hin und wieder die zweite Geige spielt.

Nicht zu vergessen natürlich die Darsteller der bösen Widersacher, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Möglichst unterschiedlich wäre wünschenswert, jeder mit eigener Waffe. Und wenn man es sich leisten kann, darf es auch gern ein hochkarätiges Quartett sein.

Fehlt nur noch eine einzige Zutat zum Kassenschlager: ein kauziger Nebendarsteller. Einen, der dem Team Flair verleiht. Der nicht in jeder Szene zu sehen ist, aber in den richtigen Momenten von außen in die Story grätscht. Einen, den die Leute lieben. Auftritt Kevin Love.

Love im Schatten

Ungeachtet der großen Stories über LeBron James, Kyrie Irving und Kevin Durant, die um das Rivalen-Duell Golden State vs. Cleveland geschrieben werden, hat sich der nominelle Nebendarsteller Love im Schatten der Superstars zum Oscar-Kandidaten gemausert.

Nach einem schwachen Spiel 3 war er beim Cavs-Sieg in Spiel 4 der entscheidende Mann der Anfangsphase. Mit 14 Punkten war er Topscorer des historischen ersten Viertels (49 Punkte).

Kevin Love steht im Schatten von LeBron James und Kyrie IrvinggettyIn diesen zwölf Minuten gewann Cleveland das Spiel. Der Unterschied zwischen beiden Teams in den restlichen drei Vierteln betrug lediglich fünf Punkte.

"Wir haben den ersten Schlag gesetzt und das hat den Ton für das Spiel angegeben", sagte Love anschließend: "Das hat alle mitgezogen, auch die Zuschauer. Davon konnten wir zehren."

Dreier-Rekord dank Love

Insgesamt kam der Big Man auf 23 Punkte, seine 6 Dreier waren ein Viertel der Rekord-Ausbeute des Teams. In der Serie steht Love nun bei 18,5 Zählern und 11,5 Boards, einer Dreierquote von 43 Prozent sowie 2,8 Steals und einem Block im Schnitt.

Vor allem die Quote von Downtown ist gegenüber der Regular Season (37 Prozent) deutlich gestiegen. Die linke Ecke ist inzwischen zum absoluten Lieblings-Spot von Love geworden, von dem er in Spiel 4 alle seine vier Dreier-Versuche verwandelte. Das war nicht immer so.

In seiner gesamten Rookie-Saison bei den Minnesota Timberwolves netzte Love lediglich zwei Mal vom Perimeter. Seitdem ist der Anteil seiner Dreier bezogen auf all seine Würfe in jeder Saison gestiegen. Von 2,8 auf 44,9 Prozent.

Der Wechsel nach Cleveland vor drei Jahren hatte daran natürlich großen Anteil, doch einiges war anders - unter anderem Set und Kulisse. Alle drei Jahre stand Love mit den Cavs in den Finals, in seiner Zeit bei den Wolves erreichte das Team nicht ein einziges Mal überhaupt die Playoffs.

Cleveland: Kompletter Rollentausch

Die neue Rolle als Nebendarsteller war Love - im wörtlichen Sinne - nicht auf den Leib geschneidert. Er musste ordentlich schuften, um die 15 Kilo Übergewicht loszuwerden, die er für seine letzte Anstellung als bulliger Star-Samson in Minnesota auf den Rippen hatte.

Es dauerte eine Weile. David Blatt hatte Schwierigkeiten, Love richtig einzusetzen. Die Bezeichnung "Fehlbesetzung" stand im Raum. Tyronn Lue machte es zwar besser, doch der neue Regisseur war nicht allein für den zunehmenden Erfolg verantwortlich. Love verstand, dass er den Anforderungen seiner neuen Rolle auch körperlich gerecht werden musste.

Er war nicht länger der brettnahe Center, der sich gegen die Fünfer mit Kraft und Technik durchsetzen musste und gelegentlich mal einen Wurf von draußen nahm. Er war ein Shooter. DER Shooter. Der wichtigste Shooter, der den Erfolg des Duos James/Irving erst möglich machte.

Love: Ernährung als Schlüssel

Ehrgeiz war notwendig, stundenlanges Extra-Wurftraining, eiserne Disziplin. Love stellte seine Ernährung komplett um, engagierte einen Nahrungsmittel-Experten. Teilweise nahm er auf Auswärtstrips eigene Verpflegungs-Pakete mit. "Er isst wie eine 80-jährige Oma", sagte Richard Jefferson über Loves Diäten.

Zu Beginn kam Love überhaupt nicht mit dem neuen Gewicht klar. "Im ersten Jahr in Cleveland habe ich mich viel zu dünn gefühlt. Ich dachte damals, ich könnte vielleicht ein echtes Sixpack haben", verriet er GQ: "Aber auf dem Court hat es nicht funktioniert."

Im Kraftraum baute er seinen Körper auf und füllte die Leere mit Muskelmasse. Endlich fühlte er sich wohl in seiner Haut. Die strikte Ernährung behielt er bei, auch wenn es nicht immer einfach war.

"Sie sind halt Snobs"

"Eines meiner Laster ist Rotwein", sagte Love: "LeBron und einige andere Jungs haben immer welchen da. Sie sind halt Snobs - und das dürfen sie auch sein." Love lehnte dennoch immer ab - und es zahlte sich aus.

Endlich kann sich der 28-Jährige besser bewegen, in den Finals 2017 ist das besser zu sehen denn je. Seine Rolle als wichtigster Sidekick in der von der Stärke LeBrons und Kyries abhängigen Offense verlangt von ihm, dass er sich abseits des Balls in die bestmögliche Position bringt.

Nur so können ihn Clevelands Protagonisten für den Dreier finden. Und bei der starken Perimeter-Defense der Warriors kann jede Zehntelsekunde entscheidend sein.

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Love: Solide als Kompliment

Hin und wieder, vor allem zu Beginn des Spiels, suchen die Cavs ihren besten Big Man im Post. Früher war das Mittel seiner Wahl nach dem Post-up oft eine direkte, körperlich Aktion zum Korb. Heute kramt Love in solchen Situation deutlich öfter einen Bankshot aus dem Rucksack. Setzt er dann mal zum Counter-Move Richtung Ring an, ist der kaum zu verteidigen.

Doch lediglich die verbesserte Offense von K-Love zu loben, wäre zu wenig. Sein besseres Kampfgewicht ermöglicht es ihm nun auch, etwas schneller auf den Beinen zu sein.

Zwar ist er im Verhältnis zu den anderen neun Akteuren auf dem Court noch immer langsam, doch dank der Fußarbeit ist seine D einen Level aufgestiegen. "Solide" ist das neue Prädikat des Verteidigers Kevin Love. Und das kann für Cleveland das Zünglein an der Waage sein.

Wenn er dann noch gelegentlich wie in alten Zeiten einen Offensiv-Rebound abgreift sowie einen Fastbreak mit seinem gefürchteten einhändigen Outlet-Pass einleitet, ist das ein Bonus für die Cavs. Und noch wirkungsvoller als Donuts für die Filmcrew.

Trade und Neuanfang?

Dennoch: Der positiven Entwicklung zum Trotz gibt es bereits jetzt Gerüchte, dass Love bald vielleicht nicht mehr in Ohio beheimatet sein könnte.

Unterliegt Cleveland in den Finals, wird eventuell eine Veränderung nötig sein, um den King zufriedenzustellen. Der Anspruch von James an das Cavs-Management ist in jedem Jahr glasklar: Der Titel muss möglich sein.

Angesichts der Dominanz der Dubs wäre das mit dem aktuellen Cast nicht zwangsläufig gewährleistet. Der Austausch von Love wäre dabei die einzig mögliche Veränderung, die tiefgreifend genug ist und gleichzeitig finanziellen Spielraum für eine prominente Neuverpflichtung zuließe.

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Cavs: Und täglich grüßt der Rückstand

Aber noch ist es nicht so weit. Nach dem 0-3 Rückstand haben die Cavs den ersten Schritt zum historischen Comeback gemacht. Nun sind sie - zumindest den Zahlen nach - in der gleichen Situation wie im vergangenen Jahr.

"Wir haben das alles schon einmal erlebt", so Love: "Wir wissen, dass jede Saison anders ist, jede Playoff-Serie, jedes Spiel. Aber wir sind ein Team, das niemals aufgibt. Wir schreiben uns nicht ab."

Nach Meinung vieler Beobachter haben die Cavs am Freitag ihre Niederlage lediglich um ein paar Tage herausgezögert. Das Aufbäumen in Spiel 4 kam zu spät - und sowohl Geschichte als auch Wahrscheinlichkeitsrechnung geben ihnen Recht.

Love: Oscar schon sicher

Bei den anfänglichen Shooting-Problemen von Klay Thompson und den inkonstanten Leistungen von Draymond Green könnte sich Love den Oscar in der Kategorie "Bester Nebendarsteller" der Serie mit einem weiteren starken Auftritt schon sichern.

Und selten, ganz selten, wird nicht nur im Film-Business, sondern auch in der NBA irrationale Hoffnung belohnt. Selbst wenn der Sieger der wichtigsten Trophäe bereits auf großer Bühne verkündet wurde und schon zur Dankesrede ansetzt.

Das Playoff-Bracket im Überblick