Cleveland ist der große Verlierer der Offseason
Alex Schlüter: Das ist, Stand jetzt, wirklich sehr schwer zu sagen. Es kriselt definitiv gewaltig bei den Cavs, ob sie wirklich DER Verlierer der Offseason sind, wird sich erst zeigen, wenn klar ist, was mit Kyrie Irving passiert. Grundsätzlich ist es aber wirklich komisch, was da in den letzten Wochen lief. Ich habe das Gefühl, dass die Finals-Niederlage den Cavs-Spieler und -Verantwortlichen deutlich mehr zugesetzt hat als von vielen (auch mir) vermutet. Ich fand die Situation eigentlich gar nicht so schlimm. Schließlich haben die Cavs in den letzten Jahren enorm erfolgreichen Basketball gespielt. Sind wir ehrlich, sie haben die Eastern Conference nach Belieben dominiert und einen Titel geholt. Darum habe ich schon die mehr oder weniger klaren Verstärkungs-Forderungen von James und Irving nicht verstanden. Dieses Team jetzt hart auseinanderzureißen, um eventuell, aber eben wirklich nur eventuell, die Chance auf einen Finalsieg gegen die Dubs zu erhöhen? Das geh ich nicht mit! Wenn das Band zwischen Irving und James jetzt aber tatsächlich unflickbar zerschnitten ist, dann führt wohl kein Weg an einem Umbruch vorbei. Zu schwarz würde ich die Situation aktuell aber auch nicht malen wollen. Sie haben mit Irving einen lukrativen Tradebaustein und damit die Chance eine gute Ergänzung zu James und Love zu holen. Carmelo aus New York? Puh, dann wären sie DER Verlierer der Offseason. Ein Young-Gun aus dem Timberwolves-Kader? Mal sehen, ob dann alles so viel schlechter wird als bisher. Das Management ist jetzt gefragt und muss clever handeln - schade nur, dass David Griffin diese Aufgabe nicht mehr übernehmen kann.
Thomas Werner: Aus meiner Sicht macht die Trade-Forderung von Kyrie Irving die Situation der Cavaliers noch ein Stück verzwickter. Sie werden jetzt nicht nur von Kyrie, sondern auch von LeBron, der sich von seinem Mitspieler hintergangen fühlt, ordentlich Druck bekommen, einen Deal einzufädeln, da beide nicht mehr zusammen spielen wollen. Dazu kommt, dass die Konkurrenz um die Situation weiß und die Cavs damit erpressbar sind. Das birgt die Gefahr, auf Deals einzugehen, die sie unter anderen Umständen niemals gemacht hätten. Und das macht die Aufgabe für das neue Front Office deutlich schwieriger. Auf der anderen Seite: Bei den Teams, die Kyrie favorisiert - also Spurs, Timbervoles, Heat und Knicks - sind durchaus interessante Trade-Assets zu finden. Aktuell sehe ich die Situation der Cavaliers aber eher gefährlich als alles andere. Im Osten werden Sie auch nach einem Trade noch immer als das dominante Team sein, aber die Chancen, den Titel zu holen, sind - egal, wer sich im Westen durchsetzt - nicht besonders gut.
Martin Klotz: Ich bin immer noch ziemlich geschockt von der ganzen Aktion. Auf der einen Seite der Liga verzichten die großen Stars auf Kohle, um weiterhin zusammenspielen zu können, auf der anderen Seite sind die Egos anscheinend so groß, dass man nicht weiterhin gemeinsam auf dem Court stehen kann. Hat Kyrie Angst, zu wenig Spuren zu hinterlassen? Die Cavs hatten das Finals-Abo auch für die nächsten Jahre gebucht - eben so lange LeBron im Team ist. Und sie waren nur einen Trade davon entfernt, die Warriors wieder ernsthaft herausfordern zu können. Stattdessen haben wir nun Kindergarten total. Trotzdem könnte Cleveland mit einem cleveren Move doch noch die komplette Katastrophe abwenden. Der neue GM Koby Altman hat gleich mal eine Mammut-Aufgabe vor sich, denn der Deal bestimmt seine gesamte weitere Karriere - und die Zukunft der Cavs. Daher wird er sicherlich keinen Trade übers Knie brechen. Irving ist auch noch zwei Jahre unter Vertrag. Dementsprechend sollten die Cavs auch erstmal die Zeit für sich arbeiten lassen. Genügend Angebote werden schon ins Haus flattern. Also: Stand jetzt ist Cleveland der große Verlierer. Sie haben es aber selbst noch in der Hand, das zu ändern.
Ole Frerks: Ich würde nicht sagen, dass die Cavs es jetzt noch drehen können. Klar, wenn sie den Wolves Towns aus dem Kreuz leiern können, wäre das anders. Aber das ist nun mal nicht realistisch - die realistischen Trades, die Cleveland geholfen hätten, sind eben schon vom Tisch. Butler, George, Chris Paul. Durch das Timing seiner Forderung hat Kyrie den Cavs jetzt schon massiv geschadet. Dabei hätten sie das kaum gebraucht. Mit der Posse um Griffin hatte Gilbert vorher ja schon bewiesen, dass er immer noch nichts gelernt hat und LeBron einfach so lange provoziert, bis dieser nächsten Sommer wieder abdampft. Ein toller Schachzug auch, sich mit Donald Trump ablichten zu lassen. Mal sehen, was mit Irving passiert, aber für mich sind die Cavs ein klarer Verlierer. Mit den Neuzugängen Cedi Osman, Jose Calderon und Jeff Green verringert man den Abstand zu Golden State sicherlich nicht. Mit Irving muss man jetzt vielleicht noch die bestmögliche zweite Option neben LeBron abgeben. Und ich bin relativ sicher, dass James nächsten Sommer dann auch weg ist. Es ist ja nicht so, als würde Gilbert ihm die Entscheidung schwer machen.