"DSJ hat den Wow-Faktor"

Ole FrerksMartin Klotz
25. Juli 201721:19
NBA
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Die Free Agency hat einige Fragen aufgeworfen - und die wollen beantwortet werden! In der neuen Ausgabe der Triangle Offense diskutieren die SPOX-Redakteure mit Thomas Werner, stellvertretender Chefredakteur der BASKET, und Alex Schlüter, NBA-Kommentator auf DAZN. Wie sieht die Zukunft von Dennis Schröder in Atlanta aus? Was passiert gerade in Cleveland? Wer wird Rookie of the Year, welcher Move war der Wichtigste des Sommers und wer beerbt die Warriors?

Cleveland ist der große Verlierer der Offseason

Alex Schlüter: Das ist, Stand jetzt, wirklich sehr schwer zu sagen. Es kriselt definitiv gewaltig bei den Cavs, ob sie wirklich DER Verlierer der Offseason sind, wird sich erst zeigen, wenn klar ist, was mit Kyrie Irving passiert. Grundsätzlich ist es aber wirklich komisch, was da in den letzten Wochen lief. Ich habe das Gefühl, dass die Finals-Niederlage den Cavs-Spieler und -Verantwortlichen deutlich mehr zugesetzt hat als von vielen (auch mir) vermutet. Ich fand die Situation eigentlich gar nicht so schlimm. Schließlich haben die Cavs in den letzten Jahren enorm erfolgreichen Basketball gespielt. Sind wir ehrlich, sie haben die Eastern Conference nach Belieben dominiert und einen Titel geholt. Darum habe ich schon die mehr oder weniger klaren Verstärkungs-Forderungen von James und Irving nicht verstanden. Dieses Team jetzt hart auseinanderzureißen, um eventuell, aber eben wirklich nur eventuell, die Chance auf einen Finalsieg gegen die Dubs zu erhöhen? Das geh ich nicht mit! Wenn das Band zwischen Irving und James jetzt aber tatsächlich unflickbar zerschnitten ist, dann führt wohl kein Weg an einem Umbruch vorbei. Zu schwarz würde ich die Situation aktuell aber auch nicht malen wollen. Sie haben mit Irving einen lukrativen Tradebaustein und damit die Chance eine gute Ergänzung zu James und Love zu holen. Carmelo aus New York? Puh, dann wären sie DER Verlierer der Offseason. Ein Young-Gun aus dem Timberwolves-Kader? Mal sehen, ob dann alles so viel schlechter wird als bisher. Das Management ist jetzt gefragt und muss clever handeln - schade nur, dass David Griffin diese Aufgabe nicht mehr übernehmen kann.

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Thomas Werner: Aus meiner Sicht macht die Trade-Forderung von Kyrie Irving die Situation der Cavaliers noch ein Stück verzwickter. Sie werden jetzt nicht nur von Kyrie, sondern auch von LeBron, der sich von seinem Mitspieler hintergangen fühlt, ordentlich Druck bekommen, einen Deal einzufädeln, da beide nicht mehr zusammen spielen wollen. Dazu kommt, dass die Konkurrenz um die Situation weiß und die Cavs damit erpressbar sind. Das birgt die Gefahr, auf Deals einzugehen, die sie unter anderen Umständen niemals gemacht hätten. Und das macht die Aufgabe für das neue Front Office deutlich schwieriger. Auf der anderen Seite: Bei den Teams, die Kyrie favorisiert - also Spurs, Timbervoles, Heat und Knicks - sind durchaus interessante Trade-Assets zu finden. Aktuell sehe ich die Situation der Cavaliers aber eher gefährlich als alles andere. Im Osten werden Sie auch nach einem Trade noch immer als das dominante Team sein, aber die Chancen, den Titel zu holen, sind - egal, wer sich im Westen durchsetzt - nicht besonders gut.

Martin Klotz: Ich bin immer noch ziemlich geschockt von der ganzen Aktion. Auf der einen Seite der Liga verzichten die großen Stars auf Kohle, um weiterhin zusammenspielen zu können, auf der anderen Seite sind die Egos anscheinend so groß, dass man nicht weiterhin gemeinsam auf dem Court stehen kann. Hat Kyrie Angst, zu wenig Spuren zu hinterlassen? Die Cavs hatten das Finals-Abo auch für die nächsten Jahre gebucht - eben so lange LeBron im Team ist. Und sie waren nur einen Trade davon entfernt, die Warriors wieder ernsthaft herausfordern zu können. Stattdessen haben wir nun Kindergarten total. Trotzdem könnte Cleveland mit einem cleveren Move doch noch die komplette Katastrophe abwenden. Der neue GM Koby Altman hat gleich mal eine Mammut-Aufgabe vor sich, denn der Deal bestimmt seine gesamte weitere Karriere - und die Zukunft der Cavs. Daher wird er sicherlich keinen Trade übers Knie brechen. Irving ist auch noch zwei Jahre unter Vertrag. Dementsprechend sollten die Cavs auch erstmal die Zeit für sich arbeiten lassen. Genügend Angebote werden schon ins Haus flattern. Also: Stand jetzt ist Cleveland der große Verlierer. Sie haben es aber selbst noch in der Hand, das zu ändern.

Ole Frerks: Ich würde nicht sagen, dass die Cavs es jetzt noch drehen können. Klar, wenn sie den Wolves Towns aus dem Kreuz leiern können, wäre das anders. Aber das ist nun mal nicht realistisch - die realistischen Trades, die Cleveland geholfen hätten, sind eben schon vom Tisch. Butler, George, Chris Paul. Durch das Timing seiner Forderung hat Kyrie den Cavs jetzt schon massiv geschadet. Dabei hätten sie das kaum gebraucht. Mit der Posse um Griffin hatte Gilbert vorher ja schon bewiesen, dass er immer noch nichts gelernt hat und LeBron einfach so lange provoziert, bis dieser nächsten Sommer wieder abdampft. Ein toller Schachzug auch, sich mit Donald Trump ablichten zu lassen. Mal sehen, was mit Irving passiert, aber für mich sind die Cavs ein klarer Verlierer. Mit den Neuzugängen Cedi Osman, Jose Calderon und Jeff Green verringert man den Abstand zu Golden State sicherlich nicht. Mit Irving muss man jetzt vielleicht noch die bestmögliche zweite Option neben LeBron abgeben. Und ich bin relativ sicher, dass James nächsten Sommer dann auch weg ist. Es ist ja nicht so, als würde Gilbert ihm die Entscheidung schwer machen.

Der nächste Rookie of the Year heißt...

Ole Frerks: ... Lonzo Ball. Ich weiß nicht, ob Lonzo der mit Abstand beste Spieler sein wird, ich weiß aber, dass er mehr im Fokus stehen wird als alle anderen Rookies. Und natürlich wird er dabei nicht alles perfekt umsetzen, aber verdammt noch mal, diese Pässe sind unterhaltsam und das Narrativ passt einfach: ein überdurchschnittlich großer Point Guard, der mit mächtig Flair spielt und den Fastbreak liebt - klingelt da etwas? Lonzo wird nicht Magic Johnson sein, aber er dürfte mit Sicherheit dazu hochstilisiert werden. Das ist meiner Meinung nach schon ein sehr großer Teil der Miete. Und auch statistisch wird es passen, was beim Rookie of the Year bekanntlich auch nicht unwichtig ist. Schon in der Summer League gelangen ihm zwei Triple-Doubles, wo normalerweise nie jemand Triple-Doubles auflegt. Die Dinger haben letzte Saison die MVP-Wahl entschieden. Um es ganz kurz zu machen: Ich habe in den vergangenen Jahren kein großes Interesse an Spielen der Lakers gehabt, in der nächsten Saison werden sie ein Top-3-League-Pass-Team für mich sein, zumindest am Anfang. Ich will einfach sehen, wie dieser Junge sich schlägt, zumal er von Tag eins an das Gesicht dieser Lakers sein wird. Da hat LaVar ganze Arbeit geleistet.

Alex Schlüter: Man muss ja immer vorsichtig sein, mit dem Hype, den es gibt, wenn Rookies zum ersten Mal in der Summer League auftreten. Trotz aller Vorsicht haben wir, da bin ich sicher, dieses Jahr tolle Rookies, vor allem auf den Draft-Positionen eins bis drei. Tatum hat tolle Skills, auch wenn er in Boston nicht ganz so viel Spielzeit bekommen wird wie zum Beispiel Ball in LA. Das wird eine aufregende Geschichte bei den Lakers, da bin ich bei dir, Ole. Auch wenn sich bei seiner Wurftechnik jedes Lehrbuch angewidert zuklappt. Ich denke, dass er nicht enttäuschen wird. Auch Markelle Fultz wird in Philly für Aufsehen sorgen. Trotzdem setze ich auf seinen Teamkollegen. Mein RotY heißt Ben Simmons! Stichwort Hype: Den gab es im letzten Jahr bis zu seiner Verletzung auch um Simmons, der in der Summer League vor allem gezeigt hat, über welch beeindruckende Playmaking-Skills er als Small Forward verfügt. Nach dem, was ich zuletzt von ihm gesehen habe, ist er auch körperlich wieder in einer guten Verfassung. Nun ist klar, dass er natürlich erstmal fit bleiben muss, aber wenn dem so ist, wird Simmons sich aber wunderbar mit Joel Embiid und auch Fultz ergänzen. Demgegenüber hat er den Vorteil, dass er - wenn auch passiv - schon eine komplette NBA-Saison miterleben konnte. Er kennt das Business, die Reisen und PR-Termine. Das ist nicht zu unterschätzen, wir können ja mal bei Embiid nachfragen.

Martin Klotz: Nee, Alex, die Sixers werden sich selbst gegenseitig die Spielanteile weg nehmen. Der Process himself will die Kirsche genauso wie Simmons - meistens hat sie aber erstmal Fultz. Und Dario "is never coming over" Saric möchte auch hier und da mal punkten. Also wird es weder Simmons noch Fultz. Jayson Tatum hat das Problem, dass er von der Bank kommen wird. Stattdessen setze ich auf Dennis Smith Jr.! Als Mavs-Fan kann ich endlich mal wieder von einem Spieler schwärmen, ohne mich dabei lächerlich zu machen. Er hat zwar mit Rick Carlisle einen Coach, der übermütige Rookies gerne bremst, aber DSJ wird seine Freiheiten bekommen und die nötigen Stats auflegen. Auf die Wurfquote schaut ohnehin niemand bei der Wahl zum RotY. Es geht um Stats und Highlights. Und sein großer Vorteil: DSJ hat den Wow-Faktor. Seine Dunks waren neben Balls Assists das Spektakulärste, was in den letzten Wochen über die Social Media Kanäle geflimmert ist. Ich freue mich schon darauf, wie DSJ Ball mit aufs Poster nehmen wird. Booyah!

Thomas Werner: Für mich spielen noch ein paar mehr Dinge eine Rolle als nur das Spielerische. Nach dem, was ich am College von De'Aaron Fox gesehen habe, erwarte ich einiges von dem Jungen. In Sacramento ist er direkt die erste Scoring-Option. Mit seiner Schnelligkeit und seinem Drive kann er viel ausrichten und gibt dem Team eine neue Dimension. Fultz sehe ich aufgrund der Situation in Philly auch eher unwahrscheinlich. Er wird dennoch gut performen. Auf Ball bin ich aber auch wirklich gespannt. Und wenn die Lakers eine erfolgreiche Saison spielen, wird natürlich gleich alles Lonzo zugeschrieben. Ist ja klar. Daher könnte es auch Ball werden. Aber bei den Kings schultert Fox gleich von Anfang an die volle Verantwortung - das könnte letztlich den Ausschlag geben.

Schröder bleibt nicht mehr lange bei den Hawks

Alex Schlüter: Das glaube ich im Moment überhaupt nicht. Zunächst einmal aus seiner Sicht: Dennis fühlt sich in Atlanta sehr wohl. Er hat sein Haus, seine eigene Bar und einen Haufen guter Jungs, mit denen er abseits der Arena Zeit verbringt. Das ist eine Komfort-Zone, die ihm sehr, sehr wichtig ist, das darf man nicht unterschätzen. Und aus Teamsicht: Er ist jetzt das Gesicht der Hawks, auch wenn er sicher gern weiter mit Millsap und auch Howard gespielt hätte, er versteht schon, welches Vertrauen und auch welche Verantwortung das mit sich bringt. Seine Usage-Rate wird noch einmal deutlich nach oben gehen. Auch wenn es einige gute Guards im Osten gibt, würde ich jetzt nen Zwanni drauf setzen, dass Dennis im kommenden Jahr Allstar wird! Die Hawks haben sich für einen harten Umbruch entschieden, das ist in diesem Sommer mehr als deutlich geworden. Sie sind qualitativ einer der klaren Absteiger der Offseason, aber sie haben sich eben auch für Dennis an der Spitze der Franchise entschieden. Wenn er in den nächsten zwei Jahren keinen übergroßen Titelhunger bekommt, dann sehe ich ihn noch eine ganze Weile in Atlanta.

Ole Frerks: Ich finde das nicht so leicht einschätzen, weil es ja nicht in seiner Hand liegt und ich noch nicht genau weiß, ob der neue GM Travis Schlenk ein ebenso großer Schröder-Fan ist wie Mike Budenholzer. Dennis selbst kann ja nicht wahnsinnig viel machen, da seine Rookie-Extension jetzt erst einsetzt und er theoretisch bis 2021 an die Hawks gebunden ist. Ich frage mich aber schon, wieviel Spaß er in der nächsten Saison haben wird - sicherlich wird er statistisch eine Schippe drauflegen, aber wie wird er damit umgehen, dass die Hawks auf einmal ein Verlierer-Team sind? Dieses Szenario kannte er bisher nicht. Da glaube ich dann auch nicht, dass er sich darum reißt, das Gesicht des Teams zu sein, wenn das Team mies ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass ihn das früher oder später frustriert, spätestens nächste Saison. Bei den Hawks wiederum bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob sie ihn aktuell "brauchen" - sie wollen ja komplett neu aufbauen und Schröder ist gut, aber für mich keiner, um den man ein Team aufbaut. Zumal er auf der am besten besetzten Position der Liga spielt. Daher denke ich, dass sie ihn beim richtigen Angebot auf jeden Fall ziehen lassen würden und vielleicht wäre das auch für beide Seiten das Richtige. Was die Wette angeht, Alex - die ist hiermit angenommen!

Martin Klotz: Meine Bedenken halten sich in Grenzen, zumindest in Bezug auf nächste Saison. Dass die Hawks keinen Blumentopf gewinnen werden, ist klar. Aber Dennis wird es wichtig sein, jetzt zu zeigen, dass er nach dem Abschied der vier Allstars die Rolle des Go-to-guys ausfüllen kann. Dementsprechend hungrig nach Stats wird er sein und Siege dürften in seiner Prioritätenliste jetzt erst einmal nicht ganz oben stehen. Er hat die Kugel und damit kann er (noch) richtig schnell sein. Das muss er ausnutzen. Die Richtung der Hawks ist zwar klar erkennbar, aber ich sehe noch keinen konkreten Plan, wie man aus dem Loch wieder rauskommen will, wenn man einmal drin hockt. Bazemore und Plumlee stehen wie Schröder langfristig unter Vertrag und verschlingen mehr Geld als nötig. Eine FA-Destination ist Atlanta nicht. Der Rebuild wird also dauern. Die drei zusätzlichen Draftpicks in den kommenden beiden Jahren sind alle geschützt (Top-3 bzw. zwei Mal Top-14) und bis man den Spieler gefunden hat, um den man aufbauen möchte, werden noch einige Jahre ins Land gehen. So lange wird Dennis nicht warten. Er muss zusehen, dass er für andere Teams interessant wird.

Thomas Werner: Ich denke auch, dass Dennis in den nächsten Jahren nicht viel Freude haben wird. Und die Situation, nicht in die Playoffs einzuziehen, kennt er noch nicht. Er hat eigentlich nur gute Zeiten bei den Hawks miterlebt. Dennis ist ein Erfolgsmensch und ich denke, dass ihn das nicht lange zufriedenstellen wird. Wenn Atlanta den Rebuild komplett durchziehen will, bin ich mir nicht sicher, dass er der Franchise-Player sein soll. Und Schröder will früher oder später wieder Gewinnen. Aber ich will mal nicht ganz so Schwarzmalen wie du, Martin. Schröder hat bei den Hawks zumindest die Möglichkeit, zu sagen, was er möchte. Vielleicht suchen die Hawks dann ja sogar einen für ihn sinnvollen Trade. Deutlich besser wäre es allerdings, wenn er das Team gut anführt und Atlanta auch ohne Einzug in die Playoffs überraschen kann. Bei den entsprechenden Statistiken könnte sich das auch positiv auf die Karriere von Dennis auswirken.

Die Lakers werden Golden States Thronfolger

Thomas Werner: Die Lakers haben in der Offseason einen sehr guten Job gemacht. Der Draft war mit Ball, Kuzma und Hart richtig stark, zumal Ball wirklich die Ikone werden kann, die die Fans jetzt schon in ihm sehen. Magic, Kobe, Shaq - und jetzt Ball. Warum soll er nicht die Reihe weiterführen? L.A. braucht diesen Typen, der Glanz versprühen kann. Den haben sie jetzt. Drum herum steht eine talentierte Mannschaft mit Entwicklungspotenzial, die Ausgangssituation stimmt schon mal. Über die Jahre muss sich dann ergeben, wie die Puzzleteile am besten zueinander passen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Theorie auch umsetzbar ist. Es hängt vieles von einigen wenigen Entscheidungen ab, die Hälfte des Teams ist ja auch gute Trade-Masse. In zwei Jahren ein solch dominantes Team wie Golden State aufzubauen, das jetzt drei Jahre in Folge den Westen gewonnen hat, dazu gehört aber mehr als nur die richtige Grundlage zu haben.

Alex Schlüter: Ich bin nicht gerade ein Lakers-Fan, aber irgendwie fände ich es ja doch schön, wenn die Franchise in naher Zukunft wieder um den Titel mitspielen könnte. Das gehört zu einer richtigen NBA einfach irgendwie dazu. Nur passieren wird es so bald halt leider nicht. Ball wird dem Team wieder Strahlkraft verleihen. Auch Lopez macht das Team klar besser. Und dennoch fehlt den Lakers noch so enorm viel, zum Beispiel drei oder vier Spieler, die verteidigen können. Aber es ist ja selbst den größten LALA-Optimisten klar, dass mit diesem jungen Team noch nichts zu holen ist. Die Hoffnung kann nur sein, dass die Lakers einen Status erreichen, der sie für einen ganz dicken Fisch interessant macht. Im besten Fall hört der auf den Namen LeBron. Russell wäre auch okay. Selbst mit einem Topstar würde ich aber andere Teams als größere Herausforderer für die Warriors sehen. Bis L.A. wirklich ein Titelaspirant ist, werden noch einige Jahre vergehen. Um also auf die These zurückzukommen: Die Lakers werden Golden State ganz sicher nicht vom Thron stoßen. Wenn die Warriors aber irgendwann vor Altersschwäche vom Thron runterrutschen, dann könnten die Lakers tatsächlich so weit sein, den Platz einzunehmen.

Ole Frerks: Ich gebe zu, dass hier viel Spekulatius gebacken wird, aber ich kann es mir tatsächlich vorstellen. Nächstes Jahr wird sowieso niemand am Thron rütteln, wahrscheinlich auch im Jahr darauf nicht. Aber dann wird Klay Thompson Free Agent und könnte zu teuer werden, Andre Iguodala und Shaun Livingston sind zudem eine Runde älter. Natürlich bleiben die Dubs ein formidables Team solange Durant, Curry und Green da sind, aber sie werden nicht auf ewig so unschlagbar sein können. Und dann kommt wieder der Faktor LeBron ins Spiel. Ich habe ja schon gesagt, dass ich glaube, dass er Cleveland verlässt - und ich denke, dass Los Angeles das nächste Ziel sein wird. Gemeinsam mit Paul George und einem weiteren Star X. Wenn sich Ball und Brandon Ingram entsprechend entwickeln, ist dieses Szenario realistischer als es auf den ersten Blick wirken mag. Einen Teil ihres Glanzes haben die Lakers tatsächlich schon zurück - das muss man Magic Johnson und Rob Pelinka wirklich zugestehen.

Martin Klotz: Ihr lehnt euch da für meinen Geschmack ein wenig zu weit Richtung Hollywood, Jungs. Nicht nur die Lakers werden 2019 bzw. 2020 gut sein. Ich sehe die Sixers und die Wolves auch mit einer guten Chance. Das Problem bei Minnesota: Man hat keine Erfahrung mit Superstars und ich bezweifle, dass sie auf dem Weg zum Titelaspiranten alles richtig machen werden. Ich vermute daher eher, dass sie 18/19 eine grandiose Saison spielen, aber dann doch noch nicht tough genug sein werden und nicht wissen, wie das "echte Gewinnen" letztlich geht. Aber vielleicht 2020. In Philly bin ich mir aufgrund der Charaktere unsicher. Sind die Herren Embiid, Simmons und Fultz menschlich Ring-Material? Ihnen fehlt es an der nötigen Ernsthaftigkeit, die man nur reinholen könnte, wenn ein gestandener Anführer ins Team käme. So jemand wie LeBron. Sollte er zu den Lakers gehen, werden Ball und Ingram spuren, ohne mit der Wimper zu zucken. Das macht enorm etwas aus. Ich bin gespannt, ob die Wolves oder Sixers es so weit bringen wie es ihr Potenzial es ihnen ermöglichen könnte. Denn verlieren die Warriors 2019 ein bisschen an Qualität, sind andere Teams wieder auf Augenhöhe. Und dann kann alles passieren.

Ole Frerks: Der Faktor LeBron ist wirklich krass. Das einzige Team, das wirklich eine Chance gegen die Warriors haben will, muss eigentlich LeBron haben. Einerseits braucht man das Star-Kollektiv, aber auch den Leader, der vorweg geht. Das kann kein anderer Spieler in der Liga wie James. Das fehlt übrigens auch den Celtics, die neben den Wolves und Sixers auch in einer guten Ausgangsposition sind. Aber was Philly angeht, habe mich schon letzte Saison geweigert, irgendwelche Prognosen hinsichtlich Joel Embiid abzugeben. Ich will ihn weiterhin nicht jinxen.

... war der wichtigste Move des Sommers

Alex Schlüter: Ich nehme Gordon Hayward. Hayward zurück zu Brad Stevens, das passt ja so gut, dass es schon fast kitschig ist. Ich glaube, dass er unter seinem Ziehvater Stevens nochmal einen Schritt machen kann. Für Boston ist er als Scorer, der sich vor allem einen eigenen Wurf kreieren kann, enorm wichtig. Das wird Isaiah Thomas sehr entlasten und macht das Team offensiv nicht mehr so leicht ausrechenbar. In den Playoffs wurde überdeutlich, dass genau hier das größte Problem von Boston liegt. Ich bin gespannt, wie Brad Stevens seine Rotationen im Laufe der Saison entwickelt. Wenn es blöd läuft, nimmt Hayward Top-Rookie Tatum wichtigen Platz, um sich zu entfalten. Wenn es gut läuft, dient Hayward Tatum als anschauliches Beispiel dafür, wie man die Small-Forward-Position effizient ausfüllt. Obwohl, von festen Positionsbezeichnungen hält Stevens ja sowieso nicht viel. Ich würde mich also nicht wundern, wenn wir Hayward und Tatum in der kommenden Saison auch regelmäßig gemeinsam auf dem Feld sehen. Ach so, warum ich nicht Chris Paul gewählt habe? Weil die Celtics mit Hayward den Schritt zu einem echten Finals-Kandidaten geschafft haben. Genau das sehe ich bei Chris Paul und den Rockets nicht.

Martin Klotz: Da bin ich anderer Meinung, Alex. Nach dem Trade für Paul sind die Rockets für mich die klare Nummer zwei im Westen und damit Finals-Kandidat. San Antonio ist nicht besser geworden. Und das Wichtigste: Falls das Zusammenspiel mit Harden perfekt funktioniert - und ich sage bewusst falls (und nicht wenn) - dann hat Houston von allen Teams als einziges das Potenzial, bei den Dubs an die Tür zu klopfen. Durch diesen Move haben die Rockets die Chance, den Warriors annähernd auf Augenhöhe zu begegnen. Und das will bei der aktuellen Lage der Liga schon etwas heißen. Das kann kein anderes Team nach dieser Offseason von sich behaupten. Dazu war es ein echter Schocker, der die NBA enorm aufgerüttelt hat. Wann hatten wir das zuletzt? Also vor Kyrie...

Thomas Werner: Ich sehe bei all den großen Moves auch Spielraum für Zweifel. Bei CP3 hast du die Abstimmung mit Harden angesprochen, Martin. Bei Hayward ist es gut für Boston, dass sie ihn bekommen haben. Ob er aber nun der echte Wunschspieler der Celtics gewesen ist, weiß ich nicht. Auch die vermutliche Leihe von Paul George in Oklahoma City ist mit Vorsicht zu genießen. Für mich noch wichtiger war, dass die Warriors mit Durant und Curry verlängert haben. Auch, wenn man das nicht direkt als Move bezeichnen kann. Sie werden immer besser harmonieren und damit erhalten die Warriors ihre Stärke. Auch Jimmy Butler wird die Wolves sehr stark voranbringen. Und er war verdammt günstig. Im vergangenen Jahr konnte Minnesota das Potenzial, was sie hatten, nicht in Siege umsetzen. Das sollte jetzt mit Butler anders werden.

Ole Frerks: Es ist ja alles schön und gut, was die Teams in der Offseason gemacht haben. Ich bin gespannt auf CP3 und James Harden, ich habe Bock auf Jimmy Buckets in Minnesota, freue mich auf High-Low mit Millsap und Jokic und zähle die Tage, bis zum ersten Mal durchsickert, dass Paul George von Russell Westbrook genervt ist oder andersrum. Als Celtics-Fan bin ich natürlich auch heiß auf Hayward in Boston. Aber ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, Thomas: Der wichtigste Move der Offseason war nicht die Unterschrift von KD, sondern sein Gehaltsverzicht. Dadurch war Golden State in der Lage, nicht nur alle wichtigen Leute zu bezahlen, sondern mit Swaggy P und Omri Casspi sogar noch an Qualität dazuzugewinnen. Kombiniert man das damit, dass KD und Curry nächste Saison noch besser zusammen funktionieren dürften, lässt sich folgendes ableiten: Die Dubs werden noch besser werden. Und sie profitieren enorm davon, dass weder Cleveland bisher noch San Antonio, also die beiden größten Konkurrenten, in dieser Offseason einen großen Move getätigt haben. Deswegen fällt mein Fazit der Offseason wie folgt aus: Es war spannend und hat Spaß gemacht, zu sehen, wie alle GMs nach Lösungen suchten, mit denen sie die Warriors ärgern könnten, und dieses Wettrüsten geht ja vermutlich noch weiter. Bisher ist aber keine Kombination gefunden worden, der ich diesen Schritt zutraue - wegen Durants Verzicht. Nächstes Jahr werden die Karten neu gemischt.