Am Ende seiner zweiten NBA-Saison geht Jakob Pöltl mit den Toronto Raptors höchstwahrscheinlich als Top-Seed der Eastern Conference in die Playoffs. SPOX sprach mit dem Österreicher über die Stärke der Raptors-Bank und das mögliche Duell mit LeBron James.
Zudem erklärte Pöltl, wie sich die NBA in seiner zweiten Saison verändert hat und welche Rolle die Aussagen von DeMar DeRozan innerhalb der Liga spielen könnten.
SPOX: Jakob, Glückwunsch erstmal zu dieser wirklich guten Saison - wenn Sie jetzt ein Fazit ziehen, was ist als Sophomore der größte Unterschied zu Ihrem Rookie-Jahr?
Jakob Pöltl: Vielen Dank. Das ist nicht so leicht zu beantworten. Für mich persönlich macht die Erfahrung, die ich mittlerweile gesammelt habe, alles etwas einfacher, was mit Basketball zu tun hat. Es gibt ja dieses Klischee, dass je länger man spielt, das Spiel ein Stück weit langsamer wird, und bis zu einem gewissen Grad trifft das sicherlich zu. Es wird leichter, die richtigen Entscheidungen zu treffen, ich fühle mich ein bisschen freier auf dem Court und das erleichtert mir alles andere. So einfach das klingt, die Erfahrung ist einfach der Schlüssel.
SPOX: Sie hatten in dieser Saison schon einige individuell auffällige Spiele, beispielsweise gegen die Warriors, als Sie 11 Offensiv-Rebounds holten und Kevin Durant Sie danach als "Biest" bezeichnete. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Pöltl: Wir hatten in dem Spiel ein paar Verletzungsprobleme - Jonas Valanciunas hat nicht gespielt und es war daher klar, dass wir nicht so tief besetzt waren wie sonst auf den großen Positionen. Die Warriors wiederum spielen ja sehr oft mit eher kleineren Lineups, weil sie ihre Stärken beim Wurf und im Fastbreak damit ausspielen wollen. Ich habe das mehr oder weniger als Challenge gesehen: Na gut, wenn ihr da mit vier oder fünf Kleinen auf dem Court steht, dann hole ich mir dafür so viele Rebounds wie möglich. So ungefähr bin ich dann auch aufgetreten und das hat mich und das ganze Team ein bisschen gepusht. Aufgrund der Energie ist da ein wirklich gutes Spiel zustande gekommen. Wir haben leider knapp verloren, aber das war trotzdem ein sehr lustiges Spiel.
gettySPOX: Haben Sie das Gefühl, dass Sie mittlerweile auch eher auf den Scouting-Bögen der Gegner auftauchen, etwa mit der Stärke beim Offensiv-Rebound? Planen gegnerische Teams für Sie?
Pöltl: Ich gehe schon davon aus, dass ich irgendwo auf dem Bogen auftauche. Wobei ich bezweifle, dass sie ihre Defense auf mich einstellen. (lacht) Ich habe offensiv ja keine tragende Rolle bei uns. Aber ich sehe das nicht als Nachteil. Die Räume und den Platz, den ich dadurch bekomme, versuche ich einfach immer zu nutzen.
SPOX: Was waren abgesehen von dem Warriors-Spiel bisher die Highlights für Sie in Jahr zwei?
Pöltl: Meine Lieblingsspiele waren immer die, in denen wir von der Bank komplett das Duell für uns entschieden haben. Das erste Spiel gegen Cleveland zum Beispiel, da haben wir von der Bank einfach die ganze Zeit Vollgas gegeben und entscheidend zum Sieg beigetragen. Das ist im Laufe der Saison ja einige Male so passiert - daran erinnere ich mich definitiv gerne zurück.
SPOX: Toronto hat in dieser Saison wahrscheinlich die beste Bank der Liga. Warum funktioniert der Bench-Mob so gut?
Pöltl: Es hängt stark damit zusammen, dass wir einfach immer mit großer Energie spielen und Vollgas geben. Uns ist klar, dass das unsere Stärke ist und dass vielleicht nicht jedes Team so tief besetzt ist. Wir haben vier ganz junge Spieler im Bank-Lineup, die natürlich nicht viel Erfahrung in der NBA haben, aber das wettmachen, indem sie umso härter spielen und beispielsweise über das ganze Feld verteidigen, um die Gegner zu frustrieren. Unsere Hartnäckigkeit zeichnet uns aus.
Die Statistiken von Jakob Pöltl
Saison | Minuten | Punkte | Rebounds | Blocks | FG% |
16/17 | 11,6 | 3,1 | 3,1 | 0,4 | 58,3 |
17/18 | 18,3 | 6,6 | 4,7 | 1,2 | 64,3 |
SPOX: Der vielleicht wichtigste Bankspieler ist dabei der ungedraftete und bis vor wenigen Monaten fast komplett unbekannte Fred VanVleet. Hätten Sie jemals kommen sehen, dass so eine gute Saison in ihm steckt?
Pöltl: Jein. Ich habe grundsätzlich gewusst, dass Fred diese Fähigkeiten hat, aber dass für ihn alles so gut zusammenläuft, hätte ich nicht kommen sehen. Das ist schon eine tolle Geschichte. Er stand nie oben auf dem Zettel irgendwelcher Scouts und wurde beim Draft wirklich von allen Teams übersehen, aber er hat nie aufgegeben, obwohl er sich immer härter durchkämpfen musste als jeder andere. Und dieses Jahr war es im Prinzip wieder genau das Gleiche. Am Anfang wurde er nicht wirklich respektiert, aber er hat das von Spiel zu Spiel immer wieder bestraft und sich durchgesetzt. Er hat die Gegner sozusagen dazu gezwungen, sich auf ihn vorzubereiten, und er ist auch damit zurechtgekommen, als sie das dann versucht haben.
SPOX: Es gibt ja immer wieder Stimmen, die sagen, dass in den Playoffs die Rotationen schrumpfen und die Bank daher nicht mehr so wichtig ist. Wie sehen Sie das?
Pöltl: Zunächst einmal: Selbst, wenn wir in der Postseason reduzierte Minuten spielen sollten, haben wir unseren Job in der Regular Season schon dadurch erfüllt, dass unsere Starter viel mehr Pausen bekommen haben als in den letzten Jahren, ohne dass Spiele dadurch verloren gingen. Und ich glaube auch, dass wir gut genug sind, um auch in den Playoffs eine gute Rolle zu spielen. Es werden dort ohnehin diejenigen eingesetzt, die gut drauf sind, ob das nun die Starter sind oder wir von der Bank. Die Rotation ist da natürlich nicht so wichtig wie die Zielsetzung, dass wir das jeweilige Spiel gewinnen.
SPOX: Mit welchem Gefühl gehen Sie generell in die Postseason? Toronto wird die kompletten Ost-Playoffs über Heimvorteil haben ... Denken Sie: "Wir haben die beste Saison gespielt" oder schon "Wir sind das beste Team"?
Pöltl: Puh, auch das ist keine leichte Frage. Ich denke, dass wir eine sehr gute Saison gespielt haben, aber im Endeffekt geht es natürlich darum, wer in den Playoffs seine Leistungen bringen kann. Wir sind da trotz der Bilanz nicht das klassische "Team to Beat", das ist für mich immer noch Cleveland, und darum geht es für uns. Wir wollen uns Schritt für Schritt immer näher an die Finals kämpfen. Wir haben das Potenzial dafür und ich würde uns im Moment auch als das beste Team im Osten bezeichnen. Aber letztendlich geht es eben darum, dass wir an den Cavaliers, den Celtics und wem auch immer tatsächlich vorbeikommen.
SPOX: Im letzten Jahr wirkte es beinahe, als wäre LeBron James das Gespenst der Raptors. Wie nehmen Sie das wahr? Hätte das Team ausreichend Selbstbewusstsein, wenn es nun erneut gegen die Cavs gehen würde?
Pöltl: Am Selbstbewusstsein scheitert es sicher nicht. Das Problem ist eher, dass LeBron James einer der besten Spieler aller Zeiten ist, auf jeden Fall der beste Spieler unserer Ära. Er weiß einfach genau, wie er in den Playoffs noch einen Zahn zulegen kann. Ein Team mit ihm ist automatisch schwer zu verteidigen, ganz egal, wer da noch auf dem Court steht. Er ist einfach so stark und macht zudem seine Mitspieler so viel besser. Dementsprechend wäre es sicher keine einfache Serie, wenn wir auf die Cavaliers treffen würden. Aber ich bin trotzdem zuversichtlich, dass wir sie auch schlagen könnten.
SPOX: Schaut man während der Saison darauf, was bei diesem "Team to Beat" aus Cleveland in der Saison los ist? Kriegt man die ganzen Turbulenzen mit oder schauen Sie eher nur auf sich?
Pöltl: Man bekommt es natürlich schon mit, wie es bei anderen Teams läuft, wer Verletzungsprobleme hat, Trades einfädelt, und so weiter. Dass die Cavs eine turbulente Saison hatten, ist uns also natürlich bekannt. Aber der Fokus liegt ganz klar auf uns. Wir können ja nur beeinflussen, wie wir selbst auftreten.
SPOX: Dann nochmal ein anderes Thema. Ihr Mitspieler DeMar DeRozan hat vor kurzem offen über seine Depression gesprochen und damit Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema gelenkt - wie wurde das im Team aufgenommen?
Pöltl: Wir haben als Team jetzt nicht permanent darüber geredet. Es war aber natürlich schon Thema, einfach weil die mentale Gesundheit unheimlich wichtig ist heutzutage und weil definitiv viel zu wenig darüber gesprochen wird. Es leiden viel mehr Menschen darunter, als man glaubt, weil es wie ein Tabu-Thema behandelt wird. Menschen, die mentale Probleme haben, sprechen oft nicht darüber oder versuchen es zu verstecken und fressen es damit in sich selbst hinein - deswegen ist es sehr wichtig, dass jemand wie DeMar oder auch Kevin Love offen mit solchen Problemen umgeht. Dadurch kann er vielleicht zum Vorbild für andere Leute werden, die ähnliche Probleme haben und nun merken, dass sie durchaus darüber sprechen können, ohne dass ihnen dadurch ein Nachteil entsteht.
SPOX: Haben Sie das Gefühl, dass in der NBA schon die richtigen Möglichkeiten existieren, wenn ein Spieler oder Funktionär Redebedarf hat oder Hilfe braucht?
Pöltl: Ich würde sagen, dass die Möglichkeit grundsätzlich da ist. Es liegt dann aber natürlich bei den Spielern. Wenn man das Gefühl hat, dass man Hilfe braucht, muss man sie sich holen, anders geht es nicht. Der Support ist definitiv da, wir können rund um die Uhr jemanden erreichen, wenn wir das wollen. Aber der schwere Teil ist eben, sich selbst einen Ruck zu geben.