NBA - Mavs-Legende Dirk Nowitzki: Die Lieblings-Erinnerungen der Redakteure

SPOX
26. Dezember 202213:00
Dirk Nowitzki gehört zu den größten Legenden der deutschen Sportgeschichte. SPOX
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Es ist soweit, die Dallas Mavericks haben am Christmas Day eine Statue zu Ehren von Dirk Nowitzki enthüllt. Vollkommen zu Recht! Zu diesem feierlichen Anlass erinnern wir uns an den besten deutschen Basketballer aller Zeiten. Von persönlichen Begegnungen über wilde Nächte vor dem Fernseher bis hin zu seinem vielleicht berühmtesten Markenzeichen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich zum Anlass von Dirk Nowitzkis Karriereende am 10. April 2019.

Florian Regelmann (Chefreporter SPOX): Was fällt mir zum Tall Baller from the G ein? Erst mal fallen mir unzählige Nachtschichten ein, die irgendwann dazu führten, dass ich Mavs-Heimspiele phasenweise nur noch wegen Dirk ertragen konnte. Ich sage nur: Come on, AAC! Let's go Mavs! Gerade mal einen Spielbericht aus 2009 angeklickt, damals haben wir offenbar Noten gemacht. Wusste ich gar nicht mehr. Dirk hatte beim Sieg gegen die Clippers eine 2, so wie Erick Dampier auch. Wahrscheinlich Dampiers einzige 2 ever. Mir fällt der SPOX-Livestream von Spiel 7 gegen die Spurs ein mit Buschi und Coach Bauermann am Mikro in geiler Büro-Umgebung, nachdem ich zuvor in gewohnter Manier einen Sweep für San Antonio prognostiziert hatte. Legendäre Starting Five der Mavs damals: Calderon, Ellis (Closer!), Marion, Dirk und Dalembert.

Nein, die eindrücklichste Erinnerung war aber die persönliche Begegnung, als ich Dirk zum ersten Mal live in Dallas treffen und interviewen durfte. Dirk hat auch an diesem Tag nach dem Spiel wie immer ewig gebraucht, bis er mal geduscht hatte und sich der Journalisten-Meute stellte. Nachdem die US-Kollegen fertig waren, haben wir über eine halbe Stunde gequatscht. Wir waren die letzten in der Kabine. "Wir sehen uns dann in NY, mein Lieber!", rief er zum Abschluss noch hinterher. Dort sollte wenige Tage später das All-Star Game stattfinden.

Während ich durch die Katakomben ging, kam ein Gefühl in mir auf, das ich bis heute nur ein weiteres Mal in meinem Journalisten-Leben hatte - und zwar nach einem Interview mit Roger Federer: Unfassbar, was für ein cooler Typ das ist. Dirk steht für mich in einer Reihe mit Roger, wenn es um die größten Sportler aller Zeiten geht, die es trotzdem schaffen, menschlich noch beeindruckender zu sein. Wie auch immer sie das hinkriegen.

Alex Schlüter (Kommentator DAZN): 2001 - Verdammt, war mein Trainer sauer, als ich irgendwann anfing, mich zu benehmen wie Dirk. Die X-Beine bei den Freiwürfen, das ständige Zupfen am Trikot, die Frisur. All das tat meinem Spiel nicht gut, war aber Teil tiefster Verehrung für den größten Sportler Deutschlands. Ich bin und war eigentlich kein klassischer Fan-Boy, ich habe nicht einmal richtige Lieblingsmannschaften, egal in welcher Sportart. Bei Dirk ist es anders, war es immer. Basketball fand ich schon vor ihm toll. MJ war Gott, Shaq ein Monster - Dirk war anders. Der Typ von nebenan, der es mit den Überathleten aufnahm.

Zeitsprung - 2015. Ich war beruflich schon eine Weile im Sport angekommen. Kommentar, Moderation, Interviews - vieles unglaublich toll und doch schnell Routine. Nun war es wieder anders. Die Mavs spielten in Philadelphia und ich sollte mein erstes Interview mit Dirk machen. Ausgerechnet vor dieser Partie hatte der schreckliche Terroranschlag in Paris stattgefunden. Mein Chef wollte dazu eine Aussage von Dirk haben. Als wären Basketballfragen bei meinem Puls nicht herausfordernd genug gewesen. Nun auch noch so ein Thema, auf das er sicher überhaupt keine Lust haben würde.

Die Minuten nach dem Buzzer fühlen sich heute an wie der benebelte Rückblick auf eine durchzechte Partynacht. Die Stimme des Pressesprechers: "Who do you want?". Meine unsensible Antwort: "Only Dirk!". Die Fragen zum Spiel, zu seiner Saison. Alles etwas zittrig, aber passt schon irgendwie. Dann Paris. "Du hast es wahrscheinlich mitbekommen. Drüben in Europa ist etwas Schreckliches passiert." Die kurze Denkpause. Der Stimmungswechsel: "Ja, natürlich. Es ist wahnsinnig traurig. Wir leben in einer verrückten Welt. Aber es ist auch ein tolles Zeichen, wenn man jetzt sieht, wie viele Leute Anteil an den Opfern von Paris haben."

"Danke, Dirk!" Dirks Lächeln: "Na klar, gern. Wie lange seid ihr noch hier drüben, gefällt's euch?" Smalltalk. Wahnsinn. Ich verkneife mir ein: "Ich wollte immer so spielen wie du."

Der Weg zurück zum Auto ist in meinen Erinnerungen wieder klarer. Ich fing an zu hüpfen, vor Freude und Erleichterung. Ein bisschen dürfte ich ausgeschaut haben wie Dirk bei seinem Flamingo-Shot - gut, dass mein Trainer mich hier nicht sehen konnte...

Ole Frerks (NBA-Ressortleiter SPOX): 2011 verfolgte ich die NBA noch als (quasi-)normaler Student und der Playoff-Run packte mich, ohne dass ich ein Mavs-Fan gewesen wäre. In sportlicher Hinsicht, klar. "If I'm Serge Ibaka, I'm naming my first son Dirk", von Jeff Van Gundy ist einer der Sprüche des Jahrtausends, mindestens.

Aber auch insofern: Wer NBA-Fan in Deutschland ist, weiß ja, wie einsam es ist, sich nachts um 2 zu wecken, alleine ein Spiel zu gucken, seine Emotionen mit niemandem (Twitter zählt nicht) zu teilen, und dann nochmal zu schlafen oder sich zur Schule, Uni oder Arbeit zu schleppen. 2011 war das am Anfang genauso. Die Serie gegen Portland habe ich noch komplett alleine gesehen und am nächsten Tag den Kommilitonen erklärt, wo die Augenringe herkommen.

Mit jeder Serie, mit jedem weiteren Sieg stieg das Interesse aber. In den Finals hockten nachts dann teilweise zehn Leute in meiner Bude und haben mitgefiebert, die Nachbarn dürften es mir bis heute danken. Selber Schuld, sie hätten auch mitschauen dürfen! Wach waren sie ab einem gewissen Zeitpunkt ja sowieso, das war angesichts der Lautstärke unvermeidlich.

Genau daran denke ich aber gerne zurück - die Faszination Dirk ging so weit über den kleinen Kreis der NBA-Nerds in Deutschland hinaus, dass sich auch jeder andere für seinen Triumph begeistern konnte, und dafür sogar den "Daywalker-"Lifestyle in Kauf zu nehmen bereit war. So toll ist es nämlich gar nicht, wochenlang im Halbschlaf durch die Gegend zu irren. Aber das war es wert. Immer und immer wieder.

Robert Arndt (Redakteur SPOX): Ich kann mich dem Kollegen Frerks nur anschließen. 2010, 2011 waren für mich die ersten Jahre als Student, in denen ich mir Nächte um die Ohren geschlagen habe, um Playoffs-Spiele live zu sehen. Davor wurde oft auf CNN World Sport geschaut oder im Zweifel der Videotext bei DSF gecheckt. Umso mehr fieberte ich jedem Sommer entgegen, als Dirk auch mal zu erträglichen Zeiten im Free-TV aufzockte.

So blieben mir bis heute vor allem Nowitzkis Auftritte beim DBB-Team in Erinnerung, natürlich mit dem Highlight des Halbfinals 2005 gegen Spanien. Die Iberer waren schon damals gespickt mit Stars wie den jungen Jose Calderon, Fran Vazquez und vor allem La Bomba, Juan Carlos Navarro. Schon damals hatte ich das Gefühl, dass jeder Floater vom Barca-Star saß und genau das war der Fall, als der Shooting Guard die Spanier mit eben einem solchen Floater von der Freiwurflinie 20 Sekunden in Führung brachte.

Was dann aber passierte, war der pure Wahnsinn, ein großartiger Moment in der deutschen Sportgeschichte, wo alles passte. Da war natürlich Nowitzki, der Maskenmann Jorge Garbajosa mit einem Fake erst ausstiegen ließ und dann auch noch über einen zweiten Verteidiger den Jumper im Fallen zum Sieg traf. Und da war auch noch Frank Buschmann, der diesen Moment passend einfing.

"Sie liegen mit einem zurück, sie haben es in der Hand. Ball ist bei Nowitzki, da muss er hin." Spannung pur, Nummer 14 steigt hoch, dann folgt die Explosion! "JAAAA, JAAAA UND VERTEIDIGEN, VERTEIDIGEN JETZT." Die Stimme senkt sich wieder, "Auszeit Spanien." Besser konnte man diese Achterbahnfahrt der Gefühle einfach nicht einfangen. 3 Sekunden hatten die Spanier noch, Calderons Dreier war zu kurz. Dass Deutschland dann das Finale gegen Griechenland verlor? Geschenkt!

Jochen Tittmar (Reporter SPOX, Fußball-"Hansel"): Ich habe bei uns ja vollkommen zu Recht kein Stück mit der wie ich höre guten NBA-Berichterstattung zu tun, aber wenn's um Nowitzki geht, lasse ich mich auch gerne nicht lumpen.

Trotz meiner gnadenlosen Unwissenheit und ja, durchaus auch regelrechten Ignoranz gegenüber den US-Sportarten, ist mir freilich zu Ohren gekommen, welch bärenstarken sportlichen wie menschlichen Eindruck Nowitzki seit etlichen Jahren in der Welt hinterlässt - und das sympathischerweise für den immergleichen Verein (oder sagt man Franchise?).

Mir gefällt an ihm besonders, und das konnte ich anhand seiner über die Jahre zahlreichen öffentlichen Auftritte abseits des Basketball-Parketts begutachten, dass er trotz seiner Erfolge, den ganzen Millionen und der mittlerweile standardisierten, aber für mich verabscheuungswürdigen Selbstinszenierung dutzender US-Sport-Hansel immer er selbst geblieben ist. Ein Mensch wie du und ich.

Nichts verkörpert das besser als sein Tweet aus dem Juli 2017. Im Jahr zuvor ließ sich noch der Kollege Dennis Schröder vor seinen beiden (!) goldenen (!!) Audi-Sportwagen ablichten. Und nun sieht man Nowitzki, dem Schröder laut meines Expertenwissens niemals das Wasser reichen wird, mitten in der Pampa auf einem uralten Fahrrad lümmeln. Auf den Gepäckträger ist ein ausgebleichter Kindersitz gespannt. Dazu schrieb er: "Everyone is posting pics from their workouts! So here it goes: summer grind on my new bike..." Absolute Weltklasse!

Dööörk - für mich ein wie es leider scheint aus der Zeit gefallener Gegenentwurf zum Otto-Normal-NBA-Spieler. Und deshalb, hier im US-Sport darf man ja englische Worte benutzen: a fucking legend.

Philipp Jakob (Redakteur SPOX): "You can't contest it. You can't guard it!" Viel besser kann man das vielleicht berühmteste Vermächtnis von Dirk Nowitzki wohl nicht zusammenfassen, auch wenn die Auswahl in dieser Hinsicht nicht gerade klein ist. Der Dirkster hat den Mavs einen Titel beschert, er hat eine komplette Position revolutioniert - und er hat einen der most unstoppable Würfe der NBA erfunden.

Jeder Basketball-Fan in Deutschland ist diese Bewegung wahrscheinlich schon einmal auf dem Freiplatz durchgegangen: Mit dem linken Bein abspringen, das rechte wird im Zurückfallen angewinkelt. Eben fast wie ein Flamingo steht man nun in der Luft, um den legendären einbeinigen Fade-Away auf die Reise zu schicken. Doch bei niemandem macht es so oft Swish wie bei Nowitzki.

Nicht bei uns auf dem Freiplatz, nicht bei LeBron James. Nicht bei Kevin Durant und nicht bei Kobe Bryant, um nur mal eine kleine Auswahl der NBA-Stars zu nennen, die sich erst den unverwechselbaren Wurf abgeschaut und dann nachgemacht haben. Warum? Weil er eben einfach nicht zu verteidigen ist, wie der King eingangs richtigerweise bemerkte.

"Das ist ein Zeichen des Respekts", erklärte LeBron vor einigen Jahren auf die Frage, warum Dirks Wurf auch in seinem Repertoire gelandet ist. "Ich habe den Wurf von ihm. Ich mache es aber nicht so gut wie er." Das macht keiner. Dennoch wird der Flamingo-Shot im Basketball wohl für immer weiterleben. Und damit auch Dirk.

Stefan Petri (Redakteur SPOX): Eigentlich wollte ich ja auch darüber schreiben, wie ich mir in meinem letzten Sommer als Student 2011 die Nächte um die Ohren geschlagen habe, mit einem unfassbaren Dirk, vor allem in der Serie gegen die Thunder. Als Serge Ibaka ihm im Gesicht herumwedelte, mit Van Gundys Spruch als Krönung. Aber den hat mir Ole schon weggeschnappt. War ja klar.

Ich verrate mal ein schmutziges Geheimnis: Zu Beginn war ich gar kein Dirk-Fan, sondern vielmehr glühender Anhänger von Jason Kidd bei den Nets. Als der dann 2008 zu den Mavs ging, war es für mich perfekt, weil ich erst dann wirklich lernte, was für einen geilen Typen wir da eigentlich in der NBA haben. Auf dem Court, vielleicht sogar noch mehr abseits des Courts. Persönlich getroffen habe ich ihn nie, auch wenn ich wegen ihm mit ein paar Kumpels vor einigen Jahren zur EM in Berlin gefahren bin.

2017 hat SPOX die größten deutschen Sportler aller Zeiten gewählt. Dirk Nowitzki stand am Ende vor den Gerd Müllers, Michael Schumachers und Boris Beckers dieser Welt.

Naja. Der Artikel ist schon lang genug. Deshalb nochmal meine Top 3 Tweets vom Dunking Deutschman.

Und noch mein Lieblingsclip mit Dirk von Conan O'Brien. Weil ich es kann.

Daniel Herzog (Moderator DAZN): Der 20. März 2016: Ich hatte das Glück, bei Dirks letztem 40-Punkte-Spiel anwesend zu sein. Mehr noch als das Spiel ist mir aber die Szenerie im Locker Room in Erinnerung geblieben. Natürlich wollte die halbe Welt den damals 37-Jährigen sprechen, ich aber auch. Mein Vorteil dabei war erstens, dass wir das einzige deutsche Team vor Ort waren, deshalb konnte ich den amerikanischen Kollegen also getrost den Vortritt lassen, und zweitens, dass wir am Tag davor schon ein längeres Interview mit Dirk gemacht hatten.

Er hat mich auch noch erkannt, wie ich dann merkte, als ich an der Reihe war. Das Interview lief insgesamt gut und so dachte ich mir, zum Abschluss könnte ich noch mal darauf eingehen, dass wir ja durchaus eine Art Glücksbringer für Dirk in diesen Tagen waren. "Dürfen wir wiederkommen?", war also meine abschließende Frage. Dirk setzte ein verschmitztes Grinsen auf und antwortete: "Wenn ihr nicht wieder ne Stunde braucht, gerne." Okay, vielleicht hatten wir am Tag zuvor ein kleines bisschen überzogen. Aber auch nur vielleicht! Später durfte ich Nowitzki noch ein paar Mal öfter treffen und er spricht mich heute noch auf diese Situation an. Es ist sozusagen ein Running Gag geworden: "Heute aber keine Stunde ..."

Verabschiedet hat er uns an diesem Tag übrigens mit den Worten "danke, dass ihr da wart". Nein Dirk, nicht du musst dich bei uns bedanken, sondern wir bei dir. Dafür, dass es dich gibt und dafür, dass du so bist wie du bist. Danke Dirk!