Bill Laimbeer gewann mit den Detroit Pistons zwei Meisterschaften, doch gerade der Center verkörperte alles, was die Fans an den Bad Boy Pistons der damaligen Zeit kritisierten. Laimbeer spielte hart, oft überschritt er Grenzen. Darum war auch unter den Spielern selten ein Akteur so verhasst, vor allem Michael Jordan ist der Big Man mit seinem Team noch heute ein Dorn im Auge. Laimbeer war aber mehr als nur ein Enforcer, sondern auch ein Pionier für modernes Center-Spiel.
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Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. August 2019.
In der Geschichte der NBA gab es stets Feindbilder, Teams, welche polarisierten, die Fans spalteten. Die Miami Heat waren in der Zeit der Big Three um LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh ein gerne gesehenes Feindbild, perfekt für die Rolle der "Supervillains."
Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre waren dies die Detroit Pistons, jedoch aus anderen Gründen. Detroit war kein Über-Team, wie es die Heat mit LeBron waren, doch ihre harte, teils dreckige Spielweise brachte ihnen den Spitznamen 'Bad Boys' ein. Keine Mannschaft war zu dieser Zeit so unbeliebt wie die Truppe um Isiah Thomas, Joe Dumars und Dennis Rodman, wobei keiner von ihnen an das Feindbild Bill Laimbeer heranreichte.
Der Center dürfte noch heute einer der meistgehassten Spieler aller Zeiten sein, eine gewaltige Hausnummer für einen Spieler, der einst nur mit dem 65. Pick gezogen wurde und den Beginn seiner Karriere mangels NBA-Angeboten in Italien verbrachte. Die jüngeren Fans dürften sich ein wenig an Bruce Bowen, den legendären Kettenhund der San Antonio Spurs erinnert fühlen, doch im Vergleich mit Laimbeer kam der Spurs-Guard eher einem Unschuldslamm gleich.
Larry Bird über Bill Laimbeer: Er wollte Spieler verletzen
"Es gab jede Menge dreckige Spieler, der Unterschied zu Laimbeer war aber, dass er dich verletzen wollte", schäumte Celtics-Legende Larry Bird noch viele Jahre nach seinem Karriereende über die Spielweise des Prince of Darkness.
Laimbeer war ein Meister darin, versteckt Fouls zu begehen, oft erst nach dem Pfiff der Referees. Da waren Hüft-Checks gegen penetrierende Guards, Ellenbogenchecks beim Kampf um den Rebound oder auch der Laimbeer-Classic, das Unterlaufen des Sprungwerfers. Immer wieder stellte er seinen Fuß in die Landezone des Schützen, der dann häufig auf dem Fuß des Pistons-Center aufkam. Damals wurde dies übrigens kaum geahndet. Bird schwor noch Jahre später, dass sich Celtics-Center Robert Parish bei Spielen gegen die Pistons ständig Knöchelverletzungen zuzog.
So verwunderte es wenig, dass der sonst so stoische Parish in den Playoffs 1987 die Nerven verlor und Laimbeer mit mehreren Schlägen zu Boden prügelte. Die ganze Sache hatte ohnehin eine Vorgeschichte, da Laimbeer Bird im Spiel zuvor bei einem Korbleger-Versuch des Celtics-Stars beide Arme ins Gesicht schlug. Auch hier flogen die Fäuste, Bird warf zudem noch den Ball nach dem Bad Boy.
Bill Laimbeer: Kein Kämpfer, aber Provokateur
Vorfälle wie diese gab es zuhauf mit Laimbeer, der nicht selten die Grenze des Erlaubten auf dem Feld überschritt und die Gegner zur Weißglut brachte. "Man will ihm am liebsten den Kopf abreißen", brachte es Trent Tucker, damaliger Forward der New York Knicks, auf den Punkt. Denn während Laimbeer fleißig austeilte, ging er ebenso bei der kleinsten Berührung gegen ihn zu Boden, es bürgerte sich der Laimbeer Flop im NBA-Sprech ein.
Bei all den Kämpfen war der Pistons-Center aber meist nicht der Ausgangspunkt. "Ich kämpfe nicht, ich provoziere es nur und gehe dann weg", erklärte Laimbeer einst bei Sports Illustrated seine Strategie. Wenn dann doch die Fäuste flogen, war schließlich immer noch Rick Mahorn zur Stelle, ein klassischer Bruiser und Power Forward dieser Zeit, mit dem wahrlich nicht gut Kirschen essen war.
Kämpfen musste Laimbeer dagegen lange um seinen Platz in der NBA. Der Center war wie bereits angesprochen kein vielversprechendes Talent, vielmehr erarbeitete sich Laimbeer seinen Platz über Jahre bei einem der besten Teams der Dekade. Laimbeer war nicht der klassische NBA-Spieler, er war nie arm, Basketball war nie der einzige Weg für ihn, um an Geld zu kommen, wie es für viele Spieler in der Association der Fall war und häufig immer noch ist.
Bill Laimbeer: Priviligiert und zunächst ohne Verwendung
Geboren in Boston wuchs Laimbeer zunächst in einem schönen Vorort von Chicago auf, bevor die Familie später ins sonnige Kalifornien übersiedelte. Laimbeers Vater war ein millionenschwerer Geschäftsmann, der in verantwortlicher Rolle bei einem Dow-Jones-Unternehmen (Owens-Illinois) agierte.
An Geld mangelte es dem Laimbeer-Haushalt darum nie, weswegen der Pistons-Star während seiner Karriere folgendes sagte: "Ich bin wahrscheinlich der einzige NBA-Spieler, bei dem der Vater mehr Geld als der Sohn verdient."
Und zunächst verdiente Laimbeer nicht viel. Die Cavs, die Laimbeer drafteten, hatten zunächst keine Verwendung für den Center, der zwar solide die Bretter kontrollierte, aber im Post kaum einen Move anbieten konnte. So verbrachte der Big Man ein Jahr in Italien, bevor er sich im zweiten Anlauf in Cleveland in der Rotation durchsetzen konnte.
Bill Laimbeer: Durchbruch bei den Detroit Pistons
Der große Karrieresprung folgte erst 1982, als die Pistons für Laimbeer tradeten. Detroit war zu dieser Zeit eher ein Spielerfriedhof, wo keiner spielen wollte, auch weil die Pistons fünfmal in Folge die Playoffs verpasst hatten. Dazu blieben die Fans dem Team fern, was die Spiele im riesigen Silverdome noch unattraktiver aussehen ließ.
Aber es gab ein wenig Hoffnung: Ein kleiner Guard mit einem guten Wurf, überragenden Handles und tollem Spielverständnis sollte das Team in eine bessere Zukunft führen. Sein Name? Isiah Thomas!
Jahr für Jahr steigerten sich die Pistons mit Joe Dumars, Mahorn, dem jungen Dennis Rodman und Adrian Dantley, 1987 stand Detroit erstmals seit über 30 Jahren wieder in den Conference Finals. Auch Laimbeer hatte daran einen großen Anteil. Der Center wurde viermal All-Star, war eine Double-Double-Maschine und brach sogar die Rebound-Dominanz von Moses Malone, indem er sich 1986 die meisten Bretter schnappte.
Zusammen mit Mahorn verankerte er eine gefürchtete Defense und fand auch offensiv seine Nische. Unter dem legendären Coach Chuck Daly spielte Detroit ein modernes System, welches auch heute noch in Ansätzen vorzufinden ist. Die Pistons spielten schnell, mit vielen Pick'n'Rolls, und hatten dank Laimbeer noch eine andere, neuartige Option.
Bill Laimbeer: Einer der ersten Stretch Fives
Zusammen mit Jack Sikma war Laimbeer der einzige Center, der mindestens 300 Dreier in dieser Dekade nahm , nur 50 Spieler versuchten überhaupt mehr Dreier als der Pistons-Center. 32,2 Prozent waren dabei zwar kein überragender Wert, dennoch respektierten die Gegner den Distanzwurf. Laimbeer war so einer der ersten Stretch Bigs, lange bevor Dirk Nowitzki überhaupt einen Basketball in die Hand nahm.
Detroit lief so als eines von wenigen Teams Pick'n'Pop, während andere Bigs ganz klassisch zum Korb rollten. Laimbeer zog hingegen die großen Jungs nach draußen und schuf jede Menge Platz für Thomas, Dumars oder auch Vinnie Johnson. In seinen Hochzeiten nahm Laimbeer über zwei Dreier pro Spiel, genau in dieser Zeit entwickelten sich die Pistons zu einem absoluten Top-Team, an welchem auch die Chicago Bulls um Michael Jordan nicht vorbeikamen.
Dreimal in Folge scheiterten die Bulls an Detroit, jedes Mal marschierten die Pistons in die Finals, wobei sie zweimal gewannen. Das nagte an Jordan, der öffentlich seinen Unmut über die Spielweise der Pistons, insbesondere aber von Laimbeer kritisierte. "Er ist der dreckigste Spieler in der Liga. Er versucht einfach nur, mich niederzustrecken", echauffierte sich His Airness nach einer weiteren Playoff-Niederlage.
Laimbeer: "Spiele hart wie jeder andere auch"
Es brauchte einen vierten Anlauf, bis Chicago per Sweep die Pistons-Dominanz im Jahr 1991 endlich brach, Laimbeer und Co. marschierten ohne Glückwünsche für den Sieger aus der Halle. Es sollte der Anfang vom Ende der Bad-Boys-Ära sein, erst elf Jahre später konnte Detroit überhaupt wieder eine Playoff-Serie für sich entscheiden.
Auch die Zeit von "Billy", wie ihn Pistons-Kommentatoren-Legende George Blacha häufig nannte, neigte sich dem Ende zu, seinen Stempel hatte der Center aber ohnehin bereits hinterlassen. Der Spielehersteller Nintendo beglückte Laimbeer sogar mit einem eigenen Videospiel namens Bill Laimbeer's Combat Basketball. Dort wurde der Spieler ins Jahr 2030 zu einem Basketballspiel gebracht, wo es weder Refs noch Fouls gab, dafür aber der Gebrauch von Waffen erwünscht war.
Laimbeers Image war somit für alle Zeiten klar, er wird als einer der dreckigsten Spieler in die Geschichte der NBA eingehen. Ein Problem hatte der Center damit nicht, das war schließlich schon zu Zeiten seiner Karriere der Fall. "Darüber denke ich nicht nach, ich mache einfach nur das, was ich machen soll", erklärte Laimbeer.
"Ich muss mich für meinen Spielstil nicht rechtfertigen. Ich spiele hart - so wie jeder andere auch. Die Leute haben ein Bild von mir und das wird sich nicht mehr ändern. Deswegen interessiert mich das alles nicht mehr, ich höre nur auf die Meinungen aus meinem Team."
Bill Laimbeer: Seine Statistiken in der NBA
Saison | Team | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds |
80/81 | Cavs | 81 | 30,4 | 9,8 | 50,3 | - | 8,6 |
81/82 | Cavs/Pistons | 80 | 22,9 | 9,0 | 49,4 | 30,8 | 7,7 |
82/83* | Pistons | 82 | 35,0 | 13,6 | 49,7 | 15,4 | 12,1 |
83/84* | Pistons | 82 | 34,9 | 17,3 | 53,0 | 0,0 | 12,2 |
84/85* | Pistons | 82 | 35,3 | 17,5 | 50,6 | 22,2 | 12,4 |
85/86 | Pistons | 82 | 35,3 | 16,6 | 49,2 | 28,6 | 13,1 |
86/87* | Pistons | 82 | 34,8 | 15,4 | 50,1 | 28,6 | 11,6 |
87/88 | Pistons | 82 | 35,3 | 13,5 | 49,3 | 33,3 | 10,1 |
88/89 | Pistons | 81 | 32,6 | 13,7 | 49,9 | 34,9 | 9,6 |
89/90 | Pistons | 81 | 33,0 | 12,1 | 48,4 | 36,1 | 9,6 |
90/91 | Pistons | 82 | 32,5 | 11,0 | 47,8 | 29,6 | 9,0 |
91/92 | Pistons | 81 | 27,6 | 9,7 | 47,0 | 37,6 | 5,6 |
92/93 | Pistons | 79 | 24,5 | 8,7 | 50,9 | 37,0 | 5,3 |
93/94 | Pistons | 11 | 22,5 | 9,8 | 52,2 | 33,3 | 5,1 |
* All-Star-Nominierungen, Saisons in kursiv endeten mit Meisterschaft für Detroit. Fett = Career High.
Laimbeer: Trainingsstreit mit Isiah Thomas beendet Karriere
Dennoch wurde Laimbeer im Nachlauf seiner Karriere nur bedingt gewürdigt. Die Pistons zogen zwar die Nummer 40 unter die Hallendecke, für die Hall of Fame wurde er aber nicht berücksichtigt, während Thomas, Dumars, Dantley und auch Rodman alle aufgenommen wurden.
Stattdessen freute es zahlreiche Spieler, als Laimbeer 1993 mit 36 Jahren endlich zurücktrat. Horace Grant, jahrelanger Gegenspieler von Laimbeer von den Bulls, kommentierte dies wie folgt: "Das gibt heute bei mir zuhause eine große Party. Jeder ist eingeladen, sich mir anzuschließen."
Der Rücktritt erfolgte aber nur bedingt aus freien Stücken. Während eines Trainings kam es mit Thomas, einem guten Freund von Laimbeer, zu einem Streit und der Big Man brach dem Spielmacher dabei die Hand. Die Fans der Pistons schäumten und der Center erklärte daraufhin seinen plötzlichen Rücktritt.
Laimbeer: Große Erfolge als Coach in der WNBA
Später wurde aus Laimbeer dafür ein guter Coach, der aber in der NBA mit einer zweijährigen Ausnahme als Assistent bei den Minnesota Timberwolves (2009-2011) keinen Fuß fassen konnte, wohl auch wegen seiner Reputation als Spieler. Stattdessen zog es den Big in die WNBA, wo er dreimal Champion und zweimal Coach of the Year wurde.
Trotz all dieser Erfolge wird an Laimbeer immer das Etikett des dreckigen Spielers kleben bleiben, was natürlich auch selbstverschuldet war. Thomas, der auch nach dem Vorfall im Training ein guter Freund von Laimbeer blieb, brachte es schließlich treffend auf den Punkt. "Ich glaube nicht, dass die Fans ihn hassen. Es ist eine Hassliebe. Ich bin ehrlich: Wenn ich Bill nicht kennen würde, würde ich ihn auch nicht mögen."