NBA: Die Offensiv-Probleme der Philadelphia 76ers - Puzzlen für Fortgeschrittene

Robert Arndt
21. November 201911:26
Ben Simmons sucht weiter seinen Platz in der Offense der Philadelphia 76ers.getty
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Nach fünf Siegen zu Beginn der Saison sind die Philadelphia 76ers zuletzt wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Im Osten stehen die Sixers im Moment nur auf Platz fünf, dabei überzeugt die Mannschaft von Brett Brown vor allem im Angriff nicht. SPOX blickt auf einige Problemfelder des vermeintlichen Titelkandidaten.

Etwas holprig ist er gewesen, dieser Saisonstart der Philadelphia 76ers. Nach fünf Siegen zum Auftakt stehen die Sixers nun immerhin bei einer Bilanz von 9-5, was lediglich für Platz fünf im Osten reicht. Dabei war das Programm der Sixers nicht besonders schwer, gegen Teams mit positiver Bilanz steht das Team um Center Joel Embiid nur bei 2-3.

Die Defense, vor der Saison hoch gelobt, rangiert nur gerade so in den Top 10, doch auch ein Blick auf den Angriff der Sixers lohnt sich. Hier liegen noch einige Dinge im Argen, da hilft auch der erste verwandelte NBA-Dreier von Ben Simmons gegen die New York Knicks recht wenig.

1. Der Dreier wird zu selten genommen

Es war zu vermuten, dass die Sixers in diesem Bereich Probleme haben würden. Mit J.J. Redick (8 Dreier pro Spiel) und Jimmy Butler verließ ein historischer und ein solider Shooter das Team, im Gegenzug kamen in Al Horford und Josh Richardson zwar keine Non-Shooter, doch gerade im Fall von Horford ist der Distanzwurf nicht die bevorzugte Option.

Horford nimmt dennoch so viele Triples wie noch nie in seiner Karriere (4,5 pro Spiel), seine Quote von 32,2 Prozent ist derzeit aber so schlecht wie noch nie, seitdem er mindestens drei Dreier pro Spiel nimmt (seit 2015). Über 60 Prozent seiner Versuche sind laut stats.nba.com völlig frei, die Quote liegt aber nur bei 28 Prozent. Das ist sehr wenig und sollte auch noch ansteigen, etwas überraschender ist dagegen, dass der Big Man erst acht Dreier aus der Ecke genommen hat (nur zwei Treffer).

Dies ist aber ein allgemeines Problem der Sixers. Bisher wurden gerade einmal 84 Eckendreier erspielt (6 pro Spiel, insgesamt 32 Treffer), welcher bekanntlich neben Freiwürfen und Versuchen in Ringnähe der effizienteste Wurf ist. Zum Vergleich: Die Rockets haben schon 64 dieser Eckendreier bei einer Quote von 39 Prozent genetzt.

Die Dreierquoten der Starting Five der Philadelphia 76ers

SpielerQuoteTrefferVersuche
Ben Simmons100 Prozent11
Joel Embiid34,9 Prozent1543
Al Horford32,2 Prozent1959
Josh Richardson31,3 Prozent2064
Tobias Harris26,7 Prozent1660
Tobias Harris kämpft noch mit seinem Wurf.getty

Horford ist nach Richardson und Harris auch schon der Spieler, der die meisten Triples versucht. Als Team nehmen die Sixers nur 30 pro Spiel, was Platz 21 in der Liga bedeutet. Ein Grund, warum es so wenige sind, ist natürlich Ben Simmons, der zwar in der Preseason (wild umjubelt) einen Distanzwurf traf, doch in dieser Spielzeit erst einen Dreier nahm (und traf). Ansonsten versuchte der Australier sogar erst zwei Versuche aus der Mitteldistanz.

Richtig gelesen, zwei Würfe aus der Mitteldistanz. Wer auf eine Entwicklung beim Australier gehofft hatte, ist bis jetzt bitter enttäuscht worden. Dabei hatte Coach Brett Brown vor der Spielzeit noch angekündigt, dass er Simmons häufiger in der Ecke stellen will, damit dieser von dort auch mal abdrückt. Bisher reine Theorie, zu oft steht Simmons unbewacht am Perimeter oder aber im Dunkerspot, also am Zonenrand, um bei möglichen Fehlwürfen in guter Position um den Rebound zu sein.

Sixers-Fans sollten nicht zu viel Hoffnung haben, dass sich dies ändert. Anders verhält es sich bei Harris. Ihn benannte Brown als den "neuen J.J. Redick", doch davon ist bisher nichts zu sehen. Harris kassierte im Sommer einen fetten Fünfjahresvertrag über 180 Millionen Dollar (und erhielt den Vorzug vor Butler), doch das Feld macht er nur bedingt breit.

Harris bleibt inkonstant von der Dreierlinie, zuletzt gesehen bei seiner 0/11-Performance aus dem Dreierland gegen Cleveland, als er so verunsichert war, dass er selbst diesen Wurf verweigerte. Bislang sind es magere 27 Prozent, über die Karriere dagegen über 36, die Krise dürfte auch wieder vorbeigehen. Das ist auch nötig, damit nicht Backup-Guard Furkan Korkmaz (37 Prozent) oder gar Mike Scott die beständigste Option aus der Distanz bleibt.

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2. Zu viele Ballverluste und Abstimmungsfehler

Zugegeben, es ist noch früh in der Saison. Die Abläufe müssen jetzt noch nicht sitzen, die Sixers sind zu gut, als dass sie deswegen in die Bredouille geraten. Maximaler Erfolg in den Playoffs ist das Ziel, die Regular Season dient als Experimentierfeld. Es wirkt aber, als habe noch kein Spieler seine Rolle gefunden, das gab auch Brown unlängst zu.

"Irgendwann muss jeder seinen Platz finden und die anderen müssen reagieren", erklärte Brown. "Das braucht aber Zeit, vor allem bei unserem nicht sehr traditionellen Team. Wir haben keinen klassischen Point Guard, einige Shooter, einen Strech-Vierer und Joel Embiid. Versteht das nicht falsch, ich mag mein Team, aber es passt eben nicht sofort alles zusammen."

Browns System basiert auf viel Bewegung, viel Passspiel, weswegen es nicht verwundert, dass die Sixers seit Jahren ein anfälliges Team für Ballverluste ist. In den ersten Spielen zeigt die Tendenz aber in die falsche Richtung, Philly zählt zu den sechs schlechtesten Teams in dieser Kategorie. Fast ein Fünftel der Possessions münden in einem Angriff ohne Abschluss.

Einige Turnover resultierten aus Unkonzentriertheiten, bei anderen merkt man die noch fehlende Abstimmung, in diesem Fall von Embiid ist es beides.

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Weitere häufige Fehlerquellen sind zudem Simmons, der so viele Ballverluste wie noch nie in seiner Karriere produziert, und auch Richardson, der einige Minuten als Backup-Spielmacher sieht (eine Rolle, die er auch zeitweise in Miami innehatte), dabei aber noch nicht überzeugen kann.

Auffällig zudem sind die vielen Unstimmigkeiten bei Cuts. Kein Team in der NBA postet häufiger auf als Philadelphia - pro Spiel sind es 15,1 Post-Ups (Stand vor dem Knicks-Spiel), die Lakers, auf Platz zwei in dieser Kategorie, präsentieren diesen Spielzug nur neunmal pro Spiel.

Im Idealfall postet ein Spieler auf, die anderen Spieler schaffen Platz und ziehen sich an die Dreierlinie zurück. Die Bewegung sollte damit nicht stoppen, durch Cuts zum Korb soll dem Ballführendem eine weitere Option gegeben werden. Die Sixers meinen es aber teilweise zu gut - und gleich zwei Spieler schneiden gleichzeitig zum Korb. Das ist natürlich schlecht (und auch der fehlenden Abstimmung zuzurechnen), da so die Zone verstopft wird und die Erfolgschancen niedrig sind.

3. Weniger Post-Ups

Bleiben wir bei den Post-Ups. Wie schon erwähnt sind die Sixers hier Spitze, doch 0,92 Punkte pro Play (Platz fünf in der Liga) repräsentiert keine wirklich effiziente Option. Klar, es ist verlockend, mit diesem Monster-Lineup kleine Spieler auf den Rücken zu nehmen und zu bestrafen, doch es kommt nicht von ungefähr, dass fast alle Teams der Liga diesem Spielzug weitestgehend abgeschworen haben.

Hier und da ergeben Post-Ups Sinn, meist sorgen sie jedoch dafür, dass die Offense verlangsamt wird oder gar stagniert. Im Fall der Sixers kommt dann häufig das Doppeln, da die Angst des Gegners vor den lauernden Schützen einfach zu gering ist. So ist es keine Seltenheit, dass ein guter Post-Spieler wie Embiid plötzlich drei Gegenspieler vor sich hat.

Dabei ist es nicht nur Embiid, der immer wieder gesucht wird. Auch Horford, Harris, Simmons und sogar Mike Scott (!) gehen regelmäßig am Zonenrand an die Arbeit. Zum Beispiel Scott: Alle fünf Hornets-Verteidiger haben hier bereits einen Fuß in der Zone, bereit zu helfen. Es ist schlichtweg keine gute Offense.

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4. Zu wenige Pick'n'Rolls und die Simmons-Problematik

Effizienter sind traditionell Pick'n'Rolls, jedoch läuft kein Team dieses Play seltener als die Sixers. Bislang sind es gerade einmal zwölf pro Spiel, woraus die Sixers schwache 0,72 Punkte generieren (Platz 29). Utah läuft zum Vergleich fast dreimal so häufig (32 zu 12) diesen Spielzug.

In Butler verloren die Sixers ihren besten PnR-Spieler, Simmons ist nur bedingt als Ballhandler geeignet, da die Gegenspieler aufgrund des fehlenden Wurfs immer mit Leichtigkeit unter dem Block durchgehen können.

Immerhin tritt der Australier bei aller Kritik an seiner Person nun auch vermehrt als Blocksteller auf. Als Ballhandler agieren hin und wieder Harris oder auch Richardson, die dosiert diesen Job durchaus übernehmen könnten.

Ben Simmons: Seine Statistiken in der NBA

SaisonMinutenPunkteFG%FT%ReboundsAssists
17/1833,715,854,556,08,18,2
18/1934,216,956,360,08,87,7
19/2033,914,158,457,96,17,6

Es ist vermutlich auch die beste Variante, um Simmons im Halbfeld zu involvieren. Anhand der nackten Zahlen legt der Guard bisher überall Tiefstwerte für seine Karriere auf, auch seine Usage Rate, also seine Beteiligung an Abschlüssen, ist mit gerade einmal 18 Prozent so niedrig wie noch in seinen drei NBA-Jahren.

Sein Dreier gegen die Knicks war zumindest ein Anfang, die Zeit wird zeigen, ob es nicht nur ein Strohfeuer war. Simmons wird diese Waffe brauchen, da die Sixers sonst zu oft Vier gegen Fünf spielen, wenn der frühere Nr.1-Pick den Ball nicht in der Hand hält. Die komplette Kontrolle über den Ball kann Brown Simmons aber nicht geben, da die Qualität der Mitspieler schlichtweg zu groß ist, um sie zu besseren Rollenspieler zu degradieren.

Simmons scheint in dieses Sixers-Gebilde einfach nicht zu passen. Wie würde es aussehen, wenn er bei einem jungen Team der unumstrittene Star wäre? Mit seinem Skillset würde er wohl bestens in ein Team mit vier Schützen um ihn herum passen, das können die Sixers aber nicht bieten, auch weil mit Embiid ein Spieler zur Verfügung steht, der in der Zone eine unglaubliche Dominanz ausstrahlt.