Dropping Dimes ist zurück - in einer Sonder-Playoff-Edition! SPOX-NBA-Redakteur Philipp Jakob blickt zurück auf die Playoffs und vergibt die wichtigsten Awards. Wer wird Playoff-MVP? Wer leistete sich den dicksten Fauxpas? Und wie zur Hölle hat es Russell Westbrook in einer Bubble ohne Fans geschafft, sich mit einem Fan anzulegen?
Außerdem mit dabei: Die Rückkehr von Swaggy P und dessen Lieblings-Teamkollegen D'Angelo Russell, das Playoff-Desaster namens Clippers und die wichtigste Aktion des Sommers, die nicht etwa auf, sondern abseits des Parketts stattfand.
Aktion der Playoffs: Der Bucks-Boykott
Ob auf den Pressekonferenzen vor oder nach den Bubble-Partien, in Interviews mit den Superstars oder auf den Social-Media-Kanälen der weniger bekannten Namen, zu jeder Zeit machten die Akteure auf die wichtigste Botschaft dieses Sommers aufmerksam: Black Lives Matter!
Der Slogan prangte auf dem Court, jederzeit gut sichtbar für die Fernsehkameras, die Spieler trugen ihn in verschiedenen Variationen oder ähnlich lautende Botschaften auf dem Rücken. Auch Commissioner Adam Silver stellte vor der Übergabe der Larry O'Brien Trophy an die Lakers klar: "Es ging immer um mehr als nur Basketball."
Es ist der NBA, aber in allererster Linie den Spielern, hoch anzurechnen, dass diese so wichtigen Botschaften kontinuierlich aus der Bubble in die Welt getragen wurden. Ebenfalls hoch anzurechnen ist es den Milwaukee Bucks, dass sie das orangefarbene Leder vor Spiel 5 der ersten Runde gegen die Magic zur Seite schoben, um auf die soziale Ungerechtigkeit und Rassismus aufmerksam zu machen.
Die Bucks wollten Veränderungen sehen, ihnen reichten die Botschaften auf dem Court nicht. Stattdessen sahen sie in Internet-Videos, wie Jacob Blake mehrfach von weißen Polizisten in den Rücken geschossen wurde. Mit ihrem Boykott in Spiel 5 haben die Bucks ihren Fokus auf den Kampf gegen Rassismus gelenkt und damit ihre Chance auf den Titel wissentlich aufs Spiel gesetzt. Es war ihnen egal. Manche Sachen sind einfach wichtiger als Basketball.
Genauso ist es den Spielern hoch anzurechnen, dass sie sich im Anschluss zusammengefunden, diskutiert und gemeinsam eine Entscheidung getroffen haben, ihre Bühne weiter für ihre Botschaften zu nutzen. Und ihre Macht in Druck auf die Eigentümer umzuwandeln. So wurden beispielsweise alle Arenen der Teams in Wahllokale umgewandelt. Es ist zumindest ein kleiner Schritt.
Runner-Up: -
Sixth Man der Playoffs: Rajon Rondo
Über den Mythos Playoff-Rondo wurde schon an anderer Stelle das ein ums andere Mal sinniert, von daher hier nur in der Kurzzusammenfassung: Rondo ist in der Postseason ein anderer Spieler als der, der sich durch die Langeweile der regulären Saison schleppt.
In seinen 48 Partien der Regular Season legte der Point Guard 7,1 Punkte und 5 Assists pro Partie auf, auch er bekam die Kritik am Supporting Cast der Lakers ab. In den Playoffs haben sich seine Statistiken zwar auf dem Blatt nur leicht verbessert (8,9 Punkte und 6,6 Assists), doch sein Playmaking, seine stark verbesserte Defense sowie einige Vintage-Performances hatten einen enormen Einfluss auf das Spiel der Lakers.
Nicht unerwähnt sollte auch seine Dreierquote von 40 Prozent bei immerhin 3,1 Versuchen bleiben. Die gegnerischen Defenses hielten in Anbetracht von Rondos Historie als Ray-Allen-Antithese Abstand, der 34-Jährige bestrafte dies eiskalt.
Übrigens, bei Rondos letztem Playoff-Auftritt mit den Pelicans 2018 versenkte er 42,1 Prozent aus der Distanz (bei 10,3 Punkten und 12,2 Assists pro Spiel). Diesem Playoff-Rondo lechzen die 2015er Mavs und 2016er Kings sicherlich hinterher. Dem Rondo, den sie bekamen, nicht.
Runner-Up: Dennis Schröder, Tyler Herro, Serge Ibaka
D'Angelo-Russell-Swaggy-P-Award für den Teamkollegen der Playoffs: J.R. Smith
Kaum hatte Commissioner Silver seine Worte der Gratulation ausgesprochen und feierlich verkündet, dass die Larry O'Brien Trophy - und natürlich der dazu passende, eigens angefertigte Koffer einer großen Modemarke - nun den Lakers gehöre, schon schlich sich der erste Akteur an das gute Stück heran: J.R. Smith, wer auch sonst.
Ganze 10 Minuten und 10 Sekunden stand der kurz vor dem Restart verpflichtete Guard in den Finals auf dem Parkett. Über die komplette Postseason waren es gerade einmal 75 Minuten, in denen Smith mehr mit seiner schwachen Wurfquote von 26,9 Prozent aus dem Feld (!) und dem ein oder anderen Shaqtin'A'Fool-Moment auf sich aufmerksam machte als mit allem anderen.
Und natürlich mit der Tatsache, dass er schon Sekunden vor dem finalen Buzzer in Spiel 6 gegen die Heat ohne Shirt an der Seitenlinie stand. Beim Feiern hat ihm schließlich noch nie jemand etwas vorgemacht. Ändere dich bitte nie, J.R.!
Runner-Up: Nick Young hat schon seit einigen Jahren nichts mehr mit den Playoffs am Hut, der Champion von 2018 (einfach verrückt, das zu schreiben) muss dennoch an dieser Stelle erwähnt werden. Der Name für unseren Award kommt schließlich nicht von ungefähr. In einem Interview wurde Swaggy P Anfang Oktober nach seinem nervigsten Mitspieler aller Zeiten gefragt. Die Antwort: "Wahrscheinlich D'Angelo Russell."
Performance der Playoffs: Jamal Murray
Sucht man nach den Top 5 der besten Scoring-Leistungen in den Playoffs 2020, erscheinen nur zwei Namen: Donovan Mitchell und Jamal Murray. Mit 57 und 51 Zählern gehören Mitchell zwar die ersten beiden Plätze, dennoch muss sich der Jazz-Guard seinem Nuggets-Pendant bei diesem Award unterordnen.
Den Grund lieferte Murray in Spiel 6 dieser absolut irren Erstrundenserie gegen die Jazz. Denver lag bereits mit 1-3 zurück, ließ sich von einem Elimination Game nach dem anderen aber nicht sonderlich beeindrucken und drehte die Serie. Genau wie sie es in der zweiten Runde gegen die Clippers taten. Murray hatte dabei gemeinsam mit Nikola Jokic als erster Ansprechpartner in der Nuggets-Offense immer seine Finger im Spiel.
So auch in diesem Spiel 6. Seine Ausbeute: 50 Punkte bei überragenden 17/24 aus dem Feld sowie 9/12 von Downtown (dazu 6 Assists und 5 Rebounds) - und das wie gesagt vor dem Abgrund des drohenden Playoff-Aus.
Damit avancierte "Blue Arrow" zum erst zweiten Spieler in der NBA-Historie mit mindestens 50 Punkten bei über 70 Prozent aus dem Feld (der andere ist Charles Barkley). Neben Wilt Chamberlain und Sleepy Floyd ist der 23-Jährige nun zudem der einzige Spieler mit 50 Punkten oder mehr in einem Elimination Game. Kann man mal machen ...
Runner-Up: Lukas Buzzer-Beater in Spiel 4 gegen die Clippers, Butlers episches Spiel 3 in den Finals, LeBrons Triple-Double in Spiel 6 der Finals
Defensive Player der Playoffs: Anthony Davis
Glaubt man stats.nba.com, so hat Anthony Davis in den Playoffs 2020 am meisten Zeit mit der Bewachung von Paul Millsap verbracht. Den erhobenen Daten zufolge waren es über die fünf Spiele in den Western Conference Finals insgesamt 23:47 Minuten, in denen der Lakers-Big seinen Gegner in diesem Matchup terrorisierte. Anders kann man es kaum nennen, Millsap traf im direkten Duell gegen die Braue nur einen seiner 13 Versuche aus dem Feld.
Was diese Daten nicht zeigen: Davis verteidigte nicht nur Millsap, sondern agierte gleichzeitig als defensiver Anker der Lakers. Er sagte die Defensiv-Systeme an, er half aus, wenn ein Teamkollege geschlagen war, und er schüchterte durch seine schiere Präsenz unter dem Korb die gegnerischen Angreifer ein.
Zusätzlich war es die Vielseitigkeit, die Davis zum besten Verteidiger der diesjährigen Playoffs machte. Am zweithäufigsten verteidigte AD Jimmy Butler, den er nach dessen Monster-Auftritt in Spiel 3 der Finals in Spiel 4 kaltstellte. Auch Bam Adebayo (7/16 gegen Davis) oder Russell Westbrook (9/25 FG) hatte er weitestgehend im Griff, Spieler, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Defense wins Championships, das Sprichwort ist mindestens genauso alt wie ausgelutscht. Aber zum Teil eben doch auch wahr. Zwar half sicherlich auch die Dominanz von LeBron am anderen Ende des Courts (und Davis' Offense), doch der King war auch defensiv immer voll fokussiert, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Viele im Lakers-Lager rechnen dies auch Davis an.
Runner-Up: Bam Adebayo, Marcus Smart, LeBron James
Der Beef der Playoffs: Westbrook vs. die Rondo-Familie
Hätte Las Vegas Wetten angenommen, welcher Spieler sich in einer Bubble ohne Fans als erstes mit einem Fan anlegt, Russell Westbrook wäre sicherlich der Favorit gewesen. Irgendeinen Weg würde der Rockets-Wüterich schon finden - und er fand ihn.
Denn ein paar Fans durften ab der zweiten Playoff-Runde, als Disney World für eine gewisse Anzahl an Familie und Freunde der Spieler die Tore öffnete, doch in die Hallen. William Rondo, der Bruder von Lakers-Star Rajon Rondo, war sogar schon länger in der Bubble anwesend. Mit seiner Firma kümmerte er sich um die extra errichteten Barber-Shops, in seiner Freizeit verfing er sich in anderen haarigen Angelegenheiten.
Was war passiert? Gegen Ende des Lakers-Blowouts, als das nahende Saisonaus der Rockets eigentlich längst besiegelt war, entwickelte sich auf einmal ein Wortgefecht zwischen Westbrook und eben jenem Rondo auf der Tribüne. Der soll den Rockets-Guard unter anderem als "Müll" bezeichnet haben, was Westbrook gar nicht gefiel. Russ musste von Spielern und Referees zurückgehalten werden und veranlasste den Rausschmiss von Rondo. Auch anschließend wütete Westbrook verbal weiter.
Ob es schon im Vorfeld von Spiel 5 der Lakers und Rockets zu Unstimmigkeiten zwischen William Rondo und Westbrook kam, vielleicht weil sich einer der Friseure bei einer Frisur verfranzte, ist nicht überliefert. Die NBA sah sich im Anschluss übrigens veranlasst, die Zuschauer noch einmal an die Regeln zu erinnern: Keine verbalen Aggressionen gegenüber den Spielern! Immerhin zeigte die Tochter von Fred VanVleet, dass es auch anders geht.
Runner-Up:Lillards Beef mit den Clippers, Millsaps Rachefeldzug gegen die Clippers, Big Face Coffee vs. Little Face Coffee
MVP der Playoffs: LeBron James
Der King war nicht sonderlich amused, als nach und nach die Regular-Season-Awards bekanntgegeben wurden. MVP? Giannis. DPOY? Giannis. Bester Coach? Nick Nurse. Die Lakers gingen komplett leer aus. Selbst die Auszeichnung für den Executive of the Year ging nicht einmal an Klutch Sports. Frechheit!
Dafür sahnt Purple-and-Gold bei Dropping Dimes so richtig ab, quasi als Wiedergutmachung. Nach dem besten Sixth Man und dem besten Verteidiger bekommen die Lakers in Person von LeBron auch beim Playoff-MVP den Zuschlag. So viel sei verraten: Eine hitzige Debatte gab es bei dieser Entscheidung nicht.
Selbst die nach zwei Spielen noch spannende Diskussion, wer denn bei einem Lakers-Sieg den Finals-MVP abräumen sollte, hatte sich relativ schnell erledigt. LeBron dominierte auf dem Weg zu seinem vierten Titel nicht nur die Finals, sondern die gesamten Playoffs.
Picken wir doch mal ein paar beeindruckende Statistiken aus dem LeBron-Fundus heraus. Beispielsweise legten nur drei weitere Spieler in der Historie der NBA über die gesamte Postseason mindestens 25 Punkte, 10 Rebounds und 8 Assists auf, dem King gelang dies nach 2014/15 nun bereits zum zweiten Mal. Und mit seinen fünf Triple-Doubles stellte er einen neuen persönlichen Playoff-Rekord auf, immerhin die viertmeisten in einer Postseason in der Geschichte der NBA.
Ach ja, und er führte gemeinsam mit AD und dem im Vorfeld viel kritisierten Supporting Cast die Lakers zum ersten Titel nach zehn Jahren. Noch Fragen?
Runner-Up: Anthony Davis, Jimmy Butler, Jayson Tatum
Die Playoff-Statistiken von LeBron James 2020
Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | Turnover | FG% | 3FG% | FT% |
21 / 36,3 | 27,6 | 10,8 | 8,8 | 4,0 | 56,0 | 37,0 | 72,0 |
Rookie der Playoffs: Tyler Herro
In den meisten Fällen sind die Playoffs kein allzu gutes Pflaster für einen Rookie. Natürlich gibt es Ausnahmen, Spieler, die auch in ihrem ersten Jahr in der Association sofort auf der größten Bühne abliefern. Diese Youngster entwickeln sich meistens zu Superstars.
Ganz so weit wollen wir bei Herro zwar noch nicht gehen, beeindruckend war es aber schon, was er teilweise für die Heat aufs Parkett zauberte. Das absolute Highlight stellte seine 37-Punkte-Gala in Spiel 4 gegen die Celtics dar, 17 Zähler erzielte er allein im vierten Viertel. Nerven kennt der gerade einmal 20-Jährige nicht, sein Selbstbewusstsein ist ohnehin am Anschlag.
Es war nicht sein einziger Clutch-Auftritt. Im Schnitt erzielte Herro 5,6 Punkte im Schlussabschnitt und damit mehr als seine Teamkollegen Bam Adebayo und Goran Dragic (jeweils 5,2) oder Giannis Antetokounmpo oder James Harden (jeweils 5,5). Dass der Guard in anderen Spielen auch einiges an Lehrgeld zahlen musste, vor allem defensiv, ist normal.
Die anderen Playoff-Rookies in diesem Jahrgang waren von den Leistungen Herros aber weiter entfernt als Zion Williamson von der Disney-Bubble, als die Postseason überhaupt startete. Der Heat-Frischling präsentierte dagegen selbst in den Finals sein schelmisches Grinsen. Das verdient Anerkennung - auch wenn er ein Spiel später als Strafe von LeBron einfach mal weggerammt wurde.
Runner-Up: Michael Porter Jr. Lu Dort, Grant Williams
Panne der Playoffs: Wayoff-P
Von Playoff-P über Pandemic-P bis hin zu Wayoff-P. Die Disney-Bubble hat es nicht sonderlich gut gemeint mit Paul George - vielleicht besser so, dass die Erfahrung relativ schnell für ihn und seine Teamkollegen beendet war.
Den letzten Spitznamen bekam der Clippers-Star verpasst, nachdem er einen Dreier gegen die obere Ecke des Backboards geworfen hatte. Generell landeten in der ungewohnten Umgebung übrigens auffällig oft Wurfversuche aus der Ecke beziehungsweise von der Baseline an der Seite des Backboards.
Sicherlich nur ein schwacher Trost, da es George ausgerechnet im vierten Viertel in Spiel 7 der West-Semis gegen die Nuggets passierte. Kurz darauf stand die Heimreise an.
stats.nba.comRunner-Up:Harris-Slapstick, Tatums Pass zu Nick Nurse, Kuzma/Caruso mit dem Synchron-Flop