Die Denver Nuggets sind nach ihrem Bubble-Run im Vorjahr diesmal bereits in Runde zwei ausgeschieden. Der Ausfall von Jamal Murray war nicht zu kompensieren, MVP Nikola Jokic allein auf weiter Flur. Auf Denver wartet eine interessante Offseason, auch weil es nicht leicht ist, um den Serben einen Contender zu bauen.
1. Wie ist die Saison der Nuggets zu bewerten?
Die Nuggets sind mit ihrem Schicksal nicht alleine. In einer Saison, die von Verletzungen und Corona geprägt war und ist, hatten die Nuggets mit vielen Ausfällen Pech. Der prominenteste unter den Fehlenden war Jamal Murray, aber auch Will Barton und P.J. Dozier verpassten große Teile der Playoffs.
Es ist dem Team hoch anzurechnen, dass unter diesen Umständen dennoch eine Playoff-Serie gewonnen wurde. Der Sweep gegen die Phoenix Suns war bitter, doch letztlich waren die Suns schlichtweg das bessere Team mit deutlich mehr Optionen - das Resultat war nur die logische Folge.
Ein verlorenes Jahr war es für die Nuggets dennoch nicht. Nikola Jokic wurde verdient zum MVP gewählt und spielte die beste Saison seiner Karriere. Der Serbe ist einer der drei besten Offensivspieler der Liga und zählt endgültig zum erlauchten Kreis der Superstars. "Wir sollten alle mit erhobenen Köpfen aus dieser Saison gehen", sagte Jokic nach dem Aus. "Manchmal ist jemand besser. Das muss man akzeptieren und dann daran arbeiten."
Michael Porter Jr. ist nach einer starken Saison die klare dritte Option bei den Nuggets, Monte Morris etablierte sich als einer der besten Backup-Guards in der NBA, Facundo Campazzo bewies sich mit 30 Jahren nach einer tollen Karriere in Europa auch als brauchbarer Rollenspieler in der besten Liga der Welt.
Mit Aaron Gordon wurde der Kader während der Saison sinnvoll verstärkt, mit einer vollen Offseason dürfte auch er noch besser in das doch eigenwillige Nuggets-System integriert werden. Viele sahen in ihm das fehlende Teil des Championship-Puzzles der Nuggets, beweisen konnte er es noch nicht.
Und trotzdem ist der Respekt innerhalb der Liga für Denver größer geworden. Das Erreichen der Conference Finals im Vorjahr ist keine Eintagsfliege, dieses Team war auch diese Saison enorm widerstandsfähig und schwer zu schlagen - selbst wenn es die Suns in den Conference Semifinals einfach aussehen ließen.
"Es war mit Ausnahme der letzten vier Spiele eine tolle Saison", bilanzierte Jokic. "Was ich aus diesem Jahr mitnehme, ist die tolle Gruppe von Jungs, die wir hatten. Wir haben gekämpft und niemals aufgegeben." Besser kann man es eigentlich nicht formulieren.
Suns vs. Nuggets: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 8. Juni | Suns | Nuggets | 122:105 |
2 | 10. Juni | Suns | Nuggets | 123:98 |
3 | 12. Juni | Nuggets | Suns | 102:116 |
4 | 14. Juni | Nuggets | Suns | 118:125 |
2. Hätten die Nuggets mit Murray eine Titelchance gehabt?
Geht es nach Coach Michael Malone ist diese These mit Ja zu beantworten. "Ich hatte das Gefühl, dass wir eine Chance auf den großen Preis hatten", sagte Malone nach der Suns-Serie und sprach dabei vom vielleicht besten Sieg der Saison im April, als man die L.A. Clippers im Staples Center bezwang. "Ich glaube das wirklich, so gut haben wir zu dieser Zeit gespielt."
Denver hatte zu diesem Zeitpunkt fünf Spiele in Serie gewonnen, insgesamt wurden es acht mit Siegen gegen Atlanta, Philadelphia oder eben die Clippers. Wenig später riss sich Murray das Kreuzband und hinterließ so eine Saison im Konjunktiv.
Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob Denver mit Murray eine Serie gegen Phoenix hätte gewinnen können. Zumindest offensiv wären die Nuggets deutlich variabler gewesen. Jokic profitierte im Vorjahr ebenso von Murray wie der Kanadier vom MVP. Der Joker hätte gegen die Suns deutlich entlastet werden können.
Die Probleme in der Defense hätte aber auch Murray nicht lösen können. Der 24-Jährige ist zwar ein toller Shooter und besitzt mit Jokic blindes Verständnis, seine defensiven Mängel bleiben aber eklatant und hätten in diesem Matchup nur wenig geholfen. Die Nuggets hätten Phoenix nur mit Offense besiegen können - vergleichbar mit der Erstrundenserie im Vorjahr gegen Utah, als Murray 50-Punkte-Spiele sammelte (es waren 2).
Es wäre zumindest nicht der ungleiche Kampf gewesen, den die Fans letztlich zu sehen bekamen. Mit Murray hätten die Suns die Chance gehabt, erneut die Conference Finals zu erreichen, es hätte aber genauso gut so ausgehen können, wie nun ohne Murray - mit einem Aus in Runde zwei.
3. Ist Michael Porter Jr. einen Maximalvertrag wert?
Es ist die entscheidende Frage dieser Offseason. Porter Jr. kann mit Beginn der Offseason bereits eine Vertragsverlängerung unterzeichnen und genau das wird er auch fordern. Vor allem in der zweiten Saisonhälfte drehte der 22-Jährige auf und legte All-Star-Zahlen auf. Nach dem All-Star Game waren es im Schnitt 22,3 Punkte und 7,5 Rebounds bei 56 Prozent aus dem Feld und 46 Prozent von der Dreierlinie.
Das Maximum für Porters Dienste wären fünf Jahre für 168 Millionen Dollar, gemäß Bobby Marks (ESPN) haben diesen Vertrag nur elf Spieler erhalten. Es wäre ein Wagnis, schließlich verpasste der Flügelspieler fast zwei volle Jahre mit einer Rückenverletzung. Das war auch der Grund dafür, dass der potenzielle Top-3-Pick im Draft 2018 den Nuggets an Position 14 in den Schoß fiel.
In dieser Spielzeit war Porter mit Ausnahme seiner Corona-Pausen immer fit und eine der Konstanten dieser Nuggets-Saison. Einen solch langen Spieler mit einem solch grazilen Laufstil gepaart mit elitärem Shooting gibt es auch in der NBA nicht wie Sand am Meer.
gettyDenver setzte darum auf Porter und war nicht gewillt, den Youngster für einen weiteren Star zu traden. Es ist unwahrscheinlich, dass sich diese Ansicht während der Playoffs geändert hat, es sei denn, die Franchise ist nicht gewillt, in die Luxussteuer zu gehen, was spätestens 2023 passieren wird, wenn Porter zum maximalen oder fast maximalen Betrag verlängert.
Vermutlich wird es bei einer Verlängerung ein paar Klauseln geben, ähnlich wie es die Sixers einst mit Joel Embiid machten, als dieser nach nur 31 NBA-Spielen seine Max-Verlängerung bekam. Es könnte um Minuten, Spiele oder ein erneutes Aufbrechen der Rückenverletzung gehen, die dafür sorgen, dass Porter weniger garantiertes Geld bekommt.
NBA-Teams sind in dieser Hinsicht sehr kreativ geworden, auch bei Porter ist es wahrscheinlich, dass Ähnliches passiert. Seine zweite volle Saison hat aber vor allem gezeigt, dass der 22-Jährige in Zukunft der dritte Star an der Seite von Jokic und Murray sein kann.
4. Was können die Nuggets in der Offseason machen?
Zehn Spieler haben für die kommende Saison bereits einen Vertrag, der Kern des Teams steht. Murray (Vertrag bis 2025) und Jokic (2023) sind langfristig gebunden, die Personalie Porter wurde bereits behandelt. Jokic wird mit Sicherheit langfristig verlängern, kann dies aber erst 2022 machen, um den Supermax-Vertrag zu bekommen. Das wären rund 241 Millionen Dollar zwischen 2023 und 2028, jede Menge Holz für eine traditionell knausrige Franchise.
Mit Paul Millsap und Austin Rivers werden zwei Rotationsspieler Free Agents, beide Akteure werden aber eher keine großen Angebote der Nuggets bekommen. Interessanter sind da schon die Entscheidungen von Will Barton (14,7 Mio.) und JaMychal Green (7,6 Mio.), welche beide eine Spieleroption halten.
Barton ist nun schon seit 2015 eine Konstante in Denver, absolvierte aber in den vergangenen beiden Jahren gerade einmal 123 Playoff-Minuten. Green war dagegen ein solider Backup von Jokic und war auch als Vierer eine gute Wahl. Die Nuggets würden Green sicher gerne behalten, auch weil die Alternativen rar gesät sind.
Selbst wenn beide aus ihren Verträgen aussteigen, bleibt Denver lediglich die Midlevel-Exception (rund 9,5 Mio.), um Free Agents anzulocken, die nicht für einen Minimalvertrag spielen wollen. Umso wichtiger ist es für die Nuggets, die wichtigsten Spieler der Rotation zu halten, um auch auf lange Sicht mehr als nur ein solides Playoff-Team zu sein.
Eine große Rolle soll dabei auch Aaron Gordon spielen, für den die Nuggets Ende März viel investierten. Der frühere Magic-Star spielte eine gute Blazers-Serie, gegen Phoenix war sein Impact geringer. Dennoch war zu sehen, warum Denver diesen Trade einfädelte und nun versuchen wird, den 25-Jährigen langfristig zu binden.
Der Forward kann im Sommer verlängern, allerdings aufgrund der etwas eigenwilligen Vertragsstruktur, welche in Orlando ausgehandelt wurde, nur um 88 Millionen für vier Jahre. Reicht AG das oder setzt der High Flyer auf sich selbst, um 2022 womöglich bessere Angebote zu bekommen?
Ansonsten werden die Nuggets versuchen, die Bank ein wenig aufzupolstern. Ein weiterer wurfstarker Guard würde dem Team gut zu Gesicht stehen, womöglich auch noch ein Big Man, wenn sich Millsap und/oder Green verabschieden.
Denver Nuggets: Alle werdenden Free Agents
Spieler | Alter | Position | Gehalt | Status |
Austin Rivers | 28 | Guard | 0,4 Mio. | UFA |
Shaquille Harrison | 26 | Guard | 0,2 Mio. | RFA |
Markus Howard | 22 | Guard | 0,5 Mio. | RFA |
Paul Millsap | 36 | Forward | 10,0 Mio. | UFA |
JaVale McGee | 33 | Center | 4,2 Mio. | UFA |
5. Sind die Nuggets im kommenden Jahr ein Contender?
Denver sieht sich als Contender, das haben Malones Aussagen zur Murray-Verletzung unterstrichen. Murray hin oder her, in den Playoffs wurden aber auch offensichtliche Schwächen deutlich, die nichts mit dem Kanadier zu tun haben. Solange Jokic das Nuggets-Jersey trägt, wird Denver immer eine grandiose Offense haben, die in der Regular Season für 50 Siege und mehr gut sein wird.
Mit Jokic beginnen aber auch die Probleme in den Playoffs. Der Serbe ist defensiv nicht so mies wie er oft gemacht wird, aber er hat Schwächen, welche von den besten Spielern dieser Welt gnadenlos bestraft werden können. Vor allem die Suns-Serie offenbarte dies gnadenlos, Devin Booker und Chris Paul zerlegten die Nuggets-Defense aus der Mitteldistanz.
Denver hat mit Jokic zwei Optionen. Sie können das Pick'n'Roll aggressiv verteidigen, indem der Center sehr hoch verteidigt oder eben Drop spielen und mit langen Zweiern leben. Auf dem allerhöchsten Niveau werden Starspieler das ausnutzen, dies setzt Denver in seinen Möglichkeiten ein Limit.
So läuft es in der heutigen NBA eben. Defensivschwache Guards können durch einen guten Frontcourt versteckt werden, ein defensivschwacher Center ist jedoch ein Problem, da dessen Schwächen kaum mehr ausgebügelt werden können. Millsap war in dieser Hinsicht vor allem im Vorjahr wichtig, hat aber abgebaut. Ein Ersatz ist schwer aufzutreiben, erst recht bei den begrenzten finanziellen Möglichkeiten.
Das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau. Nicht jedes Team hat solch explosive Guards wie Phoenix, die sich als denkbar ungünstiges Matchup herausstellten. Dazu bleibt die Frage, wie sich Murray von seinem Kreuzbandriss erholt, der Guard wird auch Teile der kommenden Saison verpassen.
2020/21 hat dennoch Gewissheit gebracht, dass die Bubble keine Eintagsfliege war. Die Nuggets sind gefestigt und werden auch im kommenden Jahr zum erweiterten Favoritenkreis zählen. Für den ganz großen Wurf müssen aber viele Dinge richtig laufen.