Mitte der 2000er-Jahre sah manch einer in Eddy Curry eine Mini-Version von Shaq. Doch seine Laufbahn nahm aufgrund von gesundheitlichen Problemen, dem Hang zu Donuts und schweren Schicksalsschlägen eine tragische Wendung. Nach nur sieben Jahren war Curry Pleite - und seine Karriere am Tiefpunkt.
"Er ist der beste Big Man der Eastern Conference", soll Shaquille O'Neal einmal erklärt haben. Damals meint er ausnahmsweise nicht sich selbst, zuzutrauen wäre es ihm, aber der Big Diesel tobt sich Anfang der 2000er gerade in der Western Conference im Lakers-Trikot aus. Und im Osten? Da schickt sich ein als "Baby Shaq" getaufter Center an, die Conference zu dominieren.
Sein Name: Eddy Curry. Seine Vorschusslorbeeren: Ein McDonald's All-American-MVP, ein Illinois Mr. Basketball zu High-School-Zeiten, der vierte Pick des Drafts 2001, dann Topscorer der Chicago Bulls. All das bereits mit 22 Jahren. Viele Ehrungen und Titel sollen noch hinzukommen, einiges spricht dafür, dass Curry ein Team auf Jahre hinaus als Franchise-Center prägen könnte.
Doch nichts davon wird Realität. Stattdessen versinkt seine Karriere in Donuts und Cheeseburgern, sein Lebenswandel und falsche Freunde treiben ihn in den finanziellem Ruin. All das macht ihn lange Zeit zu einer Lachnummer der NBA - viel zu lachen hat er selbst, gebeutelt von selbstverschuldeten Eskapaden und tragischen Schicksalsschlägen, jedoch nicht.
Eddy Curry: Der "schlechteste Middle Schooler der Geschichte"
Liebe auf den ersten Blick ist das orangefarbene Leder für Eddy Anthony Curry Jr., geboren und aufgewachsen in Illinois, nicht. Wie sein Vater später berichtet, träumt der Sprössling eher von einer Karriere als Turner bei den Olympischen Spielen, balanciert über selbstgebastelte Hindernisse im Garten.
Dummerweise sind kräftige 2,13-Meter-Hünen im Turnen relativ selten, Basketball verspricht mit solch einer Statur deutlich mehr Erfolg. Aber: "Als Kind wollte ich eigentlich gar kein Basketball spielen", gibt Curry Jahre später in einer ehrlichen Retrospektive bei The Players Tribune zu.
So muss der junge Curry, nach einem Wachstumsschub bereits größer als so mancher Lehrer, in der High School regelrecht dazu gedrängt werden, zum Training des Basketball-Teams zu gehen. Erst in der siebten Klasse lässt sich Curry überreden, trotz Anfangsschwierigkeiten setzen die Coaches aus einem einfachen Grund ihr Vertrauen in ihn.
"Ich hatte keine Ahnung, wie ich das Spiel zu spielen habe. Ich war schrecklich", erinnert sich Curry. "Ich habe nicht mal meiner Familie erzählt, dass ich es ins Team geschafft hatte. Ich wollte nicht, dass sie sehen, wie schlecht ich bin. Ich war wahrscheinlich der schlechteste Middle-School-Basketball-Spieler in der Geschichte."
"Aber verdammt, ich war groß."
Eddy Curry: Der Erste seit Michael Jordan
Im Laufe der Jahre entwickelt sich Curry immer mehr zu einem echten Prospect. Vom schlechtesten Middle-Schooler wird er zu einem der besten High-School-Spieler des Landes, tritt als Illinois Mr. Basketball in die Fußstapfen von unter anderem Kevin Garnett. Und tut es dem Big Ticket mit dem direkten Sprung in die NBA gleich.
Im Draft 2001 schlagen an Position vier die Chicago Bulls zu, nach einem Trade für Nr.2-Pick Tyson Chandler steht in der Theorie der Frontcourt der Zukunft. Bis Curry aber so richtig in der Association ankommt, dauert es bis zu seiner zweiten Saison. In 81 absolvierten Partien und knapp 20 Minuten Einsatzzeit landet er ligaweit auf Platz eins bei der Feldwurfquote (58,5 Prozent FG bei 10,5 Punkten pro Spiel). Ein Spieler im Bulls-Trikot, der eine wichtige Statistik-Kategorie anführt - das gab es seit Michael Jordan nicht mehr.
Der Trend beim Center und den Bulls geht steil bergauf, in der Saison 2004/05 verbessern sich die "Baby Bulls" nach der Ankunft von Ben Gordon sowie Luol Deng und mit einem kurz zuvor mit höchsten Shaq-Lobeshymnen geweihten Curry um 24 Siege im Vergleich zur Vorsaison. Er avanciert zum Top-Scorer seines Teams (16,1 PPG) - bevor sein Körper ihm einen Strich durch die Rechnung macht.
Nach einem Spiel gegen Memphis Ende März 2005, Curry hat sein Team soeben mit 25 Zählern zum Sieg geführt, beklagt sich der Big über Schmerzen in der Brust. Und das nicht zum ersten Mal. Die Ärzte stellen einen unregelmäßigen Herzschlag fest, Curry muss ins Krankenhaus, Chicago lässt ihn in den letzten 13 Spielen sowie den Playoffs nicht mehr aufs Parkett. Es soll das Ende seiner Bulls-Karriere werden.
Eddy Curry: Es droht das frühe Karriereende
Zwar geben im darauffolgenden Sommer mehrere Mediziner ihr Okay für die Fortsetzung von Currys aktiver Sportler-Laufbahn, die Bulls wollen mit dem damals 22 Jahre alten Restricted Free Agent aber kein Risiko eingehen. Weder wirtschaftlich noch gesundheitlich.
Chicago verlangt einen DNA-Test, um einen angeborenen Herzfehler auszuschließen. Ähnliche gesundheitliche Probleme kosteten in den 90ern Celtics-All-Star Reggie Lewis oder College-Star Hank Gathers das Leben, nachdem diese auf dem Court zusammengebrochen waren. Die Bulls wollen ein ähnliches Horror-Szenario verhindern, bieten Curry bei einem positiven Testergebnis und dem damit verbundenen Karriereende sogar eine Rente von 400.000 Dollar jährlich für die nächsten 50 Jahre.
Doch Curry, mit Verweis auf seine Privatsphäre und womöglich aus Angst, einen kräftigen Zahltag zu verlieren, weigert sich, den Test zu machen. Damit hat er in Chicago keine sportliche Zukunft mehr. In einem heftig umstrittenen Sign-and-Trade-Deal schicken die Bulls Curry nach New York.
Die positive Nachricht: Currys Herz hält auch in Zukunft den NBA-Belastungen stand. Unter Head Coach Isiah Thomas, der den Trade als Präsident eingefädelt hat, rückt der Center in 2006/07 zur Nummer-1-Option der Knickerbockers auf, für die er pro Spiel 19,5 Punkte und 7 Rebounds produziert. Die schlechte Nachricht: Die Knicks sollen diesen Deal aus ganz anderen Gründen sehr bald bitter bereuen.
Eddy Curry und die Liebe zu Donuts
Curry ist während seiner aktiven Laufbahn ein starker Scorer, als 2,13-Meter- und 130-Kilo-Hüne eine echte Wucht in der Zone. Zur absoluten Dominanz fehlt es aber in Sachen Rebounding und Defense. Und Disziplin. Im Anschluss an die beste Saison seiner Karriere startet er mit Übergewicht ins Training Camp, seine Einsatzzeiten gehen genau wie seine Ausbeute zurück.
Besserung beim Fitness-Level tritt allerdings auch im folgenden Sommer nicht ein, im Gegenteil. Der neue Knicks-Coach Mike D'Antoni findet in seinem schnellen Offensiv-System keinen Platz für einen korpulenten Center, Curry fällt 2008/09 komplett aus der Rotation.
Im Internet verbreiten sich Gerüchte um Currys Liebe zu Donuts, angeblich soll er sogar auf einem stationären Fahrrad mit seinem Lieblingsgebäck gesichtet worden sein. Ein anderes Mal explodiert ein Gymnastikball unter dem Gewicht des Knicks-Centers. Dessen Replik auf seine Probleme: "Ich bin da ein bisschen wie eine Frau, ich rede nicht gerne über mein Gewicht."
Die Internet-Gemeinde macht dies dafür umso lieber, Curry wird zur Lachnummer. Vorbei die Zeiten, in denen er sein Team als Franchise-Center zu Erfolgen führen soll. Stattdessen bezahlen die Knicks 08/09 und 09/10 jeweils knapp 10 Millionen Dollar für drei beziehungsweise sieben Auftritte Currys. Die Draft-Picks, die Thomas in dem Bulls-Deal abgab, werden derweil zu LaMarcus Aldridge (2. Pick 2006) und Joakim Noah (9. Pick 2007). Manche Knicks-Fans verfolgt dieser Trade bis heute.
gettyEddy Curry: "Mein ganzes Leben ist zusammengebrochen"
Neben der sportlichen Talfahrt ist 2009 auch das Jahr, in dem Currys komplettes Leben aus den Fugen gerät. Im Januar werden seine Ex-Freundin und zehn Monate alte Tochter von ihrem neuen Lebenspartner ermordet. Curry hat die Affäre vor seiner Ehefrau geheim gehalten, in Anbetracht dieser Tragödie fällt das komplette Kartenhaus in sich zusammen.
Fast zeitgleich wirft ihm sein ehemaliger Chauffeur sexuelle Belästigung vor, laut Curry nur, um ihn zu erpressen. Sein eigener Berater klaut ihm mehrere Millionen Dollar, indem er Kaufverträge für alle möglichen Luxuswaren oder Kredite mit einem Stempel mit Currys Unterschrift abschließt.
Falsche Freunde erschleichen sich Geld vom naiven Big Man, der auch noch selbst schlecht mit seinem Gehalt haushaltet (1.000 Dollar pro Monat für die Kabel- und Satellit-Rechnung, um nur ein Beispiel zu nennen) und auf einmal trotz eines 60-Millionen-Dollar-Vertrags mit immensen Schulden dasteht.
"Ich saß am Ende der Bank in New York, mein Konto schrumpfte dahin, mein Zuhause in Chicago sollte zwangsversteigert werden, meine ältesten Freunden logen mich an und stahlen mein Geld", blickt Curry zurück. "Als ich meine Tochter beerdigen musste, ist mein ganzes Leben um mich herum zusammengebrochen."
NBA: Die Karrierestatistiken von Eddy Curry
Saison | Team | G / MIN | Punkte | Rebounds | FG% |
2001/02 | Bulls | 72 / 16,0 | 6,7 | 3,8 | 50,1 |
2002/03 | Bulls | 81 / 19,4 | 10,5 | 4,4 | 58,5 |
2003/04 | Bulls | 73 / 29,5 | 14,7 | 6,2 | 49,6 |
2004/05 | Bulls | 63 / 28,7 | 16,1 | 5,4 | 53,8 |
2005/06 | Knicks | 72 / 35,2 | 13,6 | 6,0 | 56,3 |
2006/07 | Knicks | 81 / 35,2 | 19,5 | 7,0 | 57,6 |
2007/08 | Knicks | 59 / 25,9 | 13,2 | 4,7 | 54,6 |
2008/09 | Knicks | 3 / 4,0 | 1,7 | 1,3 | 100 |
2009/10 | Knicks | 7 / 8,9 | 3,7 | 1,9 | 38,1 |
2010/11 | Knicks/Timberwolves | Kein Spiel absolviert | - | - | - |
2011/12 | Heat | 14 / 5,9 | 2,1 | 0,9 | 46,2 |
2012/13 | Mavs | 2 / 12,5 | 4,5 | 2,0 | 50,0 |
Karriere | Bulls/Knicks/Heat/Mavs | 527 / 24,9 | 12,9 | 5,2 | 54,5 |
Eddy Curry: Champion und später Frieden
Was bleibt, ist immerhin das Gehalt von den Knicks. Zur Saison 2010/11 zieht er wenig überraschend seine Spieleroption in Höhe von 11,3 Mio. Dollar, wenige Monate später erscheint er mit knapp 150 Kilo Kampfgewicht im Training Camp. Auflaufen darf er im Madison Square Garden nicht mehr, im Februar 2011 wird er im Rahmen des Carmelo-Anthony-Trades zu den Timberwolves geschickt und entlassen.
Seine Geschichte als Basketballer nimmt allerdings nochmal eine Wendung. Von zwischenzeitlich angeblichen 180 Kilo bringt sich der 28-Jährige mit Hilfe des legendären Individualtrainers Tim Grover mehr oder weniger in Form. Das Abspeckprogramm bringt ihm einen Platz bei den Miami Heat ein, mit denen er 2012 die Championship holt, auch wenn er in der kompletten Saison nur 83 Minuten auf dem Court steht und in den Playoffs gar nicht ran darf.
Ein zwei Spiele dauerndes Intermezzo bei den Dallas Mavericks und mehrere Trips nach China sowie ein Comeback in der BIG3 später schließt Curry endgültig mit der aktiven Laufbahn ab. Auch mit der Unterstützung seiner Frau Patrice, die ihm die Affäre verziehen und seither den Rücken gestärkt hat, bekommt er sein Leben in den Griff. Mit mittlerweile 38 Jahren und sieben Kindern hat Eddy Curry endlich seinen Frieden gefunden, als Familienvater weit weg vom NBA-Zirkus.