Celtics-Scout Matkevicius: "Robert Williams war ein Risiko"
Ist es jetzt eigentlich weniger stressig geworden, nachdem Boston nicht mehr jedes Jahr gefühlt acht Picks pro Draft hat?
Matkevicius: Klar, wenn wir nur einen Pick in der zweiten Runde haben, kann das auch langweilig sein. Wir wissen meistens schon zwei, drei Minuten vorher, welche Spieler gezogen werden, in der zweiten Runde ist es oft zwei, drei Picks vorher klar, weil Leute wie Adrian Wojnarowski oder Shams Charania über Twitter alle Infos verbreiten. Du sitzt da zwei Stunden und wartest nur, was passiert. Mit den acht Picks 2016 war schon die Hölle los, weil du natürlich versuchst, daraus ein Trade-Paket zu machen. Das Telefon klingelte da in einer Tour und die Situation änderte sich ständig, weil wir bei solchen Trades ja auch Picks zurückbekommen. Es ist sehr viel hektischer, das ist klar. Dann kommt es auf deine Roster-Situation an, ob du noch einen Spieler traden möchtest, um einen First Rounder zu bekommen. Es sind dann so viele Szenarien, du musst ständig abgleichen, ob ein bestimmter Spieler im Draft noch verfügbar ist. Deswegen ist es wichtig, stets informiert zu sein, wenn Spieler zum Beispiel fallen. Du brauchst das passende Paket sofort, um diesen einen Spieler draften zu können. Es ist oft sehr hektisch, wenn dieser Spieler tatsächlich noch da ist, den du haben möchtest oder ein Team bereit ist, seinen Pick abzugeben.
Aus Celtics-Sicht fällt mir da sofort der Name Robert Williams ein ...
Matkevicius: Genau, Rob ist ein gutes Beispiel dafür. Er wurde im Draft 2018 hoch gehandelt, ist aber tief gefallen. Als er an Position 27 noch zu haben war, war es für Ainge und uns klar, dass wir ihn draften würden. Wir hatten ihn zwei Jahre beobachtet und sein Talent-Paket aus Athletik und Passspiel gemocht. Schon im ersten Jahr wurde er hoch gehandelt, konnte sich aber in seiner Sophomore-Saison nicht wie gewünscht empfehlen, was unser Glück war. Es war aber auch ein Risiko, es gab schließlich Gründe, warum er noch zu haben war, aber das haben wir in Kauf genommen, weil es an Position 27 ein echter Upside-Pick war.
Celtics-Scout Matkevicius: "In Deutschland gibt es ein gutes Fundament"
Wie sehen Sie denn die Entwicklung im deutschen Basketball? Mit Dennis Schröder, Daniel Theis und ganz kurz Moritz Wagner waren ja auch drei Deutsche bei den Celtics. Blickt man nun in der NBA etwas anders auf den Basketball-Standort Deutschland?
Matkevicius: Seit der Ankunft von Dirk Nowitzki verwenden NBA-Teams exponentiell mehr Zeit für den deutschen Markt. Ich merke aufgrund der Aufmerksamkeit der Agenten, dass man nach Deutschland schaut. Es gibt inzwischen sehr viele gute Spieler, auch wenn die meisten nicht unbedingt für die NBA infrage kommen. Man muss es aber zu schätzen wissen, dass immer mehr Deutsche in der BBL und auch in der EuroLeague größere Rollen einnehmen. Klar, die NBA ist das Maß aller Dinge, aber der Prozentsatz an Profis, die es in die NBA schaffen, ist sehr gering.
Ein anderer Trend ist, dass viele junge deutsche Spieler früh ins Ausland gehen. Die Wagner-Brüder haben den Weg übers College gewählt, Ariel Hukporti spielt in Australien und der jüngere Bruder von Isaac Bonga ist mit 16 Jahren nach Litauen gewechselt. Sind die Bedingungen woanders einfach besser?
Matkevicius: Das ist situationsbedingt. Dass man seine Heimat verlässt, ist keine leichte Entscheidung. Bei manchen funktioniert das, weil sie eine andere Kultur kennenlernen, offener werden und lernen, mit Druck umzugehen. Das kann für einen Spieler gut, für den anderen aber schlecht sein. Generell gibt es in Deutschland in Sachen Jugendarbeit ein gutes Fundament. Es gibt genug Plattformen, um sich anzubieten, sei es NBBL, JBBL, Pro B, Pro A oder die BBL, aber der Klub muss gleichzeitig einen guten Plan für den Spieler haben, damit er Spielpraxis sammeln kann. Dann ist die andere Frage, ob es dir hilft, in ein anderes System zu kommen oder nicht. Den Wagner-Brüdern hat Michigan gut getan, das heißt aber nicht, dass das für jedes Talent eine gute Option ist. Man muss manchmal einfach Glück haben, dass man am richtigen Ort landet.
Glück kann aber nicht der einzige Faktor sein ...
Matkevicius: Nein, es gehört bei den Spielern auch eine gewisse Mentalität dazu. Du musst es wirklich wollen. Ich habe das Glück, dass ich verschiedene Kulturen kenne und sie vergleichen kann. In Deutschland gibt es eine hohe soziale Sicherheit und das spiegelt sich in der Mentalität der Eltern wider. Sicherheit ist wichtig, deswegen legen Eltern viel Wert auf die Schulausbildung und das Studium. Diese üben Druck auf ihre Kinder aus, dass sie eine gewisse Absicherung in ihrem Leben haben, wenn es mit Basketball nicht klappt. So bist du aber als Spieler nicht voll fokussiert, weil es eben nicht nur Basketball gibt. In anderen Ländern wie Litauen, den USA oder dem Balkan, da gibt es diese soziale Sicherheit nicht. Es gibt keinen anderen Weg, du musst Profisportler werden. Da geht der eine dem anderen an die Kehle, um dessen Platz zu bekommen. In diesen Ländern geht es ums Überleben, in Deutschland ums gut leben, wenn man es zuspitzt. Das heißt nicht, dass dieser Wille in Deutschland nicht da ist, aber diese fünf Prozent, die es am Ende ausmachen, fehlen oft. Es fehlt oft der Killerinstinkt. Das ist nicht die Schuld der Spieler, sondern Teil ihrer Kultur, in welcher die Sicherheit über allem steht.
Celtics-Scout Matkevicius: "Doncic wird Probleme schnell lösen"
Deutschland war bei Olympia dabei - Litauen nach der Niederlage daheim gegen Slowenien nicht. Sie waren als Assistent an der Seitenlinie. Was war im Land nach der überraschenden Niederlage los?
Matkevicius: In Litauen ist man immer niedergeschlagen, wenn man verliert. Da spielt es keine Rolle, wer der Gegner war. Wenn das zuhause passiert, ist es umso schlimmer. Wir kennen das von 2011, als wir bei der Heim-Euro nur Fünfter wurden. Die Enttäuschung war riesengroß, ich selbst war über Monate in einem tiefen emotionalen Loch. Da waren 14.000 Fans in der Halle, die riesige Erwartungen hatten und dann enttäuscht nach Hause gingen. So etwas bleibt in dir. Slowenien war gut und hatte einen speziellen Spieler, der alle anderen Spieler vermutlich um 20 Prozent besser macht, aber in Litauen darf das keine Entschuldigung sein. Wir haben hier einen enorm hohen Standard und daran müssen wir uns messen lassen. Danach wurde im Verband vieles verändert, sodass auch ich nicht mehr Teil des Teams bin.
Sie haben es am eigenen Leib gefahren. Wie verteidigt man Luka Doncic am besten? Wie kann man ihn ärgern?
Matkevicius: Wir haben das bis zum Erbrechen analysiert. Wir haben geschaut, auf welche Seite wir ihn drängen wollen, wie wir das Pick'n'Roll verteidigen wollen. Gegen solche Spieler wie Doncic, die so gut im Pick'n'Roll sind, musst du ständig deine Verteidigung wechseln. Du kannst nicht immer das Gleiche spielen. Einmal funktioniert es vielleicht, das zweite Mal vielleicht auch noch, aber beim dritten Mal weiß er schon Bescheid. Er wird solche Probleme schnell lösen. Er braucht deswegen ständig neue Probleme, die er lösen muss. Er versteht es vielleicht sofort, aber seine Mitspieler nicht. Du musst nicht nur ihn verwirren, sondern auch seine Mitspieler. Mal spielt du Drop Coverage, dann verteidigt der zweite Gegenspieler plötzlich höher. Mal kommt der Switch oder der Blitz mit einer Trap. Es kommt auch immer auf das eigene Personal an, wo die Stärken und Schwächen liegen. Es gibt da so viele Nuancen und diese betreffen nicht einmal Doncic selbst. Das sind die Dinge, die ein Coach immer im Kopf haben muss, damit er jederzeit schnell reagieren und die Spieler es schnell umsetzen können. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Ein Doncic ist ein Ausnahmespieler und entsprechend muss man sich vorbereiten. Special players require special rules.