Das eigentliche Nets-Superteam mit James Harden, Kevin Durant und Kyrie Irving ist krachend gescheitert, trotzdem hofft Brooklyn immer noch auf den ganz großen Wurf. Vor knapp zehn Jahren sind die Nets schon einmal All-In gegangenen, damals endete die Sache aber deutlich übler. Sie fädelten voller Gier den wohl schlechtesten Trade der NBA-Geschichte ein, der sie über Jahre im Abgrund verschwinden ließ.
Im Sommer 2013 war in Brooklyn die Euphorie mit Händen zu greifen. Die Nets hatten in der Vorsaison das erste Mal seit sieben Jahren eine positive Bilanz hingelegt, Brook Lopez sah aus wie der Star der Zukunft und mit Joe Johnson hatte ein weiterer All-Star seinen Weg in den Big Apple gefunden. Dann kam der 28. Juni 2013, der die NBA-Welt zum Beben brachte.
Um 23.04 Uhr ließ Insider Adrian Wojnarowski, damals noch in Diensten von Yahoo!, die Bombe platzen: "Die Boston Celtics haben sich auf einen Deal geeinigt, der Paul Pierce und Kevin Garnett nach Brooklyn schickt."
Die Reaktionen hatten es in sich. "Der angebliche Trade zwischen den Celtics und Nets ist so schlecht für Boston, dass Doc Rivers die Celtics schon wieder verlassen hat", schrieb ESPNs Bill Simmons, seines Zeichen glühender Celtics-Fan, nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden des Trades.
Mit dieser Meinung stand er nicht alleine da. Vielerorts war man damals der Auffassung, dass die Celtics sich mit diesem Trade unter Wert verkauft hatten und die lachenden Dritten in Brooklyn säßen, die nun über Jahre die NBA dominieren würden. Dazu waren sie sogar noch den schlechten Vertrag von Gerald Wallace (3 Jahre/30 Mio. Dollar) losgeworden.
"Es könnte entweder ein großartiger Deal für Brooklyn werden oder ein absoluter Steal", schrieb beispielsweise Josh Cohen (Bleacher Report) damals. Die Nets hatten auf einmal eine Starting Five bestehend aus fünf (ehemaligen) All-Stars, Las Vegas schrieb ihnen die viertbesten Quoten auf die Championship zu und das Ziel, den Heat die Ost-Krone streitig zu machen, wirkte plötzliche wie eine realistische Option. Was konnte da noch schief gehen?
Brooklyn Nets: Der Deal mit den Celtics 2013 in der Übersicht
Nets bekommen | Celtics bekommen |
Kevin Garnett | Kris Humphries |
Paul Pierce | Gerald Wallace |
Jason Terry | Kris Joseph |
D.J. White | MarShon Brooks |
Keith Bogans | |
Erstrundenpick 2014 | |
Erstrundenpick 2016 | |
Pick-Swap 2017 | |
Erstrundenpick 2018 |
Brooklyn Nets: Gevatter Zeit ignoriert
Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, dass das Projekt "Superteam" bei den Nets von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Auf dem Papier schnappte sich Brooklyn zwar zwei Hall-of-Famer und in Person von Jason Terry einen Ex-Champion, Gevatter Zeit ignorierten sie - genau wie viele Experten - dabei aber ziemlich blauäugig.
Pierce und Terry waren damals 36 Jahre alt, Garnett hatte sogar schon 37 Lenzen auf dem Buckel und so viele Minuten abgespult wie kaum ein Spieler vor ihm in der Liga. Klar waren sie in der Vorsaison auch nicht viel jünger, als sie den meisten (Pierce, 18,6), zweitmeisten (Garnett, 14,8) und fünftmeisten (Terry, 10,1) Punkte der Celtics auflegten, die Umstände waren aber andere.
Boston war ein über Jahre eingespieltes Team, das die Stärken seiner Stars genau auszunutzen wusste. Mit Rajon Rondo hatten sie damals einen der besten Passer der Liga in ihren Reihen, der Pierces Shooter-Qualitäten perfekt einzusetzen wusste und ein brandgefährliches Pick'n'Roll mit Garnett lief.
Das Prunkstück der Celtics war jedoch die Defensive. Boston stellte die zweitbeste Verteidigung der Association, durch die Bank weg hatten sie überdurchschnittliche Verteidiger in ihren Reihen. Die Starting Five um Rondo, Avery Bradley, Pierce, Jeff Green und Garnett war defensiv elitär, ganz zu schweigen von Brandon Bass als Sixth Man. Dabei kaschierten die Celtics gemeinschaftlich ihre langsamer werdenden Stars.
Brooklyn Nets: Garnett war nicht mehr der Alte
Bei Brooklyn waren die Vorzeichen ganz andere. Garnett sollte der defensive Anker eines Teams werden, das mit Derrick Williams, Johnson und Lopez gleich mehrere Minus-Verteidiger in der Starting Five hatte. Dabei zeichnete es sich schnell ab, dass Garnett selbst lange nicht mehr auf der Höhe vergangener Tage war. Seine Explosivität war fast komplett verschwunden, umkämpfte Rebounds schnappte er sich nur noch selten und auch die Körpersprache, die ihn stets ausgezeichnet hatte, vermisste man bei The Big Ticket.
Die Folge: Garnett stand die Saison über nur 20,2 Minuten im Schnitt auf dem Court und schnappte sich magere 6,6 Rebounds. Hinzu kamen große Probleme in der Offensive. Er erzielte nur 6,5 Punkte pro Spiel bei der mit Abstand schlechtesten Wurfquote seiner Karriere (44,1 Prozent).
Der Big Man hatte merklich Schwierigkeiten, sich im neuen System von Rookie Head Coach Jason Kidd zurechtzufinden. Das Pick'n'Roll mit Williams, in das die Nets viel Hoffnung gesteckt hatten, war eine Katastrophe, Garnett kam fast überhaupt nicht mehr zum Korb (0,9 Versuche pro Spiel) und agierte beinahe ausschließlich als Spot-Up-Shooter. Nur wollte der Wurf eben kaum fallen.
gettyBrooklyn Nets: Paul Pierce und das Mentalitätsproblem
Während es bei Garnett also vornehmlich die körperlichen Probleme waren, fehlte es bei Pierce vor allem an der Einstellung. The Truth war eine Legende bei den Celtics. Er war von den Kelten 1998 gedraftet worden, spielte 15 Jahre in Massachusetts und hätte seine Karriere dort auch liebend gerne beendet - was er schließlich auch tat -, ein Teamwechsel passte aber nicht so wirklich in seinen Plan der perfekten Celtics-Karriere.
So präsentierte sich Pierce auch auf dem Feld. Von dem erfahrenen Leader, den sich die Nets für ihren Titel-Run erhofft hatten, war er weit entfernt. Er wirkte lustlos, zeigte auf der Bank regelmäßig seine Unzufriedenheit und fiel eher durch Aussetzer als durch Glanztaten auf - sein Lachen während der Blowout-Niederlage gegen die Knicks oder seine Closeline gegen George Hill sind nur zwei Beispiele.
Auch sportlich lief es einfach nicht zusammen. Pierce fand sich im System nicht zurecht und Kidd konnte (und wollte) es nicht komplett auf seinen neuen Star zuschneiden. Im Vergleich zum Vorjahr nahm Pierce fünf Würfe weniger pro Spiel, spielte nur noch die Hälfte seiner Assists (2,4) und wirkte schlichtweg nicht mehr so unstoppable wie zu früheren Zeiten.
Er schaffte es nicht mehr so leicht, sich seinen eigenen Wurf zu erarbeiten und seine eiskalten Jumper in der Crunchtime wurden auch seltener. Brooklyn konnte seine Offensive nicht mehr über Pierce laufen, wie es noch in Boston der Fall war. Seine 13,5 Punkte pro Spiel waren ordentlich, in Anbetracht der großen Hoffnungen aber eine herbe Enttäuschung. Das gepaart mit seiner zunehmenden Anfälligkeit in der Defensive und das Unheil nahm seinen Lauf ...
Brooklyn Nets: Das bittere Ende des Superteams
Hinzu kam auch noch das Verletzungspech bei den Nets, die in Lopez ihren amtierenden All-Star und Hoffnungsträger bereits nach 17 Spielen mit einem gebrochenen Fuß für den Rest der Saison verloren. Dadurch fiel nicht nur ihr Top-Scorer aus, sondern Garnett war auch gezwungen, mehr auf der Fünf zu spielen, was ihm gegen die besseren Bigs der Liga enorme Probleme bereitete.
Auch Williams hatte die gesamte Saison über mit Knöchelproblemen zu kämpfen und wirkte nicht so spritzig wie in der erfolgreichen Vorsaison. Dass die beiden wichtigsten Bankspieler Andrei Kirilenko und Terry zusammen nur 80 Spiele auf dem Feld standen und Terry nur noch ein Schatten seiner selbst war (und noch während der Saison zu den Kings getradet wurde), trug sein Übriges zum Dilemma bei.
So war es schon beinahe ein kleines Wunder, dass die Nets mit ihrem Net-Rating von +0,2 die Playoffs erreichten und sogar die erste Serie gegen die Raptors knapp gewannen (4-3). In den Semifinals gegen die Heat war dann aber Schluss. Mit 1-4 flogen die Nets klar und chancenlos aus den Playoffs und das ausgerechnet gegen das Team, dem sie in der Offseason den Kampf angesagt hatten.
Dieses Aus gegen Miami war gleichbedeutend mit dem Aus des Superteams. Pierce verließ die Franchise in der Offseason nach nur einer Saison und heuerte bei den Washington Wizards an, wo er ironischerweise genau der Leader wurde, den die Nets so händeringend gebraucht hätten. Garnett blieb noch bis Mitte der kommenden Saison, ehe er auf eigenen Wunsch zurück nach Minnesota getradet wurde, um dort seine Karriere ausklingen zu lassen.
2014/15 erreichte Brooklyn trotz einer negativen Bilanz (38-44) noch die Playoffs, danach stand jedoch der harte Rebuild an. Johnson und Williams wurden entlassen und Brooklyn war mit der drittschlechtesten Bilanz der Liga (21-61) auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Problem nur: Im Trade mit den Celtics hatten die Nets drei Erstrundenpicks und einen Pick-Swap abgegeben.
Brooklyn Nets sorgen für Euphorie bei den Celtics
Rund 300 Kilometer entfernt sorgte die Entwicklung im Big Apple also für große Euphorie. "Ich dachte, dass Brooklyn richtig gut sein würde", sagte der damalige General Manager der Celtics, Danny Ainge, 2016 gegenüber dem Boston Globe. "Ich dachte, dass vielleicht der 2018er Pick die Chance haben würde, ein anständiger zu werden. Aber dass der 2016er Pick so gut sein würde, hätte ich niemals gedacht."
Während die Celtics 2014 an Position 17 ziehen durften (James Young), sprang zwei Jahre später sogar der 4. Pick des Drafts heraus. Die Celtics wählten Jaylen Brown und starteten damit in ihre neue Zukunft. Im Jahr darauf durften sie dank des Pick-Swaps mit den Nets sogar an 1. Stelle ziehen, tradeten bekannterweise aber nach unten und sicherten sich an Position drei Hauptgewinn Jayson Tatum. Ein Glücksfall, der nur aufgrund der Beharrlichkeit von Mehrheitseigner Wyc Grousbeck zustande kam.
Als Ainge am Tag des Drafts 2013 mit dem Angebot aus Brooklyn bei Grousbeck vorstellig wurde, wollte dieser den Nets unbedingt noch mehr Picks aus dem Ärmel locken als die zunächst angebotenen zwei First Rounder. "'Lass uns noch einen dritten Pick holen', sagte ich zu ihm", erinnerte sich Grousbeck im Gespräch mit dem Boston Globe. "[Ainge] ging zu den Nets, fragte nach und kam zu mir zurück: 'Unglaublich. Wir haben einen dritten Pick. Das ist großartig.'"
gettyBrooklyn Nets im "Deal-Wahn"
Grousbeck wollte aber noch mehr. "Ich sagte ihm: 'Großartig, hol uns noch einen vierten Pick. Ich glaube, die Jungs sind ihm Deal-Wahn. Biete ihnen aber einen Pick-Swap an, dann sieht es so aus, als würden sie keinen Pick verlieren." Gesagt, getan, Ainge ging mit dem neuen Angebot zu den Nets und diese nahmen an.
Die ersten drei Erstrundenpicks aus dem Pierce/Garnett-Trade brachten den Kelten also Tatum und Brown ein, den letzten, den 2018er Pick, nutzten die Celtics schließlich, um Kyrie Irving in einem Paket aus Cleveland zu holen. Die erhoffte Championship blieb aber auch für Boston bis dato aus.
Neun Jahre später lässt sich dennoch festhalten, dass der Trade aus Sicht der Nets - entgegen den anfänglichen Erwartungen - als der wohl schlechteste aller Zeiten in die Geschichte der NBA eingegangen ist. Trotzdem muss man der Franchise auch zugute halten, dass sich sich nach Jahren der Bedeutungslosigkeit relativ schnell wieder berappelt hat und sich nun sogar in einer besseren Position als damals befindet. Die Frage ist nur, ob wir das in neun Jahren immer noch so sehen.