Die Brooklyn Nets waren vor der Saison der Topfavorit auf den Titel, am Ende schieden die New Yorker ohne einen einzigen Sieg in den Playoffs aus. Wie konnte das passieren und wie geht es nun für Durant, Irving, Nash und Co. weiter? Es besteht dennoch Hoffnung.
1. Warum brachten die Nets ihre PS nicht auf die Straße?
Im Wettstreit um die größte Seifenoper der NBA haben die Nets gegen die Lakers vermutlich knapp den Kürzeren gezogen, sportlich war Brooklyn aber nur minimal besser. Das Ergebnis ist ähnlich, beide Franchises gingen komplett leer aus und blieben weit hinter den Erwartungen zurück.
Im Falle der Nets gibt es jedoch mehr Hoffnung, dass sich das in dieser Form nicht wiederholt. Da war die Odyssee um Kyrie Irving und dessen Weigerung, sich impfen zu lassen, was den Point Guard zum wohl bekanntesten Teilzeitarbeiter der Welt werden ließ. Zunächst hatten die Nets gänzlich auf den Spielmacher verzichtet, da sie das Modell ablehnten, dass Irving nur in Auswärtsspielen auflaufen und nur dort mit dem Team trainieren könne.
Später gab die Franchise dem Druck der Stars nach, insbesondere James Harden soll dafür lobbyiert haben. Und selbst ohne Irving und Joe Harris standen die Nets Mitte Januar noch auf Platz zwei im Osten mit einer Bilanz von 27-15, bevor durch die Verletzung von Kevin Durant das Kartenhaus ineinander fiel.
Es folgte eine Niederlagenserie von elf Spielen und das Drama um Harden, der den Glauben an das Team verloren hatte und einen Trade nach Philadelphia forcierte. Zwar spielte der 32-Jährige keine Saison auf All-NBA-Niveau, dennoch verstand er es, dem Spiel Ordnung zu verleihen - eine Fähigkeit, welche die Nets gegen Boston schmerzlich vermissten.
Celtics vs. Nets: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 17. April | Boston Celtics | Brooklyn Nets | 115:114 |
2 | 21. April | Boston Celtics | Brooklyn Nets | 114:107 |
3 | 24. April | Brooklyn Nets | Boston Celtics | 103:109 |
4 | 26. April | Brooklyn Nets | Boston Celtics | 112:116 |
Und doch war diese Serie gegen das heißeste Team im Osten knapper, als es das Ergebnis Sweep erahnen lässt. Über vier Spiele erzielten die Nets nur 18 Punkte weniger als Boston, knapper war es bei einem 4-0 erst zweimal in der Geschichte der NBA. Da der Gegenwert aus dem Harden-Trade (Ben Simmons) wegen Rücken- und mentalen Problemen keine Sekunde spielte, tauschte Brooklyn für den Rest der Saison Harden gegen Seth Curry sowie Andre Drummond.
Langfristig mag sich das auszahlen, für diese Saison war es zu wenig, wie die Boston-Serie deutlich machte. Brooklyn fehlten die Automatismen, die Team-Chemie, darauf wiesen auch die Stars immer wieder hin, auch wenn sie selbst Teil dieses Problems waren (Kyrie?!). Talent alleine gewinnt in der NBA eben nicht, diese schmerzhafte Erfahrung mussten die Nets machen.
Die Star-Power war vorhanden, drum herum war der Kader aber viel zu unausgeglichen. Head Coach Steve Nash hatte jede Menge scorende Guards, aber keinen Spielmacher, keinen 3-and-D-Flügelspieler und auch keinen überdurchschnittlichen Big Man, der den Ring beschützen kann. Bei aller Qualität von Durant und Irving war dies auf dem allerhöchsten Niveau nicht abzufedern.
2. Was passiert mit Kyrie Irving?
Brooklyns Optionen sind rar gesät, im Grunde genommen ist ein Kyrie-Verbleib sogar alternativlos. Der 30-Jährige ist weiterhin ein guter Freund von Durant und scheint selbst gerne bleiben zu wollen. "Ich habe keine Pläne, woanders zu spielen", beteuerte Irving nach dem Sweep und wiederholte damit seine Worte aus dem März, als er angab, langfristig in Brooklyn bleiben zu wollen.
Ist Irving in Bestform, dann ist er ein Top-20-Spieler in der NBA, in seinen drei Jahren in New York zeigte es der Point Guard aus verschiedenen Gründen (Verletzungen, COVID, Diverses) viel zu selten. Hinzu kommt all das Drama neben dem Court, wo Irving mit seinen Aussagen und Handlungen so sehr polarisiert wie kaum ein anderer Spieler.
Kyrie bleibt unberechenbar, womöglich auch im Hinblick auf eine mögliche Free Agency. Er kann im Sommer aus seinem Vertrag aussteigen oder seine Spieler-Option über knapp 37 Millionen Dollar ziehen. Darüber hinaus kann er auch eine vorzeitige Vertragsverlängerung unterzeichnen, wenn er diese Option zieht.
Diese würden ihm maximal 190 Millionen bis 2026 einbringen, das ist aber immer noch weniger, als wenn Irving seine Option verstreichen lässt. Denn: Irving hat nun zehn Jahre in der NBA auf dem Buckel und kann somit achtprozentige jährliche Gehaltssteigerungen einfordern. Dies würde 22/23 bei 42,3 Millionen starten und bei 55,9 Millionen in 26/27 mit einem Gesamtvolumen von 245 Millionen enden.
Das ist jede Menge Holz für eine tickende Zeitbombe wie Kyrie, auch wenn man die finanzielle Seite der Nets betrachtet. Schon in dieser Saison zahlte Besitzer Joe Tsai für seinen Kader 266 Millionen Dollar (Gehälter + Luxussteuer), in der kommenden Saison könnten es mit Kyrie-Verlängerung weit über 300 sein.
Ein Abgang von Irving wäre dagegen der Worst Case für die Nets, da sie ihn dann nicht ersetzen können. Da gleichzeitig aber kein ambitioniertes Team Cap Space hat, müsste schon ein Sign-and-Trade-Deal her, um Irving zu einem möglichen Team zu bringen. Wahrscheinlich ist das jedoch nicht, auch hier kommen wir wieder zu Durant, der mit Sicherheit einen Irving-Trade nicht gut heißen würde.
3. Wie können die Nets ihr Team verstärken?
Die größte Verstärkung des Teams saß in den Playoffs mit Ausnahme von Spiel 4 auf der Bank und ist kommende Saison 35,5 Millionen Dollar schwer. Die Rede ist natürlich von Ben Simmons, der in der Theorie durchaus hätte helfen können. Vielleicht nicht in Sachen Spacing, doch Simmons ist neben Durant der einzige Flügelspieler im Kader, der diesen Namen auch verdient hat und in seiner letzten gesunden Saison Zweiter im Voting für den Verteidiger des Jahres wurde.
Das Aus der Nets ist für Simmons nüchtern betrachtet das Beste, was passieren konnte. Es gibt nun keine täglichen News mehr über Updates, ob er spielt oder nicht, stattdessen hat der Australier fünf Monate Zeit, um mit Beginn des Training Camps gesund und mental voll auf der Höhe zu sein. Der Harden-Trade war auch eine Wette auf Simmons, erst in den kommenden Jahren lässt sich so beurteilen, ob Brooklyn hier die richtige Entscheidung getroffen hat.
Ein Bericht von Shams Charania (The Athletic) versprühte aber nicht unbedingt Optimismus. Dort war die Rede von einer "mentalen Blockade" bei Simmons, die ihn davon abgehalten habe, auf den Court zurückzukehren. Diese Blockade verursache zudem Stress, der die Rückenprobleme auslösen könnte. Seine Entscheidung, in Spiel 4 nicht aufzulaufen, soll für Frustration innerhalb der Nets-Organisation gesorgt haben, doch Simmons habe den Verantwortlichen versichert, dass er weiterhin Basketball spielen möchte und an seinen Problemen arbeite.
Neben Simmons sollte auch Harris die Flügel-Rotation aufpolstern. Der frühere Dreier-Champion machte in dieser Saison nur 14 Partien wegen anhaltender Knöchelprobleme, sein Shooting wurde schmerzlich vermisst. Dazu war der 30-Jährige in der Defense zwar kein Stopper, aber immerhin ein ordentlicher und nicht ganz so kleiner Verteidiger im Teamkonzept.
Von dieser Sorte werden die Nets mehr brauchen, die Frage ist jedoch, wie sie diese bekommen. Die gewaltige Luxussteuerrechnung haben wir in der Causa Irving bereits thematisiert, aber Kyrie ist nicht der einzige Nets-Akteur, dessen Status für die kommende Saison fraglich ist. Mit Bruce Brown, Nic Claxton (RFA), Andre Drummond und Goran Dragic werden gleich vier Rotationsspieler Free Agents, auch LaMarcus Aldridge, Blake Griffin und Kessler Edwards haben für die kommende Spielzeit noch keinen Vertrag.
gettyBrooklyn Nets: Ben Simmons wird der wichtigste Neuzugang
So verbleiben sieben Spieler, die zusammen 112 Millionen Dollar verschlingen (wenn Irving und Patty Mills ihre Optionen nicht ziehen), der Spielraum ist somit beschränkt. Für Brown und Claxton könnten die Nets zumindest über den Cap gehen, wobei gerade Brown teuer werden könnte. Womöglich ist der Defensiv-Spezialist mit einem fitten Simmons aber entbehrlich.
Um sich aber weiter zu verstärken, haben die Nets nur wenig Möglichkeiten. Da wäre die Mini-Midlevel-Exception über 6,3 Millionen Dollar sowie drei verschiedene Trade Exceptions zwischen 3,3 und 11,3 Millionen Dollar - diese würden Tsai aber weitere Millionen an Luxussteuer kosten.
Des Weiteren halten die Nets den Draft-Pick der Sixers (#23) bzw. können sie entscheiden, ob sie diesen nicht erst im kommenden Jahr haben wollen. Hier steht eine Entscheidung noch aus. Sicher ist dagegen, dass Brooklyn auch den First Rounder 2027 von den Sixers traden kann. Hier wären wohl Harris (18,6 Mio.) und Seth Curry (8,5 Mio.) die logischen Kandidaten, um ein Paket für Abhilfe auf dem Flügel zu schnüren.
Gerade der Fit für Curry war nie optimal, da in Mills bereits ein Spieler mit ähnlichem Skillset vorhanden war. Es sollte Brooklyns Ziel sein, stattdessen mehr defensiv-orientierte Akteure zu holen, vor allem auf der Center-Position fehlte es trotz gleich fünf potenzieller Bigs an Qualität.
Brooklyn Nets: Diese Spieler haben noch einen Vertrag
Spieler (Alter) | Position | 2022/23 | 2023/24 | 2024/25 | 2025/26 |
Kyrie Irving (30) | PG | 36,9* | - | - | - |
Ben Simmons (25) | PG | 35,4 | 37,9 | 40,3 | - |
Seth Curry (31) | SG | 8,5 | - | - | - |
Cam Thomas (20) | SG | 2,1 | 2,2** | 4** | - |
Patty Mills (33) | SG | 6,2* | - | - | - |
Joe Harris (30) | SF | 18,6 | 19,9 | - | - |
Kevin Durant (33) | SF | 44,1 | 47,6 | 51,2 | 54,7 |
Day'Ron Sharpe (20) | C | 2,1 | 2,2** | 3,9** | - |
*Spieler-Option, **Team-Option, Gehälter in Mio. Dollar
4. Welchen Anteil hat Steve Nash am Sweep?
Bei aller Enttäuschung wird Nash wohl nicht als Sündenbock für die Saison herhalten. Marc Stein (Substack) berichtete im Vorfeld von Spiel 4, dass es "unwahrscheinlich" sei, dass der Kanadier nach zwei Spielzeiten im Big Apple seinen Hut nehmen müsse. Auch die Worte von Durant nach dem Playoff-Aus ("Ich bin stolz auf ihn") deuten darauf hin, dass Nashs Positions in Brooklyn gesichert ist.
Nash pflegt vor allem mit KD eine gute Beziehung, die beiden lernten sich schätzen, als der Hall of Famer bei den Golden State Warriors als Teilzeit-Coach angestellt war und viel mit Durant zu tun hatte. Gleichzeitig ist es Nash auch nicht anzukreiden, wie sehr es bei den Nets drunter und drüber ging.
Dennoch lieferte auch Nash Angriffsfläche, trotz aller Limitationen des Kaders. So schaffte es der 48-Jährige nicht, Durant besser zu entlasten oder diesem einfachere Würfe zu verschaffen. Zu oft bestand die Offensive aus Isolationen und Dribbel-Orgien, die dann meist in langen Zweiern mündeten, das sah im Vorjahr noch deutlich besser aus.
Damals gab es in Harden noch einen kompetenten Spielmacher, dazu saßen mit Mike D'Antoni und dem heutigen Celtics-Coach Ime Udoka auch noch zwei absolute Experten als Assistants mit auf der Bank. Jener Udoka ließ nun seinen früheren Vorgesetzten teilweise sehr alt aussehen.
Ein anderes wiederkehrendes Thema waren Durants Minuten, in der Regular Season waren es durchschnittlich 37,2 - so viele hatte KD zuletzt mit 25 Jahren abgespult. Es ist müßig darüber zu diskutieren, inwieweit dies einen Einfluss darauf hatte, dass sich Durant am Innenband verletzte. Unabhängig davon ist es jedoch bedenklich, dass ein 33-Jähriger, der bereits einen Achillessehnenriss sowie eine Jones Fracture erlitten hat, solch eine Last tragen musste.
Am Ende beißt sich aber auch hier die Katze in den Schwanz. Nash fehlten durch Verletzungen, Impf-Debatten und Trades schlichtweg die Alternativen und er musste zusätzlich den täglichen Zirkus rund um das Team moderieren. Ein richtiges Urteil über seine Coaching-Fähigkeiten steht weiter aus, auch weil die Frage gestellt werden muss, inwieweit Nash selbst die Zügel in der Hand. Man erinnere an dieser Stelle nur an Irvings Aussagen in einem Podcast vor der Saison 2020/21.
5. War der Wechsel nach Brooklyn für Durant ein Fehler?
Diese Frage kann Durant nur für sich selbst beantworten, aus sportlicher Sicht gibt es zumindest Argumente, dass dem so ist. In drei Jahren haben die Nets genau eine Playoff-Serie gewonnen, im 30. Anlauf wurde KD mit seinem Team sogar erstmals gesweept.
In der anschließenden PK wirkte Durant gefasst und ruhig - mit sich selbst im Reinen. Das ist es auch, was Durant immer wieder betonte. Seine eigene Lebensqualität ist ihm wichtiger als alles andere, im Zweifel auch sportlicher Erfolg. "Es geht nicht immer nur um Ergebnisse. (...) Ich mache das, weil ich es genieße, aufzustehen und zur Arbeit zu gehen", sagte KD nach dem Aus zu Vincent Goodwill (Yahoo! Sports).
Das heißt nicht, dass in KD kein Feuer mehr steckt. Man denke nur an das Vorjahr, als der Forward den späteren Champion Bucks fast im Alleingang ausschaltete und nach dem bitteren Aus wenige Monate später bei den Olympischen Spielen in Tokio Team USA zu einer weiteren Goldmedaille führte.
Durant liebt Basketball und würde man in der leidigen Debatte zwischen "Basketballspieler" und "Hooper" ein Paradebeispiel für Letzteres suchen, wäre Durant der ideale Mann. "Ich will Titel gewinnen, ich will einen gewissen Punkteschnitt haben, bei All-Star Games dabei sein, aber wenn es nicht so funktioniert, freue ich mich immer noch, in der NBA zu sein", sagte der zweimalige Finals-MVP selbst.
Jahrelang arbeitete sich KD an LeBron James im Kampf um den inoffiziellen Titel des besten Spielers der NBA ab, es war ein Kampf, welchen er nach seinem Wechsel zu den Warriors 2016 nicht gewinnen konnte, selbst wenn er in den Finals meist besser spielte. Das schien an Durant zu nagen und das spiegelte sich auf dem Feld wieder, als dieser sich regelmäßig mit Refs, Fans und Gegenspielern anlegte und technische Fouls sowie Ejections sammelte. Auch diese Zeiten sind inzwischen Geschichte.
Ein Verbleib in Golden State schien ohnehin nie eine Option zu sein, der Weg nach New York schien vorgezeichnet. Bei den Nets hat KD nun die Kontrolle, sein Wort ist ein Gewaltiges innerhalb der Franchise. Ob er dies woanders auch hätte haben können?