Fast 1.100 Spiele hat Kevin Durant in der Regular Season und den Playoffs nun in seiner illustren Karriere absolviert, über 40.000 Minuten stand der 33-Jährige auf dem Court, doch so etwas wie bei der Niederlage in Spiel 2 bei den Boston Celtics (107:114) war dem Forward noch nie passiert. In der zweiten Halbzeit blieb der vielleicht talentierteste Scorer der NBA-Geschichte ohne einen einzigen Treffer aus dem Feld - und das bei immerhin zehn Versuchen.
Man kann argumentieren, dass jeder mal einen solchen Abend erwischt, doch war Durant nicht diese unheimliche Scoring-Maschine, die kein Top-Team in der Eastern Conference in der ersten Playoff-Runde sehen wollte? War es nicht Durant, der im Vorjahr den späteren Champion aus Milwaukee fast im Alleingang aus dem Wettbewerb kegelte und Brooklyn, wenn gesund, teils unverschämte Siege bescherte?
Gegen Boston wirkt KD aber plötzlich menschlich, auch dieser 2,08-Meter-Typ kann so bedrängt werden, dass es ihn aus seinem Rhythmus bringt. Wann hatte man letztmals dieses Gefühl? Vermutlich noch zu Thunder-Zeiten, als Durant noch mehr Lücken in seinem Spiel hatte. Seither war der 33-Jährige ein offensiver Cheatcode, gesegnet mit einem der besten Sprungwürfe der NBA, der kaum zu blocken war. In zwei Spielen gegen Boston geschah dies nun aber bereits viermal (Al Horford, Jaylen Brown und 2x Jayson Tatum).
Kevin Durant trifft nur 32 Prozent aus dem Feld
Der "Easy Money Sniper" hat in der Serie nun 41 Würfe genommen und nur 13 davon getroffen, das sind nicht einmal 32 Prozent. Hinzu kommen auch noch 12 Turnover sowie ein Trip an die Freiwurflinie mit zwei Fehlversuchen am Stück. Es sind Dinge, die wir von KD nicht gewohnt sind, auch wenn der Forward dank 18 verwandelter Freiwürfe in Spiel 2 am Ende noch auf 27 Punkte kam.
So hart arbeiten musste Durant schon lange nicht mehr für seine Punkte und das schien den Nets-Star zeitweise zu frustrieren, auch wenn er dies nach der Partie leugnete. "Sie machen es gut, wie sie mich vom Scoren abhalten", gab KD unumwunden zu. "Zwei oder drei Spieler sind immer in meiner Nähe. Wir müssen nun andere Wege finden."
Noch im Vorjahr hatte Durant in der Erstrundenserie gegen Boston den Gegner mit 32,6 Punkten und einem absurden True Shooting von fast 70 Prozent komplett demontiert. Nun haben sich die Parameter aber geändert. Mit James Harden fehlt den Nets eine weitere offensive Waffe, dazu haben die Celtics mit Al Horford und Jaylen Brown (fehlte im Vorjahr verletzt) an Flexibilität gewonnen.
Die "Durant Rules" der Boston Celtics
Und dann ist da noch ein anderer Faktor, der nicht unterschätzt werden darf: Celtics-Coach Ime Udoka. Der Rookie-Head-Coach der Celtics war im Vorjahr noch ein Assistent von Steve Nash in Brooklyn und kümmerte sich dort vornehmlich um die Defense, folglich kennt der 44-Jährige die Tendenzen der Star-Spieler aus dem Effeff. "Klar, er weiß viel über uns. Vermutlich hat er seinem Team viele Tipps gegeben, um uns einzudämmen", sagte Kyrie Irving, der nach seinen 39 Punkten in Spiel 1 diesmal auch enttäuschte und nur 10 Zähler erzielte.
Der Hauptfokus der Celtics-Defense liegt aber klar auf Durant, das ist nach den beiden Spielen mehr als ersichtlich. Boston hat es geschafft, es KD so ungemütlich wie möglich zu machen. Es vergeht fast keine Possession, in der Durant nicht gedoppelt wird oder das Doppel zumindest gezeigt wird, wenn der Superstar auch nur die Chance hat, in Scoring-Position zu kommen.
Meist geschieht dies schon beim Fangen des Balles, doch auch im Eins-gegen-Eins haben die Celtics mit Tatum eine exzellente Option. Auch Horford ist stets im Dunstkreis des zweifachen Finals-MVPs, der Center ist auch mit 34 Jahren in der Lage, nach Switches zumindest ordentlich zu verteidigen. In anderen Situationen steht Marcus Smart in den Passwegen oder greift aggressiv nach dem Ball, wenn Durant in die Zone zieht.
"So ist das in den Playoffs", sagte Durant zu seiner Sonderbehandlung. "Ich habe es nicht nur mit einem Gegenspieler zu tun und deswegen muss ich geduldig bleiben (...) Sie spielen im Prinzip eine Zonenverteidigung gegen mich. Wir müssen da ruhiger bleiben und einfach unser Ding durchziehen."
Kevin Durant: Im Gefängnis der Celtics
Das ist die eine Sicht der Dinge, die andere ist, dass Durant seit seinem Wechsel zu den Warriors 2016 nicht mehr auf ein solch gutes Defensiv-Team getroffen ist. Die Celtics haben in Tatum einen guten Gegenspieler für KD, hinzu kommen viele intelligente Help Defender und eben auch verschiedene Spieler, die nach einem Switch gegen Durant nicht komplett verloren sind.
Erfolg hatte Durant in Spiel 2 eigentlich nur, wenn er aus dem Pick'n'Roll Daniel Theis attackieren konnte, ansonsten blieb KD meist nur der gut verteidigte Sprungwurf. Oft reicht auch das nicht gegen Durant, aber der 33-Jährige dürfte auch ins Grübeln darüber gekommen sein, dass sein Wurf nun tatsächlich schon mehrfach geblockt wurde.
"KD ist nun im Gefängnis der Boston Celtics", twitterte unter anderem Ex-Mitspieler Kendrick Perkins. "Sie spielen sehr physisch mit KD und haben ihn erneut verarscht." Für die Nets ist dies alarmierend, da der Kader deutlich dünner ist als noch im Vorjahr. Der angesprochene Harden, der immer noch verletzte Joe Harris - alles Optionen, die Nash abgehen, auch wenn Seth Curry (16, 6/11 FG) und Goran Dragic (18, 8/14) ordentlich agierten.
Kevin Durant ist immer für 40 Punkte gut
Ordentlich wird gegen dieses Celtics-Team für die Nets aber kaum reichen, zumindest nicht, wenn Durant weiter solche Schwierigkeiten hat. Womöglich straft KD uns auch in der Nacht auf Sonntag in Spiel 3 wieder Lügen, wenn die Nets erstmals in der Serie Heimrecht haben. Passiert ist schließlich noch nicht viel. Brooklyn hat zwei Spiele knapp verloren, zweimal war bei Durant jede Menge Luft nach oben.
Für den Moment haben die Celtics mit ihren "Durant Rules" den ersten Schlag gesetzt, nun ist es an Brooklyn, Wege zu finden, ihrem besten Scorer leichtere Würfe zu verschaffen. Irgendwo schlummert sicher noch ein 40-Punkte-Spiel in Durant.
NBA Playoffs - Celtics vs. Nets: Die Serie im Überblick (2-0)
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 17. April | 21.30 Uhr | Boston Celtics | Brooklyn Nets | 115:114 |
2 | 21. April | 1 Uhr | Boston Celtics | Brooklyn Nets | 114:107 |
3 | 24. April | 1.30 Uhr | Brooklyn Nets | Boston Celtics | - |
4 | 26. April | 1 Uhr | Brooklyn Nets | Boston Celtics | - |
5* | 28. April | TBD | Boston Celtics | Brooklyn Nets | - |
6* | 30. April | TBD | Brooklyn Nets | Boston Celtics | - |
7* | 1. Mai | TBD | Boston Celtics | Brooklyn Nets | - |
*falls nötig