Allen Iverson ist bei den Philadelphia 76ers eine Legende, aber im Karriereherbst lief der Hall of Famer auch mal in drei Partien für die Memphis Grizzlies auf. Es blieb ein riesiges Missverständnis und war der Anfang vom Ende der Karriere von "The Answer".
An manche Dinge mag man sich nicht gewöhnen oder man verdrängt sie einfach. So wird es nicht selten mit den Jahren von Michael Jordan in Washington gemacht, auch weil sie wenig über den Spieler aussagen, der die NBA zuvor zu einer Weltmarke machte und seine Zeit dominierte wie nur wenige vor ihm.
Allen Iverson ist zwar die ein oder andere Kaste unter MJ anzusiedeln, was den Einfluss auf seine Generation betrifft, steht er dem besten Basketballer aller Zeiten jedoch wenig nach. Iverson war cool, hatte Style und im besten Falle ein Jersey der Philadelphia 76ers an.
2009 hatte Iverson aber keine großen Auswahlmöglichkeiten mehr, mit 34 Jahren waren seine besten Tage gezählt (auch wenn er das selbst nicht wahrhaben wollte), aufgrund anhaltender Rückenprobleme verpasste er unter anderem auch die Playoffs mit den Detroit Pistons.
Doch wie sehr der Rücken wirklich schmerzte, wird A.I. nur selbst wissen. Zwischenzeitlich kam er noch einmal für drei Spiele zurück, allerdings nicht als Starter, was Iverson wie folgt kommentierte: "Ich beende lieber meine Karriere, bevor ich das noch einmal mache. Ich kann so nicht effektiv spielen, daran bin ich nicht gewöhnt. Es ist mental und auch körperlich sehr schwer für mich."
Allen Iverson: Endlich Glamour in Memphis
Und so waren die Optionen für Iverson in der Free Agency limitiert. Nach über zwei Monaten ohne Vertrag fand Iverson endlich ein Team, für ein Jahr und 3,1 Millionen Dollar schloss sich der Guard völlig überraschend den Memphis Grizzlies an. Jene Grizzlies, die in 15 Jahren nur dreimal die Playoffs erreicht hatten und zuletzt 22 und 24 Spiele gewonnen hatten.
Die Grizzlies steckten in einem Rebuild, waren aber ein junges, aufstrebendes Team mit Youngstern wie Mike Conley, O.J. Mayo, Rudy Gay und Marc Gasol. Im Sommer kam zusätzlich Zach Randolph via Trade von den Clippers, dieser hatte aber weiter einen fragwürdigen Ruf.
Und wie passte Iverson in dieses Puzzle? Eigentlich gar nicht. Conley und Mayo waren der designierte Backcourt. Es schien eindeutig, dass Iverson nur die Rolle des Sixth Man bleiben würde. Diese Verpflichtung war vielmehr ein Wunsch des damaligen Besitzers Michael Heisley, wie Co-Kommentator Pete Pranica später Complex verriet.
Wie Iverson besuchte dieser einst die Universität Georgetown und vom zehnmaligen All-Star versprach man sich mehr Aufmerksamkeit für die kleine Franchise. "Man hatte das Gefühl, dass Memphis als Franchise in der NBA angekommen war", erinnerte sich Pranica.
Es gab eine große Pressekonferenz, in der Iverson mit Grizzlies-Kappe erschien - ein solches Medieninteresse gab es in Memphis noch nie. Natürlich kam auch die Frage nach seiner Rolle auf, Iverson moderierte diese aber weg - so gut es eben ging: "Hauptsächlich möchte ich in diesem Team eine Führungsrolle annehmen. Ich war in Situationen, welche die jungen Spieler gar nicht kennen. Ich möchte ihnen helfen, diese zu erreichen."
Allen Iverson in Memphis: Drei Spiele, drei Niederlagen
Gemeint waren natürlich Playoff-Spiele und -Siege. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Grizzlies nämlich kein einziges Spiel der Postseason für sich entschieden. "Warum können nicht wir einen tiefen Run in den Playoffs hinlegen?" fragte GM Chris Wallace in die Runde. "Wir sind hier, weil wir das Team auf das nächste Level heben wollen."
Das Problem war nur, dass Iverson kaum zu sehen war. Wegen einer Verletzung am Oberschenkel machte der frühere MVP kein Spiel in der Preseason und die Fans sahen ihren neuen Star lediglich bei einem offenen Training, bei dem Iverson aber gar nicht mitwirken konnte.
Erst im vierten Saisonspiel gab Iverson sein Debüt, in Sacramento erzielte A.I. von der Bank kommend 11 Zähler in 18 Minuten. Die Grizzlies verloren mit 116:127 nach Verlängerung und es braute sich schon etwas zusammen, das wurde jedem klar, der Iversons PK nach der Partie verfolgte. "Ich hatte keine Probleme mit meinem Oberschenkel", sagte A.I. "Ich hatte ein Problem damit, dass mein Hintern so lange auf der Bank sitzen musste."
Und dann wurde es unangenehm, als gefragt wurde, ob er die kommenden Spiele starten solle. Für Iverson war das eigentlich gar keine Frage: "Egal, auf welcher Guard-Position, ob die Eins oder die Zwei", gab der Hall of Famer selbstbewusst an. Das Problem: Links und rechts von ihm saßen Conley und Mayo, die eben jene Starting-Spots einnahmen.
Trotz dieser Aussagen änderte sich für Iverson nichts. Die Grizzlies verloren in Golden State (es war der erste NBA-Sieg für einen Rookie namens Stephen Curry) sowie bei den Lakers und Iverson musste sich mit seiner Bank-Rolle zufriedengeben.
Und dann war es auch schon wieder vorbei.
Allen Iverson: Seine Stats für die Memphis Grizzlies
Gegner | Ergebnis | MIN | PTS | FG | AST | TO |
Kings | 116:127 OT | 18 | 11 | 5/9 | 1 | 2 |
Warriors | 105:113 | 28 | 18 | 8/12 | 7 | 4 |
Lakers | 98:114 | 21 | 8 | 2/5 | 3 | 1 |
Allen Iverson: Karriereende und der Rückzug vom Rückzug
Als Grizzlies-Sideline-Reporter Rob Fischer am nächsten Tag im Hotel in L.A. zusammen mit Backup-Center Steven Hunter im Aufzug war, verriet dieser ihm, dass Iverson weg sei. Einfach so.
Die Grizzlies listeten Iverson die kommenden Tagen als abwesend - aus persönlichen Gründen. Was damals keiner wusste: Coach Lionel Hollins, ein Mann alter Schule, bekannt für eine klare Identität seines Teams mit einem Faible für Defense, hatte Iverson ein Ultimatum gestellt. Entweder würde der 34-Jährige die Bankrolle akzeptieren oder das Team verlassen. Iverson wählte Tür zwei.
Eine Woche später wurde der Vertrag dann endgültig aufgelöst und Iverson beendete wenig später seine Karriere, um in einem Statement auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass er weiter das Gefühl habe, auf dem höchsten Level zu performen. Wenig später folgte der Rückzieher und 25 weitere Spiele mit Philadelphia sowie einem weiteren kurzen Intermezzo bei Besiktas in der Türkei. Dann war endgültig Schluss.
Und die Grizzlies? Die berappelten sich nach ihrem 1-7-Fehlstart und holten am Ende 40 Siege, was jedoch für die Postseason nicht reichte. Es war dennoch der Start von Grid'n'Grind, der Memphis 2013 sogar einmal in die Conference Finals spülte.
Rückblickend half auch die Iverson-Episode, da die Franchise sich klar positionierte und so Conley die nötige Rückendeckung gab. Der Spielmacher steigerte sich Jahr für Jahr und wurde zusammen mit Randolph und Gasol zu einem Eckpfeiler des Teams.
Iverson vermisste dagegen kaum jemand. Wie auch? In seinen knapp zwei Monaten bei den Grizzlies bestritt der Guard kein einziges Spiel im heimischen FedEx Forum. Was bleibt, sind einige Bilder im Auswärtstrikot der Grizzlies. Spätere Generationen werden sich vermutlich fragen, ob das nicht nur ein Fake ist.