NBA - Als Kevin Durant im Lockout 2011 fast nach Bayreuth wechselte: "Das war keine Luftnummer"

Philipp Jakob
31. August 202210:31
Kevin Durant nach Bayreuth? Während des NBA Lockouts 2011 wurde das fast zur Realität.getty
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Es klingt fast wie ein schlechter Scherz, aber 2011 stand kein Geringerer als Kevin Durant kurz vor einem Wechsel in die Basketball-Bundesliga. Eine Einigung mit dem damaligen BBC Bayreuth gab es eigentlich schon, der Vertrag lag bereit, nur noch letzte Fragen mussten geklärt werden. Zum Beispiel: Warum zur Hölle Bayreuth?

Kevin Durant ist ein großer Hip-Hop-Fan, so viel ist bekannt. Vor wenigen Jahren bezeichnete er Drake als seinen Lieblingsmusiker, von ihm stammt Durants Lieblingsalbum ("Take Care", wie er 2019 verriet), bei ihm taucht KD auch gerne mal in Musikvideos auf. Ansonsten finden sich Hip-Hop-Größen wie The Notorious B.I.G., Wu-Tang Clan oder Kanye West in Durants Pregame-Playlist.

Ob er ab und an mal auch zu den Klängen klassischer Musik entspannt, wie es beispielsweise LeBron James tut ("Ich höre auch viel Beethoven und diesen Sch**ß"), das ist nicht bekannt. Im November 2011 war aber genau das ein heißes Diskussionsthema unter deutschen Basketball-Fans.

Vielleicht ist der Superstar sogar Richard-Wagner-Fan? Anders konnten sich viele Beobachter die Meldung, die damals über die Bildschirme flackerte, kaum erklären: Kevin Durant - ja, der Kevin Durant, damals schon zweifacher All-Star, zweifacher Scoring-Champ und Weltmeister mit Team USA - stünde vor einem Wechsel nach Bayreuth.

Kein Scherz, der Bundesligist hatte tatsächlich eine Hand an einem Transfer-Coup, mindestens. "Wir sind in der finalen Abklärungsphase und sind optimistisch. Es sieht nicht schlecht aus", versetzte der BBC-Manager Ulrich Eichbaum am 17. November 2011 die deutsche Basketballwelt in helle Aufregung.

Kevin Durant: Lieber Bayreuth und Tel Aviv statt Lockout

Zu diesem Zeitpunkt sollte Durant eigentlich schon längst wieder im Thunder-Trikot durch die Highlight-Clips der National Basketball Association fliegen, doch nicht so im Jahr 2011. Ein Lockout im Zuge der Tarifverhandlungen hatte die Spieler aus den NBA-Hallen ausgesperrt, der Saisonstart musste bereits verschoben werden, die Fronten blieben verhärtet.

Mitte November lehnten die Spieler ein Angebot seitens der Liga ab, das vom damaligen Commissioner David Stern als "letztes Angebot" betitelt wurde. Nun drohte gar der Super-GAU, der Ausfall der kompletten Saison. Ein Jahr lang keinen professionellen Basketball zu spielen, war für viele NBA-Spieler keine Option. Teils aus finanziellen Gründen für die weniger betuchten Spieler, teils aus ... nun ja ... Langeweile.

Viereinhalb Monate Lockout hatten Durant und Co. bereits hinter sich, doch dem damals 23-Jährigen reichte es langsam. "Ich habe mich damit beschäftigt, in Übersee zu spielen, und bin bereit, den Sprung zu machen", verkündete Durant und ließ im Nebensatz die Bombe platzen: Es gebe Angebote von Maccabi Tel Aviv, Valencia und eben Bayreuth.

Kevin Durant nach Bayreuth? Während des NBA Lockouts 2011 wurde das fast zur Realität.getty

Kevin Durant nach Bayreuth? "Das war keine Luftnummer"

Die Verhandlungen mit dem kleinen Basketballklub aus der oberfränkischen Provinz (gut 70.000 Einwohner) liefen offenbar schon seit Wochen, doch das Bayreuther Management hielt still und bestätigte die Gespräche erst nachdem Durant sie ausgeplaudert hatte. "Fakt ist, dass wir uns in einem sehr intensiven Austausch befanden. Das war keine Luftnummer", blickt der heutige Rechtsanwalt Eichbaum im Gespräch mit SPOX zurück.

Letztlich war der Wechsel von Durant in die Bundesliga fast in trockenen Tüchern, es wurden bereits erste Vertragsentwürfe ausgetauscht, "so dick wie ein Buch". Geplant waren zwei bis vier Auftritte von KD in der Bundesliga rund um Weihnachten, es kursierten Gerüchte, dass er in den Wochen zuvor in einer Art Europa-Tour auch für Valencia und Tel Aviv auflaufen könnte.

Aus Bayreuther Sicht gab es aber noch ein paar offene Fragen, zum Beispiel beim Thema Versicherungssumme. "Totales Neuland für uns" sei das gewesen, erklärte Bayreuths Geschäftsführer Manfred Schöttner damals bei SPOX. Sicher war nur: Es wäre teuer geworden. Durant hatte erst im Jahr zuvor eine Vertragsverlängerung in Oklahoma City über fünf Jahre und 89 Millionen Dollar unterschrieben.

Immerhin: Das Gehalt wäre kein Problem gewesen, Sponsoren standen Schlange, um den Bayreuther Durant-Coup zu finanzieren. "Wir mussten natürlich eine gewisse Refinanzierung auf die Beine stellen, ohne Partner und Unterstützer wäre das nicht vorstellbar gewesen", erinnert sich Eichbaum. Zusätzlich hoffte Bayreuth auf Einnahmen durch Ticketverkäufe und Merchandising, wobei auch die Vermarktungsrechte noch nicht abschließend geklärt waren. Und dann blieb ja auch noch die vielleicht entscheidende Frage offen: Warum zur Hölle Bayreuth?

Kevin Durant nach Europa: Warum zur Hölle Bayreuth?

"Kann ich Ihnen nicht erklären, ganz ehrlich", gibt Eichbaum rückblickend zu und auch Schöttner war damals ratlos: "Da müssen wir noch genau nachfragen. Die richtige Intention konnte uns noch keiner erhellend beantworten." Platz 13 stand zum damaligen Zeitpunkt (und auch am Ende) der Bundesliga-Saison für Bayreuth zu Buche, es war eher Abstiegskampf statt Titeljagd angesagt.

Doch laut Eichbaum war der deutsche Markt aus Marketinggründen für Durant interessant und Bayreuth hatte den Vorteil, mit einem europäischen Partneragenten von Durants Vertretern zusammenzuarbeiten, daher die guten Kontakte zu KDs Camp. Dessen Agent Aaron Goodwin ergriff die Initiative, rief beim verdutzten Eichbaum am Handy an. "Erstmal dachte Uli, dass es ein Scherz sei, aber im Verlauf des Gesprächs wurde klar, dass es ernst gemeint ist", sagte Schöttner. So kamen die Verhandlungen ins Rollen.

In Bayreuth machte man sich jedoch Gedanken, ob eine KD-Verpflichtung im Abstiegskampf mehr schaden als nutzen könnte. "Wir haben das sehr oft und intensiv diskutiert. Unser damaliger Trainer Marco van den Berg war eher skeptisch in Bezug auf das Teamgefüge", sagt Eichbaum. "Er hatte Angst, da kommt ein Starspieler nach Bayreuth, der den Kader nicht nur qualitativ, sondern mit seiner ganzen Persönlichkeit sprengen könnte. Das birgt auch Gefahren, angefangen mit der Sonderbehandlung des Spielers."

Trotz des Risikos hätten die Verantwortlichen den Deal aber wohl durchgezogen. Es handelte sich immerhin um Kevin Durant. KD wäre der mit Abstand größte Name unter den mehr als 90 NBA-Spielern gewesen, die während des Lockouts ihr Basketball-Glück in Übersee suchten. Deron Williams, damals ebenfalls All-Star, lief für Besiktas auf und schenkte Göttingen in der EuroChallenge einmal 50 Punkte ein. Tony Parker oder Nicolas Batum zog es in die französische Heimat, J.R. Smith spielte in China. Auch Dirk Nowitzki dachte über einen Wechsel ins Ausland nach, angeblich lag Kobe Bryant ein Angebot aus Bologna vor. Doch zu einem Auftritt der Lakers-Legende in Italien kam es nie.

NBA: Diese Stars spielten während des Lockouts in Übersee

NameNBA-TeamLockout-TeamPunkteschnitt
Deron WilliamsNew Jersey NetsBesiktas (Türkei)21,8 (12 Spiele)
Tony ParkerSan Antonio SpursASVEL Basket (Frankreich)22,0 (8 Spiele)
Nicolas BatumPortland Trail BlazersSLUC Nancy (Frankreich)15,5 (15 Spiele)
J.R. SmithDenver NuggetsZhejiang Golden Bulls (China)34,4 (32 Spiele)
Andrei KirilenkoUtah JazzZSKA Moskau (Russland)12,7 (43 Spiele)
Kenyon MartinDenver NuggetsXinjiang Flying Tigers (China)13,9 (12 Spiele)
Danilo GallinariDenver NuggetsArmani Milano (Italien)13,5 (15 Spiele)
Brian ScalabrineChicago BullsBenetton Treviso (Italien)9,3 (10 Spiele)

NBA-Lockout endete nach 161 Tagen - Durant blieb in OKC

Genauso wenig wie zu einem Engagement von Durant in Bayreuth. Bevor es zu einer finalen Unterschrift kommen konnte, setzten sich die NBA und die Spielervertreter doch noch mal an einen Tisch. Am 26. November, nach 15 Stunden Verhandlungen, stand schließlich eine grundsätzliche Einigung. Anfang Dezember endete der Lockout nach 161 Tagen.

Und damit auch alle Bayreuther Hoffnungen auf den NBA-Superstar. Durant lief statt in der Bundesliga wie gewohnt im Thunder-Trikot auf, als Oklahoma City an Weihnachten die neue und auf 66 Partien verkürzte Spielzeit einläutete. Durant wurde zum dritten Mal in Folge Topscorer und führte die Thunder gemeinsam mit Russell Westbrook und James Harden bis in die NBA Finals (1-4 vs. Heat).

Bis zu seinem ersten Titel musste er noch ein paar Jahre warten und sich zuvor den Golden State Warriors anschließen. Zwei Championships und der Gang nach Brooklyn später flirtete er in diesem Sommer erneut mit einem Wechsel, zog seine Trade-Forderung aber nicht durch.

Derweil fragt man sich in Bayreuth wohl auch heute noch: Ist Durant nun eigentlich Fan klassischer Musik oder nicht? "Ich habe gehört, dass bei einer Recherche angeblich rauskam, dass Durant tatsächlich gerne klassische Musik hört. Doch das sind wohl wirklich nur Spekulationen", sagte Schöttner damals. Selbst fragen konnte er ihn leider nie.