NBA Legenden-Serie - Dominique Wilkins: Interessanter als Michael Jordan und doch ewiger Verlierer

Robert Arndt
27. September 202211:00
Dominique Wilkins ist einer der spektakulärsten Dunker der NBA-Geschichte.getty
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Dominique Wilkins gilt auch heute noch als einer der spektakulärsten Spieler der NBA-Geschichte. Die Legende der Atlanta Hawks lieferte sich packende Duelle mit Michael Jordan oder Larry Bird, zog zumeist aber den Kürzeren. Der Teamerfolg blieb aus, trotz oder eben wegen Wilkins. Der High Flyer polarisierte und ist heute etwas in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht.

Alle Geschichten zu den besten Spielern der NBA-Geschichte findet Ihr in unserem Legenden-Archiv.

Den Namen von Dominique Wilkins umgibt ein gewisser Mythos. Jeder NBA-Fan hat mit Sicherheit schon einmal den Dunk Contest von 1988 irgendwo gesehen, als Wilkins im Chicago Stadium, also in der Arena des Bullen, gegen Michael Jordan antrat und unglücklich verlor.

"Du hättest wahrscheinlich gewinnen müssen. Du weißt das, ich weiß das. Aber hey, wir sind in Chicago. Was muss ich dir schon sagen?", sagte Jordan nach Aussage von Wilkins damals. MJ siegte letztlich durch seinen berühmten Dunk von der Freiwurflinie mit einer 50, Wilkins hatte kurz zuvor für seinen beidhändigen Windmill-Dunk von der Baseline lediglich eine 45 erhalten und unterlag um zwei Punkte.

An seiner Reputation als einer der besten Dunker aller Zeiten hat jener Dunk Contest für Wilkins nichts geändert. 1985 und 1990 gewann der Hawks-Star das Showevent, noch heute gilt sein Dunk-Mixtape als eines der Besten, gleiches gilt für seinen Spitznamen "The Human Highlight Film."

Und doch wäre es viel zu einfach, Wilkins auf seine außerordentlichen athletischen Fähigkeiten zu beschränken. Niemand erzielt in der NBA 26.668 Punkte nur durch Dunks. Bei seinem Karriereende 1999 in Orlando belegte der damals 39-Jährige sogar Rang sieben in der All-Time Scoring List, heute reicht es immerhin noch für Platz 14.

"Wenn Dominique heiß gelaufen ist, dann gab es nichts, was ihn stoppen konnte", erinnerte sich Larry Bird, der sich in den Achtzigern zahlreiche Duelle mit der Hawks-Legende lieferte. "Die Leute sagen, dass er viele schlechte Würfe nimmt, aber das habe ich auch getan." 19,3 Abschlüsse pro Spiel nahm Bird über seine Karriere, Wilkins kam auf über 20.

Dominique Wilkins: Keine scorte gegen Jordan besser

In der Saison 1987/88 knallte der Forward satte 25-mal pro Spiel auf den Korb, nur Michael Jordan, Allen Iverson und Kobe Bryant warfen seither in einer Saison häufiger im Schnitt. So hatte Wilkins schnell den Ruf weg, ein egoistischer Scorer zu sein, der eher auf die eigenen Zahlen schaut, als sich für das Team aufzuopfern. Dabei half es auch nicht, dass er mit seinen Teams über die Karriere nur drei Playoff-Serien gewann und nie die Conference Finals erreichte.

Der Respekt für Wilkins unter seinen Kollegen war dennoch gegeben, auch von den Allerbesten: "Von all den Spielern, gegen die ich gespielt habe, gibt es einen, der mich immer zu Höchstleistungen gepusht hat. Das war Dominique Wilkins", gab Jordan später zu Protokoll. Einst schenkte Wilkins ihm 57 Punkte in einem Spiel ein, keiner scorte gegen Jordan besser. Dennoch: Aus den 48 Duellen ging His Airness 30-mal als Sieger hervor, den Dunk Contest nicht mit eingerechnet.

Diesen Respekt musste sich Wilkins erarbeiten - seit Kindesbeinen. Als Sohn eines Piloten der Air Force kam Wilkins in Paris zur Welt, die Familie zog jedoch mehrfach um. Erst Dallas, dann Baltimore, wo der junge Dominique sich auf den Freiplätzen gegen Ältere beweisen musste. "Die älteren Jungs wollten immer, dass ich um Geld gegen sie spiele", erinnerte sich Wilkins in einem Interview mit The Athletic.

"Ich musste Toughness zeigen und durfte nicht aufgeben. Ich habe meistens gewonnen und ich durfte auf keinen Fall verlieren, weil Geld auf dem Spiel stand." Das war ohnehin knapp, die Familie lebte in den berüchtigten Projects der Stadt, sodass Wilkins mit 16 Jahren die Entscheidung leicht fiel, die Heimat zu verlassen.

Dominique Wilkins: Mit dem Bus in die große NBA-Welt

Ein High-School-Coach aus North Carolina entdeckte Wilkins zufällig, bot ihm einen Platz in seinem Team an und wenig später setzte sich der Teenager alleine in einen Bus, um von dort die Basketball-Welt zu erobern. In jener Zeit bekam Wilkins auch seinen Spitznamen "The Human Highlight Film", den er nicht mehr abgeben sollte.

"Ich war in der elften Klasse bei einem Basketball Camp und wir spielten ein All-Star Game. Ich habe viel gescort und keiner konnte sich merken, wie ich gescort habe. Also haben sie immer den Film zurückgespult und geschaut, wie denn meine Punkte zustande kamen. Am Ende sagten sie: 'Vergessen wir es, wir nennen dich jetzt nur noch The Human Highlight Film.'"

Die Utah Jazz zogen Wilkins 1982 schließlich nach seiner Junior-Season mit dem dritten Pick, sahen im Youngster aber eher einen Power Forward, da auf der Drei bereits Adrian Dantley spielte. Für Wilkins war dies jedoch keine Option. "Damals waren Vierer große, physische Spieler und damit wollte ich nichts zu tun haben", erklärte Wilkins vor einigen Jahren den Deseret News.

Dominique Wilkins: Mehr als nur ein Dunker

Stattdessen schnappten sich die Hawks Wilkins, indem sie Utah Ex-All-Star John Drew, Freeman Williams sowie eine Million in Cash (möglich gemacht durch Kredite) gaben. Für die damalige Zeit war das teuer, aber es sollte sich lohnen. Atlanta war eine Football-Stadt, die Hawks fristeten eher ein Schattendasein, doch mit dem Local Hero Wilkins (er spielte auf dem College für Georgia) sollte sich das ändern, vor allem durch seine Dunks.

"Als ich ihn das erste Mal auf dem College sah, fielen mir drei Dinge auf", erinnerte sich Stan Kasten, der damalige GM der Hawks. "Er konnte aus der Halle springen, er konnte nicht werfen und es schien ihn nicht zu interessieren, dass er nicht werfen konnte."

Über die Jahre wurde das aber deutlich besser. Wilkins entwickelte sich zu einem gefährlichen Driver, der jederzeit abstoppen und zum Jumpshot hochsteigen konnte. Berüchtigt war auch der Spinmove, den sich Wilkins nach eigener Aussage von Earl "The Pearl" Monroe abgeschaut hatte.

Am Ende blieben aber vor allem die Dunks in Erinnerung. Kaum ein Team spielte spektakulärer als Atlanta, die mit Mike Fratello einen Coach hatten, der seinen Spielern viele Freiräume genehmigte. Zwischen 1985 und 1989 holten die Hawks immer 50 Siege, Wilkins wurde Abo-All-Star, doch in den Playoffs war für Atlanta nichts zu holen. Boston, Detroit, Milwaukee und später Chicago dominierten die Conference und waren gespickt mit Hall of Famern.

Dominique Wilkins: Der Teamerfolg in Atlanta bleibt aus

Wilkins hatte solche Unterstützung nicht. Atlantas Team bestand zwar aus vielen guten Rollenspielern wie Point Guard Doc Rivers, Randy Wittman, Center Tree Rollins oder Kevin Willis, ein echter Star war aber nicht dabei. Auch so ist es zu erklären, warum Atlanta mit Wilkins nie in den Conference Finals spielte - auch wenn Wilkins alles in seiner Macht stehende versuchte.

1988 war er mit 28 Jahren so nah dran wie nie zuvor. Mit 3-2 führten die Hawks gegen Boston und hatten in Atlanta die Chance, die Serie zu beenden. Die Celtics gewannen jedoch 102:100 und setzten sich auch in Spiel 7 knapp mit 118:116 durch. 36 und 47 Zähler von Nique reichten nicht, vor allem Spiel 7 ist ein NBA Classic, in dem sich Bird und Wilkins ein packendes Duell lieferten. Bird behielt (mal wieder) die Oberhand und erzielte 20 Punkte im Schlussviertel.

47 Punkte (19/33 FG), 5 Rebounds, 3 Assists und 0 Turnover in 43 Minuten waren zu wenig. "Das war das beste Spiel, an dem ich je teilgenommen haben", erinnerte sich Wilkins später. "Das waren zwei Jungs, die einfach nicht verlieren wollten." Einer musste aber verlieren und es war Wilkins, der auch danach nie wieder eine Playoff-Serie gewinnen sollte.

1994 waren die Hawks zwar wieder auf Kurs und führten im ersten Jahr ohne MJ sogar die Conference an, doch zur Trade Deadline gab Atlanta seinen besten Scorer nach elfeinhalb Jahren zu den L.A. Clippers ab. Die Hawks wollten den alternden Superstar, der sich zwischenzeitlich die Achillessehne gerissen hatte, schlichtweg nicht mehr bezahlen, auch wenn Wilkins erneut knapp 25 Punkte im Schnitt erzielte.

Dominique Wilkins erzielte über 23.000 Punkte für die Atlanta Hawks.getty

Dominique Wilkins: In Vergessenheit geraten

Es folgten noch Zwischenstopps in Boston, bei Panathinaikos, San Antonio, Bologna und Orlando, doch die große Magie war verflogen. Wilkins geriet ein wenig in Vergessenheit, sodass für den früheren Hawks-Star nicht einmal Platz im 50-jährigen Jubiläumsteam der NBA war, was innerhalb der Liga für große Verwunderung sorgte.

Ex-Mitspieler Rivers hatte dafür eine einfache Erklärung und nutzte Lakers-Forward James Worthy als Vergleich. "Der Unterschied zwischen James Worthy und Dominique ist, dass James mit Magic Johnson spielte und Dominique mit mir." 2021 korrigierte die NBA ihren Fehler, unter den besten 75 Spielern aller Zeiten ist Wilkins mit dabei.

In Atlanta ist Nique ohnehin eine Legende. Mit 23.292 Punkten ist der Forward mit großem Abstand der beste Scorer der Franchise-Geschichte, vor der State Farm Arena steht seit 2015 eine Statue von Wilkins, der zudem seit Jahren als Co-Kommentator bei Hawks-Spielen im Einsatz ist.

Auf nationaler Ebene wird Wilkins dagegen gerne vergessen, wenn es um die großen Spieler der Achtziger geht, auch wenn er definitiv dazugehört. Zu schlecht waren seine Hawks-Teams, dazu fehlte der Highflyer auch im Dream Team, weil er zu jener Zeit seinen Achillessehnenriss auskurierte.

"Als Athlet war Dominique sogar interessanter als Jordan", befand Bird. "Michael zog meist direkt zum Korb, während Dominique oft den Spinmove machte. Das war ein komplett anderer Basketball, wie ich ihn zuvor noch nicht gesehen hatte." Zu schade, dass er dies nie auf der größten Bühne zeigen konnte.

Dominique Wilkins: Seine Statistiken in der NBA

SaisonTeamSpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssists
82/83Hawks8232,917,549,318,25,81,6
83/84Hawks8136,621,647,90,07,21,6
84/85Hawks8137,327,445,130,96,92,5
85/86Hawks7839,130,346,818,67,92,6
86/87Hawks7937,629,046,329,26,33,3
87/88Hawks7837,830,746,429,56,42,9
88/89Hawks8037,526,246,427,66,92,6
89/90Hawks8036,126,748,432,26,52,5
90/91Hawks8138,025,947,034,19,03,3
91/92Hawks4238,128,146,528,97,03,8
92/93Hawks7137,329,946,838,06,83,2
93/94Hawks/Clippers7435,626,044,028,86,52,3
94/95Celtics7731,517,842,438,85,22,2
96/97Spurs6330,918,241,729,36,41,9
98/99Magic279,35,037,926,32,60,6
GESAMT35,524,846,131,96,72,5