SPOX nimmt die Situation des 29-Jährigen bei seiner insgesamt sechsten NBA-Station unter die Lupe.
Dennis Schröder: Warum ging es nicht bei den Lakers weiter?
Ein bisschen ahnte Dennis Schröder vielleicht schon, was die Stunde geschlagen hatte. "Ich habe selbst auch ein Team in Deutschland (Basketball Löwen Braunschweig, Anm. d. Red.) und weiß, dass man harte Entscheidungen treffen muss. Nichts für ungut." Er habe alles gegeben und würde gern zurückkehren, aber: "Am Ende ist es ein Geschäft. Da spielen viele Faktoren mit rein."
Gemeint waren natürlich die Los Angeles Lakers. Dort hatte Schröder eine gute Saison gespielt und gerade in den Playoffs überzeugt, mit knallharter Defense und sogar dem einen oder anderen Clutch Shot, selbst wenn die Quoten aus dem Feld nicht immer die besten waren. Wie unverzichtbar der Point Guard für LeBron James und Co. war, zeigt die Tatsache, dass er in der Postseason die fünftmeisten Minuten auf dem Parkett verbrachte.
Insofern durfte er sich durchaus Hoffnungen auf einen Verbleib in Tinseltown machen. Doch wo die Lakers mit anderen Rollenspielern relativ fix verlängerten - Rui Hachimura, Austin Reaves, auch D'Angelo Russell, der in den Playoffs zeitweise extrem schwächelte -, war Schröder nicht unverzichtbar. Stattdessen griffen die Lakers gleich zu Beginn der Free Agency zu und eisten Point Guard Gabe Vincent von den Miami Heat los.
Ziemlich genau eine Stunde später sickerte durch, dass die Houston Rockets Aufbauspieler Fred VanVleet von den Toronto Raptors verpflichtet hatten. Für stolze 130 Millionen Dollar über drei Jahre - ein historischer Vertrag für einen ungedrafteten Spieler.
Und eine weitere Stunde später hatte auch Schröder einen neuen Arbeitgeber.
Dennis Schröder: "Ich bin mehr wert als das Minimum"
Was war passiert? "Die Lakers haben darüber nachgedacht, Schröder zurückzubringen, aber am Ende war Vincent für sie der bessere Spieler und mehr wert", verriet Jovan Buha von The Athletic. "Head Coach Darvin Ham war eine der Stimmen, die sich intern für einen Verbleib Schröders stark gemacht hat."
Tatsächlich ist daran nicht viel zu rütteln. Vincent hatte im Finals-Run mit den Miami Heat seine Stärken gezeigt: unerschütterlich, gute Defense und - im Gegensatz zu Schröder - ein guter Dreierschütze (38 Prozent in 30 Playoff-Spielen), auch wenn es davor in der Regular Season nicht lief. Für Schröder wäre bei den Lakers vielleicht erneut das Minimum drin gewesen.
Das war diesmal aber keine Option. "Ich weiß, dass ich die letzten zwei Jahre viel mehr hätte verdienen können", hatte Schröder bei ESPN betont. "Ich bin natürlich mehr wert als das Minimum oder 5,9 Millionen Dollar." 2021/22 hatte er einen Einjahresvertrag über diese Summe bei den Boston Celtics unterschrieben, im September 2022 schließlich für 2,6 Millionen bei den Lakers. Dieses Mal wollte er sich für seine guten Leistungen im lila-goldenen Jersey auch entsprechend belohnt sehen.
Nördlich der Grenze standen die Raptors ihrerseits ohne Point Guard da. Rund 30 Millionen Dollar jährlich soll das Angebot an VanVleet betragen haben, doch die Offerte der mit Cap Space gesegneten Rockets konnte man einfach nicht mitgehen. Um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen, schwenkte Team-Präsident Masai Ujiri auf Schröder um - von einem sonderlich breiten Angebot an starken Point Guards konnte auch auch nicht unbedingt die Rede sein. Zwei Jahre und knapp 26 Millionen Dollar, der Deal war schnell durch.
Dennis Schröder bei den Toronto Raptors: Die perfekte Alternative
"TORONTO RAPTORS!" schrieb Schröder auf Twitter, kurz nachdem der Deal durchgesickert war. Begeisterung pur also? Nun ja. Wenn man so will, waren er und Toronto vor dem Altar stehengelassen worden. Es war in beiden Fällen keine riesige Überraschung, deshalb ist es nicht unmöglich, dass Ujiri und Schröders Berater Mark Bartelstein (Priority Sports) schon im Vorfeld ein derartiges Szenario diskutiert hatten.
Für Schröder ist es eindeutig eine "Business Decision". Er hätte sich in der Free Agency auch weiter Zeit lassen können, um am Ende möglichst wieder bei einem Contender zu landen, aber nach zwei mageren Jahren konnte er bei einer Gehaltserhöhung um fast 500 Prozent nicht nein sagen.
Dennis Schröder: Seine Stationen in der NBA
Saison | Team | Punkte | Assists | Rebounds |
13/14 | Hawks | 3,7 | 1,9 | 1,2 |
14/15 | Hawks | 10,0 | 4,1 | 2,1 |
15/16 | Hawks | 11,0 | 4,4 | 2,6 |
16/17 | Hawks | 17,9 | 6,3 | 3,1 |
17/18 | Hawks | 19,4 | 6,2 | 3,1 |
18/19 | Thunder | 15,5 | 4,1 | 3,6 |
19/20 | Thunder | 18,9 | 4,0 | 3,6 |
20/21 | Lakers | 15,3 | 5,8 | 3,5 |
21/22 | Celtics/Rockets | 13,5 | 4,6 | 3,3 |
22/23 | Lakers | 12,6 | 4,5 | 2,5 |
Gerüchtehalber könnte es sich beim zweiten Vertragsjahr um eine Spieleroption handeln, Schröder wäre nach einer guten Saison im Alter von 30 Jahren also wieder auf dem Markt. Das ist allerdings noch nicht bestätigt.
Die Raptors bieten aber nicht nur die entsprechenden Gehaltsschecks, sondern auch die von VanVleet hinterlassene Lücke. Das verspricht einiges an Spielzeit: In Los Angeles waren es 30 Minuten pro Spiel, ähnlich könnte es auch hier laufen. Und: Schröder ist bei einem Team gelandet, dass ihn auch wollte. Selbst wenn er nicht Option 1a war: Toronto wurde schon vor zwei Jahren Interesse an DS17 nachgesagt, als der damalige Starter Kyle Lowry abgegeben werden sollte. Offensichtlich schätzt man die Stärken des deutschen Nationalspielers. Der dürfte in die Starting Five rutschen, es sei denn der 21 Jahre alte Barnes wird zum Point Guard umfunktioniert.
Insofern aus Schröders Sicht eigentlich die perfekte Lakers-Alternative - klammert man den fehlenden Contender-Status mal aus. Aber die Raptors, Champion von 2019, sind seit Jahren eine professionell geführte Franchise. Es hätte schlechtere Adressen gegeben. Und Schröder verdient jetzt sogar besser als Vincent bei den Lakers (3 Jahre/33 Mio.).
Dennis Schröder: Die Raptors stecken im NBA-Niemandsland
Allerdings ist auch noch nicht so ganz klar, wo bei den Raptors die Reise denn nun hingehen soll. Seit der wundersamen Championship mit Kawhi Leonard vor vier Jahren hat man sportlich abgebaut: 2020 scheiterte man in der zweiten Playoff-Runde in sieben Spielen an den Celtics, seitdem wurden aber nur zwei Playoff-Spiele gewonnen, zweimal wurde die Postseason komplett verpasst.
Mit All-Star Pascal Siakam, Scottie Barnes oder O.G. Anunoby bietet der Kader jede Menge Talent, zuletzt wurde auch der Vertrag mit Center Jakob Poeltl für vier Jahre und 80 Millionen Dollar verlängert. Aber passt das alles zusammen? Shooting bliebt Mangelware, daran ändert auch Schröder nichts, sodass man sich wohl erneut im gefürchteten Niemandsland der NBA einpendeln wird. Dazu passt gewissermaßen auch der Schröder-Deal: VanVleet wurde ordentlich ersetzt, die Raptors haben die Lücke im Kader geschlossen - aber besser geworden sind sie natürlich auch nicht.
Ein Problem der Franchise aus Kanada: Wie jetzt bei VanVleet wurden in den letzten Jahren Leistungsträger am Vertragsende ohne Gegenwert ziehen gelassen. "Die Raptors haben für Kawhi Leonard, Marc Gasol, Serge Ibaka, Danny Green oder Fred VanVleet nichts bekommen. Aus Kyle Lowry haben sie Precious Achiuwa gemacht. Manche dieser Verluste sind entschuldbarer als andere, aber die Raptors müssen bei der Trade Deadline einfach aufgeschlossener werden", fasste es CBS-Reporter Sam Quinn vor einigen Tagen zusammen. VanVleet hätte im Februar den einen oder anderen Pick einbringen können, aber Ujiri entschied sich gegen einen Trade. Das rächt sich nun.
Dennis Schröder und die Raptors: Kommt es zu "Kawhi 2.0"?
Steht in Toronto also eine weitere Saison an, in der man an den unteren Playoff-Spots kratzen wird, aber das war es dann auch? Aktuell sieht es danach aus. Wenn sich Ujiri nicht doch dazu entscheidet, einen Neuanfang zu wagen: Es soll zuletzt ein paar Trade-Gerüchte um Siakam gegeben haben, der 29-Jährige Forward geht in sein letztes Vertragsjahr. Auch Anunoby (Player Option 2024/25) wünscht sich angeblich eine größere Rolle. Dienst nach Vorschrift wird die Raptors, nicht gerade eine Free-Agent-Destination, nicht so schnell zum Contender machen.
Was das für Schröder bedeutet? Trades von Siakam, vielleicht sogar von Anunoby, würden ihm wohl eine noch größere Rolle in der Offense einräumen, auch seine Leadership-Qualitäten wären gefragt. Andererseits könnte natürlich auch er selbst zur Trade Deadline im kommenden Februar wieder zu haben sein (ab 15. Dezember wäre es theoretisch möglich), wenn die Raptors keine Rolle im Playoff-Rennen spielen - und so am Ende doch wieder bei einem Contender landen.
Eine weitere Lösung wird aktuell unter den Raptors-Fans noch diskutiert - man könnte sie "Kawhi 2.0" nennen. Damian Lillard will offiziell weg von den Portland Trail Blazers, und auch wenn sich Toronto nicht auf seiner "Da will ich hin!"-Liste befindet, könnte Ujiri einen Trade für den Superstar stemmen, etwa mit Anunoby, kleineren Verträgen und jeder Menge Draft Picks. Das hat ja bei Leonard auch schon einmal geklappt - und Dame hat noch drei Jahre Vertrag, wäre also so schnell nicht wieder weg bzw. könnte 2024 erneut getradet werden.
Dies ist mit ziemlicher Sicherheit jedoch nicht mehr als ein Luftschloss. Aus finanzieller Sicht lohnt sich der Raptors-Deal also für Schröder, doch sportlich ist er da gelandet, wo er in der NBA nie sein wollte - im grauen Mittelmaß.