Jontay Porter ist ein unauffälliger Basketball-Profi. Die wenigsten kennen seinen Namen, sein Gesicht oder seine Statistiken. Sein Bruder Michael Porter Jr. ist ein Star bei den Denver Nuggets, Jontay hat in der Saison 2023/24 dagegen gerade mal einen Two-Way-Deal und spielt bei den Toronto Raptors bzw. ihrem G-League-Team, den Raptors 905.
Bei einem Spiel dieser Raptors 905 gegen die Westchester Knicks am 20. März 2024 lässt sich Jontay nach wenigen Spielminuten auf eigenen Wunsch auswechseln - er sei verletzt. Zu diesem Zeitpunkt hat er zwei Rebounds und null Punkte auf dem Konto. Nicht weiter auffällig.
Was sich aber in den Wochen danach um das Spiel offenbart, ist neu - und ein Skandal, der die NBA verändert. Wettanbieter DraftKings meldet der NBA, dass auffällig hohe Geldbeträge auf die Spiele von Porter gesetzt wurden, genauer gesagt auf seine Statistiken. Dieser Tipp führt zu einer Untersuchung der Liga, schließlich gibt Porter Wettbetrug zu.
Der 25-Jährige wird lebenslang aus der NBA und der dazugehörigen G-League ausgeschlossen. Für Commissioner Adam Silver eine alternativlose Entscheidung: "Es gibt nichts Wichtigeres, als die Integrität der NBA-Wettbewerbe für unsere Fans, unsere Teams und alle, die mit unserem Sport verbunden sind, zu schützen. Deshalb werden Jontay Porters eklatante Verstöße gegen unsere Spielregeln mit der härtesten Strafe geahndet."
Von "Prop Bet" bis "Parlay": Alles kann zur Wette werden
Sportwetten sind längst nicht mehr einfach nur Wetten auf Sieg oder Niederlage eines Teams. Heutzutage kann man bei eigentlich jedem Anbieter auch auf individuelle Spieler und ihre Punkteausbeute und andere Statistiken wetten. Macht Steph Curry mehr oder weniger als sieben Dreier? Ja Morant weniger als drei Dunks? Oder Franz Wagner mehr als zwei Assists? Alles kann zur Wette werden. Doch es ist etwas anderes, auf Superstars zu setzen, als auf Spieler wie Jontay Porter, der die Hälfte seiner Zeit in der G-League verbringt. Besonders, wenn es um große Geldmengen geht.
Porter hatte nach eigener Aussage selbst Wettprobleme: 13 Wetten habe er auf NBA-Spiele abgeschlossen, insgesamt 54.000 Dollar eingesetzt und dabei 22.000 Dollar gewonnen. Das sind die Wetten, von denen man sicher weiß. Porter hatte aber offenbar noch weitere Wettschulden. Und diese waren es, die zum großen Knall und seinem endgültigen Aus in der NBA führten.
Laut Staatsanwaltschaft soll Porter seinem Gläubiger einen Tipp gegeben haben, um seine Wettschulden abzubauen. Eigentlich ganz simpel: Er selbst werde sich bei einem ganz bestimmten Spiel schon nach wenigen Minuten auswechseln lassen. Bedeutet: Er wird seine durchschnittlichen Statistiken nicht erreichen. Der Gläubiger wettete wenig später 80.000 Dollar darauf, dass Porter unter seinem Rebound-Durchschnitt bleiben werde, eine sogenannte "Prop Bet". Allerdings in Kombination mit weiteren Statistiken von Porter. Durch diese ausgefeilten "Kombi-Wetten" - im englischen "Parlay" - schnellte der mögliche Gewinn auf 1,1 Millionen Dollar in die Höhe. Porter sucht sucht sich das Spiel gegen die Knicks aus, lässt sich auswechseln, der Plan geht vermeintlich auf. Bis DraftKings den dubiosen Gewinn einfriert und die NBA einschaltet.
Sportwetten in der NBA: Den Hass bekommen die Spieler ab
Millionen Fans wetten mittlerweile auf die Leistungen einzelner Spieler. Diese bekommen den Hass ab, wenn sie nicht so performen wie gewünscht. Das lässt Stars wie Jayson Tatum oder Tyrese Halliburton ("Für die halbe Welt bin nur eine Wette, mit der man Geld bei DraftKings Geld machen kann") schon lange nicht mehr kalt. Kevin Durant von den Phoenix Suns, seit jeher äußerst streitbar in den Sozialen Medien unterwegs, schlägt auch gern mal öffentlich zurück.
Zuletzt nach einem Spiel gegen die LA Clippers (125:119), als sich KD nach schnellen 18 Punkte zurückhielt, überließ Nebenmann Devin Booker das Punkten überließ (40). Doch die wenigen Punkte waren für viele Wetthungrige nicht einmal das Problem, sondern die Tatsache, dass Durant im 4. Viertel ganze acht Minuten keinen einzigen Wurf nahm. Nach dem Spiel postete der 36-Jährige provokant auf Twitter: "Guter Sieg, und für alle, die mit mir ein Parlay gespielt haben: mehr Glück beim nächsten Mal, lol". Die Reaktionen darauf fielen manchmal witzig, öfter aber voller Hass und Enttäuschung aus. Durant würde den Sport nicht ernst nehmen, kritisierte jemand. Der reagierte genervt: "Nein, DU denkst, jede Nacht dein Leben zu verwetten ist ein Spiel." Und weiter: "Gib mir nicht die Schuld dafür, dass du Geld verlierst, weil du wettsüchtig bist."
Das Wettende ihre Enttäuschung nicht nur auf Social Media beschränken, musste J.B Bickerstaff, im letzten Jahr Head Coach der Cleveland Cavaliers, am eigenen Leib erfahren: "Sie haben meine Telefonnummer herausgekriegt und mir verrückte Nachrichten geschickt. Wo ich wohne, über meine Kinder, lauter so Zeug. Das ist ein gefährliches Spiel." Gemeint sind die, die jede Nacht ihr Erspartes auf Sport setzen, auf Statistiken, auf Spieler. Und von diesen Wettenden gibt es immer mehr in Amerika.
Sportwetten in den USA: 120 Milliarden Dollar Umsatz
Einer Schätzung nach wetten knapp 40-45 Millionen Amerikaner auf Sportereignisse, in welcher Form auch immer. Also jeder Achte. Alleine 2023 gaben sie so fast 120 Milliarden Dollar für Sportwetten aus, eine Steigerung von fast 28 Prozent allein im Vergleich zum Vorjahr. Spitzenreiter ist der Super Bowls mit einem Umsatz von über 23 Milliarden. Dass diese Summen immer weiter steigen hängt besonders damit zusammen, dass jedes Jahr mehr US-Staaten Sportwetten legalisieren. Momentan sind es 38 - dabei ist mit Kalifornien der bevölkerungsreichste Staat noch gar nicht dabei.
Sportwetten sind in Amerika erst seit 2018 legal, damals kippte der Supreme Court den "Professional and Amateur Sports Protection Act" von 1992. Davor waren Sportwetten nur in einem Staat erlaubt: Nevada - also besser gesagt in Las Vegas. Illegal gewettet wurde natürlich trotzdem: 2018 soll der Untergrundmarkt allein bei Pferderennen das Zehn- bis Fünfzehnfache des legalen Geschäfts (rund elf Milliarden Dollar) betragen haben.
Deshalb gab es schon immer Skandale um manipulierte Sportevents. Nicht nur von Spielern übrigens: Einer der bekanntesten Fälle ist Tim Donaghy, der NBA-Referee wurde 2007 dabei erwischt, wie er über einen Mittelsmann Geld auf von ihm geleitete Spiele setzte. Elf Monate musste er dafür hinter Gittern.
Trotzdem wurden besonders seit der Legalisierung 2018 in vielen Staaten immer öfter Spieler erwischt, die Spiele manipuliert haben oder zumindest selbst darauf wetteten, was ebenfalls streng verboten ist. Alleine 2023 wurden über von der NFL zehn Spieler aufgrund von Wettverstößen suspendiert. Auch die Geschichte der MLB bietet berühmte Fälle, beispielsweise Legende Pete Rose, der als Coach den Sieg seines eigenen Teams wettete und deshalb von der MLB verbannt wurde. Oder Shohei Ohtani, der bekannteste Baseball-Spieler des Planeten, der von seinem wettsüchtigen Dolmetscher um viele Millionen Dollar betrogen wurde.
Basketball: Der Sport für Wettjunkies
Der Sport aber, auf den am meisten gewettet wird, ist Basketball. Das liegt unter anderem daran, dass eine NBA-Saison viel mehr Spiele bietet der Nationalsport Football. Knapp ein Viertel aller Sportwetten haben mit Basketball zu tun, die meisten davon mit der NBA. Die war übrigens eine der Parteien, die lange vor 2018 öffentlich darauf pochten, Sportwetten zu legalisieren. "Wetten auf Profisport sind derzeit in den meisten Staaten außerhalb Nevadas illegal. Ich glaube, wir brauchen einen anderen Ansatz", schrieb Adam Silver schon 2014 in einem Artikel für die New York Times.
Silver wusste schon damals dass seine Liga an einer Legalisierung mitverdienen würde - und zwar kräftig. So unterhält die NBA mittlerweile geschäftliche Verbindungen zu allen großen Wettanbietern wie DraftKings, FanDuel oder BetMGM. Selbst auf der eigenen Homepage findet sich eine große Rubrik "NBABets" mit den neuesten Vorhersagen - und natürlich sind FanDuel und DraftKings gleich eingebunden.
Viele Teams haben außerdem eigene Deals mit einzelnen Wettanbietern abgeschlossen, die dann in der Arena mit einem Laden vertreten sind. Auf den großen Werbetafeln in der Halle wird fleißig Werbung gemacht, mit Gesichtern wie LeBron James und der Message: "Ihr könnt gleich hier in der Arena wetten!" Wenn die Anhänger dann direkt vor Ort eine Wette abschließen, verdient das Team natürlich anteilig mit.
Die NBA ist dabei natürlich nicht die einzige Liga, die Deals mit den Anbietern abgeschlossen hat und davon profitiert. Insgesamt waren es im Mai 2023 278 aktive Deals zwischen Sportligen und Wettanbietern, im Wert von mindestens 3,3 Milliarden Dollar. Aktiv und auffällig machen NBA und Co. Werbung für Sportwetten und wollen zeigen, dass das doch ein spaßiger Zeitvertreib ist.
Doch für viele ist das nicht so.
Durch Sportwetten ruiniert: Wie sieht die Zukunft aus?
In den USA gab es schon vor der Legalisierung der Sportwetten Spielsüchtige. Wie überall. Doch mittlerweile haben diese noch mehr und deutlich einfachere Möglichkeiten, ihre Sucht zu befriedigen. DraftKings und Co. sind dabei ein Einfallstor für die Zielgruppe der Sportinteressierten, die die eigenen Kenntnisse überschätzen und den Sport für vorhersehbar halten. Selbst bei Basketball-Videos auf YouTube wird man bombardiert: "100 Dollar gratis, wenn du einmal 20 Dollar setzt!". Und von diesen Werbungen gibt es extrem viele, denn die gesamte Berichterstattung ist voll damit. Die großen Sport-Podcasts - gesponsert von Wettanbietern. YouTuber - gesponsert von Wettanbietern. Wer selbst etwas vom Kuchen abhaben will, lässt sich nicht nur sponsern, sondern bringt selbst ein Sportsbook an den Start, man denke an "ESPN Bet" oder "Barstool Bets". Negative Berichterstattung findet man so in der Sport-Bubble nur selten.
Wie effektiv ist die Werbeflut? In einer NCAA-Studie aus dem Jahr 2023 sagten 52.8 Prozent der befragten jungen Erwachsenen (18-22), dass solche Werbung sie dazu verleite, eher wetten zu wollen. Bei sogenannten "Higher Risk Gamblers" sind es sogar 80 Prozent.
Blickt man auf die wirtschaftlichen Kennzahlen der Staaten, die Sportwetten legalisiert haben, sieht man nicht nur Steuereinnahmen durch die Legalisierung, sondern auch negative Auswirkungen. Verschiedene Studien legen nahe, dass die durchschnittliche Kreditwürdigkeit in diesen Staaten sinkt, die Inkassoforderungen (acht Prozent) und die Konkurse (28 Prozent) steigen hingegen in diesen Staaten stark an. Das äußert sich in knapp 100.000 Insolvenzen pro Jahr mehr. Auf gut Deutsch: Manche verspielen nicht nur ihre Ersparnisse, sondern manchmal ihre komplette Lebensgrundlage.
Und das wird sich noch verschlimmern. Ben Andrews, Beobachter des Markts bei "Goldman Sachs", meint: "Der Höhenflug von solchen Prop-Wetten ist einer der Verursacher des Höhenflugs". Und prophezeit: Durch die Personalisierung und aggressiv geschaltete Werbung werde diese Art der Sportwette noch exzessiver werden. Wie weit ist folgendes Szenario noch entfernt: Man schaut die NBA am Smart-TV, hat sein Wettkonto damit verknüpft, ein Spieler tritt zum Freiwurf an. Kurz vor dem Wurf poppt ein kleines Fenster auf: "Einsatz 5 Dollar: Trifft Andre Drummond diesen Freiwurf?" Der Algorithmus weiß schließlich, dass man schon oft auf Freiwürfe gewettet hast - warum also auch nicht hier?
Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.
NBA: Wichtige Termine der Saison
Datum | Event |
17. Dezember | NBA Cup Finale |
25. Dezember | Christmas Day Games |
6. Februar 2025 | Trade Deadline |
14.-16. Februar 2025 | All-Star Wochenende |
13. April 2025 | Ende der Regular Season |
15.-18. April 2025 | Play-In Turnier |
19. April 2025 | Start der Playoffs |
5. Juni 2025 | Start der NBA Finals |