Die Rookies haben es wie erwartet schwer, Golden State ist überraschend stark - und warum sind die Nets im Osten plötzlich drittstärkste Kraft? Eine Analyse der ersten zwei Wochen der Regular Season.
NBA Erkenntnis: Immer mehr Dreier! Warum der Trend sich fortsetzen wird
Irgendwann wird es langweilig, immer nur über die stetig ansteigende Dreier-Rate in der NBA zu sprechen und sie je nach Gusto zu feiern oder abzulehnen. Womöglich ist dieser Punkt auch schon erreicht. Aber nachdem wir in den zehn Fragen zum Saisonstart und auch in den Vorschauen auf die einzelnen Teams immer wieder über die Absicht der Teams gesprochen haben, mehr und mehr Dreier zu nehmen, bietet sich eine Überprüfung dieser Vorhersagen an. Ergebnis: Sie haben sich erfüllt.
Stand jetzt ist die Dreierquote von 39 Prozent in der vergangenen Saison noch einmal auf 42 Prozent geklettert, nachdem sie in den letzten vier Jahren relativ konstant geblieben war. Angetrieben von den Boston Celtics und Dallas Mavericks, die sich 2023/24 als Nummer eins und Nummer zwei bei den Dreierversuchen bis in die NBA Finals ballerten, haben fast alle Teams ihren Output von Downtown erhöht, teilweise drastisch. Nur die Celtics nahmen in der letzten Saison über 40 Dreier pro Partie (42,5), sieben Teams mehr als 37. Diese Marke knackt aktuell die Hälfte der NBA, sieben Teams nehmen über 40 Dreier - und die Celtics sogar über 50!
Hat die NBA ein "Dreier-Problem", wie USA Today vor einer Woche titelte? Wenn, dann ist es denn Protagonisten herzlich egal. "Fuck em", lautete Anthony Edwards' Botschaft an die Kritiker seiner neuen Schwärmerei für den Distanzwurf, übersetzen muss man das nicht. Über elf Dreier nimmt "Ant" aktuell pro Spiel, damit macht er Stephen Curry zu dessen besten Zeiten Konkurrenz.
Der 23-Jährige ist einer der athletischsten Spieler der Liga, doch statt kraftvoller Drives und Finishes setzt auch er wie noch nie auf den Dreier. Zehn Spieler nahmen letztes Jahr mindestens acht Versuche pro Partie, dieses Zahl steht aktuell bei 24. Und sie entstehen nicht mehr so häufig wie früher aus Drive-and-Kicks, also Spot-Up-Dreiern: Fast 50 Prozent aller Triples werden als Pull-up-Jumper genommen, also aus dem Dribbling.
Besonders auffällig ist dabei, dass gerade die jungen Stars in der Liga ihre Quoten immer weiter nach oben schrauben, von Edwards über Jayson Tatum bis hin zu Jalen Green. Selbst Shai Gilgeous-Alexander, Midrange-Spezialist der Oklahoma City Thunder, nimmt drei Dreier mehr als letzte Saison. "Die Art und Weise ist nicht entscheidend, Hauptsache man gewinnt", lautet seine Begründung. "Und die Gewinner-Teams der letzten zehn oder so Jahre haben sehr viele Dreier geworfen." Vielen Head Coaches kommt es dabei in erster Linie gar nicht auf die Trefferquote an - Hauptsache die Dreier machen sich auf den Weg in Richtung Korb. Nur so zieht man die Defenses auseinander, schafft Räume und die Chance auf lange Offensiv-Rebounds.
Der Trend macht auch vor den klassischen Midrange-Scorern wie Kevin Durant oder DeMar DeRozan nicht Halt - aber man kann sich leicht ausrechnen, was passieren wird, wenn diese "Stars aus einer anderen Zeit", so muss man es ja schon fast ausdrücken, in ein paar Jahren nicht mehr da sind: Die Fans werden sich vor Dreiern kaum noch retten können.
NBA Erkenntnis: Gibt es doch Spannung auf der Jagd nach dem Top-Seed?
Man musste kein Prophet sein, um die Boston Celtics und und Oklahoma City Thunder in ihren jeweiligen Conferences auf den Spitzenplatz zu setzen. Auch ohne den verletzt fehlenden Center Kristaps Porzingis hat der Titelverteidiger immer noch ein veritables All-Star-Team zur Verfügung, das Gegner mit starker Defense und brutaler Dreierqote zur Verzweiflung treiben kann. Dementsprechend gut steht das Team von Joe Mazzulla da: 7-1, mit einer knappen Overtime-Niederlage und einem Plus/Minus von +14.0. Die Thunder glänzen ihrerseits mit unglaublicher Tiefe, Center Chet Holmgren scheint in seinem zweiten Jahr einen großen Schritt gemacht zu haben. OKC ist noch unbesiegt (7-0) und hat alle Spiele mit mindestens zehn Punkten Vorsprung gewonnen - eine solche Serie zum Start einer Saison gab es in der NBA-Geschichte noch nie.
Und doch könnten sich beide Teams bis zum Schluss strecken müssen, um den Heimvorteil in den Playoffs (zumindest bis zu den Finals) einzutüten. Es sind nämlich nicht die Celtics, die im Osten den Ton angeben, sondern die noch unbesiegten Cleveland Cavaliers (8-0). Alles nur Schall und Rauch? In unserer Preview gab es schließlich zu lesen, dass die Einzelteile bei den Cavs nicht richtig zusammenpassen. Nun, der neue Head Coach Kenny Atkinson hat bislang ganze Arbeit geleistet, Point Guard Darius Garland zockt groß auf und Superstar Donovan Mitchell gibt den Closer. "Wir hatten Blowouts, wir hatten knappe Spiele, wir hatten Comebacks", sagt dieser. "Dass wir auf so unterschiedliche Arten gewinnen, finde ich beeindruckender, als die acht Siege an sich."
So konnten bereits die Lakers, Magic und Bucks bezwungen werden, dazu gab es Auswärtssiege bei den Knicks und in Milwaukee. Einige Gegner traten dabei ersatzgeschwächt an, aber vorerst ist kein Rivale für Cleveland im Kampf um zumindest den zweiten Platz in der Eastern Conference in Sicht. Mehr noch: Die Celtics und Cavs haben als einzige Teams im Osten überhaupt eine positive Bilanz ...
Im so tief besetzten Westen gibt es aktuell acht Mannschaften mit mehr Siegen als Niederlagen. Selbstverständlich werden davon nicht alle die Verfolgung der Thunder aufnehmen können, aber der gute Saisonstart der Phoenix Suns (6-1) zeigt bereits die Früchte von Mike Budenholzers Arbeit: Der neue Head Coach hat bisher ganze Arbeit geleistet. Schon mehrere knappe Spiele konnten gewonnen werden, nachdem man letztes Jahr im Schlussviertel so oft desaströs agierte. Was vom Blitzstart der Warriors (6-1, siehe unten) zu halten ist, wird sich noch zeigen, aber auch den Dallas Mavericks oder Minnesota Timberwolves (je 4-3) muss man mehr als 50 Siege in der Regular Season zutrauen.
NBA Erkenntnis: Bei den Rookies ist Geduld gefragt
Die Begeisterung vor dem NBA Draft im vergangenen Juni hielt sich bekanntlich in Grenzen, Supertalente wie Victor Wembanyama oder zumindest waschechte Top-Picks wie Anthony Edwards (2020) oder Paolo Banchero (2022) waren weit und breit nicht in Sicht.
Ja, es gilt noch immer der Grundsatz, dass auch diese Draft-Klasse All-Stars hervorbringen wird, so wie alle anderen. Es könnte allerdings wie befürchtet etwas länger dauern. Es dauerte gut eine Woche, bis überhaupt ein Rookie die Marke von 15 Punkten in einem Spiel knacken konnte, mittlerweile liegt der Bestwert bei 25 - erzielt von Grizzlies-Center Zach Edey. Der bringt es auf 11,1 Zähler im Schnitt und ist neben Bub Carrington von den Wizards (10,3) der einzige Rookie, der zweistellig punktet.
Generell haben es die Novizen eher schwer, sich genügend Spielzeit zu verdienen. Nur acht bringen es auf durchschnittlich über 20 Minuten, und drei der Top-5 (Carrington, Kyshawn George, Alexandre Sarr) spielen in der Hauptstadt, wo man es ja nicht auf Siege, sondern vor allem auf einen guten Draft-Pick abgesehen hat. Wie schlägt sich Top-Pick Zachharie Rissacher in Atlanta? Wie zu erwarten ist es ein Auf und Ab beim Franzosen, von 3 bis 17 Punkten war schon alles dabei. Bei knapp 33 Prozent aus dem Feld (21,1 Prozent Dreier) hat er natürlich noch eine Menge Luft nach oben.
Nummer-2-Pick Sarr? 9,8 Punkte (36,2 Prozent FG), aber immerhin starke 2,8 Blocks pro Spiel. Reed Sheppard bei den Houston Rockets, für viele vor Saisonstart der Favorit auf den Rookie des Jahres? Für den Guard ist ob der Tiefe des Teams bislang kaum Platz (9,3 Minuten im Schnitt). Er muss wie viele andere auf seine Chance warten und sie nutzen, wenn es so weit ist. Vorbild in dieser Hinsicht: Yves Missi von den New Orleans Pelicans. Der 21. Pick bekam angesichts des dünnen Front Courts zuletzt über 25 Minuten pro Spiel und schlug sich wacker (7,7 Rebounds in den letzten drei Partien).
NBA: Überraschende Gewinner der bisherigen Saison
Golden State Warriors (6-1)
Stephen Curry - und dann viel heiße Luft? Von wegen! Selbst als der Superstar drei Spiele mit einem lädierten Knöchel verpasste, eilten die Warriors weiter von Sieg zu Sieg. Das Team von Head Coach Steve Kerr ist unglaublich tief, fast jeden Abend springt ein anderer Akteur in die Bresche - und das trotz einiger Verletzungen. Buddy Hield feuert von der Bank wie ein echter Splash Brother (9,4 Dreier in knapp 26 Minuten, 50 Prozent Trefferquote), Andrew Wiggins ist aktuell voll da, Jonathan Kuminga hat sich mit seiner Rolle von der Bank arrangiert. Ja, der Spielplan wird jetzt deutlich härter, aber die Dubs gewinnen nicht nur mit Shooting und Tiefe, sondern auch mit Defense (zweitbestes Defensive Rating hinter OKC).
Brooklyn Nets (4-4)
Platz drei im Osten gehört aktuell - den Nets!? Okay, das liegt auch am langsamen Start einiger Championship-Contender wie den Knicks (3-3) oder 76ers (1-5, siehe unten). Dennoch mehr als beeindruckend, wie sich die zusammengewürfelte Truppe bisher schlägt. Das Team spielt vom ersten bis zum letzten Mann hart, und wo Topscorer Cam Thomas (24,9 Punkte) mit dem Ball in der Hand weiterhin ein schwarzes Loch ist (3,1 Assists) und magere Quoten aufweist (30,6 Prozent 3FG), springt Dennis Schröder in die Bresche. Der 31-Jährige glänzt wie in seinen besten Zeiten: 19,9 Punkte und 73 Assists in durchschnittlich fast 35 Minuten, mit hervorragenden Quoten (49 Prozent Dreier!). "Uns doch egal, was die Leute sagen", betont er: "Wir glauben an diese Gruppe und wollen es in die Playoffs schaffen."
NBA: Überraschende Verlierer der bisherigen Saison
Milwaukee Bucks (1-6)
Das Titelfenster in Milwaukee ist zu, darauf hatten wir uns zum Saisonstart festgelegt - aber dass dieser derart in die Hose geht? Das erste Saisonspiel wurde gegen die ersatzgeschwächten Sixers noch gewonnen, seitdem setzte es sechs Pleiten in Folge. Und das, obwohl Giannis Antetokounmpo mal wieder in MVP-Form ist (31 Punkte bei 63,3 Prozent aus dem Feld, 12,3 Rebounds und 6,3 Assists). Auch Damian Lillard spielt offensiv mehr als solide (27,6 Punkte, 39,1 Prozent 3FG), aber die Perimeter Defense ist wie erwartet eine Katastrophe. Natürlich steht sofort ein Trade des "Greek Freak" im Raum, will der doch um jeden Preis um Titel spielen. Den werden die Bucks nicht abgeben wollen, aber das Team ist alt und teuer: Laut ESPN sollen sich die Verluste der Franchise in den letzten Jahren im zweistelligen Millionenbereich bewegen. Wenn dann auch noch sportlich nichts zu holen ist, ordnen die Besitzer vielleicht doch irgendwann den Rebuild an ...
Philadelphia 76ers (1-5)
Die Bilanz bei den Sixers ist ähnlich mies, wobei man die vielen Niederlagen zumindest mit den Verletzungen von Paul George und Joel Embiid erklären kann - letzterer ist mittlerweile auch ins Lineup zurückgekehrt. Sobald der MVP von 2022/23 auch wieder auf dem Parkett steht, wird man die 76ers wirklich beurteilen können. Aber bei Embiid deutet längst alles darauf hin, dass er eben nicht langsam für die Saison aufgebaut wird, sondern schlicht und ergreifend verletzt ist, vielleicht auch schwerer als gedacht. Und wenn er fit ist, darf er erst einmal eine Sperre absitzen.
Utah Jazz (1-6)
Die Jazz passen insofern nicht in diese Reihe, als dass man sie vor der Saison natürlich nicht als Top-Team auf der Rechnung hatte. Insofern tut der schwache Saisonstart auch gar nicht so weh, schließlich winkt unter anderem Cooper Flagg im Draft. Die bislang mit Abstand schlechteste Efficiency (-14,7) in der Liga gibt allerdings zu denken: Gegnerische Teams erzielen fast 120 Punkte pro Spiel, die Offense ist die schlechteste der NBA, Topstar Lauri Markkanen plagt sich mit Rückenproblemen herum. Die Trade Season könnte in Salt Lake City schneller beginnen als gedacht.
NBA: Wichtige Termine der Saison
Datum | Event |
12. November | Start des NBA Cups |
17. Dezember | NBA Cup Finale |
25. Dezember | Christmas Day Games |
6. Februar 2025 | Trade Deadline |
14.-16. Februar 2025 | All-Star Wochenende |
13. April 2025 | Ende der Regular Season |
15.-18. April 2025 | Play-In Turnier |
19. April 2025 | Start der Playoffs |
5. Juni 2025 | Start der NBA Finals |