Mavericks: Das Böse steckt in jedem von uns

Haruka Gruber
15. April 201115:40
Tyson Chandler soll mit seiner harten Spielweise und den Leadership-Qualitäten vorangehenGetty
Werbung

Bitter: Es ist Playoff-Time - und keiner nimmt Dirk Nowitzkis Team ernst. Dabei verfügt Dallas mit Tyson Chandler endlich über einen Tough Guy. Die Mavericks und die Hoffnung auf den Garnett-Effekt.

Psychologen, Soziologen, Kriminalwissenschaftler, sie alle sind sich einig: Das Böse steckt in jedem von uns. Etwas Archaisches und Brutales, das in einer Ausnahmesituation nur darauf wartet auszubrechen.

Die Dallas Mavericks jedoch gaben sich in den letzten Jahren redlich Mühe, genau das zu widerlegen. Ihre Misserfolge in den Playoffs sind so bekannt wie ermüdend nachzuerzählen, alleine die Bilanz der vergangenen vier Jahre (dreimal Aus in Runde eins) dient jedem in der NBA als Beleg für das Fehlen nötiger Boshaftigkeit.

Entsprechend bereitwillig nahm Portland die Kunde auf, zum Auftakt der Playoffs auf Dallas zu treffen. Die meisten Trail Blazers versteckten sich aus Höflichkeit hinter Allgemeinplätzen ("Die Mavs sind eine gefährliche Mannschaft"), aber Nicolas Batum sprach das aus, was die Mitspieler wohl nur denken: "Uns liegt das Matchup."

Das erste Spiel der Best-of-seven-Serie findet bei den Mavs in der Nacht auf Sonntag statt.

"Gegen uns will jeder spielen"

"Alle sieben Playoff-Mannschaften aus dem Westen wollten auf uns treffen. Aus welchen Gründen auch immer sind wir das Team, gegen das jeder spielen möchte", sagt Dallas' Jason Terry. Die Konkurrenz nimmt die Mavs nicht als Titelkandidaten wahr, Dirk Nowitzki hingegen beharrt darauf: "Wir glauben an unsere Chance."

Doch woher kommt dieser Glaube?

Dallas sei nicht mehr vergleichbar mit dem Team der vergangenen Jahre, betont Nowitzki. Der Kader blieb zwar weitestgehend bestehen, mit dem Kommen eines einzigen Spielers habe sich jedoch das Wesen der Mannschaft gewandelt. Der Gepriesene: Tyson Chandler.

Der Garnett-Effekt

Vor einigen Wochen ging Nowitzki sogar soweit zu sagen, dass Chandlers Verpflichtung eine ähnliche Auswirkung haben könnte wie die von Kevin Garnett für Boston 2007: "Ich habe noch nie mit einem so athletischen Big Man gespielt. Mit ihm können wir in den Playoffs einiges gewinnen."

Oder wie es Klubbesitzer Mark Cuban formuliert: "Tyson hat einen unglaublichen Einfluss und die Kultur der Mannschaft von Grund auf verändert."

Sportlich hat sich Chandler bereits nach wenigen Spielen als unersetzlich erwiesen. Im Gegensatz zu seinem Center-Backup Brendan Haywood spielt Chandler beständig auf einem hohen Niveau und geht mit Einsatz und Intensität voran. Nur seiner von Härte geprägten Verteidigungskunst ist es zu verdanken, dass Dallas die wahrscheinlich beste Defense der Klubgeschichte zeigt. "Er ist der Schlüssel zu unserem Erfolg", sagt Terry.

Entwicklung hin zur Führungskraft

Früher galt Chandler als talentierter Center, dem bei aller Lockerheit etwas die Ernsthaftigkeit fehlt. Bei den Mavs zeichnet er zwar nach wie vor für die besten Sprüche verantwortlich - doch parallel nahm er den entscheidenden Schritt hin zu einer Führungskraft.

In einer Mannschaft, die von Integrität und Zurückhaltung geprägt ist, bildet Chandler die Antipode. Als Dallas im März mit einer Niederlagenserie eine bessere Ausgangsposition zu verspielen drohte, war es Chandler und eben nicht Nowitzki oder Jason Kidd, der in der Kabine deutliche Worte fand.

"Ich sagte den Jungs: 'Wir können den Sommer freinehmen und in den Urlaub fahren. Oder wir reißen uns verdammt noch mal zusammen und fangen an zu arbeiten'", so Chandler.

Coach Rick Carlisle erinnert sich an ein Spiel, als er sich trotz Krankheit einsatzbereit erklärte: "Tyson war in der Kabine und hat gekotzt, dennoch ging er aufs Parkett. Er hilft uns emotional und spirituell." Besonders in einer schwierigen Phase wie jetzt.

Roddy Beaubois von Bestform entfernt

Dallas beendete die Regular Season zwar mit vier Siegen in Folge, der insgesamt durchwachsene März und April weckte aber bei einigen Skepsis an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit.

Speziell Roddy Beaubois' schwankende Form sorgt für Irritationen. Ausgerechnet beim letzten Spiel vor den Playoffs nahm Coach Carlisle den Franzosen aus der Starting Five, "weil es Zeit wurde für eine Veränderung".

Beaubois, erst 23 Jahre alt und in der zweiten NBA-Saison, sollte nach seiner langen Verletzungspause pünktlich in der ersten Runde zurück zur Bestform gefunden haben und Nowitzki als zweite Scoring-Option beiseite stehen. Die Realität ist jedoch eine andere: Ihm fehlt die Dynamik, der Wurfrhythmus und das generelle Feeling für das Spiel.

Stevenson bekommt mehr Minuten

Nun könnte er beim Auftakt gegen die Blazers fehlen, weil er sich den Knöchel verstaucht hat - was wiederum bedeuten würde, dass dem zwischenzeitlich von Carlisle sträflich ignorierten und dadurch verunsicherten DeShawn Stevenson eine größere Bedeutung zukommt.

Es ist kurios: Die Mavs holten in der elften Saison in Serie 50 Siege oder mehr und gehen als Dritter in die Playoffs. Favorit gegen den Sechsten Portland sind sie jedoch nicht. "Wir haben etwas zu beweisen", weiß Terry.

Wen mag es verwunden, aber am kämpferischsten äußerte sich Chandler: "Ich hoffe inständig, dass der Gegner denkt: 'Das sind ja wieder die ollen Mavs, die sofort rausfliegen.' Diese Einstellung ist für uns von Vorteil. Manchmal ist es besser, der Jäger und nicht der Gejagte zu sein."

NBA: Ergebnisse und Tabellen