SPOX: In der Nacht von Sonntag auf Montag kommt es zu einem der hitzigsten Derbys des US-Sports: Dallas gegen San Antonio. Welches Aufeinandertreffen aus der Vergangenheit blieb dem langjährigen Bundestrainer von Dirk Nowitzki besonders in Erinnerung?
Dirk Bauermann: Es gab kein spezielles Spiel, vielmehr erinnere ich mich vor allem an ein Interview von Dirk, das er in den Playoffs 2006 gleich nach dem Sieg in Spiel 7 bei den Spurs gegeben hat. Er sagte, dass ein böser Fluch gebrochen worden sei, weil mit San Antonio endlich der große Bruder besiegt wurde, von dem die Mavs zuvor immer schikaniert wurden. Ich weiß noch, wie erleichtert Dirk dabei klang.
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SPOX: Wie wäre Nowitzkis Karriere verlaufen, wenn das angesprochene Spiel 7 gegen den Titelverteidiger anders ausgegangen wäre?
Bauermann: In der Karriere von jedem Superstar gibt es definierende Momente, die aus einem Super- einen Megastar machen. Auf europäischer Ebene war es das EM-Halbfinale 2005 gegen Spanien. Auf NBA-Ebene eben dieses Spiel 7, als Dirk im Angesicht des möglichen Ausscheidens mit dem Dreipunkt-Spiel bewies, dass er zum wichtigsten Zeitpunkt sehr wohl ein Großer sein kann.
SPOX: Nowitzki und San Antonios Tim Duncan duellieren sich seit über einem Jahrzehnt auf höchstem Niveau. Während Nowitzki als der wohl offensivstärkste Power Forward in die NBA-Geschichte eingeht, ist Duncans Spiel wesentlich unauffälliger. Was macht ihn aus?
Bauermann: Duncan wird von vielen noch immer missverstanden, weil er nicht mit kampfverzerrter Miene über das Feld pflügt, sondern bei ihm alles so leicht aussieht. Dabei hat es rein gar nichts mit mangelndem Interesse oder Langeweile zu tun. Wer ihn genau beobachtet, erkennt, über was für unglaubliche Instinkte er verfügt. Vor allem defensiv. Er verlässt nie unnötig den Boden, fällt nicht auf Wurffinten ein. Er ist sehr beweglich, bekommt den kompletten Körper vor den Ball und stellt so immer einen guten Winkel zum Gegenspieler her - anders als viele Große, die zu spät dran sind und mit der Hüfte foulen. Und was mir besonders auffällt: Er nutzt seine Hände sehr gut.
SPOX: Was heißt das: Die Hände nutzen?
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Bauermann: Das ist vor allem in Situationen von Bedeutung, wenn in der Verteidigung ein Mitspieler den Gegenspieler verliert und dieser zum Korb zieht. Als großer Verteidiger muss man zum Helfen hinüberrotieren - und dabei kommt es vor allem darauf an, die Hände richtig einzusetzen. Die Hände dürfen nicht an der Hosennaht liegen, sondern sollen immer aktiv sein. Wichtig dabei: Die Hände über Kopfniveau hochnehmen und die Arme durchstrecken, damit man für den Gegenspieler viel imposanter erscheint. Es ist fast nebensächlich, ob einem ein Block oder Steal gelingt. Viel entscheidender ist die veränderte Wahrnehmung beim Gegenspieler, die den Ausschlag geben kann. Deswegen zählt Duncan zu den besten und gleichzeitig meist unterschätzten Verteidigern der Liga.
SPOX: Wundern Sie sich gleichfalls, wie stoisch Duncan seit 15 Jahren damit umgeht, nie den ihm gebührenden Respekt zu erhalten?
Bauermann: Das hat Duncan in den ersten Karrierejahren von David Robinson gelernt. Wie mir erzählt wurde, ist Duncan auch in der Kabine ein ruhiger Vertreter, der trotzdem als Leader vorangeht, indem er alles dem Kollektivgedanken unterordnet. Mich begeistert, wie ein Superstar seines Kalibers nicht auf seiner Stellung beharrt und den Trainer bekämpft, sondern alle Entscheidungen mitträgt, um den Teamerfolg nicht zu gefährden.
SPOX: Spurs-Coach Gregg Popovich veränderte in den letzten Jahren sein Spielsystem, seitdem wirkt die Offensive dynamischer und nicht mehr so statisch. Was sind die Gründe?
Bauermann: Popovich hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens: Er verschob die "balance of power" innerhalb des Teams. Früher waren die Spurs sehr fokussiert darauf, den Ball auf den linken Block zu Duncan zu bekommen, damit diesem am Brett etwas Sinnvolles einfällt. Allerdings wusste Popovich, dass Duncan älter wird und etwas verändert werden muss. Deswegen zweitens: Diese altersbedingt nötig gewordene Veränderung verknüpfte er mit einer systemischen Weiterentwicklung, indem er die Spurs einen anderen Basketball spielen lässt, viel schneller und viel offener. Voraussetzung von alldem war natürlich, dass Popovich einen Superstar an der Seite weiß, der seine neue, etwas kleinere Rolle akzeptiert.
SPOX: Popovich gehört neben Phil Jackson und Red Auerbach zu den besten Coaches aller Zeiten. Was macht ihn besonders?
Bauermann: Seine Offenheit. Er gehört zu den Wenigen in der von einer gewissen Arroganz geprägten NBA, die über den Atlantik blicken und sich fortbilden. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass Popovich als früherer Assistenzcoach des US-Teams international unterwegs war. Er hat als einer der Ersten die europäische Entwicklung erkannt und diese übernommen. In der NBA war es lange üblich, dass zwei Spieler innen am Brett spielen und drei Spieler außen. Mittlerweile geht der Trend nach europäischem Vorbild hin zu einem Spieler innen und vier Spieler außen, die alle idealerweise das Pick'n'Roll hervorragend beherrschen und selbstlos den Ball passen. Popovich ist in der NBA ein Pionier. Mittlerweile verfolgen andere Teams einen ähnlichen Ansatz wie die New York Knicks, die komplett auf einen klassischen Power Forward verzichten und mit vier Spielern außen agieren.
SPOX: Popovich gibt nur selten Interviews und bleibt in der Öffentlichkeit gerne unergründlich. Kennen Sie ihn persönlich?
Bauermann: Wir wurden uns 1992 vorgestellt, als ich bei den Golden State Warriors meinen langjährigen Freund Ed Gregory besuchte. Ed und Popovich arbeiteten damals gemeinsam als Assistenzcoaches. Ich weiß noch, dass er ein auffällig lustiger und charmanter Kerl war, der offenbar die Verantwortung dafür trug, dass im Team gute Laune herrschte. Der Humor ist ihm ja bis heute nicht fremd. Wobei damals niemand ahnte, was für eine Karriere er hinlegt.
SPOX: Als besonders intensiv gilt die Beziehung zwischen Popovich und Spurs-Point-Guard Tony Parker, den er seit 11 Jahren trainiert.
Bauermann: Popovich kommt eine große Rolle in Parkers Entwicklung zu. Ich weiß, dass es zwischen beiden immer wieder richtig gerappelt hat. Doch Popovich nahm den alltäglichen Kampf an, egal wie anstrengend es ist. Viele Trainer hätten sich die Mühe gespart und Parker einfach machen lassen, statt ihn an die ganz kurze Leine zu nehmen. Gleichzeitig muss man Parker selbst Respekt zollen: Natürlich war Popovich wichtig, ohne eigenen Fleiß und Opferbereitschaft wäre er aber nie zu einem der weltbesten Spielmacher geworden.
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