Nach 14 Saisonspielen ist klar: Die Offense der Dallas Mavericks ist auf Rekordkurs. Das liegt nicht nur an Dirk Nowitzki, sondern auch am historisch treffsicheren Center-Duo. SPOX macht den Check: Was genau macht die Mavs so brandgefährlich - und ist es möglich, dieses Tempo beizubehalten?
Am Ende waren sich irgendwie alle einig. Frustrierend. Enttäuschend. Ärgerlich. Unnötig. Die Mavericks hatten sich gegen die Rockets in der zweiten Halbzeit zurückgekämpft und waren mit einer Führung in die Schlussminute gegangen - nur um die dann noch aus der Hand zu geben.
Die Gründe dafür waren vielfältig. Zu viele Dreier der Rockets (allein 13 in der ersten Hälfte). Ein paar unnötige Turnover zur Unzeit, dazu ein paar schlechte Würfe. Und - darauf wies Head Coach Rick Carlisle hin - einfach ein Abend, an dem die Würfe nicht fallen wollten. Das sah Dirk Nowitzki, der nur 4 seiner 18 Würfe traf, ähnlich: "Naja, ein back-to-back ist da sicher nicht hilfreich, aber ich hatte gute Chancen." Irgendwie ging einfach nichts rein (35/88 FG), und von draußen schon gar nicht (6/35 3FG!).
Das kommt vor in 82 Saisonspielen, besonders back-to-back. Bei den Mavericks hatte man dennoch nicht unbedingt damit gerechnet - denn dem Team von Mark Cuban sind Abende, an dem die Würfe nicht fallen, in dieser Saison bisher weitgehend unbekannt. Mehr noch: Die Dallas-Offense legt bisher ein geradezu historisches Tempo vor.
Besser als die Showtime Lakers
In 14 Saisonspielen hat der Champion von 2011 im Schnitt bisher 109,9 Punkte aufgelegt. Viermal allein ist die Marke von 120 Punkten gefallen. Das klingt erst einmal enorm. Sieht man das ganze allerdings im Verhältnis zu relativ langsamen Spiel der Mavs - 17 Teams legen bislang eine höhere Pace vor - wird deutlich, wie erstaunlich diese Zahl ist.
So bringen es die Mavericks derzeit nämlich auf ein Offensive Rating von 115.9. Heißt: Kommt Dallas 100 Mal in Ballbesitz, verbucht es im Schnitt fast 116 Punkte. Könnte man diesen Schnitt über die gesamte Saison halten, wäre das der beste Wert aller Zeiten (Spitzenreiter sind bis dato die Showtime Lakers von 1987 mit einem Rating von 115.6). Der Abstand zwischen Dallas und Toronto auf Platz zwei (110.4) ist so groß wie der zwischen Platz zwei und Platz 14 (Denver). Setzt man die Mavs-Offensive in Relation zur allgemeinen Offensiv-Entwicklung der Liga, kann ebenfalls kein Team der NBA-Geschichte mithalten.
Weniger Turnover, mehr Rebounds
Natürlich ist es zu früh, um die Mavericks zur besten Offense aller Zeiten zu küren: Der Spielplan wird noch um einiges härter werden, Verletzungen sind nie auszuschließen, und einige Quoten, wie etwa die der Big Men, sind so wohl nicht durchzuhalten. Schaut man sich aber im Einzelnen an, wie die Offense aufgebaut ist, muss man festhalten, dass der Schritt nach vorn im Vergleich zum Vorjahr (109.0, Platz drei) Hand und Fuß hat - und in einigen Bereichen sogar noch Luft nach oben ist.
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Da sind zunächst einmal die nackten Zahlen: Dallas spielt in etwa so schnell wie im letzten Jahr und hat die Anzahl der Assists leicht gesteigert. Einen klaren Schritt nach vorn wurde dagegen bei den Turnovern (von 13,2 auf 10,8 pro Spiel) und auch bei den Offensiv-Rebounds gemacht (von 24,6 Prozent auf 26,7 Prozent). Das hilft natürlich, in Sachen Steals und Defensiv-Rebounds ist jedoch kein positiver Unterschied auszumachen. Die Quote von draußen (35,4 Prozent) und von der Linie (79 Prozent) ist sogar gefallen.
Chandlers Rückkehr der Schlüssel
Wie hat es Rick Carlisle also geschafft, aus dem Team offensiv so viel herauszuholen? Die Antwort liegt im veränderten Personal begründet. Mit Tyson Chandler, Chandler Parsons, J.J. Barea, Jameer Nelson und Al-Farouq Aminu gibt es gleich fünf Neuzugänge, die bisher mehr als 15 Minuten pro Spiel auf dem Court standen. Der wichtigste Name dabei ist zweifellos Tyson Chandler. Der Center glänzte schon beim Titelgewinn 2011 an der Seite von Nowitzki und ergänzt sich mit dem Deutschen perfekt.
Chandler ist nicht nur ein starker Verteidiger und Rebounder, sondern im Vergleich zu Vorgänger Samuel Dalembert offensiv gefährlicher, weil athletischer und abschlussstärker. "Er ist so explosiv wie eh und je", lobt Nowitzki den Rückkehrer. Dabei wird der nicht etwa als Post-up-Threat eingesetzt, sondern vor allem im Pick-and-Roll, und immer wieder per Alley-Oop. "Er ist wahrscheinlich der beste Pick-and-Roll-Spieler der Liga, wenn es darum geht, zum Korb abzurollen, so dass die Defense kollabiert", weiß auch Parsons. Die Folge: Schnelle, hochprozentige Abschlüsse und damit kaum Turnover.
Mavs > Lob City
So bringt es Chandler auf eine Trefferquote aus dem Feld von fast 70 Prozent - und noch besser sieht es bei Ersatzmann Brandan Wright aus: Der menschliche Pogo-Stick, mit unglaublicher Sprungkraft gesegnet (Devin Harris: "Man kann ihn gar nicht zu hoch anspielen") schickt sich an, die Bestmarke von Wilt Chamberlain (73 Prozent) aus dem Feld zu pulverisieren: 78,5 Prozent. Der eine oder andere schnelle Hook Shot oder Floater aus kurzer Distanz, und dann immer und immer wieder Dunks. "Er antizipiert gut und kommt zum Ring", erklärt Carlisle. So sind Spielzüge und Anspiele möglich, die mit Dalembert und DeJuan Blair undenkbar waren.
Im Bewusstsein dieser Stärke haben die Mavs ihr Roster auch im Backcourt stärker darauf ausgerichtet, ihre Big Men zu füttern: Point Guard Jose Calderon war vor allem Spot-up-Shooter, Shawn Marion ein Slasher. Beide waren nicht dafür bekannt, ein Pick-and-Roll einzuleiten und/oder zum Korb zu ziehen. Mit Nelson und Parsons hat man sie durch gute Ballhandler ersetzt, die selbst immer wieder in die Zone stoßen, und dann das Auge für den Center haben, dazu kommt Barea. Sie alle haben schon Alley-Oop-Anspiele auf Chandler und Wright ausgepackt, und so hat kein Team bislang so oft per Dunking gepunktet wie Dallas (85 Mal, Utah liegt mit nur 70 Dunks auf Rang zwei).
Nowitzki profitiert
Klar, dass davon auch Dirk Nowitzki profitiert. Der Superstar ist mit seinen 36 nicht mehr der Schnellste und im Post eins-gegen-eins deshalb nicht mehr ganz so stark. Nicht abgebaut hat jedoch sein Wurf - der ist sogar noch besser geworden. "Ich dachte mir, an irgendwas muss ich ja arbeiten", scherzte der Würzburger vor der Saison. "Ich konnte nicht schneller rennen oder höher springen, also habe ich mir etwas gesucht, das ich kontrollieren kann - und dazu gehört der Wurf."
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Nowitzki hat den Ablauf seines Jumpers, auch von der Dreierlinie, etwas beschleunigt, heißt: Er braucht noch weniger Abstand zum Verteidiger, um einen guten Wurf zu nehmen. Und den bekommt er, auch weil er oft einfach nur als Bedrohung dient. Initiieren etwa Monta Ellis und Tyson Chandler ein Pick-and-Roll, hat Nowitzkis Verteidiger die Wahl, in die Zone abzusinken und damit seinen Mann offen zu lassen, oder Ellis bzw. Chandler freie Fahrt zum Korb zu gewähren. Dazu kommt das altbekannte Pick-and-Pop mit Nowitzki und einem Guard.
So gleicht er die abnehmenden Post-ups und Isolations mit mehr Catch-and-shoot-Möglichkeiten aus. Und das erfolgreich: Trotz des grausamen Spiels gegen Houston bringt es Dirk immer noch auf 52 Prozent aus dem Feld und 42 Prozent von draußen. Nachteil der veränderten Spielweise: Nowitzki geht seltener an die Freiwurflinie. Vorteil: Er wird seltener gedoppelt, zudem hat er seine Turnover noch weiter reduziert.
Ellis hui, Nelson pfui
Kein Wunder also, dass mit Wright, Nowitzki und Chandler gleich drei Mavs unter den Top 15 im Player Efficiency Rating (PER) sind. Zusammen mit dem überraschend guten Al-Farouq Aminu bilden sie einen starken Frontcourt - und selbst Parsons, der meilenweit von seiner Bestform entfernt ist, sorgt im Vergleich zu Marion für mehr Kreativität und besseres Spacing.
Im Vergleich zu den Big Men konnten die Guards der Mavericks offensiv nur teilweise ein Feuerwerk abbrennen. Monta Ellis (48 Prozent FG) ist einer davon. Er legt weiter seine zehn Drives pro Spiel auf und profitiert auf dem Weg zum Korb natürlich davon, dass sein Center und sein Forward eine ständige Bedrohung darstellen. Auch sein Jumper (45 Prozent aus der Mitteldistanz) funktioniert. Barea (47 Prozent, 43 Prozent 3FG) spielt ebenfalls stark. Schwächere Quoten bieten dagegen Nelson (36 Prozent) und Devin Harris (43 Prozent).
Sie setzen ihre Big Men hervorragend in Szene, und da diese den Ball zumeist nur sehr kurz halten, bleiben eben auch die schwierigen Würfe, etwa zum Ende der Shot Clock, eher an Nelson und Co. hängen.
Carlisle kann tüfteln
Ein großes Plus für Carlisle ist dabei auch die Rückkehr von Barea, der sich nach seinem Exodus in Minnesota hervorragend eingefügt hat. Mit ihm, Nelson, Harris und Ellis hat er vier Guards zur Verfügung, die er fast beliebig kombinieren kann - und wer gerade die "heiße Hand" hat, der spielt. Sei es Ellis mit 34 Punkten gegen Washington oder Barea mit 16 Punkten und 8 Assists gegen die Lakers. Wenn Raymond Felton seine Sperre abgesessen hat, kommt eine weitere Option hinzu.
Man darf als Maverick-Fan in Sachen Offense also durchaus weiter optimistisch sein. Selbst wenn Wright und Chandler ihre fantastischen Quoten nicht halten können: Die Neuzugänge Nelson und Parsons haben gerade einmal 14 Spiele auf der Habenseite. Je mehr sie sich akklimatisiert und ihre Rolle im Team gefunden haben, desto mehr sollte auch die Formkurve nach oben zeigen - und damit auch die Trefferquote. Auch die Quote von Downtown (Platz 15 bisher) könnte sich angesichts der vielen Shooter im Team und der zunehmenden Konzentration von Defenses auf die Center noch steigern.
Ziel erreicht - trotz Schwächen
Macht diese Angriffsmaschinerie Dallas also zum Contender? Gerade in den Playoffs, wenn die Partien langsamer und methodischer werden, wenn Defense bekanntlich Trumpf ist? Für ein abschließendes Urteil ist es sicherlich noch zu früh. Es besteht kein Zweifel daran, dass am anderen Ende des Courts noch viel Arbeit auf Carlisle wartet - Defense wird in einem Team mit Nowitzki und Ellis immer die Achillesferse sein.
Gleichzeitig gilt jedoch auch, dass Dallas schon im letzten Jahr auch für die ganz großen Teams nicht ungefährlich war. Der aktuelle Champion kann ein Lied davon singen. Und macht die Offense einen Schritt nach vorne, so wird man eben noch gefährlicher - schließlich muss der Gegner die Attacken von Dirk und Co. erst einmal stoppen.
"Ich wollte in einem guten Team spielen und mich in meinen letzten Jahren auf dem höchsten Level messen", hatte der große Blonde mit der Nummer 41 seine Vertragsverlängerung erklärt. "Ich wollte auf einem hohen Niveau spielen, und das hat ja auch geklappt, wie haben Parsons bekommen und Tyson zurückgeholt. Wir glauben, dass wir eine gute Truppe beisammen haben." Zumindest daran gibt es absolut nichts zu rütteln.