Ein kurzer Rückblick in die Vorsaison: Rookie Robert Griffin III von den Washington Redskins und San Franciscos Colin Kaepernick elektrisieren vor allem in der zweiten Saisonhälfte die Liga, verzeichnen zusammen genommen 1230 Rushing-Yards und führen ihre Teams zum Division-Titel respektive bis in den Super Bowl. Beide profitieren dabei vom neuesten Tool der NFL-Offenses: Der Read Option.
Im College-Football schon lange eine alltägliche Waffe, setzte sich die Option mit athletischen Quarterbacks wie Kaepernick, RG III sowie Seattles Russell Wilson oder Cam Newton von den Panthers auch in der NFL fest. Auf dem Papier handelt es sich dabei um einen relativ einfachen Spielzug: Der Quarterback beobachtet, was der Outside Linebacker oder Defensive End macht und entscheidet anhand dessen, ob er den Ball an den Running Back übergibt oder ob er die Übergabe nur antäuscht und selbst mit dem Ball läuft.
Running Backs als Nutznießer
Davon profitieren auch die Running Backs enorm. Redskins-RB Alfred Morris lief in der vergangenen Saison 57 Zone-Read-Runs für 334 Yards (fast sechs Yards pro Attempt), 155 Yards davon kamen nach dem ersten Kontakt mit einem Verteidiger. Ein Indiz dafür, dass Morris durch die Täuschung mehrere Yards ungehindert laufen konnte. Außerdem zeigt es, dass Verteidiger, unsicher über den tatsächlichen Ballträger, ihn nicht mit voller Geschwindigkeit angriffen.
Doch in dieser Saison macht die Read Option nicht mehr die Schlagzeilen wie in der Vorsaison. "Letztes Jahr waren viele Leute dafür nicht bereit und es war teilweise einfach. Jetzt kann man die Leute nicht mehr so damit schocken", stellte Washingtons Offensive Coordinator Kyle Shanahan klar. Doch wie haben sich die Teams auf die Option eingestellt? Und hat sie dennoch eine Zukunft in der Liga?
Weiterbildung bei den Colleges
Es ist zunächst keine Überraschung, dass die Read Option seltener gespielt wird und auch nicht mehr so erfolgreich ist wie noch in der Vorsaison. "Es war klar, dass Defensive Coordinators die ganze Offseason daran arbeiten würden, wie man dagegen vorgeht", fasste Shanahan treffend zusammen.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Yards pro Run-Versuch bei RG III (um 1,6 Yards), Kaepernick (0,6) und Newton (1,1) deutlich zurückgegangen sind. Griffin wartet sogar noch auf seinen ersten Rushing-Touchdown, während er in der Vorsaison ganze sieben vorweisen konnte.
Gleich mehrere Trainer besuchten über den Sommer Colleges wie Alabama oder Stanford, um sich Tipps gegen die Read Option zu holen und weil Defenses besser vorbereitet sind, tritt eine weitere große Sorge auf den Plan: Die Verletzungsgefahr.
Erhöhtes Verletzungsrisiko
Teams nutzen die Read Option auch deshalb zögerlicher, weil sie ihre Franchise Quarterbacks möglichst wenigen Hits aussetzen wollen. Die Liga stellte kurz vor Saisonbeginn klar, dass Quarterbacks in der Option genauso behandelt werden wie Running Backs und demzufolge keinen besonderen Schutz genießen, worüber sich vor allem 49ers-Coach Jim Harbaugh aufregte: "Wenn er in der Pocket ist, sollte er geschützt werden."
So erhöht sich das Risiko und Defenses haben ein probates Mittel. Die Baltimore Ravens versuchten bereits im Super Bowl gegen San Francisco die Read Option aus dem Spiel zu nehmen, indem Outside Linebacker Terrell Suggs regelmäßig ohne zu zögern auf Kaepernick stürmte, und falls dieser den Ball abgab, von den Linebackern abgesichert wurde.
Slow Read und Scrape Exchange
Doch während dieses "Quarterback-Crashing" zumindest als Abschreckung gut funktioniert, haben Defenses sich in dieser Saison weiterentwickelt und ein auf dem Papier einfaches Mittel gefunden: Den Slow Read. Für gewöhnlich suchen Quarterbacks in der Option den Fast Read, das heißt sie hoffen auf einen schnellen Reflex des Verteidigers um dann zu entscheiden, ob sie den Ball behalten oder ihn abgeben.
Mit dem Slow Read allerdings zwingen Defenses den Quarterback, ohne klaren Read, zu entscheiden, was er machen will. Der Edge Defender, auf den sich in der Option konzentriert wird, agiert dabei geduldiger, wartet ab, was die Offense macht und hat so eine deutlich bessere Chance, nicht ausgetrickst zu werden. Komplettiert wird dieses System durch Press-Coverage der Corners, um einen Play-Action-Pass zu verhindern sowie einen Safety, der als QB-Spy agiert.
Ein weiteres Mittel ist der Scrape Exchange. Auch hierbei geht es vor allem darum, dem Edge Defender zu helfen: Der Defensive End oder Outside Linebacker attackiert die Line und konzentriert sich so auf den Running Back. Der Quarterback sieht das und behält den Ball, allerdings greift ihn ein Inside Linebacker von außen direkt an und übernimmt so die Rolle des Edge Rushers. So versucht die Defense, den Quarterback zu täuschen, anstatt umgekehrt.
Pass- statt Run-Revolution?
Allerdings deutet vor allem der Slow Read bereits auf eine mögliche Mutation der Read Option hin. Weil O-Lines jetzt den Edge Rusher gezielt blocken müssen, rücken Inside Linebacker und Safeties verstärkt in den Vordergrund. Sie gilt es dann vermehrt zu täuschen, was allerdings eine andere Folge hätte: Anstatt Rush-Lanes zu schaffen, würde primär das Passspiel davon profitieren, da Lücken zwischen den Linebackern und den Safeties entstehen.
Washington nutzte das bereits in der vergangenen Saison und bediente sich der Play Action bei 42 Prozent der Snaps - ein NFL-Höchstwert. Play Action würde die Read Option also genauso erweitern wie eine mögliche Triple Option, bei der zusätzlich ein End Around eingesetzt wird um Defenses vor noch schwierigere Aufgaben zu stellen.
Es ist diese Vielfalt an Möglichkeiten, welche die Option in den kommenden Jahren in der Liga halten wird und sie etwa von der Wildcat-Offense, einem früheren neuesten Gimmick der NFL-Offenses, unterscheidet. Offenses mit athletischen Quarterbacks wie RG III oder Kaepernick werden die Option auch in Zukunft einstreuen, um Verteidiger dazu zu zwingen, ihr Beachtung zu schenken. Elektrisierende Spielzüge sind auch dann garantiert - ob durch die Luft oder am Boden.
Der NFL-Spielplan im Überblick