Warum gewinnen Eagles und Patriots?!

Von Adrian Franke
29. September 201613:50
Die Eagles, Vikings, Broncos, Patriots und Ravens haben ihre ersten drei Spiele gewonnengetty
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Das erste Saison-Viertel ist beinahe schon wieder beendet, SPOX zieht ein erstes Mini-Fazit. Warum sind ausgerechnet die Philadelphia Eagles, die Minnesota Vikings, die New England Patriots, die Denver Broncos und die Baltimore Ravens ungeschlagen? Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen diesen Teams? Und warum haben die Cardinals und die Packers Probleme? Ein Blick auf Trends und Erfolgsrezepte.

Die ersten drei Spieltage sind bereits Vergangenheit, die NFL-Saison geht mit großen Schritten dem ersten Viertel-Marker entgegen - und jene ersten drei Spiele hinterlassen an der Spitze ein erstaunliches Bild.

Fünf Teams sind noch ungeschlagen: Die New England Patriots, die Baltimore Ravens, die Denver Broncos, die Philadelphia Eagles und die Minnesota Vikings. Dabei springen zwei Gemeinsamkeiten besonders ins Auge: Mit Jimmy Garoppolo/Jacoby Brissett, Joe Flacco, Trevor Siemian, Carson Wentz und Sam Bradford/Shaun Hill verfügte bisher keines dieser Teams über einen Top-8-Quarterback.

Darüber hinaus bestechen all diese Teams mit ihrer herausragenden Defense, was zu interessanten Spielereien einlädt. Wie und warum gelingt es diesen Teams zu gewinnen? Was heißt das beispielsweise für die Bedeutung des Quarterbacks? Und warum haben andere Teams wie etwa die offensiv so stark besetzten Arizona Cardinals oder Green Bay Packers hier überraschende Probleme? Ein Ausflug in die defensiven, statistischen Eigenheiten der ersten drei Spieltage.

Die Eagles - Vier gewinnt

Nur drei Punkte gegen Pittsburgh zugelassen. Im Schnitt 0,79 Punkte pro gegnerischem Drive (zweitbestes Team ist Seattle mit 1,09). Die fünftbeste Quote bei gegnerischem Third Down. Kurzum: Die Eagles-Defense ist brandheiß in die Saison gestartet. Zugegeben, mit Cleveland und Chicago waren die Gegner zum Einstieg mehr als dankbar. Doch mit der defensiven Demonstration gegen Pittsburgh muss man Philly in einem anderen Licht betrachten.

Was hat gegen die Steelers also geklappt? Auf den Punkt gebracht: Die unter dem neuen Defensive Coordinator Jim Schwartz von der 3-4 auf eine 4-3 umgestellte Defense spielt bisher schlicht und ergreifend herausragend. Mit den vier Defensive Linemen machen die Eagles wahnsinnig viel Druck, vier Sacks und acht QB-Hits standen am Ende gegen Ben Roethlisberger zu Buche.

3-4? 4-3? Offense, Defense und mehr im SPOX-NFL-Grundlagen-Überblick

Eine dominante Front Four, einst auch das Mittel der Wahl der großen Giants-Defenses, erlaubt es, dahinter mit der Deckung zu spielen. Schwartz stellt viele Spieler in Coverage ab und lässt eine Kombination aus Man Coverage und Zone Coverage spielen, mit dem Versuch, dem gegnerischen Quarterback den ersten Read zu nehmen. Wenn der dann den Ball halten muss, schlägt die D-Line zu.

Dabei hilft es der Secondary, die gerade auf den Cornerback-Positionen individuell durchaus anfällig ist, dass sich Schwartz auf seine vier Spieler an der Line of Scrimmage verlässt: Philadelphia blitzt nur bei 15 Prozent der gegnerischen Dropbacks, zweitniedrigster Wert. Bedeutet: Mehr Spieler, die in der Deckung helfen können und somit mehr Informationen, die der Quarterback verarbeiten muss.

Offensiv: Natürlich bestimmt Carson Wentz die Schlagzeilen, der Fortschritt des Rookie-Quarterbacks ist beeindruckend. Die Coaches geben ihm Freiheiten an der Line of Scrimmage, Wentz verändert Spielzüge, geht durch seine Reads und bewegt sich gut in der Pocket. Dabei profitierte er bisher von exzellenten Game Plans und guter Pass Protection - kann er das aufrecht erhalten, wenn Defenses sich auf die Eagles-Offense besser eingestellt haben?

Die Vikings - Eine Front für Alpträume

Mike Zimmer hat eine Defense aufgebaut, die Offenses schon jetzt das Fürchten lehrt. In Week 1 ebneten zwei Defense-Touchdowns den Weg zum Auswärtssieg, ehe die Defensive dann erst die Packers-Offense, und anschließend am Wochenende Cam Newton und Co. unter anderem mit acht Sacks auf Eis legte.

Was macht Minnesotas Defense so besonders? Mehrere Punkte springen ins Auge: Zunächst einmal das pure Talent. Mit Spielern wie Everson Griffen, Linval Joseph, Danielle Hunter, Anthony Barr, Eric Kendricks, Harrison Smith und Xavier Rhodes hat Minnesota auf jedem Level seiner Defense mehrere (potentielle) Pro-Bowler. Das öffnet im Scheme viele Möglichkeiten.

Die Vikings nach dem Peterson-Aus: Show must go on!

Eine Spezialität von Zimmers variabler und damit schwer ausrechenbarer Front ist der Double-A-Gap-Blitz, also ein Blitz, bei dem je ein Spieler links und rechts zwischen dem Center und den beiden Guards auf den Quarterback geht. Diese Bedrohung nutzen die Vikings, indem sie vor dem Snap gerne einen Blitz andeuten, sich dann aber die Spieler im Zentrum in Coverage fallen lassen. Gegen Carolina etwa blitzte Minnesota nur bei 36,4 Prozent der Plays - und verzeichnete acht Sacks. Die fünf Teams mit den prozentual meisten Blitzes in Week 3 hatten zusammen genommen sieben Sacks.

15 Sacks stehen bereits auf dem Konto, bei 11,7 Prozent der gegnerischen Pass-Versuche geht der Quarterback mit Ball zu Boden - Liga-Höchstwert. Die Folge dieses permanenten Stresses für die Offense: Minnesota hat bei über 25 (!) Prozent der gegnerischen Drives einen Turnover forciert. Diese Zahl ist so absurd, dass es schlicht nicht vorstellbar ist, die Quote auch nur ansatzweise aufrechterhalten zu können. Zum Vergleich: In der Vorsaison knackte laut ESPN nur Carolina (19,4 Prozent) die 17-Prozent-Marke.

Diese Vikings-Defense, die nur 3,5 Yards pro Run zulässt, ist etwas Besonderes. Mit viel Cover 2 (also zwei tief stehende Safetys) und Cover 4 blockiert die Defensive Pass-Fenster und wenn der Quarterback dann den Ball hält, schlägt die Front zu. Gegen Carolina hatte Minnesota bei 54 der 72 Snaps fünf Defensive Backs auf dem Platz.

Offensiv: Seit 1970 ist kein Team mit drei Siegen gestartet, wenn es nicht mindestens vier Offense-Touchdowns hatte. Minnesota steht bei drei (sowie zwei Defensiv-TDs) und neben den Vikings haben nur die Rams nach drei Spielen ebenfalls unter 800 Offense-Yards. Offensiv wird mehr kommen müssen, und das beginnt mit der Offensive Line, die bisher große Probleme hat. Sollte weiter nichts vom Run Game kommen oder sich dahinter gar Bradford verletzen, wird selbst in Minnesota die Luft dünn.

Die Broncos - Von Miller proudly presents

Man muss sich schon fragen: War es ungerechtfertigt, Denvers Defense vor der Saison etwas kritisch zu betrachten? Bisher jedenfalls scheint alles wie aus den vergangenen Playoffs bestens bekannt: Die Broncos haben die kompletteste Secondary, gepaart mit der besten Edge-Rusher-Gruppe in der NFL. Diese Kombination setzt gegnerische Quarterbacks weiterhin bemerkenswert unter Druck.

Weder Andrew Luck noch Cam Newton konnten gegen die Broncos die 200-Passing-Yard-Marke knacken. Andy Dalton übersprang die Hürde am vergangenen Wochenende um ganze sechs Yards. Denver hat jetzt schon wieder zwölf Sacks sowie zwei Defensiv-Touchdowns auf dem Konto. Insbesondere die Defense-Scores sind für gewöhnlich eine nicht konstant haltbare Qualität. Die Broncos aber strafen hier die Statistiken seit der Vorsaison Lügen.

Die Broncos-Defense vor dem Super Bowl analysiert: Der Druck des alten Mannes

Das große Problem für Offenses ist die Frage, auf wen man sich konzentriert. Gegen die Colts verzeichnete Denver fünf Sacks, drei davon gingen auf das Konto von Von Miller. Die Bengals fixierten sich dann merklich auf Miller - und Shane Ray, der den aktuell verletzten DeMarcus Ware glänzend vertritt, nutzte das für drei Sacks seinerseits.

Ein daraus resultierendes Muster: Offenses stellen mitunter mehrere Spieler für die Pass Protection ab. In der Folge laufen weniger Spieler Routes, eine Rechnung, die gegen Denvers Secondary wiederum nicht aufgeht. Und wenn Denver führt, ist die Defense zur Stelle: Sechs der zwölf Sacks, alle drei Interceptions und die beiden Defensiv-Touchdowns dieser Saison kamen im vierten Viertel zustande.

Offensiv: Die Offense der Broncos könnte, wie etwa von Cornerback Aqib Talib zuletzt erklärt, tatsächlich besser sein, als die Vorjahres-Version. Über die ersten beiden Partien verließen sich die Broncos stark auf ihr Running Game, Quarterback Trevor Siemian verlagerte sich auf kurze, sichere Pässe und viel Play Action. Nur zwei seiner Pässe flogen dabei mindestens 20 Yards durch die Luft.

In Week 3 änderte sich das: Auch wenn die Platzierungen des 55-Yard-TD-Passes auf Thomas und des 41-Yard-TD-Passes auf Sanders nicht perfekt waren, so gibt Siemians Mut zu solchen Würfen Denvers Offense doch eine neue Dimension. Aktuell kommen 44 Prozent seiner Passing-Yards nach dem Catch - ein absolut normaler Wert.

Patriots und Ravens - im Nordosten nichts Neues?

Zwei Siege, bestenfalls - viel mehr hatten die wenigsten den Patriots ohne Tom Brady über die ersten vier Spiele zugetraut. Und doch gehen wir in Week 4, New England ist ungeschlagen und empfängt die Bills, ehe Brady gegen Cleveland zurückkehrt. Offensiv haben die Patriots bereits ein Meisterstück vollbracht, indem sie ihre Offense in vier Tagen von Jimmy Garoppolo auf Jacoby Brissett umstellten - und jeweils die Stärken ihrer Quarterbacks betonten. All das mit einer ordentlichen Dosis LeGarrette Blount.

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Doch die Stärke der Patriots war - das Muster der ungeschlagenen Teams setzt sich also fort - die Defense. New England hat in drei Spielen nur sechs gegnerische Auftritte in der eigenen Red Zone zugelassen. Bei Pässen, die mindestens 16 Yards weit fliegen, lassen die Pats ein Passer Rating von lediglich 33,2 zu - ein herausragender Wert.

Das passt zu den beiden beeindruckenden Siegen in Arizona und gegen Houston: Coach Bill Belichick hat in beiden Spielen jeweils das gegnerische Deep-Passing-Game eliminiert, eigentlich die große Stärke der Cardinals und der Texans. Die Patriots stellten, und hier dürfte das nächste Muster auffallen, die langen Passwege zu, und verließen sich auf ihre Front, um dann das Running Game zu kontrollieren. Mit Erfolg. Das erzwingt gegen solche Offenses schnelle Punts, weshalb die Pats nur 1,36 Punkte pro gegnerischem Drive erlauben.

Bleiben noch die Ravens, von allen 3-0-Teams das wohl schwächste. Doch die aktuelle Erfolgsformel in der NFL greift auch in Baltimore: Mit Brandon Williams und Timmy Jernigan sowie dahinter C.J. Mosley sind die Ravens ebenfalls im Zentrum der Defense stark. Zieht man den 85-Yard-Touchdown-Run von Clevelands Isaiah Crowell ab, ließ Baltimore über die restlichen 67 Rushing-Versuche nur 2,6 Yards pro Run zu.

Cardinals und Packers - Gefahr durch Ausrechenbarkeit

Arizonas Debakel in Buffalo am vergangenen Sonntag war zumindest ein Weckruf. Die Cardinals-Offense wirkte schon beim Auftakt gegen die Patriots gehemmt, der Eindruck täuscht nicht: Im Vergleich zur Vorsaison ist die Offense bisher längst nicht so spektakulär und weit entfernt von jener Big-Play-Maschine. Nur 6,47 Prozent der Cards-Plays sind Big Plays (Runs von über zehn Yards, Pässe von über 25 Yards) - und dank David Johnson ist das Verhältnis von Run zu Pass hier gar bei 7:6.

Stichwort Johnson: Bruce Arians lässt bisher im Vergleich zur Vorsaison ein wenig die Balance vermissen. Als Arizona das Spiel in Buffalo mit fünf Punts eröffnete, waren nur vier der 15 Plays Runs. Es scheint fast, als versuche Arians einen Schnellstart der Offense zu erzwingen, das Ergebnis ist genau das Gegenteil. Das ist insbesondere ein Faktor, wenn die O-Line, wie gegen die Bills, klar unterlegen ist. Carson Palmer warf gegen Buffalo sieben Pässe von wenigstens 20 Yards. Das Resultat: Eine Completion, drei Interceptions.

Der Hangover zu Week 3: Das Tal der Tränen läuft über

Defenses scheinen sich auf Arizonas Offense gut einzustellen, ein stärkerer Fokus auf das Run Game könnte das Play-Action-Game öffnen und die Cardinals so wieder schwerer ausrechenbar machen. Stichwort ausrechenbar: Das führt zu einem weiteren NFC-Contender, der bisher wackelt. Die Green Bay Packers spielten ein sensationelles erstes Viertel gegen Detroit, hatten Erfolg mit In-Breaking-Routes und gaben ihren Receivern endlich auch schematisch Hilfe.

Die Packers-Offense ist sonst stark auf Routes ausgelegt, bei denen Receiver direkte Eins-gegen-Eins-Duelle gewinnen müssen. Das macht sich schnell bemerkbar, wenn die Receiver-Qualität nicht stimmt. Gegen Detroit gab es mehr aufeinander aufbauende Routes, also Spielzüge, in denen sich die Laufwege der Receiver gegenseitig unterstützen, indem etwa ein Verteidiger isoliert wird. Allerdings verfielen die Packers wie bei der Pleite in Minnesota in ihr altes Muster und eine konservative zweite Hälfte machte das Spiel nochmals spannend.

Zusammenfassung: Was bedeutet all das?

Die defensiven Trends der vergangenen Jahre zeigen: Die Position des Defensive Tackle wird immer wichtiger. Seit vier Jahren werfen Quarterbacks den Ball nach dem Snap konstant schneller, 2,48 Sekunden waren es 2015 nach dem Snap und 20 Quarterbacks wurden den Ball nach durchschnittlich 2,5 Sekunden oder weniger los. Quarterbacks positionieren sich immer häufiger in der Shotgun- oder Pistol-Formation, also weiter weg von der Line of Scimmage und somit auch von der Defense.

Die logische Schlussfolgerung: Ein Defensive Tackle, der also vor dem Snap vergleichsweise zentral positioniert ist, hat den kürzesten Weg zum Quarterback und die beste Chance, die Pocket innerhalb der kurzen Zeit bis zum Pass zu zerstören. Das macht die Arbeit für Linebacker und Pass-Rusher einfacher - und so ergibt sich ein Muster: Alle fünf Teams, die mit drei Siegen in die Saison gestartet sind, sind aktuell in gewisser Weise um eine starke defensive Front herum aufgebaut.

Das Week-3-Roundup: Eagles zerlegen Pittsburgh - Wilson verletzt

Das verkürzt das Zeitfenster für die Quarterbacks und in der Folge wird so das Spiel insbesondere für vertikale Offenses erschwert. Das bekam Arizona gegen New England und Buffalo zu spüren: Die dominante Front erlaubte es, viele Spieler für die Coverage abzustellen und so die Pass-Fenster für Palmer klein zu halten. Genau wie es Philly mit Pittsburgh machte. Von den fünf ungeschlagenen Teams steht lediglich New England nicht in der Top-5 was Sacks pro gegnerischem Pass-Versuch angeht.

All das bedeutet natürlich nicht, dass sie ohne eigene Offense auskommen. Vielmehr gehören die Eagles (2,71 Punkte pro eigenem Drive), die Patriots (2,31) und die Broncos (2,63) auch hier ins obere Liga-Drittel. Minnesota (1,94) und Baltimore (1,63) fallen dabei allerdings schon deutlich ab. Doch die Dominanz der Teams mit starker defensiver Front - Carolina kann in diese Gruppe zurückkehren, knüpft bisher aber nicht an die starke Vorsaison an - ist ein Trend, den es im Auge zu behalten gilt.

Der komplette NFL-Spielplan im Überblick