Er war dabei, als Tom Brady den Verlust seines Trikots bemerkte - und erlebte einen Super Bowl, den es so zuvor noch nie gegeben hatte: Getty-Fotograf Kevin Cox erzählt im SPOX-Interview exklusiv von vollgepackten Seitenlinien, seiner Vorbereitung auf das Spiel der Spiele - und einem untröstlichen Star-Quarterback.
Disclaimer: Es handelt sich um Teil 2 des Interviews mit Kevin Cox. Im Vorfeld von Super Bowl LI hatte er bereits Einblicke in seine Vorbereitung gegeben und seine persönlichen Lieblingsfotos mitsamt den Geschichten dazu präsentiert.
SPOX: Herr Cox, Sie kommen aus Atlanta - der Super Bowl muss für Sie ein ganz besonders verrücktes Spiel gewesen sein. Konnten Sie sich überhaupt voll auf Ihren Job konzentrieren?
Kevin Cox: Ich komme zwar aus Atlanta, bin aber Bears-Fan. Trotzdem habe ich den Falcons die Daumen gedrückt. Aber ja, ich konnte fokussiert bleiben. Als Fotograf sieht man das Spiel immer ein wenig anders als alle anderen. Wir schauen zwar durch die Kameralinse, aber wir sehen alles, was während des Spiels passiert. Man muss das Spiel analysieren, sich Strategien zurechtlegen und versuchen, für die Rushes, Pässe, Sacks und Touchdowns bereit zu sein. Beim ersten Touchdown der Falcons etwa kam Devonta Freeman tatsächlich direkt auf mich zu. Einige Plays sind letztlich vor meiner Nase passiert, allerdings war es auch mein insgesamt schon siebter Super Bowl. Ich habe gelernt zu antizipieren, wo die Action stattfindet.
gettySPOX: Wie ließ sich diesen Super Bowl aus Ihrer Perspektive denn mit denen der vergangenen Jahre vergleichen?
Cox: Ich habe noch nie eine so vollgestellte Seitenlinie erlebt! Da waren viel mehr Kameraleute und Fotografen, als es Platz gab. Normalerweise können wir hinter der Endzone und an den Seitenlinien arbeiten, aber in Houston waren die Seitenlinien sehr kompakt und schmal. Außerdem gab es drei sehr breite Fernsehtürme in drei der Endzonen-Ecken - also einfach wenig Platz. Gleichzeitig war es natürlich ein historisches Spiel, die erste Overtime im Super Bowl und eines der besten Comebacks in der Geschichte des Super Bowls!
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SPOX: Wie kann man sich in diesem verrückten Rahmen Ihre Rolle vorstellen? Wie bereiten Sie sich vor, worauf kommt es während des Spiels an?
Cox: Vor dem Spiel geht es darum, das Feld und meine Position genau zu überprüfen. Ich hatte eine "mobile" Zuteilung. Es gibt immer stationäre Fotografen in jedem Viertel des Feldes, die mobilen Fotografen gehen dahin, wo das Spiel stattfindet. Nach dem Spiel war es meine Aufgabe, Tom Brady zu folgen und ihm nicht mehr von der Seite zu weichen. Dem Quarterback zu folgen, der gerade gewonnen hat, ist schwierig - und nach diesem Spiel war es ganz besonders schwer. Am Ende waren mehr Menschen auf dem Feld, als ich jemals in irgendeinem Super Bowl gesehen habe.
SPOX: Ist Ihnen dann bei Brady irgendetwas Besonderes aufgefallen? Gab es eine kuriose Szene?
Cox: Tatsächlich, ja! Ich war in der Kabine, als Tom Brady merkte, dass sein Trikot verschwunden ist. Als ich hineinkam, hatte Tom gerade den Raum verlassen, also habe ich einige Bilder von Patriots-Spielern mit der Trophäe gemacht. Dann kam er zurück und hat sich hingesetzt, seine Tasche durchsucht und gefragt: "Wo ist mein Trikot?" Er hat dann hektisch in seinem Spind geschaut, aber das Trikot war weg. Gerade eben hatte er den Super Bowl gewonnen und dieses monumentale Comeback angeführt - und jetzt war sein Trikot weg. In diesem Moment schien ihn das mehr zu beschäftigen, als die Tatsache, dass er gerade nach einem so epischen Sieg das Feld verlassen hatte. Dabei entstand auch dieses Bild.
gettySPOX: Sie fotografieren ja nicht nur Football-Spiele, sondern Sportereignisse auf der ganzen Welt. Was ist für einen Fotografen generell die besondere Herausforderung beim Football?
Cox: Ich versuche die Quarterbacks, die Teams und die Formationen zu verstehen. Ich habe selbst Linebacker gespielt und versuche zu verstehen, was passiert - bevor es passiert. Dann kann ich schnell auf alles reagieren. Letztlich geht es allerdings bei jedem Sport darum, das Spiel und die Spieler zu verstehen.
SPOX: Gab es denn schon einmal ein Event, bei dem Sie die Sportler oder die Regeln kaum kannten und sich alles neu beibringen mussten?
Cox: Ich will es mal so sagen: Man muss sich immer vorbereiten, für jedes Event. Manchmal heißt das auch, dass man sich neue Namen einprägen oder einen neuen Sport verstehen muss. Der Trick ist es letztlich, die Augen offen zu halten und sich auf das Unerwartete vorzubereiten. Sobald man einen Sport oder Sportler kennt, und ein Gefühl für ihre Bewegungen entwickelt, kann man Dinge besser vorhersagen.
SPOX: Gibt es einen Sport, den Sie als Ihre Spezialität bezeichnen würden?
Cox: Ich würde schon sagen, dass Football meine Spezialität ist - immerhin stamme ich aus dem Gebiet der besten College-Football-Conference des Landes. Aber es macht mir auch Spaß, vielseitig aufgestellt und bereit zu sein, alles und jeden zu fotografieren. Man lernt nie aus und es ist wichtig, sein Handwerk immer zu verfeinern. Man muss sich auf jedes Event auf unterschiedliche Art und Weise vorbereiten.
SPOX: Arbeiten Sie auch in anderen Bereichen? Oder nur Sport?
Cox: Also grundsätzlich mache ich schon nur Sport. Aber gelegentlich helfe ich anderen Teams aus, wenn in meiner Nähe jemand Hilfe benötigt. Das muss man dann komplett anders angehen, aber gleichzeitig gibt es auch Ähnlichkeiten. Man muss das Umfeld verstehen und für die Veränderungen bereit sein.
SPOX: Heutzutage sieht sich ja jeder als Fotograf, jeder kann mit Handys, Tablets, etc. Fotos schießen. Beeinflusst das Ihre Arbeit?
Cox: Ich glaube nicht, nein. Professionelle Fotografen üben jahrelang, um dieses Level zu erreichen. Für mich ist ein Fotograf jemand, der ein Auge für kreative Dinge hat und verschiedene Blickwinkel einfangen kann, während er auch auf unvorhersehbare Dinge vorbereitet ist. Außerdem spielt natürlich der Zugang zu bestimmten Dingen eine Rolle. Man kann mit Handys heute unglaubliche Fotos schießen, aber professionelle Fotografen sind unten am Feld logischerweise näher dran.
SPOX: Gibt es in Ihren Augen überhaupt noch eine echte Wertschätzung für Ihre Arbeit?
Cox: Viele Leute verstehen in meinen Augen zumindest den ganzen Prozess nicht, den ein Fotograf in seiner Karriere durchlaufen muss. Da geht es um viel mehr, als nur ein Foto zu schießen. Ich nehme gerne Freunde zu Events mit, als Assistenten, weil sie so den Rahmen eines solchen Events aus der Sicht eines Fotografen verstehen.
SPOX: War es denn schon immer Ihr Plan, Sportfotograf zu werden?
Cox: Ich habe mich schon früh in die Fotografie verliebt, aber hatte nicht wirklich die finanziellen Mittel, um mir professionelles Equipment zuzulegen. Also habe ich viele Naturaufnahmen rund um Jackson, North Carolina gemacht, wo ich aufgewachsen bin - und viele Bilder von meinem Hund, der es geliebt hat, für die Kamera zu posieren! Eigentlich wollte ich aber Meeresbiologe werden, nachdem ich an einem Sommerprogramm am Strand teilgenommen hatte.
SPOX: Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?
Cox: Ich entschied mich dafür, Broadcast-Journalismus an der University of North Carolina zu studieren, als ich bei einem Sportfotografen-Wettbewerb den dritten Platz gewonnen hatte. Dann nahm ich Fotografie-Kurse und realisierte, wie viel Spaß es mir gemacht hat, Sportfotograf zu sein und dass ich da Karriere machen könnte.
SPOX: Wie viele Bilder machen Sie im Jahr? Wie lange dauert es, bis ein Foto online ist?
Cox: Getty Images berichtet pro Jahr von über 30.000 Sportevents. Wie viele ich genau mache? Die Zahl der Bilder variiert stark, auch abhängig von den Events. Aber ich würde sagen: ziemlich viele! Das Team arbeitet dabei sehr effizient, wir sind sehr schnell. Wenn ich ein Bild gemacht habe, dauert es manchmal nur 58 Sekunden, bis es online verfügbar ist.
SPOX: Und wie viel Zeit im Jahr sind Sie dann unterwegs?
Cox: Das ändert sich jedes Jahr, aber normalerweise bin ich im Herbst und im Winter zuhause, weil ich da bei vielen Football-Spiele in der Nähe arbeite. Dann fahre ich normalerweise zum Stadion, arbeite und fahre anschließend wieder nach Hause.
SPOX: Gibt es dabei eine Art "Fotografen-Bruderschaft"? Verbringt man rund um die Events Zeit zusammen, tauscht Geheimnisse oder sogar Bilder aus?
Cox: Die Getty-Images-Teams stehen sich schon sehr nahe und arbeiten sehr gut zusammen. Was die breitere Foto-Community angeht - die erste Regel des Kamera-Klubs lautet: Du redest nicht über den Kamera-Klub!
SPOX: Harter Codex! Aber gut - haben Sie ein persönliches Lieblingsbild?
gettyCox: Ja. Auf diesem Bild waren wir bereits im Stechen und die Sonne ging gerade unter. Als wir alle zum zweiten Abschlag gelaufen sind, ist mir aufgefallen, wie toll das Licht über dem Fairway glänzte. Ich habe mich mittig aufgestellt und diesen dramatischen Moment eingefangen, direkt bevor Rory McIlroy die Tour Championship auf dem Green dieses Lochs gewonnen hat.
SPOX: Weiß man es denn sofort, wenn man ein tolles Bild erwischt hat?
Cox: Meistens schon, ja. Man hat das im Gefühl und meist kann man es dank der digitalen Kameras ja auch direkt überprüfen. Manchmal aber sieht man es erst später, vor allem wenn man bei einem großen Event mit mehreren Redakteuren ist. Das ganze Team arbeitet sehr schnell, manchmal hat man den einen Moment erwischt, aber nicht die Zeit, das zu überprüfen.
SPOX: Und haben Sie auch im Football ein Lieblingsbild?
gettyCox: Ich erinnere mich ganz genau an diesen Moment, und daran, dass ich sofort wusste, dass das ein tolles Foto geworden ist. Da gibt es so viele Komponenten, welche die verschiedenen Aspekte im Football einfangen - das Bild hat mir 2006 den Dave Boss Award of Excellence Photograph im 39. Pro Football Hall of Fame Foto-Wettbewerb eingebracht. Ich liebe Football, seit ich ein kleiner Junge war. In der Pro Football Hall of Fame geehrt zu werden - das ist etwas, von dem ich immer dachte, das es nur Football-Spieler erreichen können.