Die Aussagekraft der NFL-Preseason in Bezug auf die kommende Saison ist natürlich größtenteils überschaubar. Für viele Spieler sind die vier Wochen aber ein wichtiger Fingerzeig: Starter-Plätze werden erkämpft oder aus den Händen gegeben, Rookies lernen das Spiel auf dem Pro-Level kennen. Auch in dieser Saison gab es wieder Gewinner und Verlierer. SPOX fasst sie für euch zusammen.
Die Gewinner der Preseason
DeShone Kizer (Quarterback Cleveland Browns)
Es war nicht der Draft-Jahrgang der Superstar-Quarterbacks und dennoch sind drei davon in der ersten Runde vom Board gegangen. DeShone Kizer war keiner von ihnen, ist aber vermutlich der einzige Rookie-Quarterback, der als Starter in Woche 1 gegen die Pittsburgh Steelers gehen darf.
Dabei musste Kizer keine überragenden Leistungen zeigen, um den Starter-Platz aus den Händen von Brock Osweiler zu reißen. Das Notre-Dame-Produkt brachte in drei Preseason-Spielen 51 Prozent seiner 49 Passversuche an den Mann. Er warf lediglich einen Tochdown-Pass und wurde fünfmal gesackt. Dennoch ist man vom Talent des Zweitrundenpicks überzeugt. Coach Hue Jackson erklärte, dass Kizer "das mitbringt, was es braucht" und er "den Moment nutzen wird, wenn er bereit ist, die nötige Arbeit zu investieren."
Druck soll es dabei zunächst keinen geben. Die Erwartungshaltung ist in Ohio nach einer 1-15-Saison ohnehin nicht allzu groß. Kizer darf Interceptions warfen, er darf vermeidbare Sacks und weitere Rookie-Fehler begehen. Die Coaches vertrauen seinem Arm, seiner Beweglichkeit und seiner Intelligenz: "Wir wissen, dass es hart wird. Aber ich werde mit ihm durch die guten und schlechten Zeiten gehen, was auch immer auf uns zukommen wird", so Jackson.
Mitchell Trubisky (Quarterback Chicago Bears)
Auch in Chicago war das Quarterback-Duell das bestimmende Thema in der Preseason. Hier allerdings fiel das Rennen gegen den Rookie aus: Mitchell Trubisky wird in Week 1 nur von der Seitenlinie zusehen, Mike Glennon führt die Bears zunächst auf das Soldier Field.
Das allerdings muss keineswegs richtungsweisend sein. Trubisky hat eine tolle Preseason gespielt und konnte sowohl im Camp als auch in den vier Spielen überzeugen (67,9 Prozent Completions, 364 Yards, 3 TDs, 0 INT). Er zeigte dem Team, dass er wohl bereits früher als ursprünglich gedacht bereit ist, Regular-Season-Spielzeit zu sehen.
Die Trubisky-Zeit wird in Chicago kommen. Bis dahin ist er "bereit alles zu tun, was das Team von mir braucht", erklärte Trubisky. "Ich lerne viel und beginne zu verstehen, was es braucht um mental und physisch so vorbereitet zu sein, dass ich am Spieltag 110 Prozent geben kann."
Pass Rush der New Orleans Saints
Die vielleicht größte Überraschung bot die bisherige Leistung der New-Orleans-Saints-Defense. Zwar muss man bislang noch auf Cornerback Delvin Breaux verzichten, dennoch macht das Gesamtkonstrukt plötzlich einen verlässlichen Eindruck. Hauptgrund dafür ist der Pass Rush.
Das neue Linebacking-Corps um Manti Te'o, A.J. Klein, Alex Anzalone und Craig Robertson harmoniert unter der Leitung des ebenfalls neuen Position-Coaches Mike Nolan hervorragend. Gerade Rookie Anzalone überzeugt mit seiner Geschwindigkeit und enorm großem Radius. Die Front-Four erzeugt kontinuierlich Druck. Überhaupt haben die Saints bei Drives aus der gegnerischen Hälfte kaum Scores zugelassen. Kommt da noch mehr?
Dalvin Cook (Running Back Minnesota Vikings)
Die Post-Peterson-Ära beginnt und Minnesota hätte den Weggang seines ehemaligen MVPs wohl kaum besser kompensieren können als durch Rookie Dalvin Cook. Der Zweitrundenpick hat bereits das komplette Team in seinen Bann gezogen.
Cook hat sich den Starting-Spot nicht nur dank seiner Dynamik im Laufspiel sichern können. Er zeigte sich als verlässlicher Passfänger und wusste auch im Hinblick auf die Pass Protection auf Pro-Level zu überzeugen. Es wäre keine Überraschung, wenn sich Cooks Präsenz im Vikings-Backfield früh auszahlen würde.
Christian McCaffrey (Running Back Carolina Panthers)
Cam Newtons Verletzungen hinderten die Panthers in der letzten Saison daran, ernsthaft um die Playoffs spielen zu können. Um die Hits gegen "Superman" reduzieren zu können, soll das Running-Game nun häufiger über den etatmäßigen RB laufen.
Carolina hatte sich deshalb direkt in der ersten Runde die Rechte am Christian McCaffrey gesichert. "Er ist ein herausragender Spieler. Das haben wir bereits auf dem Tape gesehen, und er hat unsere Erwartungen bislang übertroffen", fasste Assistant-Wide-Receivers-Coach Jerricho Cotchery zusammen.
McCaffrey wird sich in der Panthers-Offense nicht nur als Running Back, sondern auch an der Line of Scrimmage aufstellen und seine Fähigkeiten als Receiver unter Beweis stellen. Das Stanford-Produkt könnte vielleicht sogar Vorreiter einer neuen Generation vielseitig einsetzbarer Skill-Player werden.
Carlos Hyde (Running Back San Francisco 49ers)
Mit der Ankunft von Offensive Coordinator Kyle Shanahan scheint auch Carlos Hyde sein volles Potenzial abrufen zu können. So zumindest der Eindruck nach einer bärenstarken Preseason. Hyde zeigte sich als schwer zu stoppendes Arbeitstier und etablierte sich als Nummer-1-Back in der Bay Area.
Jamaal Charles (Running Back Denver Broncos)
Viele Fragen wirft die Broncos-Offense aufgrund der Mehr-schlecht-als-recht-Besetzung auf der QB-Position auf. Im Running-Back-Corps hingegen ist man nun besser aufgestellt als zunächst vermutet. Grund dafür ist der starke Eindruck, den Jamaal Charles nach seiner Langzeitverletzung beim neuen Arbeitgeber in Mile High hinterlassen konnte.
"Jamaals Leistung war beeindruckend", erklärte Head Coach Vance Joseph nach Week 3. "Er hat fast eineinhalb Jahre lang kein Football mehr gespielt. Trotzdem spielt er physisch und sucht die Lücken, fängt den Ball und überzeugt in der Protection. Das hat mir sehr gefallen." Hauptkonkurrenten auf Carries sind C.J. Anderson und Devontae Booker.
Alvin Kamara (Running Back New Orleans Saints)
In Louisiana ist man im Backfield ebenfalls breit und prominent aufgestellt. Für Schlagzeilen könnte allerdings ein Rookie sorgen: Alvin Kamara wird bereits als der explosivste Back in New Orleans seit Reggie Bush bezeichnet. Die Snaps muss er sich allerdings mit Mark Ingram und Neuzugang Adrian Peterson teilen.
Defense der Cleveland Browns
Die Cleveland Browns sind 4-0! Na gut, es ist nur die Preseason. Dennoch sind die Leistungen der Browns bemerkenswert. Gerade gegen den Lauf spielte Clevelands Defense mehr als ordentlich. Sie beendeten die letzten drei Jahre in der Run-Defense auf den Positionen 32, 30 und 31. Defensive Coordinator Craig Williams hat mit seiner Umstellung auf eine 4-3-Front bereits einiges bewirken können.
Jacoby Brissett (Quarterback New England Patriots)
Es wäre vermutlich eng geworden für Jacoby Brissett. Der Backup-Quarterback der Patriots konnte in der Preseason nicht wirklich überzeugen und wurde bereits als Streichkandidat gehandelt. Dann kam Woche vier und Brissett legte fünf (!) Scores auf. Die Leistung sichert ihm den Spot als dritter QB in New England.
Die Verlierer der Preseason
Tyrod Taylor (Quarterback Buffalo Bills)
Die unruhige Offseason in Buffalo hatte zwar viel mit radikalen Personal-Transaktionen zu tun, allerdings war auch die obligatorische Quarterback-Frage nach Taylors Gehirnerschütterung, die er sich im dritten Preseason-Spiel zugezogen hatte, erneut ein Thema. Seitdem auch T.J. Yates auf dem ConcussionProtokoll gelandet ist, muss sich die Franchise nämlich über eine Neubesetzung Gedanken machen. Selbstverständlich funktionieren diese in diesem Sommer nicht ohne den Namen Colin Kaepernick.
Abgesehen davon wurde Taylor, der wohl über den Saisonstart hinaus ausfallen wird, immer wieder in Trade-Gerüche verwickelt. Coach Sean McDermott gab zwar zuletzt bekannt, dass ein fitter Taylor Buffalos Starter ist, dennoch scheint man nicht mehr gänzlich hinter dem 28-Jährigen zu stehen. Viel zu gewinnen gibt es in diesem Jahr wohl ohnehin nicht.
Brock Osweiler (Quarterback Cleveland Browns)
Es gibt wohl nicht viele Teams, zu denen Brock Osweiler hätte wechseln und dort Aussicht auf einen Startplatz hätte haben können. Die Cleveland Browns waren eines davon - schließlich bestand die Konkurrenz aus Cody Kessler und Rookie DeShone Kizer.
Dennoch hat Osweiler die Chance auf den Platz an der Sonne verspielt. Grund dafür war niemand anderes als er selbst: Als Starter in die Preseason gegangen, konnte er zu keiner Zeit Sympathie für das Offense-Scheme entwickeln. Osweiler war ungenau in seinen Pässen und versuchte jegliches Risiko zu vermeiden. Selbst gegenüber Kevin Hogan soll Osweiler am Ende das Nachsehen gehabt haben.
Osweiler stand mit 16 Millionen Dollar in den Büchern und war als QB3 für Cleveland schlichtweg nicht die richtige Besetzung. Sein Cut war dementsprechend keine große Überraschung, den Pick aus Houston hat Cleveland ja so oder so sicher.
New York Jets
Die Erwartungen waren nie wirklich hoch - nach dieser Preseason sind sie allerdings noch geringer. Die Jets haben eine Vielzahl von Baustellen, die größte davon auf der Quarterback-Position.
Am Donnerstag schien sich die ohnehin schon besorgniserregende Situation weiter zu verschlechtern. Der jüngst aus Mangel an Alternativen auserkorene Starting-Quarterback Josh McCown musste das Spielfeld schmerzverzerrt verlassen. Für einen kurzen Moment zitterten die Fans in East Rutherford tatsächlich ob einer Verletzung eines 38 Jahre alten Josh McCown.
Der konnte nach einem Play Pause schließlich weitermachen. Dennoch stand die Szene sinnbildlich für die Situation der Jets. Backup Christian Hackenberg blieb weit hinter den Erwartungen zurück, es wird kaum Verbesserung zur letztjährigen Kombo Ryan Fitzpatrick/Geno Smith geben. Selbst für den kommenden Draft ist man schlechter gewappnet als die Konkurrenz aus Buffalo, Cleveland und San Francisco.
Blake Bortles (Quarterback Jacksonville Jaguars)
Irgendwie ist Blake Bortles noch immer Nummer eins der Jags. Das Kapitel schien in der Preseason bereits zu einem Ende gekommen zu sein, doch hat man sich aufgrund einer nicht wirklich existierenden Konkurrenz-Situation nochmals für einen vierten Anlauf mit Bortles entschieden. Zum Gewinner macht ihn das dennoch nicht.
Paxton Lynch (Quarterback Denver Broncos)
Ein weiterer Quarterback, der für enttäuschte Mienen gesorgt hat. Im 2016er-Draft mit Empfehlung von John Elway höchstpersönlich ausgewählt, schien der Weg für Lynch nach Osweilers Abgang frei. Seine mangelnde Entwicklung jedoch machte der Franchise einen Strich durch die Rechnung.
An der Stelle von Lynch wird weiter Trevor Siemian agieren, das gab Coach Joseph bereits nach Week 2 bekannt. Ob sich das Fenster für Lynch nochmals öffnet ist derweil fraglich. Kann er die sich ihm bietenden Chancen in dieser Saison nicht nutzen, wird sich Denver in der Offseason wohl um einen neuen QB bemühen.
Indianapolis Colts
Die Saison der Colts scheint einmal mehr von der Gesundheit Andrew Lucks abzuhängen. Dessen Schulter macht weiterhin große Sorgen, ein Zeitpunkt für Lucks Rückkehr steht immer noch nicht fest. Des Weiteren bangt die Franchise zum Saisonbeginn um Ryan Kelly, Jack Menwhort, Chester Rogers, T.J. Green und Clayton Geathers: Eine ganze Armada an Leistungsträgern steht auf der Kippe.
Offense der Washington Redskins
Noch nicht bereit? Die Redskins machen sich aufgrund der holprigen Offense Sorgen um den Saisonauftakt gegen Philly: Die Abgänge von Pierre Garcon und DeSean Jackson sollten durch Terrelle Pryor und Josh Doctson kompensiert werden. Pryor allerdings spielte bislang sehr schwach, Doctson verpasste seine zweite Preseason in Folge. Auch Running Back Rob Kelley zeigte sich noch lange nicht in der Form der letzten Saison. Die letzten Hoffnungen ruhen wohl auf Jamison Crowder.
Offense der Houston Texans
Zwar scheint für die Zukunft alles in Richtung Deshaun Watson zu deuten, doch geht Bill O'Brien erst einmal mit Tom Savage in die neue Saison. Savage allerdings überzeugte noch nicht und wird wohl auch weiterhin Probleme mit dem schwierigen Scheme seines Vorgesetzten haben. Die O-Line wirkt nicht verlässlich und der Ausfall von Will Fuller hilft ebenfalls nicht weiter.