Die New England Patriots verlieren im dritten Saisonspiel beinahe zum zweiten Mal - aber warum eigentlich? Und wieso sieht Jared Goff unter dem neuen Head Coach so viel besser aus? Dürfen Giants-Fants hoffen und wann kommt ein NFL-Team fix nach London? In der wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke auf die vergangene Woche in der NFL zurück.
Die Bedeutung der Proteste
Zum Einstieg nur ein kurzes Wort zu den Protesten in der NFL, die das ganze Wochenende geprägt haben. Diese Proteste sind unglaublich wichtig und sollten ein Vorbild für Sportler generell sein. Meine Ausführliche Meinung dazu gibt es hier nachzulesen.
Warum die Patriots fast erneut verloren hätten
Damit zum Tape dieser Woche und nach Foxborough. Da standen die Patriots tatsächlich kurz vor einer Heimpleite gegen einen Rookie-Quarterback, etwas, das es unter Belichick noch nie gegeben hatte. Warum? Es gab mehrere Gründe.
Texans-Defense vs. Patriots-Offense:
- Die Offensive Line der Patriots hatte individuell große Probleme. Houston attackierte die Line vor allem bei First Down gerne mit fünf Mann, aus den daraus resultierenden Eins-gegen-Eins-Duellen gingen die Texans häufig als Sieger hervor. 5 Sacks, 6 QB-Hits standen am Ende zu Buche, zudem konnte New England erneut kein Run Game aufziehen. Das wurde nicht nur bei mehreren Short-Yardage-Situationen deutlich. Natürlich ist die Texans-Front eine der besten in der NFL, doch die Line-Probleme werden New England - vor allem falls das Kurzpassspiel weiter nicht gut funktioniert, begleiten.
- Zusätzlich dazu überluden die Texans teilweise auch einzelne Seiten und/oder attackierten eine Seite mit Watt und Clowney.
- Zudem waren die Linebacker stark in der Coverage. Houston spielte eine Mischung aus Man und Zone Coverage und ließ nur drei Catches für Lewis (12 YDS), einen für White (11 YDS) und drei für Amendola (48 YDS) zu. Eine Folge daraus: New England hatte Probleme bei Third Down (4/11) und war insgesamt nicht sonderlich effizient (5,9 Yards pro Play).
Texans-Offense vs. Patriots-Defense:
- Was auf auf der anderen Seite des Balls auf Tape vor allem ins Auge springt, ist die mangelnde Athletik der Pats-Front. Gegen eine der schwächeren Offensive Lines in der NFL konnte New England viel zu häufig keinen Pass-Rush erzeugen. Ganz besonders drastisch war das bei Play Action, wo Deshaun Watson immer wieder eine gefühlte Ewigkeit hatte. Bei Pässen, die mindestens zehn Yards weit flogen, brachte er 11 von 19 an.
- Watson zeigte dabei - ein vielversprechender Anblick - tolle Bewegungen in der Pocket und auch regelmäßiger die Bereitschaft, durch Reads zu gehen. Pats-Fans müssen hoffen, dass die Rückkehr von Dont'a Hightower der D-Line ein neues Gesicht gibt.
- Es bleibt aber auch festzuhalten, dass Watson bei allen Fortschritten alles andere als ein fehlerfreies Spiel ablieferte. Ein Sack, zwei Hits und zwei Hurries gingen auf sein Konto, die frühe Interception darf ihm so nie passieren. Aber es war ein eindrucksvoller Schritt in die richtige Richtung.
Was die Pats am Ende rettete? Einmal mehr kam diese Ehre Tom Brady zu, und wieder haben wir dabei gesehen, dass New England eine deutlich vertikalere Offense spielen will. Über die ersten drei Spiele hat Brady jetzt bei 20 Prozent der Pässe einen langen Pass versucht, der Liga-Höchstwert. Und das meist sehr erfolgreich, bei langen Pässen hat er das zweitbeste Passer Rating in der NFL.
Wichtig hierfür: Brandin Cooks. 111 seiner Receiving-Yards sowie seine beiden Touchdowns kamen bei Pässen die mindestens 20 Yards Richtung Endzone flogen - und somit auch der Game Winner.
Zahlensalat: Einige Statistiken zu Week 3
- Ein zentraler Grund für den überraschenden Sieg der Bears über die Steelers? Das Run Game! Chicago erlief 220 Yards bei einem Schnitt von 5,8 Yards pro Run. Dabei war Jordan Howard nach zähem Saisonstart ein zentraler Faktor, Howard holte zehn (!) Forced Missed Tackles und 65 Yards nach erstem Gegnerkontakt raus. So konnten sich die Bears auch Mike Glennon mit 101 Passing-Yards und nur drei Completions von über fünf Yards erlauben.
- Stichwort gute Running Backs: Kansas Citys Kareem Hunt hat nach drei NFL-Spielen drei Touchdown-Runs von mindestens 50 Yards auf dem Konto. Insgesamt steht er bei sechs Touchdowns, gegen die Chargers gelangen ihm absurde 10,1 Yards pro Run sowie 67 (von 172) Rushing-Yards nach Gegnerkontakt bei sieben Forced Missed Tackles.
- Clevelands DeShone Kizer hatte gegen die Colts erneut nicht gerade seinen besten Tag. Das galt nicht zuletzt für sein Downfield-Passing: Kizer warf elf Pässe, die mindestens 16 Yards downfield flogen. Von denen landeten drei bei Mitspielern - und zwei bei den Colts.
- Cam Newton hinterlässt seit dem ersten Spiel einen wackligen Eindruck, und das änderte sich auch in Week 3 nicht. Alle seine drei Interceptions während der Pleite gegen New Orleans (eine davon ging nicht auf sein Konto) kamen ohne Pressure, in einer sauberen Pocket stand Newton bei 13/21 und 4,8 Yards pro Pass sowie den drei Picks. Carolinas Offense sucht nach wie vor ihre Identität.
- Auch wenn es am Ende nochmal eng wurde: Die Colts müssen mögen, was sie von Jacoby Brissett sehen. Nachdem der gegen Arizona bereits einige gute Momente hatte, zeigte Brissett gegen Cleveland nochmals deutlich mehr: Sehr gute Runs sowie eine gute Aggressivität im Passspiel: Bei Pässen, die mindestens zehn Yards downfield flogen, stand er laut Pro Football Focus am Ende bei 7/9, 203 Yards und einem Touchdown.
- Doppelte Premiere für Aaron Rodgers: Der Sieg über die Bengals am Sonntag markierte im achten Versuch Rodgers' ersten Overtime-Sieg in der NFL, darüber hinaus hat er damit jetzt alle 31 Teams außer Green Bay wenigstens ein Mal geschlagen.
- Haben die Eagles möglicherweise so etwas wie ein Run Game gefunden? Ausgerechnet gegen die Giants-Front hinterließen Smallwood (12 ATT, 71 YDS) und Blount (12 ATT, 67 YDS, TD) einen guten Eindruck. Philly sorgte zudem auch endlich für mehr Balance, 31 Pässen standen 39 Runs gegenüber.
- Bei elf Versuchen konnte Oakland gegen Washington kein einziges Third Down in ein First Down verwandeln. Die 128 zugelassenen Total Yards markieren den tiefsten Wert für die Redskins seit 1992.
- Zum Abschluss eine irre Statistik aus Minnesota: Die Vikings haben nach drei Spielen bereits 43 Snaps mehr aus ihrer Rookie-Klasse, als sie in der kompletten 2016er Saison von ihren Rookies bekommen haben. Derweil steht Stefon Diggs von 2016 bis jetzt bei 2,09 Receiving-Yards pro gelaufener Route. Der Topwert in der NFL.
Warum Sean McVay für Jared Goff so wichtig ist
Jared Goff wurde vor dem Draft höher angepriesen als sein Tape wirklich gezeigt hat - trotzdem ist er ein besserer Quarterback als er es in seiner Rookie-Saison in der schlimmen Offense von Jeff Fisher zeigen konnte. Was wir über die ersten drei Spiele sehen, ist der unglaubliche Effekt, den gutes Coaching, Scheme und auch bessere Mitspieler auf einen jungen Quarterback haben können.
In der Offense des neuen Head Coaches nämlich kann Goff deutlich freier auftreten, und die Gründe dafür sind auf Tape deutlich sichtbar: Die Balance zwischen Run Game und Passing Game ist besser, McVay - das konnte man bereits in seiner Offense in Washington beobachten - baut in Kombination damit ein extrem effizientes Play-Action-Spiel auf.
Außerdem lässt er Runs und Pässe aus identischen Formationen spielen, was es der Defense deutlich schwerer und so dem Quarterback leichter macht. Bei den Play-Action-Pässen hat Goff so häufig enorm viel Zeit und das ermöglicht auch lange Pässe. Dazu kommen Pre-Snap-Motions um dem Quarterback Hinweise auf die Coverage zu geben.
McVay schafft es, Goff in einen Rhythmus zu bringen, indem er ihm klare Reads und vergleichsweise einfache Completions ermöglicht. Ob mit Rub Routes - die man gegen die 49ers mehrfach beobachten konnte - Play Action oder schlicht kurzen Completions gegen eine passive Coverage: Das Scheme hilft Goff, der sich dafür mit genauen Pässen in enge Fenster revanchiert. Nach wie vor ist er gegen Pressure und generell in der Pocket fraglos anfällig. Doch dank McVay ist Goff auf einem sehr guten Weg, und man darf gespannt sein, wie andere Teams mit jungen Quarterbacks im kommenden Jahr eine mögliche Trainersuche gestalten.
Newton, die Seahawks, London, die Giants - eure Fragen
Pulp: Sollte man in Carolina langsam daran denken, Shula zu feuern und/oder an Newton zu zweifeln?
Vielleicht der falsche Ansatz zu der Frage, aber zumindest wenn ich mir Panthers-Tape anschaue, kommt mir immer zuerst ein Gedanke in den Kopf: "Cam Newton KANN nicht bei 100 Prozent sein." Selbst für seine Verhältnisse wirken die Pässe enorm ungenau und inkonstant, er verfehlt freistehende Receiver. Man muss sich schon fragen, ob er nach seiner Schulter-OP zu früh zurückgebracht wurde. Zudem ist die Line wirklich nicht gut, was Newton umso mehr Probleme bereitet, weil er selbst deutlich weniger läuft.
Mit dem im Hinterkopf aber fallen auch schematisch einige Dinge auf: Newton ist eben - wie viele vor der Saison befürchtet haben - bei den kurzen Pässen überhaupt nicht genau. Seine kurzen Dropbacks wirken hölzern, oft steht er schlecht in der Pocket. Dazu liest er seine kurzen Route-Kombinationen teilweise falsch, was zu Turnovern führt. Aber es ist nicht alles schlecht. Newton zeigte gegen die Saints auch mehrere gute kurze Pässe und McCaffrey übernimmt eine immer größere Rolle im Slot genau wie Outside. Allerdings sind die Verluste von Greg Olsen und mutmaßlich Kelvin Benjamin nur schwer zu kompensieren, schematisch genau wie für die ohnehin runter geschraubten Downfield-Elemente.
Klar ist: Carolina braucht ein dominantes Run Game. Dabei können die End-Arounds und Option Runs, die wir mit Toss-Möglichkeiten für Newton sehen, helfen. Die Panthers brauchen aber mehr vom Passspiel, um im Run Game effektiv zu sein.
MaFu: London Game 1 2017: London-Team ja wieder in vieler Munde. Für wie wahrscheinlich hältst du ein solches? Möglichkeiten und Probleme der Umsetzung.
Spannendes Thema, über das man sicher geteilter Meinung sein kann. Ich bin von einem Team in London noch nicht überzeugt und denke, die NFL täte besser daran, nach und nach die Anzahl der Regular Season-Spiele in Europa auf sechs bis acht aufzustocken - und dabei dann auch Deutschland und Frankreich zu inkludieren. Die logistischen Probleme nämlich sind einfach riesig.
Das beginnt natürlich mit den langen Reisen, insbesondere Duelle mit Westküsten-Teams wären vom Schedule her immer ein kontroverses Thema. Ein London-Team bräuchte außerdem mindestens eine Außenstelle in den USA, um Workouts für mögliche Neuverpflichtungen abzuhalten und dergleichen. Zudem müssten die Spieler die USA verlassen und möglicherweise für die Saison von der Familie wegziehen. Nicht zuletzt ist ja gar nicht gesagt, dass London ein London-Team auch direkt "adoptiert". Mit einer Vielfalt an verschiedenen Teams bedient man die Fan-Interessen in meinen Augen aktuell zumindest besser.
Hier ist meine Vermutung, was über die nächsten Jahre passieren wird: Die NFL wird weiter alle Vorkehrungen treffen, um möglichst perfekte Rahmenbedingungen für ein potenzielles London-Team zu schaffen. Ein erster großer Schritt ist der Stadion-Deal mit Tottenham , mehr Spiele in England werden bald schon kommen. Zunächst aber werden die Eigentümer angesichts der Umzüge der Rams, Chargers und Raiders innerhalb kürzester Zeit an dieser Front Ruhe wollen. Wenn aber das Thema das nächste Mal ernsthaft aufkommt - ich würde auf fünf bis sieben Jahre tippen - dann ist London bereit und mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten eine ernsthafte Option.
Patrick Hupfer: Kommen die Seahawks mit dieser O-Line in die Playoffs? Was muss geändert werden?
Auf die Playoffs tippe ich grundsätzlich nach wie vor, weil die Division insgesamt keinen guten Eindruck macht. Die Rams sind ein Kandidat für sechs, sieben Siege, Arizona hat am Montagabend gezeigt, dass die eigenen Schwächen in der Line größere Sprünge in diesem Jahr schlicht verhindern. Nichtsdestotrotz bleibt Seattles Offensive Line ein großes Problem: Auch mit neuem Right Guard war die Line gegen Tennessee sichtlich überfordert, laut Pro Football Focus ließen drei O-Liner fünf oder mehr Pressures zu - dazu gehörte auch der neue Starter Oday Aboushi. Russell Wilson hatte bei 44 Prozent seiner Dropbacks Pressure durch die Defense.
Zwar sah die Line vereinzelt besser aus, das aber war auch einer etwas zurückhaltenderen Titans-Taktik geschuldet. Tennessee blitzte bei gerade einmal 20 Prozent von Wilsons Dropbacks - erreichte dafür aber Pressure bei 50 Prozent der Blitze.
Was wir bisher von der Seahawks-Line gesehen haben, macht es in meinen Augen für Seattle unmöglich, eine traditionelle NFL-Offense aufzuziehen und mit Wilson aus der Pocket heraus (was er durchaus kann, das haben wir in den vergangenen Jahren gesehen) zu gewinnen.
Also, was muss geändert werden? Vieles, aber ich versuche es mal realistisch: Mehr No-Huddle-Offense, um die Defense müde zu machen und schneller zu spielen. Noch mehr Rollouts und Play Action, um Wilson innerhalb der Struktur des Plays aus der Pocket zu bekommen. Und mehr Zone Reads und Run-Pass-Options, um die Defense dazu zu zwingen, Wilson konstant als elften Spieler zu verteidigen, im Run und im Passing Game. Nummerische Nachteile nämlich können sich diese Seahawks offensiv absolut nicht leisten.
Sebastian Mühlendorf: Können die Giants trotz der knappen Niederlage Hoffnung aus den letzten anderthalb Viertel ziehen?
Kurze Antwort: In meinen Augen nein. Die Giants-Offense wirkt noch immer komplett wie Stückwerk, der einzige echte Unterschied ab Mitte des dritten Viertels war, dass Odell Beckham das Spiel an sich gerissen hat. Davon abgesehen war es weitestgehend die gleiche Offense. Um sicher zu gehen habe ich das Tape gerade nochmal angeschaut, meine Notizen: Unkreatives - mutmaßlich auch durch die Limitierungen aufgrund der Line bedingtes - Play-Calling, sehr viel kurz, der Ball wird zu Beckham gezwungen.
Das Run Game sah teilweise ein wenig besser aus, das muss man sagen, nach wie vor aber fehlt hier die Konstanz. Manning zeigte einige gute Bewegungen in der Pocket und einige gute Pässe, warf gleichzeitig aber auch mehrfach - das war sehr auffällig - klar in Coverage. Die Offense kommt nur so weit, wie Beckham sie trägt, was dann eben auch Räume etwa wie für den Shepard-Touchdown öffnet. Doch das ist ein gefährliches Spiel. Denn gute Teams werden in der Lage sein, in einem solchen Szenario einen Wide Receiver zumindest halbwegs zu kontrollieren.
Nick Tremonia: Klare Favoriten straucheln oder verlieren gegen "schwächere" Teams - was sagt das über die Machtverhältnisse in der Liga aus?
Gut, dass die Frage noch kam, sonst hätte man es anders thematisieren müssen. Die überraschenden Niederlagen der ersten Wochen zeigen nämlich vor allem eine Wahrheit, die sich in den vergangenen Jahren schon mehrfach bestätigt hat: Spiele im September sind selbst für NFL-Verhältnisse unglaublich schwer zu prognostizieren. Teams haben wenig Trainingszeit, viele Starter spielen in der Preseason gar nicht oder kaum.
Das macht die ersten Partien auch für Schwergewichte wie New England oder Pittsburgh ein wenig zu Findungsphasen und man darf davon ausgehen, dass im Oktober die Verhältnisse wieder klarer werden. Trotzdem muss man den vermeintlich schlechteren Teams auch Lob aussprechen: Die Jets-Run-Defense hatte nach zwei furchtbaren Spielen gegen Miami einen großartigen Tag, während Jay Cutler mehrfach offensichtlich Probleme damit hatte, die Offense aufs Feld zu übertragen. Buffalo spielt weiter starke Defense und die Bears sind mit ihrer Defensive-Front und den beiden Running Backs ein unangenehmer Gegner.