Fehleranalyse: Was war los bei den Playoff-Teams?

Von Adrian Franke
29. Dezember 201713:06
Für Cowboys, Lions, Dolphins und Raiders endet die Saison ungeplant vorzeitiggetty
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Die Regular Season biegt auf die Zielgerade ein, pünktlich zum Abschluss des Kalenderjahres steht das Saisonfinale an! Dabei sind noch einige Playoff-Plätze offen, für viele Teams aber geht es in Week 17 auch nur noch um die Ehre. SPOX blickt auf die Teams, die bereits raus sind aus dem Rennen. Heute: Die Dallas Cowboys, die Detroit Lions, die Oakland Raiders und die Miami Dolphins - vier Playoff-Teams der Vorsaison.

Disclaimer: Wie schon in der vergangenen Saison betreibt SPOX bei den Teams, die rechnerisch aus dem Playoff-Rennen ausgeschieden sind, eine Fehleranalyse - inklusive Blick in die Zukunft.

Teil I: Bears, Broncos, Texans, Buccaneers, Colts, 49ers, Giants und Browns

Teil II: Packers, Redskins, Cardinals, Jets und Bengals

Miami Dolphins (aktuelle Bilanz: 6-9)

Was lief falsch? Hier muss man zurückgehen bis in den vergangenen August, als eine Knieverletzung die Saison für Quarterback Ryan Tannehill beendete, ehe sie überhaupt begonnen hatte. Die Verpflichtung von Jay Cutler, der Head Coach Gase und dessen Offense zumindest in Teilen bereits kannte, war angesichts der Umstände keine schlechte Notlösung - allerdings hätte die nur funktionieren können, wenn das Run Game, die eigentliche Identität der Dolphins in der Vorsaison, das Team wieder hätte tragen können.

Davon war 2017 überhaupt nichts zu sehen. Miamis Offensive Line machte im Run Blocking mehrere Schritte zurück und gehörte hier zum Liga-Bodensatz. Gase traute seiner Offensive Line in der Folge merklich nicht, was in extrem konservativen Game Plans und einer völlig harmlosen Offense resultierte. Der Verlust der eigenen offensiven Identität ebnete dann auch den Weg für den Trade von Jay Ajayi, während Cutler sowie während dessen verletzungsbedingter Zwangspause auch Matt Moore kaum Zählbares beitragen konnten.

Und defensiv? Phasenweise kränkelte die Run-Defense, gelegentlich war auch der Pass-Rush problematisch. Der gemeinsame Nenner: Das Linebacker-Corps ist und bleibt ein Problem in South Beach.

Was bleibt in dieser Saison? Zunächst einmal die Rolle des Spielverderbers: Die Dolphins können mit einem Sieg am Sonntag Buffalos Playoff-Träume endgültig zerstören und die berüchtigte Playoff-Durststrecke des Division-Rivalen verlängern.

Ansonsten bleibt vereinzelte Hoffnung für die Zukunft, Cornerback Xavien Howard hat genauso für Optimismus gesorgt wie Kenyan Drake. Nachdem Ajayi weg war, übernahm Drake zunehmend eine tragende Rolle und seine Vielseitigkeit gab Miamis Offense mehr Tiefe und Flexibilität.

Es bleibt aber auch die Erkenntnis, dass Miami kaum vernünftige Bausteine für die Zukunft hat. Cam Wake hatte eine sehr gute Saison, wird zum Start der 2018er Spielzeit aber 36 Jahre alt sein. Bei aller Qualität, die Ndamukong Suh ohne Zweifel mitbringt, wird Miami über vertragliche Umstrukturierungen nachdenken: Suh belastet den Cap über die nächsten beiden Jahre mit 26,1 und 28,1 Millionen Dollar.

Im Passspiel muss Gase künftig außerdem wieder mehr Mut und Kreativität an den Tag legen, kurze Pässe zu Jarvis Landry sind die einzige echte Konstante.

Wie geht es weiter? Einen radikalen Umbruch wird es in Miami nicht geben, zumindest nicht was den Trainerstab angeht. Doch der Kader braucht in vielen Bereichen dringend Verbesserung: Linebacker, Tight End - der in der Offense von Adam Gase eigentlich eine durchaus prominente Rolle einnehmen kann - sowie Offensive Linemen stehen auf der Prioritätenliste weit oben. Sollte es zu keiner Einigung mit Jarvis Landry kommen, würde Miami Berichten zufolge den Franchise Tag oder zumindest den Transition Tag für den Receiver verwenden.

Und auch auf der Quarterback-Position sind Neuerungen denkbar. Tannehill ist zunächst der klare Starter, kehrt aber auch nach langer Verletzungspause zurück und wird im Sommer 30 Jahre alt. Cutler ist weg, daran zweifelt niemand, und auch der Verbleib von Matt Moore (Vertrag läuft aus) ist alles andere als garantiert.

Oakland Raiders (6-9)

Was lief falsch? Abgesehen von schweren und langfristigen Verletzungen so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann: Die Raiders erfuhren einerseits die erwartbare Regression, nachdem sie in der Vorsaison eine ungewöhnlich knappe Point-Differential sowie eine ungewöhnlich hohe Turnover-Ratio vorwiesen. Andererseits schafften es die Coaches aber auch nicht, das Potenzial des Kaders auch auf den Platz zu übertragen.

Das wiederum lag einerseits an individuell sehr schlechten Auftritten von eigentlichen Säulen wie Derek Carr, Michael Crabtree oder Amari Cooper, bei denen die Raiders hoffen müssen, dass diese Saison tatsächlich ein Ausrutscher und kein Trend war. Andererseits lag es aber auch am Scheme und am Play-Calling: Obwohl die Line noch immer mehr als solide spielte und das Passing Game gleichzeitig eindimensional und extrem anfällig war, setzten die Coaches nicht ansatzweise konstant genug auf den Run - 23,1 Runs pro Spiel, nur Detroit und Miami hatten weniger.

In der Offseason wurde an den vermeintlich entscheidenden Schrauben gedreht: Ein Matchup-Tight-End in Jared Cook, mit Cordarrelle Patterson ein dynamischer Returner und natürlich der "Heimkehrer" Marshawn Lynch als Hammer für eine Offense, der dieses Element 2016 fehlte. Diese Saison hat gezeigt, dass gerade Carr mehr Hilfe vom Scheme und dem Play-Calling benötigt.

Was bleibt in dieser Saison? Wichtige Erkenntnisse, man kann die Raiders-Saison 2017 getrost unter "lehrreiche Erfahrungen" abspeichern. Die Offense muss mehr an Carr angepasst werden und braucht mehr Antworten auf simple defensive Konter-Taktiken. Unter anderem ein besserer Einsatz des Play-Action-Games täte nicht weh.

Defensiv begann die Saison verheerend, hier hat der Coordinator-Tausch schon wahre Wunder bewirkt: Unter Pagano sind die Pressure-Konzepte deutlich effizienter, die Edge-Rusher kommen viel besser zur Geltung und prompt hat sich die Coverage über die vergangenen Wochen gesteigert. Die Rookies Gareon Conley und Obi Melinfonwu kamen in ihrer ersten NFL-Saison verletzungsbedingt kaum zum Einsatz, die Secondary sollte also 2018 ein deutlich anderes Gesicht haben.

Zum Abschluss gibt es immerhin noch die Rolle des Spielverderbers: Mit einem Sieg über die Los Angeles Chargers würde Oakland alle Playoff-Träume des Division-Rivalen begraben.

Wie geht es weiter? Der Ausblick ist bei den Raiders durchaus brisant, denn neben den offensichtlichen, sportlichen Coaching-Schwächen während der Saison soll es auch hinter den Kulissen die eine oder andere Unstimmigkeit gegeben haben. Ein neuer Offensive Coordinator scheint fast garantiert, die Frage ist eher: Gibt es den kompletten Austausch des Trainerstabs?

In welche Richtung es auch geht, die oberste Priorität muss sein, die Offense deutlich innovativer zu gestalten. Hierbei ein weiterer offener Aspekt: Macht Marshawn Lynch weiter, oder muss sofort ein neuer Running Back her? Lynch war auch 2017 wieder einer der besten Running Backs in puncto Yards nach Gegnerkontakt, die Kombination mit der Line funktioniert. Mittelfristig aber muss sich Oakland hier so oder so neu aufstellen.

Dallas Cowboys (8-7)

Was lief falsch? Natürlich stehen hier die Ausfälle ganz oben: Als Linebacker Sean Lee fehlte, war die Defense nicht nur gegen den Run um ein Vielfaches anfälliger und als Left Tackle Tyron Smith passen musste, war die Pass-Protection eine Katastrophe - symptomatisch das Spiel gegen die Falcons, als Adrian Clayborn sechs (!) Sacks gegen Dak Prescott gelangen. Clayborn hatte zuvor in sechs NFL-Spielzeiten genau eine Saison mit insgesamt mehr als sechs Sacks.

In der Berichterstattung wurde beides von der Suspendierung gegen Ezekiel Elliott überschattet, dessen Ausfall natürlich ebenfalls schwer ins Gewicht fiel. Zwar vertrat Alfred Morris Elliott im Run Game sehr gut, das Komplettpaket sowie vor allem Elliotts Rolle als Receiver konnte Morris allerdings nie erreichen. Hierbei aber das noch größere Problem: Das Receiving-Corps, angeführt von einem völlig enttäuschenden Dez Bryant, gehörte in der laufenden Saison ins ligaweit untere Viertel - bestenfalls...

Komplettiert wurde die enttäuschende Saison durch eine sehr schwache Spielzeit von Prescott: Der litt einerseits unter den Ausfällen von Smith und Elliott, spielte aber auch unabhängig davon alles andere als gut. Eine ultra-konservative Herangehensweise gepaart mit größeren Problemen mit Pressure führten zu einigen hässlichen Spielen.

Was bleibt in dieser Saison? Die Ausfälle haben schonungslos die Maske der Cowboys-Offensiv-Schemes runtergerissen. Was darunter zum Vorschein kam, dürfte niemand gefallen. Dallas muss offensiv auch was Play-Calling und vor allem Play-Designs angeht viel mehr Antworten präsentieren können, damit die Offense nicht mehr auf derart wackligen Füßen steht.

Anders gesagt: Die laufende Saison sollte den Cowboys gezeigt haben, dass man mehr Elemente in seine Offense einbauen muss, um flexibler reagieren zu können. Run-Pass-Options, Pre-Snap-Motion, effiziente Downfield-Konzepte und darüber hinaus ein besseres Playbook aus Spread-Formationen heraus, die Prescott merklich eher liegen.

Wie geht es weiter? Sind Dallas' Säulen fit und einsatzbereit, wird dieses Team 2018 allein dadurch schon ein anderes Gesicht zeigen. Sich nur darauf zu verlassen, wäre aber ein Fehler. Die Cowboys werden - so jedenfalls sieht es aktuell aus - ihren Trainerstab nicht austauschen, also muss hier anderweitig mehr Kreativität Einzug erhalten.

Es braucht Linebacker-Alternativen; Lees Verletzungshistorie ist bestens dokumentiert und Anthony Hitchens' Vertrag läuft aus. Sich einfach auf Jaylon Smith zu verlassen, wäre sehr blauäugig. Noch wichtiger aber ist das Receiving-Corps: Dez Bryant muss in der weiteren Planung als Nummer-2-Receiver behandelt werden, Dallas braucht hier mehr Explosivität. Das schließt die Tight-End-Position mit ein.

Detroit Lions (8-7)

Was lief falsch? Mit wenigen Abstrichen könnte man hier die Probleme der vergangenen Jahre einfach einfügen. Die Lions hatten 2016 auffällig viele enge Spiele spät im Schlussviertel noch gewonnen, eine natürliche Regression war hier also zu erwarten. Allerdings hatte Detroit wieder mal nicht den Hauch eines Run Games. 3,4 Yards pro Run bedeuten die rote Laterne, auch weil sich die Offensive Line auf die gesamte Saison gesehen alles andere als gut präsentierte.

Die Folge: Wieder einmal ruhten alle Hoffnungen auf Matthew Stafford, ohne Alternativplan. Der war gut genug, um auch diese Saison mindestens mit einer ausgeglichenen Bilanz abzuschließen, doch fehlt in diesem Kader schlicht in Schlüsselpositionen das Talent: im Pass-Rush, in der Offensive Line, generell in der defensiven Front Seven. Das führte auch dazu, dass Detroit in der Run Defense immer wieder riesige Probleme hatte.

Was bleibt in dieser Saison? Mit dem Saison-Abschluss gegen Brett Hundleys Green Bay Packers mutmaßlich wieder eine positive Bilanz und ein Team, das eher über als unter dem eigenen Talent-Level agiert hat.

Mit Darius Slay und vor allem Matthew Stafford verfügt Detroit auf beiden Seiten des Balls über je einen Ausnahme-Spieler und vor allem Staffords Entwicklung über die letzten Jahre in Jim Bob Cooters Offense ist beachtlich. Dass es die Lions aber schlicht nicht schaffen, Stafford endlich ein Run Game zur Seite zu stellen, ist kaum zu rechtfertigen.

Wie geht es weiter? Spannende Frage - denn Detroit wird längst als möglicher Kandidat für einen Head-Coaching-Wechsel gehandelt. Jim Caldwell hat solide Ergebnisse vorzuweisen, umso mehr, wenn man die Baustellen im Kader bedenkt. Doch einige seiner Entscheidungen im Spielverlauf sind höchst fragwürdig und um aus Staffords Prime mehr herauszuholen, ist es durchaus denkbar, dass Geschäftsführer Bob Quinn schließlich doch seinen eigenen Kandidaten einsetzen will.