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Die Seattle Seahawks vor dem Umbruch - das Ende einer Ära?

Die Seattle Seahawks stehen 2018 möglicherweise vor einem tiefgreifenden Umbruch
© getty

Die Seattle Seahawks stehen nach der deutlichen 7:42-Pleite gegen die Los Angeles Rams am Sonntag unmittelbar vor dem Ende aller Playoff-Träume. Die in Form von Verletzungen nicht aufhörenden Tiefschläge forderten schließlich ihren Tribut, während die Offense altbekannte Probleme offenbarte. Und so stellt sich vor einer möglicherweise turbulenten Offseason die Frage: Geht in Seattle gerade eine große Ära zu Ende?

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Wenn die Seahawks in den vergangenen Jahren - man kann da getrost zumindest bis 2013 zurückgehen - ein kritisches Heimspiel spät in der Saison hatten, waren zwei Dinge eigentlich klar: Das Stadion würde ausrasten. Und, in den allermeisten Fällen, würde Seattle das Spiel irgendwie gewinnen.

Nicht unbedingt immer schön oder überzeugend, aber geprägt von riesigem Ehrgeiz, unglaublichem auch internen Wettkampf, einer spektakulär besetzten, dominanten Defense und einem Quarterback, der einen Defensive Coordinator mit seinen unkonventionellen Plays in den Wahnsinn treiben kann.

Vor einigen Wochen hatte man dieses Gefühl nochmals, als Seattle die Philadelphia Eagles zur Primetime zuhause schlug. Die Seahawks trotzten der besten Defensive Front der Saison trotz ihrer löchrigen Offensive Line, sie hielten defensiv trotz der schon damals namhaften Ausfälle - allen voran Kam Chancellor und Richard Sherman - gegen die Big-Play-Offense der Eagles stand.

Die Pleite gegen die Rams am Sonntag lässt dieses Spiel jedoch weit im Rückspiegel erscheinen, Seattles Playoff-Hoffnungen hängen am seidenen Faden. Es droht das erste Jahr mit Russell Wilson, in dem die Seahawks die Playoffs verpassen.

Und möglicherweise auch ein weitreichender Umbruch nach der Saison.

Deutliche Worte - wie immer in Seattle

Head Coach Pete Carroll nahm nach der Niederlage gegen die Rams, die so deutlich war, wie es das in Seattle unter Carroll noch nie gegeben hatte, kein Blatt vor den Mund. Man sei offensiv "nicht in der Lage gewesen, eine Antwort zu geben", stellte Carroll mit Blick auf die frühe Führung des Division-Rivalen unmissverständlich klar. "Das hat es ihnen erlaubt, den Pass-Rush so anzukurbeln, wie sie es wollten. Und es hat ihnen erlaubt, ihr Run Game aufzuziehen."

Carroll fuhr weiter fort und betonte, dass Wilson nach der Pleite in Jacksonville zuvor im zweiten Spiel in Folge bei seinen Pässen nicht genau genug war. Und er erklärte offen, dass es "enttäuschend und frustrierend" sei, zu sehen, dass Jimmy Graham über die letzten beiden Partien insgesamt fünf Targets und einen Catch für -1 Yard auf dem Konto hat: "Wir brauchen ihn in einer aktiven Rolle, und wir brauchen ihn darin definitiv früher."

Diese klare Aussagen passen zu einem Team, dessen Kern man bei einer Bewertung der Situation verstehen muss. Wie bei keiner anderen Franchise werden in Seattle Spieler dazu ermutigt, ihre eigene Meinung zu haben und zu vertreten. Bedingungslos offene Kommunikation auch nach außen hin wird groß geschrieben, das wurde bei den Trade-Gerüchten rund um Richard Sherman im Frühjahr wieder deutlich. Das führt zu einer Ansammlung starker und ganz eigener Charaktere, insbesondere in der Defense.

Es ist auch ein Grund für die Erfolge dieses Teams in den vergangenen Jahren. Und es führt bisweilen dazu, dass der selbst im Training bemerkbare extreme Siegeswille innerhalb der Seahawks hochkocht. So auch am Sonntag, als Earl Thomas öffentlich hinterfragte, ob Bobby Wagner angesichts seiner Oberschenkelblessur hätte spielen sollen - und der kurzerhand mit einem giftigen Tweet zurückschoss. Carroll spielte den Vorfall zum Wochenbeginn prompt herunter.

Seattles Offense: Die O-Line und das Run Game

Der aus dem Frust über die Niederlage entstandene Zwist der Defense-Säulen ist in jedem Fall nicht die Geschichte, die Seattle aus dem Spiel gegen L.A. mitnehmen sollte. Eher die Tatsache, dass der eigene Pass-Rush zum wiederholten Male in der laufenden Saison wackelte. Dass die Run-Defense mit einem angeschlagenen Wagner und ohne den verletzten K.J. Wright von Todd Gurley zerlegt wurde. Und dass - hier beginnt der Blick auf den möglichen Umbruch - die Offense wieder einmal massiv inkonstant auftrat.

Sieben Sacks kassierte Wilson gegen die Rams, bei 61 Prozent seiner Dropbacks kreierte die Defense Pressure. Guard Luke Joeckel, in der Offseason einer der größten Seahawks-Neuzugänge, erlaubte dabei zwei Sacks, zwei Hits und drei Hurries, und der während der Saison via Trade verpflichtete Duane Brown hatte sein schlechtestes Spiel im Trikot der Seahawks. Carroll erklärte Anfang der Woche prompt, dass die Trades für Brown und Sheldon Richardson "bisher noch nicht" so funktioniert haben, wie es sich das Team erhofft hatte.

Seattles Offense, die erst über die 49-Yard-Line der Rams kam, als es schon 0:40 stand, mangelt es zu häufig an einem konkreten Plan. Auch weil die Offensive Line das meist verbietet. Stattdessen scheinen die Seahawks häufig darauf zu setzen, dass Wilson in und vor allem außerhalb der Pocket ein Spiel mehr oder weniger alleine gewinnen kann. Regelmäßig sucht man eine klare Identität auf dieser Seite des Balls.

Das Run Game sollte diese Identität eigentlich sein, Carroll hatte vor der Saison betont, dass man hier wieder "voll attackieren" wolle. Seattle hatte viele der Offensiv-Probleme, welche die laufende Saison charakterisieren, bereits im Vorjahr offenbart. Damals hatten die Seahawks erstmals seit 2012 wieder unter 500 Rushing-Versuche, und das drastisch: Lediglich 403 Runs standen am Ende zu Buche.

Das wurde von Team-Seite aus öffentlich angeprangert, Verletzungen und Enttäuschungen im Backfield sowie eben die Line verhindern aber, dass das Run Game die Offense tragen kann. Aktuell sind die Seahawks auf Kurs für 408 Runs.

Seahawks: Muss Jimmy Graham gehen?

Es steht außer Frage, dass offensiv etwas getan werden muss. Die Seahawks haben in den vergangenen Jahren (Joeckel, Brown, Germain Ifedi) durchaus Ressourcen in die Line gesteckt, die Erfolge sind dabei mehr als mäßig. Das liegt möglicherweise auch an der generellen Ausrichtung der Offense, die sich mit der Verpflichtung von Graham philosophisch geändert hat. Und das nicht nur, weil im Gegenzug Center Max Unger abgegeben und die Line so an einem kritischen Punkt enorm geschwächt wurde.

Damals machte man bewusst einen Schritt weg vom Run Game, hin zu mehr Fokus auf das Passspiel - nur um es dann für eine ganze Weile nicht zu schaffen, Graham vernünftig in die Offense einzubinden. Das gelang dieses Jahr zumindest als Red-Zone-Threat, Graham steht bei neun Touchdowns und ist eine der besten Red-Zone-Waffen dieser Saison. Auf der anderen Seite aber steht er auch nur bei 8,9 Yards pro Catch (Karriere-Tiefstwert) und ist über die vergangenen drei Wochen mit 0,31 Yards pro gelaufener Route völlig abgetaucht.

Grahams Vertrag läuft nach der Saison aus, er kassiert in der laufenden Saison zehn Millionen Dollar und ist inzwischen 31 Jahre alt. Bei allen Qualitäten in der Red Zone könnte Seattle hier wieder eher auf vielseitigere Tight Ends setzen, um im Run-Blocking zuzulegen. Die Seahawks haben keinen Marshawn Lynch mehr, der mit absurden Stats in puncto Yards nach Gegnerkontakt und Forced Missed Tackles Line-Schwächen ausgleichen konnte. Dementsprechend besser muss die Offensive Line funktionieren.

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