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Vikings, Titans, Dolphins und Co.: Preseason analysiert
Die Preseason ist generell mit Vorsicht zu genießen, meist kann man nur sehr vereinzelte Schlüsse daraus ziehen. Das gilt taktisch, genau wie individuell und beides kann man nicht oft genug betonen.
Trotzdem fallen einige Dinge beim genaueren Betrachten der Spiele auf. Sei es eine wiederkehrende Formation, klare Veränderungen im Vergleich zur vergangenen Saison oder schlicht neue Elemente.
Um einige dieser Tape-Takeaways aus Week 1 der Preseason geht es im folgenden Abschnitt, teilweise auch in Anlehnung an respektive als Fortsetzung der in der vergangenen Woche aufgezeigten Konzepte.
Los geht es bei den Vikings und deren Spiel gegen Denver. Kirk Cousins' erste Kostprobe im neuen Trikot war insgesamt eindrucksvoll effizient und unaufgeregt, wenngleich er natürlich von zwei langen Runs von Latavius Murray profitierte.
Doch auch das Play-Calling war gut, Minnesota arbeitete - wie es Cousins liegt - viel mit Play Action, außerdem setzte der neue Offensive Coordinator John DeFilippo den Fullback als Matchup-Waffe im Passspiel ein und Cousins' Verständnis mit Stefon Diggs wirkte schon eindrucksvoll fortgeschritten.
Hier sehen wir den Touchdown-Pass von Minnesotas neuem Quarterback, und wir sehen ein Goal-Line-Konzept, wie es sich ein Quarterback wünscht. Minnesota arbeitet hier mit Switch-Konzepten, auf beiden Seiten läuft der Outside-Receiver eine nach innen gerichtete Route und der Slot-Receiver nach außen weg.
Der Effekt daraus: Die tieferen Routes aus dem Slot ziehen die Coverage mit sich und kreieren einen Rub-Effekt, da der jeweils äußere Cornerback am Slot-Receiver vorbei muss, während er versucht, die nach innen gerichtete Route des Outside-Receivers zu verfolgen. Bei Diggs (unterer Bildrand) klappt das nicht, ein einfacher Touchdown. So hilft man seinem Quarterback.
Die Miami Dolphins: Endlich eine offensive Identität?
Die Dolphins derweil suchen noch immer nach einer konstanten Offense-Identität unter Adam Gase. Aktuell bekommt man zumindest eine Idee, wo die Reise hingehen könnte:
Gase will bei First und Second Down werfen, in der vergangenen Saison war das Play Action Spiel einer der wenigen Lichtblicke in der Dolphins-Offense. In der Folge war 12-Personnel - also eine Formation mit zwei Tight Ends - Miamis produktivste Aufstellung mit im Schnitt 5,6 Yards pro Play.
Und was sehen wir beim ersten Play der neuen Dolphins-Saison? Play Action bei First Down aus 12-Personnel, wobei einer der beiden Tight Ends - MarQueis Gray - zunächst noch blockt und Mike Gesicki daneben (beide am unteren Bildrand) sofort, seinen Qualitäten gemäß, in die Route startet.
Gesicki, um den es schon seit dem Camp-Start jede Menge Hype gibt, war dabei generell nicht nur mit den Startern auf dem Feld; Gase setzte ihn ganz bewusst vielseitig ein und ließ ihn mehrfach blocken. Die Dolphins waren dann viel in 11-Personnel und das werden wir wohl auch in der Regular Season häufiger sehen - mit Gesicki kann das wie ein 4-WR-Set gespielt werden.
Damit er aber den Matchup-Faktor weiter mitbringt, muss er sich als Blocker noch weiter verbessern, auch wenn er hier schon überraschte und einige sehr gute Plays als Blocker hatte. Eine seiner wichtigsten Rollen in der Dolphins-Offense könnte aber die des X-ISO-Receivers sein:
Hier sieht man ein klassisches Beispiel dafür. Der X-ISO-Receiver ist zunächst einmal schlicht ein auf einer Seite der Formation isoliert aufgestellter Receiver, mit den anderen Passfängern im Backfield oder auf der anderen Seite. So soll dem X-ISO-Receiver ein klarer Gegenspieler und idealerweise ein vorteilhaftes Matchup verschafft werden.
Der Trend, einen Tight End für diese Rolle zu nutzen, kam bereits vor einigen Jahren auf - bedingt auch durch den Spieler-Nachschub aus dem College, das immer mehr Pass-Catching-TEs aus den Spread Offenses in die NFL schickte. "Y-ISO", wie die Formation mit Blick auf den Tight End auch heißt, wurde zuletzt über mehrere Jahre prozentual kontinuierlich häufiger genutzt.
Gase war bereits in Denver ein großer Fan davon, den Tight End so einzusetzen und die Vorteile liegen auf der Hand: Bereits durch die Grund-Formation - steht ein Safety oder gar ein Linebacker outside dem Tight End gegenüber, oder ein Cornerback? - kann man erste Schlüsse auf die Coverage ziehen.
Gesicki ist der wohl beste Receiving-Tight-End dieser Klasse und Gase wird alles daran setzen, dieses Mismatch auszunutzen.
Die Titans und die Raiders: Endlich eine (moderne?) Handschrift
Eine Offense, die mit Spannung erwartet wird, ist die der Titans. Unter dem neuen Offensive Coordinator Matt LaFleur soll der Sprung in die Moderne gelingen, und das Spiel gegen Green Bay zeigte einige gute Ansätze.
Tennessee zeigte gute Route-Kombinationen, viele Outside Zone Runs und bereits eine gute Dosis an Play-Action-Pässen. Darüber hinaus war auch die erhoffte Vielfalt zu sehen, die Titans agierten genauso aus 21-Personnel mit blockendem Fullback heraus, wie sie 5-Wide spielten.
Mariotas Touchdown-Pass war ein gutes Beispiel dafür, wie ein Red-Zone-Play aussehen und Mariota helfen kann: Ein isolierter Receiver auf der einen Seite der Formation, der Mariota einen potentiell einfachen Read gibt. Auf der anderen Seite eine Rub-Route, um dem Outside-Receiver Platz zu verschaffen.
Dabei läuft der Slot-Receiver eine Out-Breaking-Route, der innen postierte Receiver bindet einen Verteidiger in der Mitte - und der Outside-Receiver läuft die In-Breaking-Route, die von diesen beiden anderen Laufwegen profitiert. Ähnlich wie beim Vikings-Beispiel zu Beginn.
Der letzte Blick geht nach Oakland, wo Jon Grudens NFL-Rückkehr die Headline war. Und generell kann man sagen: es war die Handschrift, die man erwarten konnte.
Kurzpassspiel, Levels-Konzepte, Mesh/Wheel-Kombinationen, ein Fokus auf Yards nach dem Catch und ein Timing-Passspiel - die West Coast Offense eben. Im Vergleich zu Teilen der vergangenen Saison war ein klares Scheme, eine Handschrift erkennbar und etwa die Art und Weise, wie Gruden Martavis Bryant bereits einsetzte und wie er Marshawn Lynch durch das Outside-Zone-Blocking half, sollte-Raiders Fans zumindest ein bisschen optimistischer stimmen.
Paxton Lynchs Zeit in Denver ist vorbei
Wenn man sich auf einen großen Verlierer aus Week 1 der Preseason festlegen müsste - für mich wäre es Paxton Lynch.
Nicht (nur), weil er von den eigenen Fans ausgepfiffen wurde und auch nicht (nur), weil spät im Spiel die Broncos-Fans den Namen von Lynchs Konkurrent Chad Kelly skandierten.
Es reicht der Blick auf die sportliche Seite der Dinge.
Lynch geht jetzt in seine dritte NFL-Saison, und zumindest auf Tape ist so gar kein echter Fortschritt erkennbar. Das war auch gegen die Vikings so, als er regelmäßig seine Receiver mit seinen Pässen entweder direkt in die Arme von Minnesotas Verteidigern leitete, oder aber Pässe auf wirklich kurze Distanz in den Rücken beziehungsweise außerhalb der Reichweite seines Ziels warf.
Er wirkt noch immer überhastet, nimmt die Augen zu schnell runter und steckt so Sacks ein, statt offene Mitspieler zu bedienen. Er ist immer noch ungenau und wirkt teilweise schlicht verloren auf dem Platz. Kelly agierte anschließend viel ruhiger und sicherer aus der Pocket heraus.
Broncos-Coach Vance Joseph hat nach dem Spiel bereits angedeutet, dass Kelly jetzt mehr Snaps mit dem zweiten Team bekommen könnte. Lynch befindet sich auf extrem dünnen Eis, und sein Spiel lässt in keinster Weise darauf schließen, dass er plötzlich doch einen Schalter umlegen kann.
Der einstige Erstrunden-Pick, für den Denver im Draft vor erst zwei Jahren noch innerhalb der ersten Runde nach oben getradet hatte und den die Cowboys damals unbedingt wollten, ist auf bestem Wege, einer der größeren Busts der vergangenen Jahre zu werden und sich noch vor der Saison ohne Team wiederzufinden.