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Seattle Seahawks: Power-Erfolg gegen die Vikings
Die Seahawks und ihre alljährlich gescholtene Offensive Line überraschten am Wochenende: In Minnesota lief Seattle für 4,25 Yards pro Run und hatte darunter auch einige sehr gute Szenen gegen die Starting-Vikings-Front. Aber warum eigentlich?
Einige Elemente fielen auf: Die Seahawks nutzten Fakes, um die Defense in die Breite zu ziehen, etwa angetäuschte End-Arounds. Seattles Play-Calling, über das in der Offseason schon viel diskutiert wurde, ergänzte das: Play Action und reguläre Pässe bei 1st&10, um die Defense offen zu halten etwa.
Seattle war in der Lage, gegen 7-Men-Boxes einige seiner erfolgreichsten Runs des Abends hinzulegen. Etwa den 11-Yard-Run von Davis, der längste Run des Tages für beide Teams:
Es ist ein klassisches Power-Konzept: Mit einem Pull-Block durch den Left Guard, ansonsten hat jeder einen direkten Gegenspieler. Die Blocks sind so designed, dass der Puller im Idealfall gleich den beiden Spielern auf der linken Seite der Defensive Line im Weg steht und so ein nummerisches Übergewicht erzielt wird.
Das klappte bei Davis' Run, genau wie etwas später beim Touchdown von Carlson: Im Prinzip ist es das gleiche Konzept, mit leicht verändertem Second-Level-Blocking.
Die Seahawks waren über Jahre eines der strikteren Zone-Blocking-Teams der Liga, mit einer West-Coast-Prägung im Passspiel. Beides wird jetzt signifikant verändert, mit mehr vertikalen Aspekten im Passspiel und mehr Power-Elementen im Run-Blocking. Letzteres war gegen Minnesota mehrfach eindrucksvoll zu sehen.
Seattles Coach Pete Carroll hatte schon im Vorjahr gesagt, dass er wieder stärker auf das Run Game setzen will. Die Vorgabe klappte nicht, für die kommende Saison hat er sich das abermals auf die Fahne geschrieben - und auch deshalb Brian Schottenheimer als neuen Offensive Coordinator geholt. Stilistisch war das dritte Preseason-Spiel ein passender Vorgeschmack für das, was Seahawks-Fans 2018 erwarten können.
Seahawks: Rushing-Stats über die vergangenen Jahre:
Jahr | Run-Versuche | Liga-Platzierung Runs | Yards pro Run |
2017 | 409 | 20 | 4,0 |
2016 | 403 | 20 | 3,9 |
2015 | 500 | 3 | 4,5 |
2014 | 525 | 2 | 5,3 |
2013 | 509 | 2 | 4,3 |
2012 | 536 | 1 | 4,8 |
2011 | 444 | 15 | 4,0 |
Die neuen Carolina Panthers - eine Hybrid-Story
Als Carolinas neuer Offensive Coordinator Norv Turner vor einigen Wochen angekündigt hatte, dass er Cam Newton zu einer höheren Completion Percentage verhelfen wolle - Newton steht in seiner NFL-Karriere bei knapp 60 Prozent und knackte die 60-Prozent-Marke seit vier Jahren nicht mehr -, war die erste Reaktion ein fragender Blick.
Nicht nur steht Turners Air Coryell Offense für tiefe Dropbacks und ein ausgeprägtes vertikales Passspiel, auch Cams größte Qualität ist fraglos das Downfield-Passing-Game - und nicht das Kurzpass-Timing-Passspiel, dafür fehlen ihm die Genauigkeit und auch oftmals der Rhythmus im Passing Game.
Und dennoch beendet Newton - davon ausgehend, dass er in Week 4 nicht zum Einsatz kommen wird - die (mit Vorsicht zu genießende) Preseason mit 68,4 Prozent angekommenen Pässen, darunter 11/17 gegen die Patriots im dritten Preseason-Spiel.
Schaut man sich das Tape an, sieht man einige Tendenzen, wie Turner Newton mehr Checkdowns ermöglicht. Auch ohne, dass er regelmäßig 3-Step-Dropbacks mit Timing-Pässen wirft.
Dazu gehörte unter anderem: viel Motion, um Newton die Pre-Snap-Reads zu erleichtern. Vielseitige Personnel-Groupings und Formationen, um der Defense die Arbeit zu erschweren. Ein deutlich verbessertes Inside Run Game. Und vor allem: Route-Kombinationen, die Newton einfache Targets geben.
So gegen die Patriots mehrfach zu sehen, etwa bei der oben abgebildeten Third-Down-Conversion: Die Downfield-Route des Tight Ends räumt den Weg frei für den Receiver, der einen tieferen und somit einfacheren Release hat.
Newton muss nur lange genug in der Pocket standhalten und hat dann einen freien Receiver zu seiner rechten Seite, den er denkbar einfach bedienen kann.
Ein ähnliches Bild gab es einige Minuten später:
Dieses Mal ist es ein Mesh-Konzept über die Mitte, mit zwei aufeinander zulaufenden Routes. Das kann gegen Zone Coverage leicht Verwirrung in der Zuteilung stiften, gegen Man Coverage müssen die jeweiligen Cover-Spieler meist aneinander vorbei navigieren, um ihren Gegenspieler quer über das Feld zu verfolgen.
In dem Fall spielen die Patriots eine tiefere Zone Coverage und Newton hätte die Möglichkeit, beide Underneath-Receiver zu bedienen. Das Konzept funktioniert gut zusammen mit der Seam-Route des Tight Ends, den Newton letztlich hier auch anspielt.
Es sind nur einige Ausschnitte, aber es sind Ausschnitte, die Panthers-Fans Mut machen können. Auf eine effizientere Offense, in der gerade die Line-Defizite besser ausgeglichen werden. Und in der Option- und Read-Elemente ebenfalls äußerst präsent sind, so dass Newtons Stärken als Runner eine zentrale Rolle einnehmen.
Fun Factor: Die Play-Designs der Kansas City Chiefs
Bereits vor einigen Wochen hatte ich die Screen-Play-Designs der Chiefs beschrieben und gelobt, und gegen Chicago konnte man schnell wieder sehen, wo Kansas City explosive Plays herbekommt, auch ohne den Ball tief zu werfen.
Man musste sich nur das erste Play der Chiefs-Offense anschauen:
Kein Coach ist in der NFL aktuell besser darin, Misdirection-Konzepte zu entwerfen. Mahomes täuscht hier die Ballübergabe zu Kareem Hunt an, quasi im gleichen Moment erhält Tyreek Hill den Ball. Darauf aufbauend gibt es dann ein Blocking-Konzept wie bei einem regulären Run, mit Travis Kelce als Lead-Blocker vor Hill.
Kansas Citys Speedster holt dabei 28 Yards raus, und derartige Plays geben den Chiefs noch mehr als das: Reid kann darauf aufbauend weitere Fakes einbauen, der Quarterback kann beispielsweise einen Verteidiger lesen und dann entscheiden, ob Hunt oder Hill den Ball erhält, Hill kann als Ablenkung eingesetzt werden und so weiter.
Das andere auffällige Play der Starter war der Touchdown-Pass zu Hunt, der stark an die ausgeprägten Screen-Designs erinnerte:
Mahomes liest hier den Blitz korrekt und weiß, dass Hunt sein Hot Read ist - das macht die Szene aus der Perspektive des Quarterbacks einem Screen ähnlich. Weil der Linebacker auf Hunts Seite der Blitzer ist, muss der andere Linebacker in Man Coverage (die Cover-Zuteilungen sind farblich markiert) mehr Yards zurücklegen, um auf die andere Seite zu kommen.
Das verhindern die Route-Kombinationen durch den Receiver und den Tight End, beide versperren dem Linebacker den Weg und ziehen gleichzeitig die Verteidiger von der Seite mit sich. In der Folge sieht es nach einem großen Coverage-Bust aus und Hunt läuft scheinbar ungedeckt und entspannt in die Endzone.
Kansas Citys Offense wird auch 2018 wieder jede Menge Spaß machen. Allerdings wird sie auch konstant punkten müssen, denn die Probleme in der Defense und ganz besonders in der Coverage werden die Chiefs die ganze Saison über begleiten.
Die Jaguars müssen bei Blake Bortles vorsorgen - jetzt!
Wenige Dinge im Sport sind so vergänglich wie ein Titelfenster in der NFL. Irgendwann muss man entweder den Quarterback teuer bezahlen, oder die Leistungsträger in der Defense. Oder man hat zwei unterdurchschnittliche Drafts und der günstige Talent-Nachschub bleibt plötzlich aus. Oder aber die Spieler, die das Team im einen Jahr noch tragen, bauen plötzlich altersbedingt rapide ab und der Leistungsabfall kann nicht aufgefangen werden. Möglichkeiten gibt es genug.
Die Jaguars befinden sich gerade in einem solchen Titelfenster, dank einer herausragenden Defense, die bis an die Zähne bewaffnet ist. Die Defensive Line für sich betrachtet gehört schon in die ligaweite Top-5, Jalen Ramsey und A.J. Bouye bilden das beste Cornerback-Duo der NFL und Telvin Smith gemeinsam mit Myles Jack eines der explosivsten Linebacker-Duos.
Aber guess what? Yannick Ngakoue, vielleicht schon jetzt der beste Pass-Rusher des Teams, geht 2019 in das letzte Vertragsjahr seines Rookie-Deals, genau wie Myles Jack. Ramsey ebenfalls, wobei der über die Option auf das fünfte Vertragsjahr zumindest 2020 noch gehalten werden könnte. Die allerdings wird für einen Top-5-Pick ebenfalls nicht günstig. Campbell indes wird in wenigen Tagen 32 Jahre alt.
Mit anderen Worten: Wenn wir vom Titelfenster der Jaguars sprechen, dann kann es sehr gut sein, dass wir über nicht mehr als die nächsten beiden Spielzeiten reden. Und die Jaguars sind gerade auf bestem Wege, sich dieses Titelfenster selbst zu schließen.
Dieses Team ist so aufgebaut, dass es von seinem Quarterback keine Wunderdinge benötigt. Eher bräuchte es einen sicheren Game Manager, der sich so wenige Turnover wie möglich leistet, gute Field-Position garantiert, das Run Game ergänzt und der Defense eine Chance gibt. Blake Bortles ist gewissermaßen das Gegenteil: Der inkonstanteste Quarterback in der NFL, mit teilweise spektakulären Hochs genau wie dramatischen Tiefs.
Letzteres zeigt sich gerade in der Preseason mal wieder.
Gegen Atlanta warf Bortles erneut eine Interception über die Mitte, weil er den (freien) Underneath-Verteidiger nicht lesen kann - wie schon gegen Minnesota, wo er mehrere solcher Würfe hatte und nur einer abgefangen wurde.
Er hätte einen weiteren Pick haben müssen, als er einen langen Ball einfach in Double Coverage und außerhalb der Reichweite seines Receivers feuerte und noch einen, als er unter Druck den Ball erst ewig hielt und dann noch versuchte, ihn in letzter Sekunde zu einem Receiver zu bringen - und das war alles im ersten Viertel.
Mit Bortles tragen die Jaguars Woche für Woche eine tickende Zeitbombe auf der wichtigsten Position mit aufs Feld, und noch immer sind die Szenen präsent, als sie ihren Quarterback im Championship Game letztes Jahr so dringend verstecken wollten, dass sie das Spiel verloren. Jacksonville benötigt mehr Stabilität von seinem Quarterback und kann dafür auf die Höhen, die Bortles letztes Jahr während einer dreiwöchigen Episode zeigte, verzichten.
Lange Rede, kurzer Sinn: kein Team sollte die Jets häufiger wegen eines Bridgewater-Trades anrufen.