NFL: Bortles, Manning und Co.: Quarterback Karussell - wer braucht 2019 einen neuen QB?

Von Adrian Franke
08. November 201810:03
Mehrere Teams sollten sich zeitnah auf die Suche nach einem neuen Quarterback begeben.getty
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Die NFL-Saison befindet sich in der zweiten Saisonhälfte, und das bedeutet auch: ein ehrlicher Blick in den Spiegel ist angesagt. Für manche schweift der Fokus bereits Richtung Free Agency und Draft ab, andere kämpfen noch in dieser Saison. Bei mehreren Teams wird aber immer klarer: Ein neuer Quarterback muss her! SPOX beleuchtet die wackligsten und potentiell interessantesten Quarterback-Situationen in der NFL.

Die Wochen unmittelbar vor dem Start der laufenden Saison waren ungewöhnlich: Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit schien die Quarterback-Situation mit Blick auf alle 32 Teams so stabil, wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr.

Alle Franchises hatten entweder einen klaren Superstar-Quarterback wie Brady, Rodgers, Brees, Rivers, Ryan oder Roethlisberger, einen jungen, aufstrebenden Quarterback wie Wentz, Goff oder Watson, einen etablierten Starter - etwa Dalton, Cousins, Tannehill oder Alex Smith - oder sie hatten einen ganz jungen (Quasi-)Rookie, zu denen man Patrick Mahomes noch dazugezählt hätte. Und selbst Fragezeichen wie eben jener Chiefs-QB oder auch Andrew Luck entwickelten sich mehr als nur positiv.

Natürlich war nicht jede einzelne der 32 QB-Situationen perfekt; zumindest aber konnte jedes Team Argumente auflisten, warum man für den Moment auf der Position keinen Handlungsbedarf sieht. Eine Seltenheit in der NFL und dementsprechend sollte dieser Eindruck auch nicht lange Bestand haben.

So gibt es zum Start in die zweite Hälfte dieser Regular Season gleich mehrere Teams, bei denen klar scheint: Ein neuer Starting-Quarterback muss her - und das eher früher als später.

Quarterbacks: Buccaneers, Cowboys, Raiders - Entscheidung vertagt?

Es gibt einige sehr spannende Teams, bei denen die Situation noch offen ist und der jeweilige Starter spätestens 2019 auf dem ganz heißen Prüfstand stehen wird. Keine Franchise passt in diese Beschreibung wohl besser als die Tampa Bay Buccaneers: Beim Turnover-anfälligen Jameis Winston traf nach abgesessener Sperre das Worst-Case-Szenario aus Bucs-Sicht ein; Winston spielte so schlecht, dass der um seinen Job kämpfende Head Coach Dirk Koetter gezwungen war, Ryan Fitzpatrick wieder starten zu lassen.

Kurzfristig eine verständliche Entscheidung - zumindest mittelfristig ist Winston eher die Antwort. Das schien sich in der zweiten Saisonhälfte des Vorjahres endlich zu bewahrheiten, dann kam diese Saison. Was wäre also ein wahrscheinliches Szenario? Tampa kann Winston nächstes Jahr noch über die Option über das fünfte Jahr seines Rookie-Vertrags halten und würde den Cap dafür mit 20,9 Millionen Dollar belasten, für einen Starting-Quarterback immer noch akzeptabel.

Wahrscheinlich ist, dass es nach dieser Saison einen neuen Trainerstab in Tampa gibt, der dann ein Jahr gemeinsam mit Winston bekommt. Geht es schief, gibt's einen neuen Quarterback 2020. Falls Winston 2019 noch ein Buccaneer ist, spielt er ohne jede Frage um seinen Job.

Theoretisch wäre das eine auch in Dallas denkbare Möglichkeit, in einer absolut außergewöhnlichen Situation: Dak Prescott hatte seine mit Abstand beste Saison als Rookie, seither hat er sich deutlich verschlechtert. Das ist zum Teil durch äußere Umstände erklärbar, ist aber auch individuell, was Prescotts Spiel betrifft, der Fall - gerade für einen Quarterback eine schwer greifbare Entwicklung, die Prognosen über Prescotts Zukunft erschwert.

Teambesitzer Jerry Jones hat zum Wochenbeginn (warum auch immer) öffentlich bekannt gegeben, dass Prescott einen neuen Vertrag erhält, insofern sind die Cowboys hier mit einem Sternchen versehen. Prescotts Entwicklung ist aber zumindest besorgniserregend.

Bei Raiders-Quarterback Derek Carr ist es gar nicht mal die individuelle Entwicklung, sondern eher die gleichbleibenden Probleme und die starke Abhängigkeit von den Umständen, die auffallen. Selbst 2016, in seiner besten NFL-Saison bislang, hatte er Probleme mit Pressure - ein extrem schnelles Kurzpassspiel und eine sehr gute Offensive Line sorgten aber dafür, dass er sehr häufig aus einer sauberen Pocket agieren konnte.

Diese Thematik zieht sich wie ein roter Faden durch Carrs Karriere, und wer Jon Grudens radikalen Umbruch in Oakland beobachtet, der kann sich schon fragen: wie sehr hängt er an Carr? Oder sieht er ihn doch eher als Übergangslösung, bis er im Draft nächstes oder übernächstes Jahr seinen Wunsch-QB findet?

Der 27-Jährige hat zwar noch einen Vertrag bis einschließlich 2022, die Raiders könnten ihn aber ab nächstem Jahr sehr günstig (Dead Cap: 7,5 Millionen 2019, dann 5 Millionen, dann 2,5 Millionen) entlassen und es erfordert nicht allzu viel Phantasie, sich ein entsprechendes Szenario vorzustellen.

Für manche Teams ist die Thematik aber noch viel akuter. Wo könnten beziehungsweise sollten wir bereits in der kommenden Saison einen neuen Starting-Quarterback sehen?

QB-Suche: Jacksonville Jaguars

Aktueller Starter:Blake Bortles.

Vertragssituation: Vertrag bis einschließlich 2020. Cap Hit 2019: 21 Millionen Dollar. Dead Cap bei Entlassung nach dieser Saison: 16,5 Millionen Dollar.

Die Situation: Die altbekannte Situation - Bortles ist Bortles. Das bedeutet vor allem: Inkonstanz pur, in allen nur denkbaren Extremen. Bortles hat jedes Jahr gute bis teilweise herausragende Spiele drin, dieses Jahr ganz konkret die Partie gegen die Patriots in Week 2. Nur eine Woche später legte er gegen Tennessee aber eine Bruchlandung hin.

Dieses Muster lässt sich jedes Jahr erneut verfolgen, letzte Saison etwa war er über drei Wochen gegen Indianapolis, Seattle und Houston herausragend - eingerahmt von furchtbaren Spielen in Arizona und San Francisco, gegen zwei Teams, für die es um nichts ging. Bortles hat Spiele, in denen er gegnerische Blitze zerstört und dann hat er wieder Spiele, in denen er 3-Yard-Screens nicht an den Mann bringt.

Wurfmechanik genau wie Reads und einhergehend damit scheinbar sein Spielverständnis sind nicht ansatzweise auf dem Level, das man sich von einem Starting-Quarterback in seiner fünften Saison wünscht und der Punkt ist: Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der bald 27-Jährige irgendwann einen Schalter umlegt. Viel wahrscheinlicher ist, dass Bortles dieser in jeder Hinsicht inkonstante Quarterback bleibt, der er seit jeher ist. Und die Jaguars haben mehr als genug Zeit und Ressourcen in dieses Experiment gesteckt.

Was passiert 2019?2020 schließt sich voraussichtlich das Titelfenster für dieses Jaguars-Team. Am Ende der 2020er Saison laufen die Verträge von unter anderem Myles Jack (Vertrag bis einschließlich 2019), Yannick Ngakoue (2019), Keelan Cole (2019), Calais Campbell (2020), Jalen Ramsey (2020), Tashaun Gipson (2020), Barry Church (2020), Cam Robinson (2020) und Dede Westbrook (2020) aus.

Jacksonville wird nicht alle diese Spieler halten können oder wollen, viele der Säulen der Defense werden 2021 aber nicht mehr da sein. Es gilt, das noch verbleibende Titelfenster bestmöglich auszunutzen. Deshalb sind die Jaguars ein Kandidat, um sich eher eine schnelle Lösung zu holen, statt langfristig in einen Rookie zu investieren.

Sollte Teddy Bridgewater nicht in New Orleans bleiben, wäre er einmal mehr der bestmögliche Weg für die Jags, im beiderseitigen Interesse. Allerdings müsste Jacksonville dann einen auf spätere Jahre verteilten Vertrag aushandeln - für 2019 sind die Jags schon deutlich über dem Cap und müssen erst einmal kürzen.

QB-Suche: New York Giants

Aktueller Starter:Eli Manning.

Vertragssituation: Vertrag bis einschließlich 2019. Cap Hit 2019: 23,2 Millionen Dollar. Dead Cap bei Entlassung nach dieser Saison: 6,2 Millionen Dollar.

Die Situation: Verkorkst wäre wohl der beste Ausdruck für die Situation bei den Giants. Ganz egal, wie gut Saquon Barkley sein mag - die Giants haben im vergangenen Draft einen Fehler gemacht, indem sie mit dem zweiten Pick nicht ihren Quarterback der Zukunft angepeilt haben.

Offensichtlich waren die Verantwortlichen der Meinung, dass man Manning nur mit genügend Waffen und einem guten Scheme umgeben müsse, damit der nochmal eine gute Saison aufs Parkett legt. Diese Einschätzung darf zur Saison-Halbzeit getrost als Fehlkalkulation abgetan werden. Manning hat riesige Probleme mit Pressure und maximiert hier noch die Schwächen in der Offensive Line, das ganze Passspiel in New York wirkt, als hätte es einen Klotz am Bein - mit Beckham, Shepard, Engram und Barkley auf dem Feld sollte das eigentlich nicht so sein.

Nachdem sich die Giants über den Sommer von Davis Webb, den sie erst 2017 in der dritten Runde gedraftet hatten, getrennt haben, gibt es im Team nur noch eine auch nur halbwegs denkbare Option, sollten die Giants intern nach Quarterback-Alternativen schauen: Kyle Lauletta, Viertrunden-Pick dieses Jahr, hat zumindest einige interessante Anlagen.

Nachdem Lauletta jüngst aber einen Zwischenfall mit einem Verkehrspolizisten hatte, bei dem er den Polizisten beinahe angefahren hätte, muss er jetzt erst einmal wieder das Vertrauen der Verantwortlichen zurückgewinnen. Wer hier also auf einen zeitnahen Wechsel gehofft hatte, um Lauletta zumindest mal in Aktion zu sehen, wird sich vorerst noch gedulden müssen.

Was passiert 2019?Die Giants sollten den eigenen Fehler nicht wiederholen und dieses Mal den Draft nutzen. Der Free-Agency-Markt wird auf der Position - Stand heute - nächstes Jahr sehr dünn und abgesehen von den Skill-Position-Spielern befinden sich die G-Men auch mehrere Schritte von einem möglichen Titelfenster entfernt. Ein Kurzschuss macht hier absolut keinen Sinn.

Dementsprechend gilt es, langfristig zu denken. New York wird aller Voraussicht nach einen Top-5-Pick haben, in einer Draft-Klasse, die auf der Position deutlich dünner besetzt ist, als die 2018er QB-Klasse. Man darf unter keinen Umständen den Fehler machen, nochmals mit Manning als einzige echte Option in eine Saison zu gehen.

QB-Suche: Denver Broncos

Aktueller Starter: Case Keenum.

Vertragssituation: Vertrag bis einschließlich 2019. Cap Hit 2019: 21 Millionen Dollar. Dead Cap bei Entlassung nach dieser Saison: 10 Millionen Dollar.

Die Situation: Schwierig. Die Broncos hatten nach dem Paxton-Lynch-Debakel gehofft, dass sie in Keenum eine ausreichend gute (Übergangs-)Lösung gefunden haben, um mit der noch immer guten Defense und einem starken Waffenarsenal um Keenum herum das Titelfenster nochmals aufzustoßen. Vom Grundgedanken her gar nicht unähnlich wie die Giants mit Eli Manning.

Dabei ließ sich John Elway möglicherweise zu sehr von Keenums Ausnahme-Saison in Minnesota blenden. Der von Keenum absolut gewohnte Gunslinger-Ansatz, den er auch dieses Jahr zeigt, ist fehleranfällig und mit hohem Turnover-Risiko verbunden - und genau das sieht man von Keenum. Der 30-Jährige spielt gar nicht mal unbedingt völlig desolat, aber eben auch nicht gut genug. So wird die Entscheidung gegen einen Quarterback mit dem fünften Pick im vergangenen Draft in Denver weiter diskutiert werden.

Nachdem das Chad-Kelly-Kapitel endgültig geschlossen ist, haben die Broncos intern keinerlei Alternativen. Davon abgesehen dürfte Elway das Team mit dem defensiven Talent, einer für sich betrachtet sehr guten Draft-Klasse dieses Jahr und jeder Menger Feuerkraft auf den offensiven Skill-Positions immer noch in Contender-Reichweite sehen. Irgendeine Art spektakulärer Trade für einen Quarterback oder für einen hohen Draft-Pick ist hier mitnichten auszuschließen.

Was passiert 2019? Denver könnte - angesichts der Alternativen auf dem Markt und mutmaßlich auch im Draft - mit Keenum in die kommende Saison gehen; in dem Szenario muss es allerdings einen Alternativplan geben. Sei es in Form eines starken Free-Agency-Backups oder mit einem Rookie.

Dass Keenum nicht die langfristige Antwort ist, macht diese Saison jedenfalls klar. Zusätzlich kommt bei den Broncos noch die völlig offene Head-Coach-Situation dazu. Nach dem Aus von Hue Jackson in Cleveland sind die Broncos neben Tampa Bay und den Jets einer der heißen Kandidaten für die nächste Head-Coach-Entlassung.

QB-Suche: Miami Dolphins

Aktueller Starter: Ryan Tannehill (verletzt).

Vertragssituation: Vertrag bis einschließlich 2020. Cap Hit 2019: 26,6 Millionen Dollar. Dead Cap bei Entlassung nach dieser Saison: 13,4 Millionen Dollar.

Die Situation: Die Dolphins sind der wahrscheinlich interessanteste Fall dieser Liste. Tannehill genoss 2016 seine beste NFL-Saison - ehe er sich verletzte. Dann verpasste er die komplette 2017er Spielzeit, nur um in dieser Saison weitestgehend hinter den Erwartungen zurück zu bleiben und sich dann erneut zu verletzen. Die Tatsache, dass die Offense mit Brock Osweiler nur bedingt schlechter aussieht, spricht für das Scheme von Adam Gase - und gegen Tannehill.

Stichwort Gase: Miamis Head Coach verteidigt Tannehill aktuell noch vehement, was selbstverständlich auch nichts anderes als Show sein könnte. Aus Miami gab es über die vergangenen Monate immer wieder sehr konkrete Gerüchte, wonach die Dolphins etwa Sam Darnold im Draft geholt hätten, wäre der halbwegs in Miamis Reichweite gekommen und an diesem Punkt sind die Fragen danach, ob Tannehill noch die Antwort sein wird, gerechtfertigt.

Da die Dolphins im Frühjahr seinen Vertrag umstrukturiert haben, fällt der Dead Cap bei einer Entlassung nach der Saison deutlich höher aus - 13,4 Millionen Dollar würden dann in den Büchern stehen bleiben. Das ist per se kein Hinderungsgrund, aber es erhöht sicher die Hemmschwelle. Und falls Gase tatsächlich noch so an die Entwicklung des inzwischen 30-jährigen Tannehill glaubt, wie er es in der Öffentlichkeit stets betont, könnte Miami ohnehin ganz andere Pläne haben.

Was passiert 2019? Der Free-Agency-Markt macht für die Dolphins nicht sonderlich viel Sinn. Tannehill wäre da verglichen mit den Alternativen - Bridgewater mal außen vor - immer noch die bessere Option, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass dieses Dolphins-Team diverse Problemzonen hat, die zusätzlich adressiert werden müssten.

Das ist kein Team, das einen Schritt von einem Playoff-Run entfernt ist. Insofern wäre es in South Beach ein absolut sinnvolles Szenario, schon bald auf einen Rookie-Quarterback zu setzen.