Kyler Murray vorm NFL Draft: Seines Schicksals Herr

Marcus Blumberg
18. Januar 201908:37
Kyler Murray muss sich zwischen einer Karriere im Football oder Baseball entscheiden.getty
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Quarterback Kyler Murray hat sich trotz schon beschlossener Baseballkarriere dazu entschieden, für den NFL Draft zu melden. Ob er nun wirklich Football spielt, steht in den Sternen. Was spricht für welchen Sport und welchen einzigartigen Vorteil hält der Heisman-Gewinner in der Hand?

Im Juni 2018 ging für Kyler Murray ein Traum in Erfüllung. Der Outfielder des Baseball-Teams der Oklahoma Sooners wurde an neunter Stelle im MLB Draft gezogen. Dafür gab es obendrauf auch noch einen satten Signing Bonus in Höhe von 4,66 Millionen Dollar von den Oakland Athletics.

Doch darüber hinaus erfüllte sich Murray noch einen weiteren Traum 2018: Er wurde der Starting-Quarterback des Football-Teams der Oklahoma Sooners und trat die Nachfolge von Baker Mayfield, dem ersten Pick im NFL Draft 2018, an. Die A's gaben grünes Licht und ließen den Junior noch ein letztes Jahr College Football spielen.

Murray übertraf in diesem Jahr allerdings alle Erwartungen, knüpfte nahtlos an die grandiose finale Saison seines Vorgängers an und gewann wie Mayfield letztlich die Heisman Trophy sowie den Titel der Big 12 Conference.

Dann jedoch kam es zur mit Spannung erwarteten Kurswende. Der ursprüngliche Plan wurde verworfen - und Murray meldete höchst offiziell zum NFL Draft.

Kyler Murray auf den Spuren von Deion Sanders?

Eine Maßnahme, die keineswegs einzigartig wäre. Ein Deion "Primetime" Sanders oder Bo Jackson etwa spielten beide gewissermaßen gar parallel in MLB und NFL. "Neon Deion" ist sogar der einzige Mensch, der in einer Woche einen Homerun und einen Touchdown erzielte. Und er spielte sowohl in der World Series als auch im Super Bowl.

Ein Szenario, das allerdings für einen Quarterback ziemlich utopisch erscheint. Gerade in der heutigen Zeit muss ein solcher so dermaßen auf seinen Job fixiert sein, dass eine zweite professionelle Sportart nebenher nicht möglich erscheint. Das heißt, Murray wird sich entscheiden müssen. Und zwar bald.

Die spannende Frage nun wird über die kommenden Wochen sein, ob Murray letztlich in der NFL oder der MLB spielen wird. Und was spricht für welche Liga?

Grundsätzlich sind die Wege in diese Ligen grundverschieden. Entscheidet man sich für Baseball, dann geht es nach dem Draft erstmal in die Minor Leagues in das Farmsystem eines Teams. Dort verbringt man dann je nach gezeigtem Niveau und Fortschritt zwei bis fünf - oder mehr - Jahre.

In Ausnahmefällen geht es freilich schneller. Murray als Outfielder - Center Fielder, um genau zu sein - dürfte aber sicherlich wenigstens ein Jahr brauchen, um den Sprung nach Oakland zu schaffen. Während er defensiv sicherlich schon früh bereit wäre, stellt sich die Frage, wie er sich auf Profi-Ebene am Schläger anstellen würde - der schwierigste Part dieses Sports.

NFL: Der schnellere Weg für Kyler Murray

Wählt er dagegen Football, ist der Weg überschaubar: Vom Draft aufs Feld vergehen Monate, nicht Jahre. Und im Fall von Murray als Quarterback zeigen jüngste Beispiele, dass sogar schon in der Rookie-Saison Start-Einsätze durchaus drin wären.

Ein nicht zu verachtender Aspekt in dieser Thematik ist natürlich das liebe Geld. Von den A's bekam er bereits einen Signing Bonus in Höhe von 4,66 Millionen Dollar. Sein Gehalt in den Minor Leagues dagegen wäre im Verhältnis nicht der Rede wert. In den untersten Ligen wären es rund 1.300 Dollar pro Monat, in der höchsten rund 10.000 Dollar.

Erst wenn man den Sprung in die MLB schafft, wird "richtig" Geld ausgeschüttet - das Minimalgehalt in den Majors liegt bei derzeit 580.000 Dollar für Veteranen, bei Rookies etwas darunter. Das steigert sich dann sukzessive über die ersten drei Jahre, ehe dann per sogenannter Arbitration, also einem Schiedsgerichtsverfahren, die Millionengehälter anstehen.

Nach spätestens sechs Jahren gibt es dann die größeren langfristigen Verträge, die wirklich lebensverändernden Charakter haben können. Doch dafür sind eben einige Jahre Geduld und harte Arbeit nötig. Immer unter der Voraussetzung, dass man sich zu einem sehr guten Spieler, vielleicht sogar zum Star entwickelt.

In der NFL wiederum sieht es freilich anders aus. Derzeit gilt Murray vom Talent her für viele Experten als Zweit- oder Drittrundenpick, doch die stete Verzweiflung der Teams, den nächsten Franchise-Quarterback zu finden, legt die Vermutung nahe, dass Murray vielleicht sogar in der ersten Runde gezogen wird. Eventuell ist ein Pick in der Mitte der Runde - sagen wir Platz 15 - drin.

NFL Draft: Höherer Signing Bonus für Murray möglich

Im Vorjahr erhielt der 15. Pick im Draft - Kolton Miller (Oakland Raiders) - einen Signing Bonus in Höhe von knapp 8 Millionen Dollar und ein garantiertes Gehalt über vier Jahre in Höhe von insgesamt knapp unter 14 Millionen Dollar.

Sollte Murray in diesem Bereich gezogen werden, dann hätte er also auf einen Schlag mal einen höheren Signing Bonus zur Hand - allerdings stünde er unterm Strich mit weniger Cash da, weil die A's in dem Fall ihr Geld zurückfordern würden. Über vier Jahre wären seine Einnahmen in der NFL aber höher, auch wenn es Murray schon nach zwei oder weniger Jahren in die MLB schaffen würde. Zudem hätte sein Vertrag als Erstrundenpick eine Option für ein fünftes Jahr, die als Quarterback entsprechend lukrativ ausfiele.

Sollte Murray also ein guter NFL-Spieler werden, hätte er nach fünf Jahren vermutlich deutlich mehr verdient als bei einer Baseballkarriere nach fünf Jahren.

Freilich muss man auch erwähnen, dass eine Baseballkarriere in aller Regel länger geht als eine Footballkarriere, wobei Quarterbacks hier die Ausnahme bilden. Dennoch ist das Verletzungsrisiko im Football ungleich höher als im Baseball.

Jüngsten Gerüchten zufolge versuchten die A's und die MLB kürzlich noch, Murray von seinem NFL-Plan abzuhalten. Sogar die Forderung nach einem garantierten MLB-Vertrag stand Medienberichten zufolge im Raum. Es wäre ein seltener Schritt gewesen, denn die Regel ist es nicht, einem Spieler einen MLB-Vertrag zu geben, der noch nicht mal ein professionelles Spiel in seinem Leben absolviert hat.

Kyler Murray: Für MLB ein PR-Coup

Für die MLB wäre Murray indes vor allem aus PR-Sicht ein Coup. Nicht nur hätte man damit der NFL einen Top-Athleten und Heisman-Trophy-Gewinner abgejagt, man hätte auch einen namhaften Afroamerikaner in seinen Reihen. In Zeiten, in denen der Anteil an afroamerikanischen Spielern immer mehr abnimmt, wäre Murray ein Signal an den Nachwuchs. Und eventuell auch an junge Fans, die sich dieser Tage eher zur NBA hinbewegen.

Doch was macht Murray eigentlich aus? Welch eine Art Spieler ist er und was können NFL-Teams erwarten?

Was bei Murray heraussticht, ist seine Athletik. Im Baseball war er Shortstop und nun Center Fielder - die zwei anspruchsvollsten Positionen, die in der Regel von den Top-Athleten bekleidet werden. Entsprechend schnell und beweglich ist Murray auch auf dem Footballfeld. Und er hat einen starken Arm, der es ihm erlaubt, seine Pässe in engste Fenster zu werfen.

Jedenfalls theoretisch, denn Scouts werden anmerken, dass er diese Fähigkeit bisher noch nicht wirklich unter Beweis gestellt hat. Für gewöhnlich warf er bei den Sooners immer nur in Open Space. Doch er wirft grundsätzlich präzise, gerade auch in Short Zones, die das Quick Passing Scheme der Sooners ausmachen.

Auch zeigt er guten Touch mit seinen Deep Balls und weist hohe Football-Intelligenz auf. In chaotischen Spielsituationen trifft er meist die richtigen Entscheidungen und leistet sich wenige Turnovers.

Oklahoma Sooners: Spielsystem begünstigt Quarterback

Allerdings wird dies alles dadurch begünstigt, dass eben das System von Head Coach Lincoln Riley ihm das Spiel auch leicht macht. Durch Pre-Snap Motion, Run Pass Options, Play Action und Screens sind konstant Receiver offen, die Chancen auf Fehler werden somit minimiert - es ist in dieser Hinsicht die gleiche Debatte wie bei Mayfield im Vorjahr.

Seine Mobilität wiederum hilft ihm, Spielzüge zu verlängern und seinen Receivern noch mehr Zeit zu erkaufen, frei zu kommen. Und: Mit seinem Speed ist er selbst eine gefährliche Waffe und gepaart mit seinem Arm eigentlich immer in der Lage, Big Plays auf verschiedene Weisen zu produzieren.

Ein nicht zu verachtender Kritikpunkt ist jedoch, dass er noch zu sehr zum Lauf neigt, wenn sein erster Read nicht da ist oder Pressure kommt. Sein Instinkt ist es, dann die Pocket zu verlassen. Er geht nicht durch seine Progressions, wie das in der NFL eigentlich Usus ist. Zudem hat er die Kunst, Pässe dahin zu werfen, wo nur seine Receiver sie fangen können, noch nicht gemeistert. Er ist eher der Typ, der einen Receiver sieht und ihm dann den Ball zuwirft.

Und: er ist mit seinen 1,78 Meter Körpergröße, die wohl auch noch recht optimistisch gemessen sind, für Quarterback-Verhältnisse sehr klein. Selbst Drew Brees ist mit 1,83 Metern größer.

Kyler Murray zu klein für die NFL?

Das sorgt für mehrere Bedenken bezüglich der NFL: Rein praktisch gesehen könnte es ihm schwerfallen, über die eigene Offensive Line zu schauen, um das Feld zu scannen. Und dann suggeriert seine Statur gepaart mit seiner Tendenz, viel selbst zu laufen, eine erhöhte Verletzungsgefahr.

Stellt sich also die Frage, welches Team Interesse an ihm hätte, speziell in der ersten Runde.

Die allgemeine Meinung ist, dass - Trades mal außen vor - frühestens die Giants an Position 6 einen QB ziehen werden. Doch die dürften wenn dann eher Dwayne Haskins (Ohio State) wählen, der sicherlich am weitesten von allen in dieser Draftklasse ist.

Danach kommen gleich die Jaguars infrage. Hier allerdings sind Zweifel angebracht, denn ob Tom Coughlin unbedingt einen kleinen, mobilen QB in seinem Team haben will, muss doch hinterfragt werden. Es folgen die Broncos an 10, bei denen John Elway aber wohl den traditionellen Typ Quarterback bevorzugen dürfte.

Miami an Position 13 wäre eine Möglichkeit, denn die trennen sich bekanntlich von Ryan Tannehill. Hier allerdings gibt es auch schon Gerüchte, in diesem Jahr zu warten und dann nächstes Jahr für einen Tua Tagovailoa oder Justin Herbert in Position zu sein.

Kyler Murray wurde im MLB Draft von den Oakland Athletics gezogen.getty

Washington Redskins als möglicher Fit für Kyler Murray

Blieben also die Washington Redskins - an Position 15! Diese brauchen wohl zwangsläufig einen neuen QB, schon deshalb, weil der Status von Alex Smith absolut offen ist. Murray würde vermutlich sogar in die aktuelle Offensiv-Philosophie des Teams passen. Smith ist auch eher der mobilere QB, ebenso ein Colt McCoy oder Josh Johnson, die als Plan B und C die Saison 2018 zu Ende gebracht haben. Murray könnte hier sicherlich der richtige Fit sein.

Am Ende des Tages jedoch befindet sich Murray in einer einzigartigen Situation. Er muss nicht Football spielen, könnte genauso gut ins Rookie-Ball-Team der A's gehen und den Schläger schwingen.

Ein Szenario, dass man potenziellen Interessenten in der NFL sicherlich nicht vorenthalten wird. Heißt: Wer Murray will, sollte ihn - und das ist reine Spekulation - nach Möglichkeit möglichst hoch draften. Und das entsprechende Team sollte sich ziemlich sicher sein, was Murrays Absichten angeht.

Auch möglich: Eine klare Ansage an Teams, wo er denn gedenkt zu spielen. Sprich: Im Prinzip könnte sich Murray aufgrund dieser Situation gewissermaßen sein Team aussuchen. Zieht ihn ein unerwünschtes Team, spielt er eben Baseball.

Murray hat sein Schicksal selbst in der Hand. Er wird das tun, was für ihn das Beste ist. Doch was das ist, weiß nur er selbst. Es sollte ein faszinierendes Frühjahr werden.