Der Weg in die NFL-Playoffs ist lange, hart und schwierig. Und wenn man einmal drinnen ist, kann es nach nur einer Woche schon wieder vorbei sein. So ist auch die Freude der Texans, Seahawks, Ravens und Bears nur von kurzer Dauer gewesen. SPOX fasst die Season der Verlierer vom Wildcard-Wochenende zusammen und sagt, woran man in der Offseason arbeiten muss, damit man in der neuen Saison größere Chancen auf die Teilnahme am Super Bowl hat.
Houston Texans
Die Saison 2018 (11-5)
Nach einem 0-3-Start etablierten sich die Texans mit der längsten Siegesserie in dieser Saison schon gegen Mitte der Spielzeit als aussichtsreicher Playoff-Kandidat. Houston gewann neun Spiele in Serie und musste dabei oftmals noch nicht vollends überzeugen, kamen doch lediglich zwei dieser Siege gegen Teams zustande, die später in den Playoffs standen. Und die Colts sowie die Cowboys waren in den Wochen 4 und 5 noch keineswegs die Teams, die am Wochenende in der Divisional-Runde zu beobachten sein werden.
Für Houston beinhaltete die Saison in ruhigem Fahrwasser auch, dass die Comebacks von Deshaun Watson und J.J. Watt aus gesundheitlicher Sicht einwandfrei über die Bühne liefen. Watson konnte zwar nicht ganz an seine elektrisierende Rookie-Saison anknüpfen, doch hatte dies zu großen Teilen auch mit einer der schwächsten Offensive Lines der Liga zu tun. Watt hingegen konnte seine physische Überlegenheit wieder einmal gegen den Pass und gegen den Run zeigen und verzeichnete 16 Sacks. Er ist unter den Kandidaten für den Comeback-Player-of-the-Year-Award.
Watt allerdings ist nur der Kopf einer auf vielerlei Ebenen überzeugenden Defense. Die Texans waren gegen den Run nach DVOA das beste Team der Liga und verbesserten sich dank guter Offseason-Verpflichtungen auch in der Secondary. Rookie Justin Reid und Tyrann Mathieu könnten über mehrere Jahre der Kopf dieser darstellen, entscheiden sich die Texans denn dafür, den Vertrag mit dem Honey Badger zu verlängern.
Was sind die Probleme?
Die größte Schwachstelle dieses Teams ist ohne Frage die Offensive Line. Die Texans haben 2018 62 Sacks zugelassen. Watson ging bei mehr als zehn Prozent seiner Dropbacks zu Boden. Und auch wenn er dazu tendiert, den Ball zu lange in der Hand zu halten, sind diese Zahlen nicht zu entschuldigen.
Die Wildcard-Niederlage gegen die Colts bedeutete für die Texans unter Bill O'Brien die dritte Playoff-Pleite in vier Spielen. Der eine Sieg kam gegen die Oakland Raiders mit Connor Cook zustande und auch wenn O'Briens Vertrag vor der Saison verlängert wurde, dürfte er 2019 unter genauerer Beobachtung stehen. Im Spiel gegen die Colts war nämlich auch das Play-Calling O'Briens mehrmals fragwürdig. Zwar fehlten in Will Fuller und Demaryius Thomas gleich zwei wichtige Playmaker, doch ist die Abhängigkeit von DeAndre Hopkins im Passing Game allgegenwärtig.
Houstons Plan in der Anfangsphase schien es zu sein, über Big Plays zum Erfolg zu kommen. Diese aber kamen nicht zustande, woraufhin man zu einem ineffizienten Run- und Underneath-Passing-Game überging. Houston fand sich regelmäßig in Third-and-Long-Situationen. In der Schlussphase gab Indy die Mitte des Feldes auf, um weite Pässe und die Seitenlinie zu verteidigen.
Houston verzichtete aber darauf, Underneath-Routen zu nutzen und Yards nach dem Catch zu kreieren. Stattdessen ging jeder Passversuch für über 10 Yards in enge Coverage. Gepaart mit einer der schlechteren Leistungen Watsons war diese Offense am Samstag nicht Playoff-würdig.
Was passiert in der Zukunft?
Für die Texans gilt es, gleich mehrere wichtige Fragen in Sachen Re-Signings zu beantworten. Da wäre einmal der auslaufende Vertrag vom ehemaligen First Overall Pick Jadeveon Clowney. Der Defensive End dürfte zu einem der teuersten Spieler auf einer sehr gefragten Position werden und dies könnte den Texans Gerüchten zufolge zu viel des Guten sein.
An einer Verlängerung Mathieus haben beide Seiten bereits Interesse bekundet und schlussendlich dürften auch Corner Kareem Jackson und Defensive End Brandon Dunn Houston erhalten bleiben.
Houston geht nach Spotrac mit über 67 Millionen Dollar Cap Space in die Offseason und hat dementsprechend eine Menge Spielraum für Signings zur Verfügung. Die Priorität muss darauf liegen, die Offensive Line zu stärken und darauf sollte man sich auch im Draft konzentrieren. Hier wird man an 23. Stelle ziehen und in der zweiten Runde einen weiteren Pick, den der Seahawks, zur Verfügung haben.
Seattle Seahawks
Die Saison 2018 (10-6)
Die Erwartungen an die Seahawks waren nach einem riesigen Umbruch für diese Saison nicht gerade groß. Nahezu die gesamte Legion of Boom war nicht mehr da und auch auf der offensiven Seite musste man Abgänge kompensieren, dazu kamen mehrere neue Coaches. Als die Saison begann, verletzten sich zudem Earl Thomas, welcher womöglich nie wieder in einem Seahawks-Jersey auftreten wird und Rookie-Tight-End Will Dissly, der einen bärenstarke Start in seine NFL-Karriere hatte.
Seattle aber schaffte die Wende nach einem 0-2-Start und setzte dabei auf ein altbekanntes Stilmittel: Das Run Game. Der neue Offensive Coordinator Brian Schottenheimer und Offensive Line Coach Mike Solari schafften es so, dem Team eine neue Identität einzuverleiben; was gerade deshalb überraschte, weil in Sachen Offensive Line nicht allzu viele Neuverpflichtungen getätigt wurden.
Duane Brown und das mit Abstand beste Jahr von D.J. Fluker aber verliehen der Line Konstanz. Ein Running-Back-Trio um Chris Carson, Mike Davis und Rashaad Penny wusste dies mit einem physischen Spielstil noch zu erweitern und das wachsende Vertrauen in die Offensive Line führte dazu, dass Wilson nicht wie in vorigen Spielzeiten viel zu rasch aus der Pocket flüchtete.
Da auch die defensive Seite funktionierte und gerade Bobby Wagner und Frank Clark herausragende Spielzeiten lieferten, schafften es die Seahawks relativ ungefährdet, sich mit 10 Siegen den ersten Wildcard-Sport in der NFC zu sichern. Seattle war nach DVOA auf beiden Seiten des Balles im Ligavergleich überdurchschnittlich und schickte zusätzlich seinen Rookie-Punter zum Pro Bowl.
Was sind die Probleme?
Was während der Saison der Grundstein des Erfolges war, wurde in den Playoffs zum Verhängnis. Schottenheimer wollte auch am Samstag in Dallas den Run etablieren und wich von seiner offensichtlich unverhandelbaren Devise auch dann nicht ab, als es klar war, dass sich Dallas zu gut auf das gegnerische Laufspiel eingestellt hatte. In 24 Laufversuchen erreichte man nur 3 Yards pro Versuch und brachte sich so viel zu häufig in schwierige Third-and-Long-Situationen.
Hält Schottenheimer - unterstützt von Carroll - auch künftig derart frenetisch an seinem Prinzip fest, dann nehmen sich die Seahawks die Stärken des vielleicht besten Spielers in ihrem Team. Wilson warf auch gegen die Cowboys enorm präzise und geht nächste Saison in sein letztes Vertragsjahr. Wird er nicht seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt, könnten sich die Verhandlungen um einen neuen Vertrag mit dem Ausnahme-Spieler kompliziert darstellen.
Was passiert in der Zukunft?
Die Seahawks gehen mit über 60 Millionen Dollar Cap Space in die Offseason, doch stehen einige Entscheidungen im eigenen Hause an. Gerade die defensive Seite wird eine Menge Geld verlangen. So steht da etwa Earl Thomas ohne Vertrag für 2019 da, doch wird dieser kaum an einem weiteren Engagement im Nordwesten interessiert sein. Neben dem Safety war auch Outside Linebacker K.J. Wright im letzten Vertragsjahr. Das meiste Geld aber wird man für Pass-Rusher Frank Clark zahlen müssen.
Clark legte in seinem vierten Jahr 13 Sacks und 27 QB-Hits auf. Die Seahawks könnten ihm den Franchise Tag geben, doch würde er dann 17 Millionen Dollar zählen. Eine schwierige Entscheidung, da auch an der Offensive Line gearbeitet werden sollte. In J.R. Sweezy und D.J. Fluker gibt es hier zwei weitere Kandidaten, die aktuell ohne neuen Vertrag für die neue Saison dastehen. Seattle wird im Draft an 21. Stelle ziehen.
Baltimore Ravens
Die Saison 2018 (9-7)
Viele Umbrüche und eine Konstante sind aktuell in Baltimore zu beobachten. Die Ravens haben den Übergang von Joe Flacco zu Lamar Jackson wohl schon früher als ursprünglich erwartet unternommen. Und das erfolgreich. Von einer Pass-orientierten Offense sind die Ravens zu einer Run-lastigen übergegangen. Und zwar nicht zu einer üblichen.
Seit Week 11 hatte Rookie Jackson die Starter-Rolle nach einer Verletzung Flaccos inne und unternahm seitdem lediglich 158 Passversuche. Stattdessen führte er die Liga in Ruhsing-Versuchen und -Yards in diesem Zeitraum an. John Harbaugh hielt an Jackson fest, auch als Flacco wieder fit war. Die Ravens beendeten die Saison mit Jackson mit einem 6-1-Run und gewannen die AFC North erstmals seit 2012 wieder.
Diese Art der Offense wäre in der heutigen NFL keineswegs zielführend, wenn man nicht auf eine Ausnahme-Defense setzen kann. Und das ist in Baltimore ohne jeden Zweifel der Fall: Die Ravens hatten nach DVOA die drittbeste Defense der Liga. Sie erlaubten die wenigsten Yards, die zweitwenigsten Punkte, die zweitwenigsten First Downs und die drittwenigsten Rushing Yards pro Versuch.
Und auch in der Wild-Card-Runde gegen die Chargers war die Ravens-Defense mit ihren vielfältigen Blitz-Paketen herausragend. Man hatte die Offense der Chargers zu großen Teilen im Griff und dass man gegen Ende der Partie überhaupt noch Aussichten auf ein Comeback hatte, war ein großer Verdienst der vielleicht stärksten Defense der Liga.
Was sind die Probleme?
Über die Schwachstelle des Teams, gegen das in den Playoffs doch eigentlich niemand spielen wollen würde, wurde im Vorfeld der Partie bereits ausführlich diskutiert worden. Was passiert, wenn die Ravens in Rückstand geraten und den Ball irgendwann werfen müssen?
Ausgerechnet im Spiel gegen die Chargers war dies dann tatsächlich der Fall. L.A. hatte genügend Erkenntnisse aus dem ersten Saisonspiel gegen Baltimore gezogen und schickte sieben Defensive Backs auf das Feld und so viele an die Line of Scrimmage, dass das Run Game der Ravens wirkungslos war.
Tatsächlich hatte Baltimore darauf über drei Viertel keine Antworten parat. Erst im Schlussviertel schaffte man es, gegen eine vorsichtiger spielende Defense, den Ball zu bewegen. Wenn aber Chargers-Safety Derwin James nicht einen der wenigen Fehler der Chargers-Secondary begangen hätte, als er einen wilden Pass von Jackson falsch einschätzte, dann würde man auch nicht mehr von einem Beinahe-Comeback der Ravens reden.
Jackson muss neben Fumbling-Problemen an seinen Reads und einem konstanten Passing-Game arbeiten. Die Ravens insgesamt an einer balancierteren Offense, oder zumindest an einer, die in der Lage ist, darauf zu reagieren, wenn das Laufspiel nicht funktioniert. Das defensive Konzept der Chargers wird 2019 nämlich auch von anderen Teams zu erwarten sein.
Was passiert in der Zukunft?
Neben der Ära von Flacco geht auch die von General Manager Ozzie Newsome zu Ende. Er war der einzige GM der Ravens seit dem Umzug aus Cleveland nach Baltimore und hielt konstant an dem Konzept fest, wenig Geld für Neuzugänge auszugeben und viel auf Compensatory Picks in Runde 3 und 4 des Drafts zu setzen. An seiner Stelle wird nun Eric DeCosta die Entscheidungen treffen.
Mit 35 Millionen Dollar Cap Space, zu denen vermutlich 10 Millionen Dollar durch die Ersparnisse bei einem Abgang von Flacco kommen, muss man Entscheidungen in den Fällen Terrell Suggs und C.J. Mosley treffen. Beide werden Free Agents, genauso wie die Linebacker Za'Darius Smith und der jüngst groß von sich Reden machende Patrick Onwuasor.
Zudem könnten die Ravens eine komplett neue Running-Back-Klasse verpflichten. Dann nämlich, wenn man sich gegen Verlängerungen von Kenneth Dixon und Gus Edwards entscheidet. Im Draft wird man an 22. Stelle picken und auf den eigenen Pick in der zweiten Runde verzichten müssen. Den halten die Eagles.
Chicago Bears
Die Saison 2018 (12-4)
Mit dem Trade für Khalil Mack vor der Saison schockten die Beteiligten die gesamte NFL. Chicago hatte sich zwar zum einen den vielleicht dominantesten Pass-Rusher der Liga gesichert, dabei zum anderen aber durch den Verlust zweier Erstrundenpicks und mit dem teuersten Vertrag für einen Spieler, der nicht auf der Quarterback-Position spielt, eine sehr hohe Last aufgenommen. Nach einer Saison allerdings deutet alles daraufhin, dass es die richtige Entscheidung war.
Chicago nämlich spielte eine dominante Saison auf der defensive Seite und führte die Liga in zahlreichen Statistiken, unter anderem dem Defensive DVOA, an. Doch nicht nur Mack konnte in der Defense Vic Fangios vollkommen überzeugen. Es schien, als ob alle Stücke dieser Defensive eine ihrer besten, wenn nicht ihre beste Saison spielten. So trugen beispielsweise Kyle Fuller und Eddie Jackson mit 13 Interceptions dazu bei, dass die Bears die Liga in Takeaways anführten.
Durch Statement-Siege, wie dem gegen die L.A. Rams, bei dem man eine der überragenden Offenses in dieser Saison nahezu gänzlich kalt stellte, gesellten sich die Bears sogar zum Contender-Kreis dazu. Doch waren auch die Verbesserungen in der Offense unter First-Year-Head-Coach Matt Nagy signifikant. Zwar konnten die Bears auch weiterhin noch kein konstant effizientes Passing Game auf die Beine stellen, doch stellen die von Motion und horizontalem Stress auf die Defense geprägten Plays ein vielversprechendes Fundament für die anstehende Ära dar.
Schlussendlich allerdings reichte dieses noch nicht, um sich gegen eine der stärksten Defenses dann auch in den Playoffs durchzusetzen. Chicago unterlag Philly trotz eines Spiels, in dem sich Mitch Trubisky in der zweiten Hälfte deutlich steigerte, nachdem seine Fehler in der ersten Hälfte nicht bestraft worden waren. Und in Chicago wird sich so mancher Fan jetzt fragen, ob es nicht doch besser gewesen wäre, hätte man die Vikings als sechsten Seed empfangen können.
Was sind die Probleme?
Zwar endete das überzeugende Worst-to-First-Year der Bears in der NFC North mit dem unvergesslichen Klang zweier Berührungen Cody Parkeys' Kicks gegen das Metall der Torstangen im Soldier Field. Doch gilt es die Frage zu stellen, ob eine Playoff-Niederlage tatsächlich auf einen solchen Kick zurückzuführen sein sollte. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass die Bears Philly nicht nur in Sachen Total Yards, sondern auch im Hinblick auf das Turnover-Battle mit 2:0 geschlagen haben.
Ob die Bears in Zukunft ein echter Super-Bowl-Contender sind, hängt in erster Linie von der Entwicklung von Trubisky ab. Seine athletischen Fähigkeiten waren für diese Offense in diesem Jahr oftmals ein enorm wertvoller Faktor. Defenses wie die der Vikings und Eagles allerdings limitierten Trubiskys Möglichkeiten, per Lauf auszubrechen zuletzt effizient und hielten ihn bei je drei Runs.
Es gilt, unbedingt das Spiel in der Pocket, das Lesen des Feldes und das der Coverages zu verbessern. Nur dann werden die Bears offensiv den nächsten Schritt gehen und die Möglichkeiten nutzen können, die ihnen Nagys stark an das der Chiefs erinnerndes Konzept bietet.
Was passiert in der Zukunft?
Die kursierenden Gerüchte um ein mögliches Head-Coaching-Engagement von Vic Fangio bei den Denver Broncos stellen eine keinesfalls unbegründete Sorge dar. Fangio zählt nicht erst seit dieser Saison zu den besten Defensive Coordinators der Liga und dementsprechend könnte ein Verlust einen nicht einfach zu kompensierenden Rückschlag darstellen.
Mit rund 20 Millionen Dollar verbleibendem Cap Space für die kommende Saison könnte es darüber hinaus schwierig werden, Cornerback Bryce Callahan oder Safety Adrian Amos zu halten. Außerdem stehen in der Offensive Line mehrere Spieler für den offenen Markt bereit. Darüber hinaus pickt man im Draft nicht vor der zweiten Halbzeit der dritten Runde, da die Patriots den Zweitrundenpick der Bears halten.