Die neuen Head Coaches Part 1: Wer rettet die Quarterbacks?

Von Adrian Franke
14. Februar 201913:41
SPOX blickt auf die neuen Head Coaches in der NFL.getty
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Acht Teams - oder auch ein Viertel der NFL - begab sich zum Saisonende auf die Suche nach einem neuen Head Coach, inzwischen haben alle acht Teams ihren neuen Hoffnungsträger vorgestellt. SPOX führt durch die Liste und stellt die neuen Coaches, ihre größten Aufgaben und ihren Trainerstab vor.

SPOX stellt die neuen Head Coaches, den jeweiligen Offensive und Defensive Coordinator und die größten Aufgaben, die vor dem neuen Coaching Staff stehen, in drei Teilen vor. Teil 2 mit den Packers, Dolphins und Broncos gibt es am morgigen Donnerstag, Teil 3 mit den Bengals und Browns am Freitag.

Arizona Cardinals

Neuer Head Coach: Kliff Kingsbury

Bisherige Coach-Erfahrung: Offensiv-Assistent Houston (2008-09/College), Co-Offensive Coordinator und QB-Coach Houston (2010-2011/College), Offensive Coordinator und QB-Coach Texas A&M (2012/College), Head Coach Texas Tech (2013-18/College).

Was bringt Kingsbury mit? Ein eindrucksvolles Resümee was die Arbeit mit Quarterbacks und die Arbeit als Passing-Game-Designer und Play-Caller angeht. Um zu verstehen, warum die Cardinals einen gerade wenige Wochen zuvor entlassenen College-Coach als ihren neuen Head Coach verpflichtet haben und damit ohne Zweifel ein beachtliches Risiko mit einem Coach ohne NFL-Coaching-Erfahrung und einer für NFL-Verhältnisse noch immer in mehrerlei Hinsicht extremen Offense eingehen, muss man sich einer Wahrheit stellen: Die NFL ist eine Passing League, und hier wird auf absehbare Zeit der Schlüssel für Teams liegen, um erfolgreich zu sein.

Wenn man die letzten Jahre im College Football betrachtet, gibt es nur eine Handvoll Coaches, die rein mit Blick auf das Passing Game vor Kingsbury anzusiedeln sind. Kingsbury hat der tief in ihm verwurzelten Air Raid Offense - er selbst war einer der ersten wirklich erfolgreichen Air-Raid-Quarterbacks im College - seinen eigenen Anstrich verpasst, und spektakuläre Arbeit abgeliefert.

Die Play-Designs sind kreativ und modern, die Offense passte sich Jahr für Jahr an verschiedene Spieler-Typen auf den Skill Positions an. Außerdem, und das ist die zweite Säule: Kingsbury bringt auch die Quarterback-Arbeitsnachweise mit.

Für die University of Houston coachte er bereits Case Keenum, bei Texas A&M war er Johnny Manziels Offensive Coordinator und Quarterbacks-Coach, als der 2012 die Heisman Trophy gewann und mit Patrick Mahomes, der als College-Recruit nur drei Angebote hatte, legte er 2016 eine spektakuläre Saison auf den Rasen: In sechs von zwölf Spielen gab es 54 Punkte oder mehr, der Punkte-Schnitt lag bei 43,6 und nur zwei Mal blieb Texas Tech damals unter 27 Punkten.

Wichtigste Baustelle: Die Offensive Line. Die Cardinals, die im Laufe der Saison alle fünf ursprünglichen O-Line-Starter verloren, hatten die schlechteste Offensive Line der vergangenen Saison. Platz 26 in Pass-Protection und 25 im Run-Blocking laut Football Outsiders, die schlechteste Pass-Block-Efficiency laut Pro Football Focus und nur vier Quarterbacks (Watson, Allen, Kessler und Osweiler) standen prozentual noch häufiger unter Druck als Josh Rosen - obwohl Watson, Kessler und Allen den Ball deutlich häufiger länger als 2,5 Sekunden hielten als Rosen.

Arizona hatte die horrende Kombination aus einem Rookie-Quarterback, der schlechtesten Line der Liga und dem schlechtesten offensiven Scheme - unter anderem die desolate Verwendung von David Johnson sticht heraus -, was zu einer furchtbaren Offense führte; eine Offense, die allerdings auch mit besserem Scheme und Play-Calling so ihre Schwierigkeiten gehabt hätte.

Die Cardinals werden mehrere O-Line-Starter austauschen müssen, unter anderem Mike Iupati, um Rosen eine Chance zu geben.

Und auch Kingsbury wird sich hier anpassen müssen, um seiner Line wiederum zu helfen, etwa indem seine Formationen vielseitiger werden. Kingsburys Offense im College funktionierte nahezu ausschließlich aus der Shotgun-Formation heraus, hier wird er sich umstellen müssen.

Personelles Fragezeichen: Josh Rosen. Hier lässt sich direkt die Überleitung ansetzen, denn Rosen ist tendenziell eher in Under-Center-Formationen als in der Shotgun zuhause, wenngleich er natürlich auch jede Menge Shotgun-Erfahrung gesammelt hat. Finden beide hier einen Kompromiss, der für Scheme und Spieler funktioniert?

Ansonsten ist der Ansatz klar: Arizona hofft, in Josh Rosen seinen Quarterback für die nächsten 15 Jahre gefunden zu haben - Kingsbury soll derjenige sein, der ihm die Möglichkeit gibt, das zu werden. Mit seinem Scheme, mit seinem Play-Calling, mit seinem gesamten Ansatz.

Die fünfthöchste Pressure-Quote gegen sich, kein Quarterback warf in der vergangenen Saison häufiger in enge Fenster (21,6 Prozent seiner Pässe) oder hatte laut Next Gen Stats eine niedrigere Expected Completion Percentage (59,4 Prozent) als Rosen. Kingsbury soll diesen Spieß umdrehen und Rosen die Arbeit so einfach wie möglich machen.

Gleichzeitig wird Rosen von Anfang an mehr Verantwortung tragen, als viele College-Systeme ihren Quarterbacks auftragen. Bereits im College hatten die Quarterbacks unter Kingsbury vergleichsweise große Audible-Freiheiten und -Verantwortungen.

Die Coordinators: Tom Clements (Pass Game Coordinator/QB-Coach), Vance Joseph (Defensive Coordinator). Kingsbury verzichtet auf einen klassischen Offensive Coordinator, es wird sein Scheme sein. Das bedeutet: eine angepasste Air-Raid-Version, mit den Air-Raid-Konzepten als Kern der Offense.

Empty Sets, Bunch- und Stack-Formations, Jet Sweeps, Motion, Woche für Woche ein, zwei gänzlich neue Play Designs und aggressive Third-Down-Pakete - würde man eine Liste der Elemente anfertigen, die moderne Offenses in der NFL auszeichnen, man würde viele der Kernelemente der Kingsbury-Offense wiederfinden. Jetzt gilt es, diese an die NFL anzupassen. Das betrifft etwa die Formationen, genau wie eine bessere Verwendung von Tight Ends und mehr 11- als 10-Personnel.

Seine rechte Hand dabei ist Tom Clements, der ebenfalls intensiv mit Rosen arbeiten wird. Clements blickt auf langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Quarterbacks (bei Notre Dame, den Saints, Chiefs und Steelers) sowie eine lange Packers-Vergangenheit (QB-Coach 2006 bis 2011, Offensive Coordinator 2012 bis 2014 und stellvertretender Head Coach 2015 bis 2016) zurück.

Er soll Kingsbury in puncto Game Plans und dabei, seine Offense auf die NFL zu übertragen, unterstützen sowie während Spielen Kingsbury, der selbst als Play-Caller fungieren wird, den Rücken freihalten.

Auf der anderen Seite des Balls hat Ex-Broncos-Head-Coach Vance Joseph die Oberhand. Kingsburys Defenses bei Texas Tech waren meist desolat, was Defensive Efficiency angeht rangierten sie auf den Rängen 50, 109, 114, 120, 52 und 62. Ein klarer Recruiting-Nachteil innerhalb von Texas ist fraglos ein Grund, gleichzeitig lag auf dieser Seite des Balls auch nicht Kingsburys Fokus geschweige denn eine Stärke.

Das soll jetzt nach seiner Entlassung in Denver Joseph übernehmen. Unter ihm gehen die Cardinals nach dem einjährigen 4-3-Missverständnis unter Steve Wilks zurück zur 3-4-Base-Defense, werden in der Secondary wieder mehr Man Coverage spielen und könnten sich in Nick Bosa mit dem ersten Pick im Draft gleich ein potentiell gewaltiges Puzzleteil sichern.

Arizona hat die defensiven Vorstellungen von Steve Wilks was die Kaderplanung angeht nie voll umgesetzt. Eine Rückkehr zur 3-4-Base mit aggressiver Coverage und Blitzing sollte daher von vorneherein besser zum Personal passen, Arizona hat mit dem in Atlanta entlassenen Robert Alford auch bereits als erstes Team eine größere Free-Agency-Verpflichtung getätigt. Alford soll dem Nummer-2-Cornerback-Spot gegenüber von Patrick Peterson endlich Stabilität verleihen.

Tampa Bay Buccaneers

Neuer Head Coach: Bruce Arians

Bisherige Coach-Erfahrung: Assistent Virginia Tech (1975-77/College), WR- und RB-Coach Mississippi State (1978-80/College), RB-Coach Alabama (1981-1982/College), Head Coach Temple (1983-1988/College), RB-Coach Chiefs (1989-1992), Offensive Coordinator Mississippi State (1993-95/College), TE-Coach Saints (1996), Offensive Coordinator Alabama (1997/College), QB-Coach Colts (1998-2000), Offensive Coordinator Browns (2001-03), WR-Coach Steelers (2004-06), Offensive Coordinator Steelers (2007-11), Offensive Coordinator Colts (2012), Head Coach Cardinals (2013-17).

Was bringt Arians mit? Jede Menge Erfahrung im Installieren und Entwickeln eines offensiven Playbooks sowie in der Arbeit mit Quarterbacks, genau wie als einziger neuer Head Coach neben Adam Gase die Erfahrung mehrerer Jahre als NFL-Head-Coach - garniert mit zwei Auszeichnungen zum Coach des Jahres. Arians mag aufgrund seines Alters und einer gewissen medizinischen Vorgeschichte zuletzt in Arizona kein Kandidat für die nächsten zehn Jahre sein. Aber er könnte die Bucs über die nächsten drei bis vier Jahre in ganz andere Bahnen lenken.

Das beginnt mit seiner grundlegenden Philosophie, die die Offense, die Defense und seinen gesamten Ansatz betrifft: "No risk it, no biscuit." Arians ist kein Coach, der ängstlich vorgeht oder seine Plays ansagt, um nicht zu verlieren - Arians will gewinnen, er will der Aggressor sein. Das sah man Arizonas Defense genau wie der Offense unter Arians konstant an.

Wenn die Defense ihm irgendeine Gelegenheit bietet, attackiert Arians sie vertikal. Sein Scheme ermöglicht Wide Receivern, Tight Ends und auch Running Backs vertikale Eins-gegen-Eins-Gelegenheiten - egal, wer auf dem Feld steht. Als sich 2017 erst Carson Palmer und dann Drew Stanton verletzten und er seine letzte Cardinals-Saison mit Blaine Gabbert bestreiten musste, hatten die Cardinals zum Saisonende drei Quarterbacks in der ligaweiten Top-10 was Average Intended Air Yards angeht.

Und Arians' Offense ist dabei kreativ und innovativ. Konstant passt er Plays an und entwirft neue Route-Kombinationen, arbeitet vielseitig aus Empty Sets und will Defenses immer mit seinen (neuen) Designs verwirren. Winston und Fitzpatrick waren letztes Jahr schon zwei der aggressivsten Quarterbacks in puncto Passing-Tiefe. Unter Arians soll sich das fortsetzen, allerdings verpackt in deutlich bessere Play Designs.

Wichtigste Baustelle: Die Passing-Designs. Hier lässt sich nahtlos anknüpfen und es erfordert keiner Raketenwissenschaft, um zu sehen, warum die Bucs von Arians und dessen Arbeit in den vergangenen Jahren so angetan sind - und diese Art Offense auch in Tampa sehen wollen.

Laut Next Gen Stats warfen in der vergangenen Saison nur vier Quarterbacks (Minimum 150 Dropbacks) 20 Prozent oder mehr ihrer Pässe in sogenannte "enge Fenster" (der Verteidiger ist maximal ein Yard entfernt): Josh Rosen (Cardinals), Jeff Driskel (Bengals) - und die beiden Bucs-QBs.

Das ist kein Zufall, Tampa hatte schematisch große Probleme, mit Route-Kombination und anderweitigen Play Designs Receiver via Scheme frei zu bekommen und Pass-Fenster so zu öffnen. Es ist auch ein Grund, den man mit Blick auf die Turnover-Problematik anbringen kann.

Wenn Arians hier - und der Blick auf seine Cardinals-Offense legt das stark nahe - erfolgreich ansetzen kann, dann sollte die wichtigste Personalie für diese Franchise in der kommenden Saison und im Idealfall darüber hinaus auch eine Antwort liefern können: Dann kann Jameis Winston zeigen, dass er Tampas langfristige Quarterback-Antwort ist.

Personelles Fragezeichen: Gerald McCoy (und die Defense). Tampa Bays Defense war über weite Teile der vergangenen Saison eine Katastrophe. Der Pass-Rush zu zahnlos, konstante Löcher in Coverage, schlechtes Tackling, eine anfällige Run-Defense - die Bucs beendeten die Saison abgeschlagen auf dem letzten Platz nach Football Outsiders' DVOA, und das zurecht.

Die Offense sollte produktiver und effizienter daherkommen, doch wenn die Defense nicht ein verbessertes Gesicht präsentiert, wird die Offense häufig mit Shootouts gewinnen müssen. Die Bucs sollten insbesondere in ihre Secondary investieren, um einen Blitz-lastigen Ansatz umsetzen zu können; der langjährige Chef dieser Defense dagegen könnte in den Planungen für 2019 keine Rolle erhalten.

Defensive Tackle Gerald McCoy würde in der kommenden Saison 13 Millionen Dollar kosten, wovon nichts garantiert ist. Geschäftsführer Jason Licht gab sich, auf McCoy direkt angesprochen, vielsagend nichtssagend: "Wir haben viele schwierige Entscheidungen vor uns."

Die Coordinators: Byron Leftwich (Offensive Coordinator), Todd Bowles (Defensive Coordinator). Wenn man sich Tampas Trainerstab anschaut, könnte man die Bucs auch als "Cardinals East" bezeichnen. Arians hat mit Harold Goodwin (Assistant Head Coach und Run Game Coordinator) sowie unter anderem Amos Jones (Special Teams Assistent), Larry Foote (Outside Linebacker), Kevin Garver (Wide Receiver), Rick Christophel (Tight Ends) und seinem Offensive sowie Defensive Coordinator zahlreiche Coaches geholt, die bereits in Arizona für ihn gearbeitet haben.

Vielleicht die spannendste Personalie dabei ist Leftwich. Der wurde zu Arians' Cardinals-Zeiten bereits als der nächste große Offensive-Coordinator-Kandidat (und mehr) gehandelt und blieb dann auch über Arians' vorübergehenden Rücktritt in der Wüste. In der Vorsaison dann nach der Entlassung von Mike McCoy mitten in der Saison ins kalte Wasser geworfen, konnte er einige schematische Verbesserungen herbeiführen, die Situation aber war insgesamt äußerst undankbar.

Bemerkenswert ist, welches Vertrauen Arians offensichtlich ihn Leftwich hat: Im Gespräch mit Rich Eisen vom NFL Network bestätigte Arians, dass Leftwich das Play-Calling übernehmen wird. Er selbst werde dabei ebenfalls "eine signifikante Rolle" übernehmen, wie genau die aussehen wird, ist offen - Arians könnte etwa eingreifen, wenn er der Meinung ist, dass es innerhalb eines Spiels eine Veränderung braucht. Den Großteil aber wird Leftwich übernehmen.

Und defensiv? Die Bucs spielen seit nunmehr 28 Jahren eine 4-3-Base-Defense, das dürfte sich unter Todd Bowles ändern: Bowles ließ in Arizona und dann auch als Head Coach der Jets eine 3-4-Base spielen und setzt bevorzugt auf Man Coverage und Blitzing; von 2015 bis 2018 blitzten die Jets unter Bowles am zweithäufigsten (37,4 Prozent), unter Arians in Arizona kam er über zwei Jahre gar auf 46,5 Prozent, der Ligahöchstwert. Die Bucs kamen über die letzten drei Spielzeiten auf eine Blitz-Quote von lediglich 23,3 Prozent.

Tampas Defense sollte also ein anderes Gesicht haben und eine Identität, die zu ihrem Head Coach und der Offense passt. Das betonte Arians auch bereits, angesprochen auf mögliche Umstellungen: "3-4, 4-3, manche nennen sie "Over" und "Under" Fronts, bei uns heißt es wieder anders. Wir sind kein 2-Gap-Team. Wir werden attackieren."

New York Jets

Neuer Head Coach: Adam Gase

Bisherige Coach-Erfahrung: Assistent/Recruiting Assistent LSU (2000-02/College), Scouting- und Offensiv-Assistent Lions (2003-06), QB-Coach Lions (2007), Offensiv-Assistent 49ers (2008), WR-Coach Broncos (2009-10), QB-Coach Broncos (2011-12), Offensive Coordinator Broncos (2013-14), Offensive Coordinator Bears (2015), Head Coach Dolphins (2016-18).

Was bringt Gase mit? Das Thema setzt sich fort: Offense und die Arbeit mit Quarterbacks stand auch bei Gang Green weit oben auf Prioritätenliste bei der Suche nach dem neuen Head Coach. Gase bringt Erfahrungen in der Arbeit so unterschiedlicher QB-Typen wie Tim Tebow, Peyton Manning, Jay Cutler und Ryan Tannehill mit, die eindrucksvollste Saison war fraglos die Rekorde zerschmetternde Spielzeit mit Manning in Denver.

Der erste Reflex vieler Fans ist an der Stelle, darauf hinzuweisen, dass Manning dafür verantwortlich war. "Jeder sagt, dass doch jeder Peyton Manning coachen kann", brachte es Denvers damaliger Head Coach John Fox auf den Punkt, "doch das stimmt nicht. Alle Quarterbacks wollen Antworten. Sie verstehen die Basic Reads, die täglichen Trainingseinheiten, die Bewegungen und die Basis. Aber was sie wirklich wollen, sind Antworten. Bei Peyton war das ein riesiger Faktor, und Adam hat da fantastische Arbeit geleistet."

Es ist die ideale Überleitung zu dem, was Gase vor allem mitbringt: eine ins tiefste Detail gehende Arbeit mit der Offense und vor allem dem Quarterback. Es gibt Anekdoten über stundenlange Tape-Sessions, um Mannings Fragen zu beantworten, viertelstündige Sprachnachrichten von Manning mit detaillierten Fragen am späten Abend, die beantwortet werden wollten und Mitspieler berichteten noch Jahre später von der extrem engen Beziehung zwischen Manning und Gase.

Gase lebt und atmet Football, und das erwartet er auch von seinen Spielern - und von niemandem mehr als von seinem Quarterback.

Wichtigste Baustelle: Sein interner Führungsstil. Die Jets haben einige Baustellen, die Offensive Line könnte man hier nennen, genau wie die Tatsache, dass Gang Green einen Großteil seines Receiving Corps (Kearse, Roberts, Anderson, Matthews) in der Free Agency verlieren könnte. Doch während seine merkwürdige Pressekonferenz zum Jets-Start die Runde machte sollte nicht übersehen werden, dass Gase seinen Job in Miami nicht zwangsläufig auf dem Feld verlor. Das macht ihn als Kandidaten besonders schwer einschätzbar.

Dolphins-Insider berichten von lautstarken verbalen Attacken und anderweitigem respektlosen Verhalten gegen Dolphins-Besitzer Stephen Ross, mehrere Routiniers sollen ein - gelinde gesagt - angespanntes Verhältnis zu Gase gehabt haben. Sein Play-Calling soll gelegentlich intern für Frust gesorgt haben und andere berichteten dem Miami Herald, dass er als Head Coach nicht auf dem nötigen emotionalen Level war und sich von Fehlern im Spiel zu lange runterziehen ließ.

Zumindest einige der Vorwürfe passen in das Gesamtbild, das Insider über Gase vermitteln: ein Football-Besessener, mit einer riesigen Leidenschaft für das Spiel, enormer Detail-Versessenheit und riesigem Wissen, mit der Fähigkeit, als Play-Designer und Play-Caller ohne jede Frage zu glänzen. Doch könne er seine Football-Besessenheit im sozialen Umgang nicht immer in die richtigen Bahnen lenken.

Wie viel hat er aus diesen Auseinandersetzungen gelernt? Was kann Gase bei seinem zweiten Posten als Head Coach verbessern? Wie wirkt sich das auf die Identität seines Teams aus - und wie auf seine Arbeit mit Sam Darnold?

Personelles Fragezeichen: Sam Darnold. Ganz ähnlich wie die Cardinals haben sich auch die Jets von ihrem defensiven Head Coach getrennt und einen offensiven Coach mit Quarterback-Coaching-Hintergrund als neuen Head Coach verpflichtet, um die Entwicklung des Rookie-Quarterbacks zu unterstützen. Und Gase weiß genau, wo die Priorität bei seinem neuen Job liegt.

"Alles beginne" mit Darnold, betonte Gase bei seiner Vorstellung, "und ich freue mich darauf. Er will lernen, er will, dass man mit ihm arbeitet." Und auch Darnold selbst erhofft sich einiges von der neuen Partnerschaft: "Ich könnte mich nicht mehr darauf freuen. Er hat eine enorme Leidenschaft für das Spiel, für Football generell. Und er will unbedingt mit mir und der Offense und dem ganzen Team arbeiten. Die coole Sache mit Adam ist, dass er die Spieler das machen lässt, was sie gut können."

Darnold bringt viele Werkzeuge mit, um ein Franchise-Quarterback zu werden, hat allerdings auch noch offensichtliche Schwächen, darunter eine auffällige Anfälligkeit, wenn es darum geht, in Coverage zu werfen. Die dürfte für die eine oder andere Spannung zwischen ihm und Gase sorgen, doch Darnolds Schlussphase der vergangenen Saison gibt eine vielversprechende Aussicht. Vorausgesetzt, er lässt sich auf Gases Stil ein.

Die Coordinators: Dowell Loggains (Offensive Coordinator/QB-Coach), Gregg Williams (Defensive Coordinator). Was den Offensive-Coordinator-Posten angeht, hatten sich nicht wenige einen Kandidaten gewünscht, der frische Ideen an Gase herantragen kann - doch entschied der sich für einen bekannten Weggefährten, der nicht den besten Ruf genießt.

Loggains, der in Cleveland einst eine treibende Kraft hinter dem Manziel-Pick gewesen sein soll und dessen Offense in Chicago in der ersten Saison von Mitch Trubisky alles andere als vielversprechend war, war bereits Gases QB-Coach bei den Bears sowie zuletzt sein Offensive Coordinator in Miami, in New York wird er beide Posten besetzen. Gase allerdings ist der Play-Caller. Ex-Lions-OC Jim Bob Cooter wird als neuer RB-Coach einige andere Ideen mitbringen.

Gregg Williams auf der anderen Seite ist nach einem äußerst erfolgreichen Intermezzo als Interim Head Coach der Browns auf der ganz anderen Seite des Persönlichkeits-Spektrums anzutreffen. Ein lauter, bisweilen wütender Coach, der Offenses mit Blitzing unter Druck setzen will. Sein Scheme was Aggressivität und Blitzing angeht, könnte gut zum Jets-Personal passen, er ist in jedem Fall der starke Defensive Coordinator, den der auf die Offense fokussierte Gase in seinem Stab braucht.

Besonders spannend ist aber eine Nebenstory: Joe Vitt wurde als defensiver Assistenztrainer vorgestellt - jener Joe Vitt, der während des Bounty-Gate-Skandals bei den Saints 2012 im Zuge der Liga-Untersuchungen Williams der Lüge bezichtigte und verkündete, dass die Spieler Williams nicht ernst nehmen würden. Vitt arbeitet nicht nur seit 1979 als Coach und Berater in der NFL, er ist auch Gases Schwiegervater. Und um den Kessel noch weiter unter Druck zu setzen, setzte sich Williams gegen anfängliche Gegenwehr durch und brachte seinen Sohn als Position-Coach mit.