SPOX stellt die neuen Head Coaches, den jeweiligen Offensive und Defensive Coordinator und die größten Aufgaben, die vor dem neuen Coaching Staff stehen, in drei Teilen vor. Teil 2 mit den Packers, Dolphins und Broncos gibt es am morgigen Donnerstag, Teil 3 mit den Bengals und Browns am Freitag.
Arizona Cardinals
Neuer Head Coach: Kliff Kingsbury
Bisherige Coach-Erfahrung: Offensiv-Assistent Houston (2008-09/College), Co-Offensive Coordinator und QB-Coach Houston (2010-2011/College), Offensive Coordinator und QB-Coach Texas A&M (2012/College), Head Coach Texas Tech (2013-18/College).
Was bringt Kingsbury mit? Ein eindrucksvolles Resümee was die Arbeit mit Quarterbacks und die Arbeit als Passing-Game-Designer und Play-Caller angeht. Um zu verstehen, warum die Cardinals einen gerade wenige Wochen zuvor entlassenen College-Coach als ihren neuen Head Coach verpflichtet haben und damit ohne Zweifel ein beachtliches Risiko mit einem Coach ohne NFL-Coaching-Erfahrung und einer für NFL-Verhältnisse noch immer in mehrerlei Hinsicht extremen Offense eingehen, muss man sich einer Wahrheit stellen: Die NFL ist eine Passing League, und hier wird auf absehbare Zeit der Schlüssel für Teams liegen, um erfolgreich zu sein.
Wenn man die letzten Jahre im College Football betrachtet, gibt es nur eine Handvoll Coaches, die rein mit Blick auf das Passing Game vor Kingsbury anzusiedeln sind. Kingsbury hat der tief in ihm verwurzelten Air Raid Offense - er selbst war einer der ersten wirklich erfolgreichen Air-Raid-Quarterbacks im College - seinen eigenen Anstrich verpasst, und spektakuläre Arbeit abgeliefert.
Die Play-Designs sind kreativ und modern, die Offense passte sich Jahr für Jahr an verschiedene Spieler-Typen auf den Skill Positions an. Außerdem, und das ist die zweite Säule: Kingsbury bringt auch die Quarterback-Arbeitsnachweise mit.
Für die University of Houston coachte er bereits Case Keenum, bei Texas A&M war er Johnny Manziels Offensive Coordinator und Quarterbacks-Coach, als der 2012 die Heisman Trophy gewann und mit Patrick Mahomes, der als College-Recruit nur drei Angebote hatte, legte er 2016 eine spektakuläre Saison auf den Rasen: In sechs von zwölf Spielen gab es 54 Punkte oder mehr, der Punkte-Schnitt lag bei 43,6 und nur zwei Mal blieb Texas Tech damals unter 27 Punkten.
Wichtigste Baustelle: Die Offensive Line. Die Cardinals, die im Laufe der Saison alle fünf ursprünglichen O-Line-Starter verloren, hatten die schlechteste Offensive Line der vergangenen Saison. Platz 26 in Pass-Protection und 25 im Run-Blocking laut Football Outsiders, die schlechteste Pass-Block-Efficiency laut Pro Football Focus und nur vier Quarterbacks (Watson, Allen, Kessler und Osweiler) standen prozentual noch häufiger unter Druck als Josh Rosen - obwohl Watson, Kessler und Allen den Ball deutlich häufiger länger als 2,5 Sekunden hielten als Rosen.
Arizona hatte die horrende Kombination aus einem Rookie-Quarterback, der schlechtesten Line der Liga und dem schlechtesten offensiven Scheme - unter anderem die desolate Verwendung von David Johnson sticht heraus -, was zu einer furchtbaren Offense führte; eine Offense, die allerdings auch mit besserem Scheme und Play-Calling so ihre Schwierigkeiten gehabt hätte.
Die Cardinals werden mehrere O-Line-Starter austauschen müssen, unter anderem Mike Iupati, um Rosen eine Chance zu geben.
Und auch Kingsbury wird sich hier anpassen müssen, um seiner Line wiederum zu helfen, etwa indem seine Formationen vielseitiger werden. Kingsburys Offense im College funktionierte nahezu ausschließlich aus der Shotgun-Formation heraus, hier wird er sich umstellen müssen.
Personelles Fragezeichen: Josh Rosen. Hier lässt sich direkt die Überleitung ansetzen, denn Rosen ist tendenziell eher in Under-Center-Formationen als in der Shotgun zuhause, wenngleich er natürlich auch jede Menge Shotgun-Erfahrung gesammelt hat. Finden beide hier einen Kompromiss, der für Scheme und Spieler funktioniert?
Ansonsten ist der Ansatz klar: Arizona hofft, in Josh Rosen seinen Quarterback für die nächsten 15 Jahre gefunden zu haben - Kingsbury soll derjenige sein, der ihm die Möglichkeit gibt, das zu werden. Mit seinem Scheme, mit seinem Play-Calling, mit seinem gesamten Ansatz.
Die fünfthöchste Pressure-Quote gegen sich, kein Quarterback warf in der vergangenen Saison häufiger in enge Fenster (21,6 Prozent seiner Pässe) oder hatte laut Next Gen Stats eine niedrigere Expected Completion Percentage (59,4 Prozent) als Rosen. Kingsbury soll diesen Spieß umdrehen und Rosen die Arbeit so einfach wie möglich machen.
Gleichzeitig wird Rosen von Anfang an mehr Verantwortung tragen, als viele College-Systeme ihren Quarterbacks auftragen. Bereits im College hatten die Quarterbacks unter Kingsbury vergleichsweise große Audible-Freiheiten und -Verantwortungen.
Die Coordinators: Tom Clements (Pass Game Coordinator/QB-Coach), Vance Joseph (Defensive Coordinator). Kingsbury verzichtet auf einen klassischen Offensive Coordinator, es wird sein Scheme sein. Das bedeutet: eine angepasste Air-Raid-Version, mit den Air-Raid-Konzepten als Kern der Offense.
Empty Sets, Bunch- und Stack-Formations, Jet Sweeps, Motion, Woche für Woche ein, zwei gänzlich neue Play Designs und aggressive Third-Down-Pakete - würde man eine Liste der Elemente anfertigen, die moderne Offenses in der NFL auszeichnen, man würde viele der Kernelemente der Kingsbury-Offense wiederfinden. Jetzt gilt es, diese an die NFL anzupassen. Das betrifft etwa die Formationen, genau wie eine bessere Verwendung von Tight Ends und mehr 11- als 10-Personnel.
Seine rechte Hand dabei ist Tom Clements, der ebenfalls intensiv mit Rosen arbeiten wird. Clements blickt auf langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Quarterbacks (bei Notre Dame, den Saints, Chiefs und Steelers) sowie eine lange Packers-Vergangenheit (QB-Coach 2006 bis 2011, Offensive Coordinator 2012 bis 2014 und stellvertretender Head Coach 2015 bis 2016) zurück.
Er soll Kingsbury in puncto Game Plans und dabei, seine Offense auf die NFL zu übertragen, unterstützen sowie während Spielen Kingsbury, der selbst als Play-Caller fungieren wird, den Rücken freihalten.
Auf der anderen Seite des Balls hat Ex-Broncos-Head-Coach Vance Joseph die Oberhand. Kingsburys Defenses bei Texas Tech waren meist desolat, was Defensive Efficiency angeht rangierten sie auf den Rängen 50, 109, 114, 120, 52 und 62. Ein klarer Recruiting-Nachteil innerhalb von Texas ist fraglos ein Grund, gleichzeitig lag auf dieser Seite des Balls auch nicht Kingsburys Fokus geschweige denn eine Stärke.
Das soll jetzt nach seiner Entlassung in Denver Joseph übernehmen. Unter ihm gehen die Cardinals nach dem einjährigen 4-3-Missverständnis unter Steve Wilks zurück zur 3-4-Base-Defense, werden in der Secondary wieder mehr Man Coverage spielen und könnten sich in Nick Bosa mit dem ersten Pick im Draft gleich ein potentiell gewaltiges Puzzleteil sichern.
Arizona hat die defensiven Vorstellungen von Steve Wilks was die Kaderplanung angeht nie voll umgesetzt. Eine Rückkehr zur 3-4-Base mit aggressiver Coverage und Blitzing sollte daher von vorneherein besser zum Personal passen, Arizona hat mit dem in Atlanta entlassenen Robert Alford auch bereits als erstes Team eine größere Free-Agency-Verpflichtung getätigt. Alford soll dem Nummer-2-Cornerback-Spot gegenüber von Patrick Peterson endlich Stabilität verleihen.