NFL Legendenstory: Joe Namath - Broadway Joe: Alkoholiker, Rebell, Prophet

Marcus Blumberg
13. August 201911:38
Joe Namath führte die New York Jets zum Sieg in Super Bowl III.spox
Werbung

Eine der schillerndsten Figuren in der fast 100-jährigen Geschichte der NFL ist Quarterback Joe Namath, der einst einen Sieg im Super Bowl garantierte und damit einer ganzen Liga die Stirn bot. Als Paradiesvogel wurde er weit über die Grenzen des Sports beliebt, hatte jedoch auch mächtige persönliche Dämonen zu besiegen. SPOX beleuchtet das umtriebige Leben der Football-Legende der New York Jets.

"Wir werden das Spiel gewinnen. Ich garantiere es!" Mit diesen heute legendären Worten reagierte Quarterback Joe Namath auf ein Großmaul bei einem Bankett drei Tage vor Super Bowl III. Eine mutige Ansage, wenn man bedenkt, dass Namaths New York Jets gegen das seinerzeit beste Team überhaupt, die Baltimore Colts, antreten mussten. Die Colts, die bei den Buchmachern als 18-Punkte-Favorit galten.

Namath sollte Recht behalten, denn die Jets schafften die Sensation, gewannen mit 16:7 im Orange Bowl von Miami und machten Namath unsterblich. Trotz verhältnismäßig überschaubarer Zahlen (17/28, 206 YDS, 83,3 Passer Rating) wurde Namath gar zum MVP des Spiels gewählt, als Quarterback des ersten Super-Bowl-Siegers aus der AFL - kurz nach dem Zusammenschluss von NFL und AFL.

Bevor aus Joseph William Namath, dem vierten Sohn einer ungarisch-stämmigen Familie, der im Norden von Pittsburgh aufwuchs, aber "Broadway Joe" wurde, musste ihn sein Weg erstmal zum Football bringen. Klar war dieser nämlich keineswegs.

Namath war ein Top-Athlet auf der High School. Er spielte Guard im Basketball und Outfield im Baseball. Es ist sogar überliefert, dass er in einer Zeit, als dies noch keineswegs salonfähig war, regelmäßig zum Ring zog und Dunks stopfte. Und im Baseball war er so gut, dass zahlreiche Teams am Ende seiner Schulzeit bei ihm anklopften. Die Chicago Cubs machten ihm gar ein unterschriftsreifes Angebot.

Letztlich aber führte sein Weg dann doch zum Football. Die Entscheidung zugunsten des Ledereis fiel nach einem Machtwort der Mutter, die wollte, dass der Sohnemann eine vernünftige College-Ausbildung bekam.

Joe Namath: Bear Bryants beste Coaching-Entscheidung

Nachdem ein Stipendium an der University of Maryland an den zu schlechten Schulnoten gescheitert war, ging es schließlich nach Tuscaloosa zur University of Alabama und zum legendären Head Coach Paul "Bear" Bryant. Dieser nannte die Entscheidung für Namath später wenig bescheiden "die beste Coaching-Entscheidung, die ich je getroffen habe".

Namath brachte es in seiner Zeit bei den Tide auf eine 29-4-Bilanz und führte das Team zur National Championship 1964. Viel wichtiger als all das, was Namath letztlich auf dem Platz gelernt hatte, war das, was er daneben von Bryant mitgenommen hat. Namath berichtete, dass Bryant ihm einst riet: "Lerne die Leute kennen, mit denen du arbeitest."

Ein wichtiger Ratschlag für die weitere Karriere des Quarterbacks, denn dank dieser Worte fiel letztlich die Entscheidung für die Jets: "Teameigner Sonny Werblin, die gesamte Besitzerschaft und Weeb Eubank - unser Coach, der Johnny Unitas mit den Colts zu einer Meisterschaft geführt hat - kennenzulernen, machte es zu einer leichten Entscheidung."

Dass Namath aber überhaupt eine Wahl hatte bezüglich seines künftigen Footballteams, lag an der Zeit, in der es für ihn vom College - als Junior wohlgemerkt - ins Profigeschäft ging. Es war 1965 und die AFL, die seit ein paar Jahren im Geschäft war und auf Konfrontationskurs mit der NFL ging, hielt am selben Tag ihren Draft ab.

Das Ergebnis: In der NFL zogen die St. Louis Cardinals Namath mit dem 12. Pick. Die New York Jets aus der AFL toppten dies und wählten den Bama-Quarterback mit dem First-Overall-Pick.

Cardinals vs. Jets: Bieterwettkampf um Joe Namath

Es folgte ein Bieterwettkampf zwischen beiden Teams, wobei letztlich die Cardinals zähneknirschend den damals sehr ambitionierten Vorstellungen Namaths - 200.000 Dollar im Jahr sowie ein neuer Lincoln Continental - zustimmten. Aber nur unter der Voraussetzung, dass Namath schon vor dem Orange Bowl unterschreiben würde. Namath ließ diese Frist verstreichen, weil er ansonsten den letztlichen Höhepunkt seiner College-Karriere verpasst hätte. Einen Tag danach sagte er den Jets zu.

Der Höhepunkt seiner NFL-Karriere war freilich der bis heute einzige Super-Bowl-Triumph der Jets. Ansonsten gilt Namath als erster Profi-Quarterback überhaupt, der es schaffte, in einer Saison für mehr als 4000 Yards (4007 Yards im Jahr 1967) zu werfen. Zudem führte er die Jets zur AFL Championship 1968.

Was jedoch stets über allem Stand, war seine große Klappe. Um Sprüche war "Broadway Joe", wie ihn Teamkollege Sherman Plunkett taufte, nachdem der QB auf dem Cover der "Sports Illustrated" abgebildet wurde, nie verlegen.

Nach dem sensationellen Super-Bowl-Sieg über die Colts wurde Namath gefragt, ob dies die härteste Defense war, gegen die er je gespielt habe. Seine Antwort: "Nein, das waren die Buffalo Bills." Jene hatten fünf Interceptions gegen ihn gefangen, was ihn auch Jahrzehnte später noch nicht ganz kalt lässt.

Joe Namath bot der NFL die Stirn

Überhaupt war Namath das, was die AFL kurz nach dem Zusammenschluss mit der NFL dringend gebraucht hatte. Ein Mann, der sich nicht von der schier übermächtigen NFL einschüchtern ließ, ihr sogar die Stirn bot. Die AFL galt damals als krasser Underdog im Duell gegeneinander. Mit gutem Grund, die ersten beiden Super Bowls - oder "AFL vs. NFL Championship" Games, hatten die Champions der NFL (Green Bay Packers) jeweils klar für sich entschieden. Entsprechend galt der Jets-Erfolg als bahnbrechend für die weitaus jüngere der beiden Ligen.

Geprägt wurde Namaths Leben aber auch immer von Rückschlägen. Gesundheitlich erwischte es ihn bereits zu College-Zeiten am Knie. Eine kapitale Knieverletzung - nahezu alle Bänder und Menisken waren gerissen - sorgte dafür, dass er nicht in den 60er Jahren zum Vietnam-Krieg eingezogen wurde. Diese Knieverletzung begleitete Namath aber weit darüber hinaus. Insgesamt unterzog er sich vier teils revolutionärer Knieoperationen, um seine Karriere fortzusetzen. Mittlerweile hat er allerdings zwei künstliche Kniegelenke bekommen.

Ein weiterer schwerer Gegner für seine Gesundheit war zudem sein gravierendes Alkoholproblem. In seiner Autobiographie "All The Way" (2019) verriet Namath: "Wenn ich nicht aufgehört hätte zu trinken, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot", gab Namath offen zu.

Teilweise trank er ganze Tage lang und machte schon in seiner aktiven Zeit mitunter bis 3 Uhr morgens Party. Dafür allerdings hatte er eine durchaus schlüssige Begründung, wie er in einem Interview mit NBC Today erklärte: "Sehen Sie, unser Coach wollte nicht, dass wir vor Mittag trainierten. Zu welcher Zeit muss man also schlafen gehen, um davor acht Stunden zu ruhen?" - ein typischer Namath.

Joe Namath volltrunken im TV-Interview

Der Alkoholismus gefährdete einst seine Familie und seine Frau Deborah drohte, ihn zu verlassen, wenn er nicht mit dem Trinken aufhörte. Er stoppte und kam zur Ruhe. Nach der Scheidung 2000 jedoch fiel Namath in ein tiefes Loch und fing erneut mit dem Trinken an. Bis zu einem verhängnisvollen wie peinlichen Montagabend im Jahr 2003.

Die Jets hatten das Monday Night Game und präsentierten zur Halbzeit ihr größtes Team aller Zeiten. Der Quarterback dessen war freilich Namath, der den Tag damit verbrachte, heftig zu trinken, wie er später zugab. Naturgemäß wurde er zum Interview vom TV-Sender ABC gebeten. An der Seitenlinie sollte er dann der Reporterin Suzy Kolber Rede und Antwort stehen.

Das Interview allerdings verlief alles andere als geplant. Im sichtlich betrunkenen Zustand gab Namath zunächst ein paar belanglose Antworten, ehe er zu Kolber sagte: "Ich will dich küssen. Es könnte mich nicht weniger interessieren, dass das Team Probleme hat. Ich will dich einfach nur küssen." Im nationalen Fernsehen!

Namath gab später zu, dass dies für ihn der Tiefpunkt gewesen sei. Er hatte nach eigener Aussage seine Familie und seine Freunde blamiert und geschworen, nichts mehr zu trinken. Nach eigener Auskunft war dies der letzte Tag, an dem er einen Tropfen Alkohol zu sich nahm.

Zu besseren Zeiten nannte Coach Bryant Namath den "natürlichsten Sportler, den ich je gesehen habe" für die Art und Weise, wie er das Spiel gespielt hatte. Es war nichts forciert, es kam alles natürlich für ihn. Diese Leichtigkeit, aber vor allem seine wegweisende Rolle für die AFL als Ganzes dürften die Hauptargumente gewesen sein, warum es Namath letztlich in die Hall of Fame geschafft hat.

Hall of Fame 1985: Tränen bei Namath

Als er 1985 in Canton aufgenommen wurde, präsentierte ihn sein einstiger High-School-Coach. Sein Wegbereiter Bryant war dagegen zwei Jahre zuvor an einem Herzinfarkt verstorben. Als Namath in seiner Rede an seinen Mentor erinnerte, kamen ihm die Tränen.

Ein seltener trauriger öffentlicher Moment für Namath, der sonst stets mit einem Lächeln auf den Lippen in der Öffentlichkeit anzutreffen ist. Broadway Joe gehörte zur amerikanischen Popkultur wie kaum ein anderer Sportler seiner Zeit - oder der Zeit nach der aktiven Karriere. Namath, der einst sogar seine eigene Talkshow moderierte, hatte zahlreiche Gastauftritte in erfolgreichen Fernsehserien wie "Eine schrecklich nette Familie", "The Simpsons", "The A-Team" oder "ALF". Zudem war er einer der Hauptdarsteller in Filmen wie "C.C. and Company".

Selbst auf der Theater-Bühne war er anzutreffen. Seinem Namen "Broadway Joe" machte er schließlich als Ersatzmann im Theaterstück "The Caine Mutiny Court Martial" alle Ehre. Und er war diverse Male Gast-Moderator der berühmten Late-Night-Show "The Tonight Show Starring Johnny Carson".

Seinen Ruhestand genießt Namath in Florida, wo er lange mit seinen zwei Töchtern zusammenlebte. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, immer mal wieder bei bestimmten Events aufzutreten. Er war es etwa, der nach Super Bowl XLIII die Vince Lombardi Trophy präsentierte. Vor Super Bowl XLVIII im Stadion der Jets führte er den Münzwurf aus - gekleidet in seiner typischen 70er-Jahre-Montur samt opulentem Pelzmantel.

Den wiederum lässt er dieser Tage eher im Schrank, das ansteckende Lächeln jedoch hat er stets auf den Lippen.