NFL: Legendenstory Randy Moss - Der Freak, der sich nur selbst stoppen konnte

Marcus Blumberg
16. August 201911:04
Randy Moss hat die drittmeisten Touchdowns in der Geschichte der NFL erzielt.spox
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Wide Receiver Randy Moss gilt als einer der intelligentesten und besten Spieler in der fast 100-jährigen Geschichte der NFL. Sein Weg in die Hall of Fame war keiner ohne selbstverschuldete Unwägbarkeiten. Große Momente mischten sich immer wieder mit teils unglaublichen Rückschlägen. SPOX erzählt die Geschichte der Football-Legende.

Ich liebe dieses Spiel so sehr. In diesen vier Stunden am Sonntag kann ich frei sein und es einfach laufen lassen. (Randy Moss, Pro-Football-Hall-of-Famer)

Wer Randy Moss dieser Tage sieht, mag glauben, dass er immer noch in der NFL spielen könnte. Neulich war er zu Gast im Training Camp der New England Patriots und fing in den Pausen ein paar Pässe von Tom Brady - wie Moss ebenfalls 42 Jahre alt. Ein Bild wie aus alten Zeiten.

Während Brady immer noch nach Ringen jagt, hat sein alter Kamerad Moss bereits vor geraumer Zeit seine Handschuhe an den Nagel gehängt. Doch wenn die NFL ihre 100. Saison begeht, darf man schon mal in Erinnerungen schwelgen.

An das Jahr 2007 etwa, dem sicher größten Jahr in der Karriere von Randy Moss, die so viele große - aber auch schlechte - Momente hatte.

Mit einem Draft-Day-Trade schockten die Patriots die Footballwelt. Sie holten Randy Moss, den einstigen Superstar-Wide-Receiver, der in den zwei Jahren zuvor in Oakland die dunkelsten Stunden seiner Profikarriere durchlebt hatte. Moss litt unter der Erfolgs- und Planlosigkeit der Raiders, die sich damals von Coach zu Coach und Blamage zu Blamage hangelten.

Moss erklärte selbst, dass seine persönlichen Leistungen deshalb so schlecht waren, weil "ich vielleicht unglücklich und nicht gerade begeistert von dem bin, was hier passiert. Dadurch sind meine Konzentration und mein Fokus vielleicht nicht auf dem Level, auf dem sie sein sollten. Und manchmal bin ich schlecht drauf".

Auch gab er offen zu, einen Neuanfang starten zu wollen. Die Frage war nur: wohin? Im Alter von damals 30 Jahren und nach zwei verlorenen Spielzeiten hatten einige Teams Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit. Und seine Diva-Tendenzen sowie Probleme mit dem Gesetz waren für einige Organisationen ohnehin ein Ausschlusskriterium.

Randy Moss 2007: Nur Patriots und Packers interessiert

Wirkliches Interesse zeigten nur die Patriots und die Green Bay Packers. Deren Quarterback Brett Favre warb sogar öffentlich um Moss: "Niemand in dieser Liga macht Leuten mehr Angst als Randy Moss", ließ der legendäre QB wissen. Doch letztlich gelang keine Einigung zwischen beiden Teams. Die kam dann aber mit den Patriots zustande - und Moss bekam seinen Wunsch.

Ganz so reibungslos verlief Moss' Karriere, und alles was davor kam, zuvor allerdings nicht.

Moss wuchs als Kind einer alleinerziehenden Mutter - der Vater hatte die Familie früh verlassen - in Rand/West Virginia mit zwei Geschwistern auf und entwickelte sich schon früh zum Top-Athleten. Auf der High School spielte er neben Football auch Basketball und Baseball und war zudem auch als Sprinter (100 m/200 m) in der Leichtathletik unterwegs. Und: Er war auch Teil des Debattierteams!

Ein Star war Moss in all diesen Sportarten. Beim Football etwa war er so gut, dass er neben Wide Receiver auch noch Free Safety, Kick- und Punt-Returner sowie Kicker und Punter spielte. Er führte sein Team zu zwei State Championships und wurde 1995 ins High School All-American Team gewählt.

Im Basketball wiederum war er zweimal in Folge West Virginias High-School-Spieler des Jahres, im Baseball spielte er - natürlich - Center Field. Und auf der Laufbahn? State-Champion über 100 und 200 Meter!

Randy Moss: Was für ein Freak!

Diese Vielseitigkeit, gepaart mit seiner Statur (1,93 m, 95 kg) verlien ihm den Spitznamen "The Freak". Colleges standen Schlange und hatten jede Menge Lob für Moss übrig. Seine Wahl fiel letztlich auf Notre Dame, deren Coach Lou Holtz über Moss sagte: "Er ist der beste High-School-Spieler, den ich je gesehen habe."

Bobby Bowden, Head Coach von Florida State, ließ wissen: "Er war so gut wie Deion Sanders. Deion ist mein Maßstab für athletische Fähigkeiten und dieser Junge war im Prinzip ein größerer Deion."

Aus der großen College-Karriere für die Fighting Irish jedoch wurde dann doch nichts. Moss nämlich war Wochen vor seinem Abschluss in eine Schlägerei verwickelt. Ein weißer Mitschüler soll einen schwarzen Freund von Moss rassistisch beleidigt haben und Moss verteidigte ihn. Es kam zur Schlägerei und später zur Anklage. Moss soll den Mitschüler getreten haben.

Letztlich wurde er von der Schule verwiesen und musste eine 30-tätige Haftstrafe verbüßen - ursprünglich saß er nur drei Tage ab, der Rest sollte ein Jahr später folgen. Notre Dame allerdings zog sein Stipendium zurück, verwies jedoch auf Florida State, das Moss immer noch aufnahm.

Die NCAA sah ihn durch seine Zusage für ND aber als "Transfer" an, weshalb er 1995 nicht spielen durfte. 1996 trat Moss dann die übrigen 27 Tage seiner Strafe als Freigänger an und wurde positiv auf Marihuana getestet. Aufgrund des Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen wurden aus der Strafe 60 Tage sowie ein Rauswurf von Florida State.

Randy Moss war in seiner College-Zeit bei Marshall kaum zu halten.getty

Randy Moss: Neuanfang bei Marshall

Verzweifelt sah Moss nur noch einen Ausweg: Ein sportlicher Abstieg zur Marshall University, die nur knapp eine Autostunde von seiner Heimat entfernt war.

Marshall war damals noch eine Division-I-AA-Schule, gewissermaßen die zweite Liga des College Footballs. Moss jedoch machte das Beste daraus und zerstörte letztlich die Konkurrenz mit einer Wahnsinns-Saison. Er fing 28 Touchdown-Pässe und stellte den Rekord von Jerry Rice (1984) ein. Marshall gewann den Division-I-AA-Titel ungeschlagen. Ein Jahr später führte Moss sein Team dann in Division-I-A - der ersten Liga - zum Titel der Mid-American Conference mit 26 Touchdowns.

Sein Debüt für die Patriots verlief für Moss Jahre später wie im Märchen. Er hatte die Preseason mit einer Oberschenkelverletzung verpasst. Ein gefundenes Fressen für alle Kritiker, die ihn für zu alt und gebrechlich hielten. Diese Kritiker verstummten jedoch schnell.

Gegen die New York Jets startete Moss erstmals für die Patriots und zerstörte den Konkurrenten New Englands mit 181 Yards. Das Highlight: Ein 51-Yard-Touchdown-Catch mit drei Verteidigern im Schlepptau!

Brady und Moss verstanden sich von Beginn an blind und dominierten die Liga nach Belieben. Für Moss selbst war es ein klares Zeichen: Er war immer noch da und auf der Höhe seines Schaffens. Für Brady aber auch, denn bis dahin war er zwar ein anerkannter "Winner", aber eben ein Game Manager, der unspektakulär seinen Stiefel herunterspielte. Moss half ihm, das nächste Level seiner Karriere zu erreichen.

Randy Moss: Statistiken einer Hall-of Fame Karriere

StatistikWertNFL-Rang (All-Time)
Receptions98215.
Receiving Yards152924.
Touchdown Receptions1562.
Total Touchdowns1574.
Pro Bowls6-
All-Pro 1st Teams4-

Moss hebt Offenses auf neue Höhen

Doch bevor er nach New England kam, hatte Moss bereits einen äußerst positiven Effekt auf andere Quarterbacks gehabt.

Als Moss 1998 als 21. Pick nach Minnesota kam - viele Teams hatten ihn aufgrund seiner Probleme mit dem Gesetz als Risiko angesehen - zeigte er schnell, welch eine Waffe er sein konnte. Schon in seinem ersten Spiel - mit dem eher unspektakulären Quarterback Brad Johnson - fing er zwei Touchdowns. Moss und Teamkollege Cris Carter sorgten letztlich sogar dafür, dass die Vikings einen Allzeit-Punkte-Rekord mit 556 Zählern aufstellten - die 2007er Patriots übertrafen diese Marke später.

Moss war so gut, dass er seine Rookie-Saison mit 17 Touchdowns - bis heute ein Rookie-Rekord - abschloss. Er wurde in den Pro Bowl und zum Offensive Rookie of the Year gewählt. Danach legte Moss eine sensationelle Saison nach der anderen hin und soll letztlich sogar der Grund dafür gewesen sein, dass die Vikings 1999 in der ersten Draft-Runde Quarterback Daunte Culpepper gezogen haben. Culpepper hatte einen starken Arm - genau das Richtige für den pfeilschnellen Moss.

Moss' Leistungen veranlassten dessen Agenten im Jahr 2001 dazu, Druck auf das Management der Vikings auszuüben. Sein Superstar-Klient sollte schließlich angemessen bezahlt werden: "Wir wollen die Tradition durchbrechen, nach der Quarterbacks immer die bestbezahlten Spieler sind", hieß es seinerzeit. Letztlich gelang ihm dies zwar nicht ganz, doch acht Jahre und 75 Millionen Dollar erschienen angemessen für das Jahrhunderttalent.

Revolution des Slot-Receivers als Nebenprodukt

Moss war ein Game-Changer. Einer, der Teams auf neue Höhen verfrachtete. So auch die Patriots, die 2007 erstmals unter Bill Belichick eine Offense spielten, die unnachgiebig und ultra-aggressiv zu Werke ging. Das Laufspiel wurde zur Nebensache und der Pass das Hauptstilmittel. Die Gefahr, die Moss als Deep-Threat verursachte, machte zudem den Weg frei für Wes Welker, der nebenbei die Slot-Position revolutionierte und zu einer veritablen Angriffswaffe machte, die auch heute noch Herzstück vieler Offenses ist.

Die Gefahr, dass Moss tief gehen könnte, machte es erforderlich, immer mindestens zwei Verteidiger auf ihn abzustellen, was die Mitte des Feldes und die Underneath Routes aus dem Fokus der Defenses bewegte. Hier agierte Welker und war ein starker Robin zu Moss' Batman, wenn man so will.

Diese besondere Aufmerksamkeit für Moss seitens der Defenses war schon in dessen früheren Jahren zu erkennen. Vikings-Receiver Chris Walsh nannte es die "Randy Rules" - Defenses ließen so gut wie nie nur einen Verteidiger gegen Moss ran. Zu groß war die Gefahr, dass er ihm einfach davonlief oder über ihn hinweg einen Ball fing.

Nach einer herausragenden Saison 2003 (17 TD, 1632 YDS, 111 REC) und einer verletzungsbedingt etwas verkürzten Saison 2004 kam es schließlich zum Bruch zwischen den Vikings und Moss, der auf nationaler Bühne in Ungnade fiel. In einem Playoff-Spiel gegen den Erzrivalen Packers erzielte Moss zwei Touchdowns zum Sieg. Nach einem dieser Touchdowns tat er so, als würde er seine Hose runterziehen und den Fans der Packers sein Hinterteil zeigen - wie es Fans der Cheeseheads öfter tun, wenn der Bus der Gästemannschaft abfährt.

Es wurde zum Riesenskandal und FOX-TV-Kommentator Joe Buck nannte die Aktion einen "ekelhaften Akt".

Am Ende kam es zum Trade mit den Oakland Raiders.

2007: Perfektion ohne Happy End

Zwei Jahre später fand die Saison 2007 ein - vorläufig - perfektes Ende in den Meadowlands von New Jersey. Die Patriots vollendeten auch das 16. Spiel des Jahres erfolgreich, schlugen die New York Giants und Brady und Moss inszenierten zwei Touchdowns. Der zweite war für Brady der 50. der Saison, für Moss der 23. Beides Allzeit-Saisonrekorde seinerzeit.

In den folgenden Playoffs allerdings blieb es still um Moss, der unter besonderer Bewachung stand und weder gegen Jacksonville noch gegen San Diego die Endzone fand. Im Super Bowl dann war er es, der die Patriots mit einem Touchdown kurz vor Schluss in Front brachte. Der Helm von David Tyree ließ das Happy End jedoch ausbleiben.

Ein solches gab es schließlich für Moss und New England insgesamt auch nicht. Moss forderte 2010 einen Trade, der ihm nach vier Wochen - und drei Touchdowns - gewehrt wurde. Es ging zurück nach Minnesota, wo er doch noch mit Favre zusammenkam. Die Freude jedoch währte nicht allzu lange, denn nach Kritik an Head Coach Brad Childress wurde Moss entlassen.

Er landete auf der Waiver-Liste und die Tennessee Titans nahmen ihn auf. Am Ende der Saison erklärte Moss seinen Rücktritt.

Moss: Rücktritt vom Rücktritt für letzten Super Bowl

Das Ende der Geschichte war dies aber nicht, denn für die Saison 2012 - mit 35 Jahren - kam Moss noch einmal zurück. Er heuerte als Deep Threat bei Jim Harbaugh und seinen aufstrebenden San Francisco 49ers an, die es bis in den Super Bowl schafften. Dort war dann aber gegen die Baltimore Ravens wenig zu holen.

Die Niners entließen Moss und dieser akzeptierte nach längerer Denkphase dann doch sein Karriereende.

Moss ist Vater von vier Kindern und seit 2015 Studio-Experte bei ESPN, wo er zur Crew von "Sunday NFL Countdown" und "Monday Night Countdown" gehört. Zudem schaffte es Moss beim ersten Anlauf 2018 in die Hall of Fame.

"Er ist der intelligenteste Receiver, den es je gab", sagte Bill Belichick (Head Coach der Patriots) über seinen ehemaligen Schützling. Er adelte ihn sogar damit, dass er seine Fähigkeit, das Spiel zu lesen, mit der von Tom Brady und Lawrence Taylor auf eine Stufe stellte.