Die Cleveland Browns waren über Jahre hinweg eine Randnotiz, eine Lachnummer gar. Spätestens durch den erfolgreichen Karrierestart von Quarterback Baker Mayfield in der Vorsaison sowie den äußerst aggressiven Transfers und guten Drafts der vergangenen zwei Jahre hat sich dies gewaltig geändert. Die Browns sind wieder wer!
Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass das US-Fernsehen die Browns gleich zweimal innerhalb von sieben Tagen in der Primetime präsentiert. Am vergangenen Montag waren die Browns zu Gast bei den New York Jets für "Monday Night Football", am kommenden Sonntag (Nacht zum Montag, ab 2.20 Uhr live auf DAZN) empfangen sie den amtierenden NFC Champion Los Angeles Rams im Sunday Night Game.
Nicht wenige ernannten die Browns bereits vor dem ersten Spiel zu einem der Topfavoriten in der Division und gar Conference - im SPOX Power Ranking haben sie es gar an Position 8 in die "Spitzengruppe" geschafft. Alles war bereit für einen langersehnten Höhenflug in "Believeland"! Doch dann kam Woche 1 und eine 13:43-Klatsche im heimischen FirstEnergy Stadium gegen die Tennessee Titans.
Es war ein Spiel, in dem nichts gelingen sollte für die hoffnungsvollen Browns. Besonders Running Back Derrick Henry (159 Scrimmage-Yards auf 20 Touches, 2 TD) und Quarterback Marcus Mariota (248 YDS, 3 TD) entzauberten die mit Talent gespickte Defense der Browns. Und offensiv ging gleich gar nichts! Mayfield warf drei Interceptions - darunter ein Pick-Six - und wirkte im ganzen Spiel wacklig.
Cleveland Browns: Baker Mayfield gegen Titans unter Dauerdruck
Eine Ursache dafür könnte der Dauerdruck gewesen sein, dem er sich gegenübersah - Mayfield kassierte 5 Sacks und 7 QB-Hits. Seine Offensive Line erwischte einen schwachen Tag und erste Fragen kamen auf, ob der Abgang von Guard Kevin Zeitler wirklich so weise war - er war aus Sicht der New York Giants das personelle Herzstück im Trade für Odell Beckham Jr. Und Letzterer kam auch nur bedingt zur Geltung gegen Tennessee.
Die Browns begannen also aller Vorschusslorbeeren zum Trotz die Saison mit einem ordentlichen Schlag ins Gesicht. Das Entsetzen darüber hielt allerdings nicht allzu lange an. Zu klar war danach das 23:3 gegen die New York Jets, die einfach kein Land sahen an besagtem Montagabend in den Meadowlands.
Allen voran OBJ war endlich angekommen und spielte wie ein junger Gott an seiner alten Wirkungsstätte MetLife Stadium. 6 Receptions für 161 Yards standen letztlich auf dem Zettel. Als Krönung gab es den 89-Yard-Touchdown Ende des dritten Viertels! Willkommen in der Mayfield-Beckham-Ära!
Ebenfalls erfreulich: Die Defense dominierte. Und zwar nach Belieben! Zudem funktionierte der Pass Rush und sammelte vier Sacks und diverse mehr Pressures. Allen voran Edge-Monster Myles Garrett übernahm das Spiel und schaffte alleine 3 Sacks - 5, wenn man die zwei eher fragwürdigen Roughing-Strafen dazu zählt.
Mehr noch: Die Defense als Ganzes schaffte es, den neuen Superstar der Jets, Le'Veon Bell, einigermaßen in den Griff zu kriegen. Er kam lediglich auf 3,2 Yards pro Carry (21 CAR/68 YDS) und hatte zwar 10 Receptions, aber lediglich für 61 Yards - ein Schnitt von gerade mal 6,1 Yards.
Alles also wieder gut in Cleveland? Mitnichten.
New York Jets: Quarterback-Misere gegen Browns
Was nicht vergessen werden sollte, ist, dass die Jets gewaltig gehandicapt ins Spiel gingen. QB Sam Darnold fiel bereits mit Pfeifferschem Drüsenfieber aus: Und kurz nach Spielbeginn war dann auch Schluss für Backup Trevor Siemian mit einer schweren Knöchelverletzung, die ihn letztlich die komplette Saison kostet. Luke Falk, der dann übernahm, wurde erst unter der Woche von der Practice Squad aktiviert und gab sogar sein NFL-Debüt.
Hinzu kommt, dass es keineswegs ein Selbstläufer war, wie das Endergebnis suggerierte. Das Spiel war zäh. Zur Pause hatte Cleveland nur einen Drive mit einem Touchdown abgeschlossen und damit die Tür für den überforderten Gegner zumindest mal einen Spalt aufgelassen. Erst der OBJ-Touchdown machte diese dann endgültig zu.
"Wir müssen absolut besser spielen", brachte es Mayfield auf den Punkt. Und das gilt vor allem auch mit Blick auf die anstehende Aufgabe L.A. Rams. Auch die starteten nicht tadellos in die neue Spielzeit. Sie gewannen ihre beiden Partien in Carolina sowie daheim gegen die Saints, aber auch nur bedingt überzeugend. Das Panthers-Spiel (30:27) war bis zum Ende spannend.
Gegen die Saints brauchte es erst einen Doppelschlag von Todd Gurley und Branin Cooks Ende des dritten Viertels, um die Partie außer Reichweite zu bringen. Während auch hier die Defense - gegen einen Backup-Quarterback nach der Verletzung von Drew Brees vor der Pause - beeindruckte, sucht die Offense noch nach ihrem Rhythmus.
Die Chance also für die Browns, erneut für eine gute Grundlage zu sorgen. Was dafür spricht, ist die Offensive Line der Rams, die bislang noch nicht vollends überzeugte und Jared Goff nicht ausreichend beschützte. Garrett und Co. sind also gefordert.
Cleveland Browns: Probleme in der Offensive Line
Auf der anderen Seite allerdings rückt unweigerlich die O-Line der Browns in den Fokus. Zeitler-Nachfolger und Right Guard Eric Kush sucht noch nach der Stabilität, während Left Guard Joel Bitonio mit einer Verletzung im Bauchbereich überdies fraglich ist. Gegen All-Pro-Defensive-Tackle Aaron Donald keine übermäßig gute Ausgangslage.
Und dennoch ist dies ein Spiel, dass besonders für die Browns von großer Bedeutung ist. Die Browns wollen ganz oben mitspielen, sie wollen erstmals seit 2002 wieder in die Playoffs - und warten im Übrigen seit 1989 auf einen Division-Titel. In erster Linie aber wollen die Browns ein Statement machen. Sie wollen dem Rest der NFL zeigen, dass sie nun tatsächlich zu den Topteams gehören.
Wie ginge dies besser als mit einem überzeugenden Sieg im nationalen TV zur Primetime am Sonntagabend? Und noch dazu gegen einen amtierenden Conference-Gewinner. Cleveland spielt dann nicht nur gegen die Rams, sondern auch gegen die Kritiker, die nach der Auftaktpleite schon wieder pflichtbewusst die "gleichen alten Browns" heraufbeschwörten.
Und die Rams? Bei denen gilt es immerhin den Prestigeerfolg über New Orleans zu bestätigen. Ein Erfolg über den Emporkömmling aus Ohio wäre da genau das Richtige. Genauso geht es darum, auf dem positiven Trend aufzubauen, nachdem die Offense noch Verbesserungsspielraum aufweist. Das wäre auch schon ein Statement.