NFL

Third and Long Week 2: Brees, Big Ben - und eine neue Seahawks-Offense?

Die Seattle Seahawks haben ihr erstes Auswärtssspiel der Saison bei den Steelers gewonnen.
© getty
Cookie-Einstellungen

Ihr wollt Fragen an die SPOX-NFL-Kolumne stellen? Das geht direkt hier an den Autor!

Schottenheimer 2.0 - eine neue Seahawks-Offense?

Was war das denn?

So in etwa fiel meine erste Reaktion aus, als ich das Duell der Seahawks gegen die Steelers am Montagmorgen analysiert hatte. Wer diese Kolumne schon länger liest, der kennt meine Abneigung gegenüber dem Play-Calling und dem generellen Ansatz der Seahawks-Offense in der jüngeren Vergangenheit unter Pete Carroll und Offensive Coordinator Brian Schottenheimer - mit dem Negativ-Highlight in der letzten Wildcard-Playoff-Runde.

Seattle will den Ball laufen, den Run "etablieren". Schottenheimer warf in der Offseason mit obskuren Zahlen-Beispielen und Parolen um sich, die nahelegten, dass sich daran nichts ändern wird. Woche 1 gegen die Bengals unterstrich das nochmals.

Woche 2 war anders, sehr anders.

Seattles Play-Calling bei First Down gegen die Steelers:

Erste Halbzeit
Run+1+21+3+16Fumble (+1)+5+3
Pass+16Inc.+6+9Inc.Inc.Inc.+30+5+9-1+3

Kursiv markiert sind die Plays des 2-Minute-Drives am Ende der Halbzeit, als Seattle in die No-Huddle-Offense überging.

Zweite Halbzeit
Run-20+5+5+4Fumble+1+3
PassInc.12 TD+8+5+3DPI (+38)+11+4

Die Seahawks drehten den Spieß um. Gegen eine Steelers-Defense, deren Stärke fraglos in der Front liegt und deren Secondary man attackieren sollte, machte Seattle genau das; und das schon bei Early Downs, wenn die Defense häufiger in Base-Personnel auf dem Feld steht und damit deutlich vorhersehbarer ist und vorteilhafte Offense-Matchups leichter zu kreieren sind.

Seattle warf nicht nur bei First Down mehr, als dass gelaufen wurde. Selbst wenn man den 2-Minute-Drive kurz vor der Halbzeitpause ausklammert, waren es mehr Pässe als Runs.

Die Seahawks führten über weite Strecken der zweiten Hälfte und dann durchgehend im vierten Viertel - und hielten den Fuß auf dem Pass-Pedal. In diesen Situationen ging Seattle in der jüngeren Vergangenheit nahezu immer zum Run Game über. Das war diesmal umso wahrscheinlicher, da Wilson früh im Spiel einige harte Sacks gegen den Pass-Rush der Steelers eingesteckt hatte.

Aber es war nicht nur das Play-Calling selbst, es war das Zusammenspiel aus Play-Calling und Play-Designs, die für die richtig große Überraschung sorgten.

Seahawks: Kurzpassspiel und Effizienz

Unter Quarterbacks mit mindestens 200 Dropbacks hielten im Schnitt nur Josh Allen (3,01 Sekunden) und Lamar Jackson (2,9) in der vergangenen Saison den Ball vor dem Wurf länger als Wilson (2,86). Das hatte zweierlei Gründe: Einerseits baute Seattle extrem auf das vertikale Passspiel in Ergänzung zu dem Run-lastigen Ansatz - folgerichtig war es häufig schon via Design notwendig, dass Wilson den Ball länger hielt.

Darüber hinaus aber hat Wilson, ähnlich wie Deshaun Watson oder auch Aaron Rodgers, allerdings auch die Tendenz, den Ball zu lange zu halten. Auf der Suche nach dem Big Play und darauf vertrauend, dass er aufgrund der eigenen Mobilität Pass-Rushern ausweichen kann, sorgt diese Spielweise auch für Sacks.

Ein guter Weg für einen Play-Caller, um mit Play-Designs dagegen zu arbeiten, sind klar definierte, kurze Route-Konzepte. Und genau das war gegen Pittsburgh zu beobachten.

Seattle setzte gegen Pittsburgh auf verschiedene Curl-Route-Konzepte; ein Element, das in Air Raid Offenses häufig zu finden ist. Eine Curl-Route bedeutet, dass der Receiver etwa fünf bis zehn Yards vertikal läuft, und sich dann blitzartig umdreht und ein, zwei Schritte zurück in Richtung des Quarterbacks macht.

Der Effekt: Der Quarterback erhält stationäre Ziele, die sich horizontal über das Feld verteilen - und er kann sich etwa mit Blick darauf, ob die Defense Press- oder Off-Coverage spielt, bereits vor dem Snap ein gutes Bild darüber verschaffen, wo er mit dem Ball hin will. Das oben abgebildete Beispiel war ein 11-Yard-Pass zu Tight End Will Dissly (innen postiert auf der rechten Seite der Formation) zu Beginn des letzten Drives.

Das Beispiel hier zeigt den 30-Yard-Catch-and-Run von Malik Turner zu Beginn des letzten Drives vor der Halbzeitpause. Das Konzept ist offensichtlich auch genau darauf ausgelegt, Turner gegen die Off-Coverage der Steelers Underneath Platz zu verschaffen, sodass er den Ball nicht nur sichern, sondern auch Yards nach dem Catch produzieren kann.

Und das sind nur zwei Beispiele eines Musters, das immer wieder klar erkennbar war. Seattle attackierte Pittsburgh, vor allem wenn sich die Steelers in Coverage etwas zurückzogen, wieder und wieder mit Curl-Konzepten. Das gab Wilson klare Reads, das sorgte für Raumgewinn bei Early Downs.

(All-)Curl-Konzepte sind spezifisch darauf ausgelegt, bei First Down "sichere" Pass-Spielzüge umzusetzen, um so in kurze Second Downs zu kommen - etwas, das Seattle bisher bevorzugt mit Runs bei First Down versuchte. Das macht diesen Wechsel so bemerkenswert.

Wilson warf den Ball laut Next Gen Stats im Schnitt in 1,89 Sekunden, seit 2016 ist das die schnellste Durchschnitts-Wurf-Zeit für einen Quarterback mit mindestens 20 Pässen in einem Spiel. Wilson warf den Ball am Sonntag insgesamt 35 Mal, 29 seiner Pässe kamen an.

Das war größtenteils auf eben dieses schnelle Underneath-Passspiel zurückzuführen. Im Bereich zwischen der Line of Scrimmage und zehn Yards Downfield brachte er 20 von 22 Pässen zum Mitspieler und fand auch gegen Pittsburghs Blitz-Versuche schnelle Checkdown-Optionen.

Steelers-Secondary mit erneuten Matchup-Problemen

Und es war nicht nur dieses Muster, das immer wieder auffiel. Seattle hatte generell sehr gut designte Route-Kombinationen, die in Pittsburgh zu Big Plays führten.

Die hier abgebildete Szene zeigt den Touchdown von Dissly Mitte des dritten Viertels. First Down, Red Zone - und erneut geht Seattle zum Passspiel. Via Pre-Snap-Motion bewegt sich Tyler Lockett auf die linke Seite der Formation, sodass die Seahawks die Steelers-Defense hier überladen können.

Der Running Back aus dem Backfield läuft in die Flat und beschäftigt so den Linebacker, Lockett läuft eine kurze Route nach außen und bindet so den Outside-Cornerback - und all das führt dazu, dass hinter dem Corner und dem Linebacker auf der rechten Seite aus Sicht der Defense ein Raum entsteht. Dissly kann so, komplett frei, exakt vor dem tiefen Safety den Pass fangen und in die Endzone laufen.

Auch der Touchdown von D.K. Metcalf zeigt die Fähigkeit, Pittsburghs Defense gezielt zu attackieren und Matchups zu schaffen. Wieder attackiert Schottenheimer eine Seite des Feldes, indem er den Cornerback durch die Outside-Route des Tight Ends Nick Vannett aus dem Play nimmt und den Linebacker (Mark Barron, Nummer 26) mit Lockett nach außen zieht

Das kreiert ein Eins-gegen-eins-Duell für Metcalf gegen Safety Terrell Edmunds - ein enormes Mismatch für die Steelers. Das sind einfache Reads und verhältnismäßig einfache Big Plays für Wilson. Seattle ist damit im Übrigen nach den Pats das zweite Team, das Pittsburghs starre Coverages auseinandernimmt.

Das war ein sehr ermutigendes Spiel für die Seahawks-Offense, die unter Schottenheimer viel zu häufig ihren Top-5-Quarterback versteckt statt in den Mittelpunkt gerückt hat. Pittsburghs Defense mag eine Rolle dabei gespielt haben - doch noch in der Vorwoche gegen Cincinnati änderte eine gute Bengals-Front ebenfalls nichts an Schottenheimers Herangehensweise.

Wenn das nicht nur eine einmalige Sache, sondern der Beginn eines neuen Trends war, muss man Seattle deutlich ernsthafter als bisher auf dem Zettel haben. Nicht gleich als Titelkandidat - aber die Seahawks geben sich so eine Chance, statt ihren besten Spieler zu verstecken und gleichzeitig auf einen ineffizienten Ansatz zu bauen.