John Madden hat für den Football gelebt. Der einstige Head Coach der Oakland Raiders verbrachte sein ganzes Leben im Football und drückte dabei der NFL seinen Stempel auf - auf verschiedensten Ebenen.
Dieser Artikel wurde im Juni 2020 erstmals auf SPOX veröffentlicht und wurde anlässlich des Todes von John Madden neu publiziert.
Viele Generationen von Footballfans kennen den Namen John Madden. Doch je nach Alter assoziieren sie komplett unterschiedliche Dinge mit diesem Mann.
Die jüngeren Fans etwa denken bei "Madden" sofort an das exorbitant erfolgreiche Videospiel "Madden NFL" von EA Sports, das jährlich millionenfach wie die FIFA-Reihe im Fußball verkauft wird und gerade in den USA stets ein absoluter Beststeller ist.
Die etwas älteren Footballfans denken bei Madden schon eher an den so beliebten TV-Experten, der gerade an der Seite der Kommentatorenlegenden Pat Summerall und Al Michaels über drei Jahrzehnte das Spiel wie kaum ein anderer präsentierte.
Doch noch davor wiederum war er ein äußerst erfolgreicher Head Coach der einstigen Oakland Raiders, der diese zu ihrem ersten Super-Bowl-Triumph geführt hat.
Drei erfolgreiche Karrieren für einen Mann, der Generationen verbindet. Das ist John Madden.
John Madden: Hall-of-Fame-Aufnahme "bester Ritt von allen"
Bei seiner Hall-of-Fame-Aufnahme im Jahr 2006 in Canton/Ohio sagte Madden, dass er sich fühle, als würde er zum zweiten Mal in seiner Karriere auf den Schultern seiner Mitstreiter vom Feld getragen werden. Anders als beim ersten Mal aber nicht von nur ein paar Leuten, sondern von Hunderten von Freunden und Wegbegleitern. "Dies ist der süßeste Ritt von allen", wie Madden es nannte.
Und dieses Mal ging es deutlich reibungsloser vonstatten als beim ersten Mal.
Jenes erste Mal ereignete sich im Rose Bowl von Pasadena/Kalifornien. Die Raiders hatten soeben Super Bowl XI gegen die Minnesota Vikings gewonnen und die Spieler versuchten, ihren Head Coach, der auch damals schon um die 150 Kilogramm auf die Waage brachte, vom Feld zu tragen. Ein unglücklicher Kameramann wollte ganz nah an der Aktion dran sein und wurde schließlich zum buchstäblichen Stolperstein der Prozession. Und so ging alles zu Boden, allen voran Madden.
Der Freude über seinen ersten und einzigen Super-Bowl-Erfolg tat dies jedoch keinen Abbruch.
Ehe Madden allerdings zur Coaching-, TV- und Videospiel-Ikone wurde, musste er zunächst mal einen schweren Rückschlag in seiner eigenen Footballkarriere überstehen. Bereits auf dem College von Oregon nämlich verletzte er sich so schwer am Knie, dass er sich einer Operation unterziehen musste. Für den Offensive Tackle war damit die Zeit bei den Ducks bereits nach einem Jahr wieder beendet.
Für das bedeutend kleinere College Cal Poly in San Luis Obispo nahe seiner Heimat in Nordkalifornien beendete er schließlich in Defensive und Offensive Line seine College-Karriere und wurde sogar in der 21. Runde des NFL Drafts 1958 von den Philadelphia Eagles gezogen. Aus seiner NFL-Karriere wurde jedoch nichts, da er sich bereits am ersten Tag des Training Camps das andere Knie ebenfalls schwer verletzte. Das Ende der aktiven Karriere.
Madden jedoch ließ den Kopf nicht hängen und bemühte sich, zumal er bereits kurz darauf Vater wurde und dringend Geld benötigte, um einen Coaching-Job.
John Madden: "Football spielen ist das Beste auf der Welt"
"Football spielen ist das Beste auf der Welt, Coaching ist das Nächstbeste", sagte Madden in seiner Folge der Doku-Serie "A Football Life" vom NFL Network Jahrzehnte später.
Maddens Coaching-Karriere begann 1960 als Assistant Coach des kleinen Hancock Colleges, ehe er 1962 dort den Posten des Head Coachs übernahm. Anschließend war er noch zwei Jahre Defensive Coordinator bei San Diego State, ehe er vom legendären Besitzer der Oakland Raiders, Al Davis als Linebackers Coach nach Oakland geholt wurde.
Ungefähr zu dieser Zeit kam Madden, der da schon über ausgiebige Coaching-Erfahrung verfügte, zu der erschreckenden Erkenntnis, eigentlich gar keine Ahnung von der Materie zu haben.
Diese Erkenntnis kam ihm, nachdem er ein Coaching-Seminar seines Vorbilds Vince Lombardi besucht hatte. "Er sprach acht Stunden über ein und dasselbe Play" - gemeint war freilich der berühmte Power-Sweep, der die Grundlage von Lombardis Offense bildete. "Ich konnte über so ziemlich jedes Thema sprechen, aber höchstens für zwei Minuten", erinnerte sich Madden, der danach anfing, sich weiterzubilden.
Das wiederum trug Früchte. Er studierte die Offense von Don Coryell, dem damaligen Head Coach von San Diego State und lernte anschließend weitere Elemente von erfolgreichen Coachs kennen. 1967 ging es zu den Raiders und nur zwei Jahre später, nachdem der damalige Head Coach John Rauch zurücktrat und nach Buffalo wechselte, beförderte Davis Madden schließlich zum neuen Head Coach - im Alter von 32 Jahren war er der jüngste in diesem Posten in der einstigen AFL.
imago imagesJohn Maddens Offense: Das Beste vieler Welten
Madden verschwendete fortan keine Zeit und eilte von Sieg zu Sieg. Bereits in seiner ersten Saison gewann er die Western Division der AFL mit einer 12-1-1-Bilanz und scheiterte erst im AFL Championship Game an den Kansas City Chiefs.
Madden sorgte von Beginn an mit seinem Team für Furore. Es basierte auf seiner Defense, was sein Steckenpferd war, sowie auf diversen Offensiv-Elementen seiner Vorbilder. Grundlage bildete das Kurzpassspiel, das Madden in seiner Verletzungszeit in Oregon zusammen mit dem damaligen Quarterback des Teams, Norm Van Brocklin, auf Film studiert hatte.
Genauso jedoch setzten die Raiders seinerzeit auf die von Davis so geliebten Deep Balls und generell den offensiven Ansatz der Air Coryell Offense. Und auf dem Boden durfte der Power-Sweep von Lombardi nicht fehlen. Wie Madden später erklärte, war dies das naheliegende Vorgehen hinter einer Offensive Line mit drei späteren Hall-of-Famern - Art Shell (Left Tackle), Gene Upshaw (Guard) und Jim Otto (Center).
Die Raiders, die in zehn Jahren unter Madden nie eine negative Bilanz hatten, hatten anfangs nur einen Makel: Der ganz große Wurf blieb aus. Die Raiders verloren fünf AFL/AFC Championship Games in sieben Jahren.
Dabei schlugen sie teils unvergessliche Schlachten und brauchten mitunter übernatürliche Ereignisse, um sie zu stoppen. Am denkwürdigsten war dabei freilich die "Immaculate Reception" von Franco Harris im AFC Championship Game 1972. Ein Touchdown zum Ende des Spiels, der bei Madden einen Wirkungstreffer hinterließ. Einer seiner Söhne erinnerte sich Jahre später, dass dies wohl die einzige Niederlage war, die Madden auch zuhause noch merklich zusetzte.
John Madden als Head Coach der Oakland Raiders
Saison | Siege | Niederlagen | Remis | Playoffs |
1969 | 12 | 1 | 1 | Niederlage in AFL Championship (Chiefs) |
1970 | 8 | 4 | 2 | Niederlage in AFC Championship (Colts) |
1971 | 8 | 4 | 2 | - |
1972 | 10 | 3 | 1 | Niederlage in Divisional Round (Steelers) |
1973 | 9 | 4 | 1 | Niederlage in AFC Championship (Dolphins) |
1974 | 12 | 2 | 0 | Niederlage in AFC Championship (Steelers) |
1975 | 11 | 3 | 0 | Niederlage in AFC Championship (Steelers) |
1976 | 13 | 1 | 0 | Sieg in Super Bowl XI (Vikings) |
1977 | 11 | 3 | 0 | Niederlage in AFC Championship (Broncos) |
1978 | 9 | 7 | 0 | - |
John Madden: Steelers als jahrelanger Stolperstein
Überhaupt waren es immer wieder die Steelers, die ihnen im Wege standen. Von 1972 bis 1975 waren sie es dreimal, die Oakland ultimativ besiegten. Umso wohltuender dürfte es also 1976 gewesen sein, dass die Raiders nicht nur erstmals unter Madden den Super Bowl erreichten, sondern dies auch noch mit einem Sieg über Pittsburgh (24:7) schafften. Super Bowl XI im Anschluss war dann ein Kantersieg (32:14) über die Minnesota Vikings. Die Krönung für Madden in der NFL.
Und gewissermaßen der Anfang vom Ende. Madden coachte noch zwei weitere Jahre und beendete dann seine Karriere. Neben gesundheitlichen Problemen jedoch nannte er vor allem die fehlende Motivation als Grund für das Ende. Nachdem er solange dem großen Triumph hinterhergeeilt war und diesen dann erreichte, gab es für ihn schlicht kein höheres Ziel mehr. "Ich habe einfach nichts mehr im Tank. Ich werde nie wieder coachen", erklärte Madden nach der Saison 1978. Und hielt sich an seine Worte.
"Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt. Ich war mein ganzes Leben über im Football", sagte Madden in "A Football Life" und umriss damit seine ganze Karriere, die im Grunde seit der High-School-Zeit nahtlos von Karriere zu Karriere voranschritt.
Direkt nach der Coaching-Karriere ging es für Madden in die Kommentatorenkabine und nach etwas holprigem Start etablierte er sich zum Top-Experten des Networks CBS an der Seite von Play-by-Play-Kommentator Pat Summerall, der in den 50er Jahren selbst als Kicker in der NFL aktiv war. Von 1981 bis 2001 bildeten beide das Top-Kommentatoren-Duo zunächst für CBS und anschließend FOX. Zusammen präsentierten die beiden acht Super Bowls.
Madden wechselte im Anschluss zu ABC und schließlich NBC, wo er mit Al Michaels drei weitere Super Bowls kommentierte. Madden ist damit auch der erste Experte, der für vier große Networks gearbeitet hat.
imago imagesJohn Madden: Wortschöpfungen als Markenzeichen
Ehe Madden mit Super Bowl XLIII zwischen den Steelers und Cardinals abtrat und auch dieses Kapitel seines Football-Lebens beendete, verzückte er das Publikum mit seiner Jedermann-Attidüte. Er erklärte dem TV-Zuschauer das Spiel auf eine Weise, die so zuvor nicht bekannt war.
Madden, der immer wieder mit seinen Wortschöpfungen wie "Boom", "Whap", "Wham" oder "Doink" auffiel, versprühte einen Enthusiasmus, der seinesgleichen suchte. Und er machte den sogenannten Telestrator, das Tool, um auf dem Bildschirm zu zeichnen, um etwa Spielzüge zu illustrieren, salonfähig. Heutzutage ist dies Standard, doch Madden war im Grunde der erste, der diese Technik nutzte.
Dass er auf seine Aufnahme in die Hall of Fame fast 30 Jahre warten musste, mag zwar unverständlich erscheinen, da er in seinen zehn Jahren bei den Raiders stets herausragte und sogar die wenigsten Spiele überhaupt für 100 Siege brauchte. Doch eine durchaus verständliche Enttäuschung darüber ließ er sich zumindest mal nicht anmerken.
Vielmehr betonte er stolz, dass ihm dies keiner mehr nehmen könne. Madden ließ am Rande der Zeremonie seiner Phantasie freien Lauf und bekundete: "Nachdem alle Besucher nach Hause gegangen sind und der Letzte die Tür zumacht, glaube ich, dass die Büsten anfangen miteinander zu reden."
"John Madden Football"
Den wohl nachhaltigsten Eindruck hinterließ Madden jedoch zweifelsohne mit seiner Arbeit mit dem Videospielgiganten EA Sports. Seit Mitte der 80er Jahre war Madden bereits in die Entwicklung eines Football-Videospiels involviert. 1988 kam schließlich "John Madden Football" auf den Markt.
Im Laufe der Zeit war der einstige Coach dann sowohl als Berater für die Weiterentwicklung beteiligt als auch als Gesicht, Namensgeber und Kommentator der Spielreihe. Mittlerweile hört der Spieler Madden nicht mehr, aber sein Name ziert das Spiel weiterhin - im Übrigen bis mindestens 2026 sogar exklusiv, wie die NFL kürzlich beschloss.
Mit seinem Stil als Kommentator, mit seiner unkonventionellen Art und in seiner Rolle als Galionsfigur für die Football-Videospielwelt hat Madden maßgeblich die Art und Weise, wie wir Football heute konsumieren, verändert und nachhaltig beeinflusst.
John Madden: Flugangst führt zum Madden-Cruiser
Doch was machte John Madden, der auch im Jahr 2020 im Alter von 84 Jahren noch jedes Football-Spiel in seinem Produktionsbüro in Kalifornien schaute und bis zu seinem Tod im Dezember 2021 das NFL Competition Committee berät, letztlich sowohl bei Spielern, als auch Kollegen und Fans so beliebt? Vieles deutet auf seine authentische Art hin. Seine früheren Spieler sagen unisono, dass Madden von Anfang an darum bemüht war, ein Motto vorzuleben: "Sei du selbst."
Er verzichtete auf Dresscodes und schaffte aus seiner Sicht unnötige Teamregeln bei den Raiders ab. "Eine Krawatte in einem Flugzeug zu tragen hat noch nie zu einem Sieg geführt", betonte Madden. Und er selbst war stets bemüht, seinen Mitmenschen nichts vorzumachen, sondern eben er selbst zu sein. Dies führte er dann auch in seinen anderen Karrieren fort.
Zu seinem Markenzeichen indes wurde auch seine Flugangst. Madden war bekannt dafür, während seiner TV-Karriere das Flugzeug wie der Teufel des Weihwasser zu meiden. Anfangs fuhr er per Zug zu den Spielen, ab Ende der 80er Jahre dann sattelte er auf Greyhound-Busse um, die prompt zum "Madden Cruiser" wurden.
Der größte Vorteil dabei: Er konnte das Land sehen. Er konnte die Natur genießen, familiäre Restaurants besuchen und Kontakt zu den Leuten aufnehmen. Auch das ist Madden: Ein offener Mensch, der allerdings auch seine Privatsphäre genießt. Viele persönliche Details sind nicht bekannt über ihn. Lediglich seine öffentliche Person, die sich großer Beliebtheit erfreut.
Und das auch noch über 40 Jahre nach seinem letzten Spiel als Coach oder zwölf nach seinem letzten großen TV-Einsatz.
John Madden ist am Dienstagmorgen verstorben. Er hinterlässt seine Frau Virginia Fields sowie zwei erwachsene Söhne, Joseph und Michael.