Bedlam - so heißt das Spiel zwischen der University of Oklahoma und der Oklahoma State University (So, 1:30 Uhr LIVE auf DAZN). Seit 1904 findet dieses Duell nahezu jährlich statt. Von einer Rivalität zu sprechen, fällt dennoch schwer, zu groß ist die Dominanz von OU in jüngerer und älterer Vergangenheit. Doch im Jahr 2020 ist einfach alles anderes - so auch beim diesjährigen Bedlam.
Eigentlich war vor der Saison wieder alles angerichtet für die Oklahoma Sooners, um die College Football Playoffs ins Visier zu nehmen. Denn zum ersten Mal seit Offensiv-Zauberer Lincoln Riley in Norman das Sagen hat, konnte er auf eine halbwegs funktionierende Defense hoffen. Dazu kam obendrein Supertalent Spencer Rattler, der vielleicht beste Passer in Rileys Amtszeit, die bisher die Heisman-Sieger Baker Mayfield und Kyler Murray hervorgebracht hat, sowie den letztjährigen Heisman-Finalisten Jalen Hurts.
Rattler war 2019 der beste Quarterback seines Jahrgangs und der Star der dritten Staffel "QB1: Beyond the Lights" auf Netflix. Nach einem Lehrjahr in der vergangenen Saison sollte er nun Oklahomas Offense übernehmen. Riley verzichtet sogar darauf, einen älteren Quarterback (wie zuvor Mayfield oder Hurts) aus dem Transfer-Portal, dem Transfermarkt des CFB, zu holen. So sehr baute er auf Rattler.
Doch zu Beginn der Saison ging unerwartet viel schief. Gegen Kansas State und Iowa State verloren die Sooners gleich das zweite und dritte Spiel. Alle Playoff-Chance waren dahin. Rattler wirkte übermotiviert und warf dadurch einige unglückliche Picks. Im Spiel gegen Texas, dem größten Rivalen der Sooners, setzt Riley seinen Youngster während der ersten Halbzeit sogar auf die Bank.
Oklahoma: Mit viel Rückenwind ins Bedlam
Auch Rileys Hoffnung in die Defense wurde zunächst nicht erfüllt. Gegen Kansas State und Iowa State kassierte man 37,5 Punkte im Schnitt, gegen Texas wurde es dann ein richtiger Shootout. Erst in der 4. Verlängerung konnte der rehabilitierte Rattler Oklahoma zum 53:45-Sieg werfen.
Mit diesem wichtigen Sieg scheint sich das Blatt für Oklahoma immerhin gewendet zu haben: Die Defense ist deutlich verbessert, hat seitdem nur 17 Punkte pro Spiel zugelassen. Gegen Kansas wurde mit neun Sacks zudem ein neuer Teamrekord aufgestellt. In Nick Bonitto haben die Sooners sogar denn effektivsten Passrusher im CFB im Team.
Auch Rattler hat eine enorme Lernkurve vorzuweisen: Er hat bereits über 2000 Yards geworfen und seit dem Texas-Spiel nur noch eine Interception. Bei Punkten pro Spiel ist Oklahomas Offense die fünftbeste im Land. Das Team geht also mit viel Rückenwind ins Bedlam.
Oklahoma State: Wilde Offseason, starke Regular Season
Zum ersten Mal seit 2011 geht Oklahoma State aber als das besser gerankte Team in das Spiel. Oklahomas State backte allerdings vor der Saison deutlich kleinere Brötchen. Hinter Oklahoma und Texas sahen die Experten das Team von Heach Coach Mike Gundy nur in Lauerstellung auf den Big12-Titel - wenn überhaupt. Dazu schoss Gundy im Sommer noch ein gehöriges Eigentor, in dem er während einer Pressekonferenz ein T-Shirt des rechtspopulistischen TV-Senders OAN an hatte und, was viele seiner vor allem schwarzen Spieler verärgerte und ihn fast den Job gekostet hätte.
Doch man raufte sich offensichtlich zusammen, das Team war sich vor der Saison zweier Stärken bewusst: Einer starke Defense und in Chuba Hubbard dem besten Running Back in der Conference. Zwei Komponenten, mit denen man im Football sehr weit kommen kann.
Die Defense der Cowboys ist die mit Abstand beste der gesamten Big12 und eine der besten im Land. Hubbard, hinter Clemsons Travis Ettienne und Alabamas Najee Harris der wahrscheinlich drittbeste Running Back im College, begann die Saison ebenfalls stark. Knapp über 120 Yards pro Spiel und insgesamt 5 Touchdowns konnte er in den ersten drei Spielen verbuchen. Weil Oklahoma und Texas früh strauchelten, schossen die Pokes die Rankings nach oben.
Okahoma State: Der letzte Playoff-Kandidat der Big12
Doch wenn das Spiel gegen Texas der Wendepunkt zum Guten für Oklahoma war, stellte er für Oklahoma State eher das Gegenteil dar: Isgesamt vier Turnover mündeten in einer Niederlage in der 1. Verlängerung gegen die Longhorns. Oklahoma State hat seitdem offensiv komplett den Flow verloren.
Hubbard verletzte sich früh im Spiel gegen Kansas State und Quarterback Spencer Sanders schwächelt im Passspiel, obwohl er in Tylan Wallace einem zukünftigen NFL-Receiver die Bälle zuwirft. Inklusive dem Spiel gegen Texas hat Oklahoma States Offense in den letzten sieben Vierteln nur drei Touchdowns erzielt.
Doch dank ihrer starken Defense konnten die Pokes das Spiel gegen Kansas State doch gewinnen. Nun hatte das Team eine Bye Week, um die Offense wieder in die Spur zu bekommen. Es sieht auch so aus, als ob Hubbard wieder dabei sein wird - ein massiver Gewinn für Oklahoma State.
Oklahoma State ist mit erst einer Niederlage auch der letzte verbliebene CFB-Playoff Contender der Big12. Ein Sieg gegen Oklahoma und vielleicht die Revanche gegen Texas im Big12 Championship Game könnte Oklahoma State die Tür zu den Playoffs öffnen, sollte eines der derzeitigen Top-Vier-Teams (Alabama, Ohio State, Notre Dame, Clemson) noch stolpern. Sollte Oklahoma seine Dominanz im Bedlam jedoch weiter fortführen, war es das wohl mal wieder für die Big12 mit den Playoffs.
Oklahoma vs. Oklahoma State: Darauf wird es ankommen.
Kann Hubbard gegen Oklahoma effektiv genug laufen, um den Passrush der Sooners um Bonito zu bremsen? War Rattlers Lernkurve so steil, dass er es schon mit einer absoluten Top-Defense aufnehmen kann? Zwei Fragen, die das Spiel in der Nacht auf Sonntag entscheiden könnten.
Spannend wird es mit Sicherheit. Das Bedlam in Norman vor zwei Jahren war ein instant Classic. Bei den vielen Corona-bedingten Absagen im College Football zur Zeit dürfte dieses Duell erst Recht absolutes Must-See-TV für alle Fans sein.