Die Begegnung zwischen Texas Tech und Oklahoma am 23. Oktober 2016 war bereits im Vorfeld mit Spannung erwarten worden. Fans der Red Raiders fieberten dem Spiel wochenlang entgegen, Fox übertrug live, mit 60.478 Zuschauern war das Jones AT&T Stadium bis auf den letzten Platz gefüllt.
Der Grund: Baker Mayfield. Nach Unstimmigkeiten über seine Starterrolle und sein Stipendium an der Universität hatte er Texas Tech im Januar 2014 im Streit verlassen und sich Oklahoma angeschlossen. Eine Entscheidung, die ihm seine ehemaligen Kommilitonen nie verziehen.
Das Auswärtsspiel der Sooners bei Texas Tech markierte Mayfields erstmalige Rückkehr als Spieler nach Lubbock. Und die Red Raiders ließen ihn ihre Wut spüren: Hunderte Fans strömten mit T-Shirts, die mit "Traitor" (Verräter) bedruckt waren ins Stadion, auf dem Weg zum Spiel habe er eine Puppe an einem Galgen mit seinem Trikot erblickt, erzählte Mayfield später.
"Unsere Jungs waren bis in die Haarspitzen motiviert", fasste Lincoln Riley, damals noch Oklahomas Offensive Coordinator, später zusammen. "Es war ein feindliches Publikum. Die ganze Vorgeschichte mit Baker, all diese Dinge. Unsere Spieler hatten unter der Woche darüber gesprochen. Wir waren so motiviert."
Noch bevor der verhasste Sooners-Quarterback überhaupt den Rasen betreten hatte, tönten deutlich vernehmbare Sprechchöre durch das Stadion: "Fuck you, Baker!" Die Stimmung auf den Rängen war aufgeladen. Doch die Fans hatten keinen Schimmer, was sie in den darauffolgenden Stunden erwarten sollte.
Mayfield vs. Mahomes: 1708 Yards, 1279 Passing Yards
Mit 66:59 setzte sich Oklahoma gegen Texas Tech durch, so viel sei verraten. Ohne Overtime. "Es war ein Basketball-Ergebnis", hielt Mayfield im Anschluss passend fest. Doch selbst die geradezu absurde Punktzahl beschreibt den Wahnsinn, der sich auf dem Spielfeld zutrug, nur unzureichend.
Zusammen erreichten die Sooners und Red Raiders an diesem Abend 1708 Yards, Mayfield und sein Gegenüber Patrick Mahomes passten kumuliert für 1279 Yards, Mahomes alleine verzeichnete 819 Yards und 734 Passing Yards. Alles neue Rekorde in der Geschichte des College-Footballs. Bis heute.
Kliff Kingsbury, damals Head Coach der Red Raiders, und Lincoln Riley, der ein Jahr später dann zum Head Coach der Sooners befördert wurde, wählten rückblickend das gleiche Wort, um das Spiel zu beschreiben: "Episch."
"Die zwei haben so gut gespielt, wie es auf dem College nur geht", so Kingsbury. "Ich habe noch nie zwei Spieler auf einem Feld besser spielen sehen." Riley fügte an: "Ich glaube allen Ernstes, dass die Leute nicht glauben konnten, was sie da sahen."
Mayfield vs. Mahomes: Keine Chance für die Defenses
Es war das Duell zweier Superstar-Quarterbacks. Mayfield und Mahomes zeigten spätestens an diesem Tag, dass sie das Zeug dazu hatten, um auf dem allerhöchsten Level spielen zu können. Doch die Qualität ging auf beiden Seiten weit über die QB-Position hinaus.
Neben Mayfield liefen der Heisman-Finalist und heutige Jaguars-Receiver Dede Westbrook, Bengals-Star Joe Mixon sowie Mark Andews und Orlando Brown Jr. von den Ravens für Oklahoma auf. Mahomes warf derweil Pässe zu Keke Coutee von den Texans und Cameron Batson von den Titans. Es war eine Klasse, der die Defenses auf beiden Seiten schlicht nichts entgegenzusetzen hatten.
Mayfield warf für weit mehr als 500 Passing Yards, kam auf mehr als 15 Yards pro Passversuch und stellte mit sieben Touchdown-Pässen einen neuen Schulrekord für die Sooners auf. Mixon (263 Rushing Yards) und Westbrook (202 Receiving Yards) knackten beide die 200 Yards-Marke. Auch das hatte es nie zuvor gegeben.
Auf der Gegenseite fehlte Batson am Ende nur ein Yard, um zum dritten 100-Yard-Receiver der Gäste zu werden. Coutee schloss das Spiel mit 172 Yards ab, Jonathan Giles kam auf 169, Batson auf weitere 99. Ganze sieben Spieler verbuchten auf Seiten der Red Raiders mehr als 40 Receiving Yards.
"Wir lagen zunächst in Führung, kurz vor der Halbzeit haben sie sich diese durch einen langen Pass jedoch wieder zurückgeholt", erinnerte sich Kingsbury. "Ich wusste, dass wir 60 Punkte brauchen würden, um das Ding zu gewinnen."
Mayfield vs. Mahomes: Zehn Touchdowns in Serie
Mit einer 30:24-Führung ging Oklahoma in die Pause, beide Teams hatten in der ersten Halbzeit ein offensives Feuerwerk abgebrannt. Doch im zweiten Durchgang verwandelte sich das Feuerwerk in einen Flächenbrand. Beide Offenses waren nicht mehr aufzuhalten.
"Wir hatten zu Beginn der zweiten Halbzeit ein Three-and-Out, dadurch haben wir das Spiel verloren", blickte Texas Techs Kenny Bell zurück. "Danach konnten sie uns nicht mehr stoppen, es hat aber nichts genützt. Wie viele Touchdown-Drives gab es damals in Folge?" Es waren zehn. Zehn Touchdowns, kein Punt, kein Turnover und kein Field Goal folgten auf den Punt der Red Raiders.
"Die meisten von unseren Plays haben perfekt funktioniert. Bei Mahomes war es ein bisschen anders", so Riley. "Er hat so viel improvisiert, hatte so viele Scrambles und Würfe aus dem Lauf heraus. Er hat einige wirklich unglaubliche Plays gemacht. Das hat sie im Spiel gehalten."
Tatsächlich ließ Kingsbury Mahomes, der mit einer verstauchten rechten Schulter und einem gebrochenen linken Handgelenk - "sie mussten seine Schulter vor dem Spiel betäuben, und dann hat er sich im ersten Viertel das Handgelenk gebrochen und keiner wusste es. Nach der Saison wurde er schließlich operiert", verriet Kingsbury später - spielte, in der zweiten Halbzeit praktisch ausnahmslos passen. Texas Tech spielte einfach keine Run-Plays mehr.
Am Ende des Spiels hatte Mahomes 88 (!) Pässe geworfen, alle anderen Spieler des Teams kamen zusammen auf neun Runs.
Es war eine Entwicklung, die Texas Tech so vor dem Spiel natürlich nicht geplant hatte und die zu so manch ungewöhnlichem Problem führte. "Du hast irgendwann einfach keine Spielzüge mehr", erinnerte sich Kingsbury. "Wenn du so viele Plays ansagst, vor allem so viele Pass-Plays, dann denkst du dir irgendwann einfach Sachen aus und versuchst deine Leute damit offen zu kriegen."
Mayfield vs. Mahomes: "Jeder wusste, dass wir scoren würden"
"Es war das großartigste Spiel, in dem ich jemals gespielt habe", sagte Andrews später. "Zwei großartige Offenses gegeneinander. Jeder wusste, dass wir scoren würden. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass das Team, das den Ball zuletzt hat, gewinnen würde."
Letztlich gewann Oklahoma mit einem Touchdown Vorsprung. Die Sooners hatten nur einen Turnover - ein Turnover on Downs bei Fourth-and-One - die Red Raiders zwei, ein Fumble von Giles und eine Interception von Mahomes. Dieser eine Fehler mehr machte letztlich den Unterschied aus.
"Ich wünschte wir hätten gewonnen, aber dennoch war es einfach fantastisch, ein Teil dieses Spiels zu sein", so Mahomes. Jeder Offensiv-Spieler wird sich wohl den Rest seines Lebens an diesen Tag erinnern. Die Verteidiger wiederum dürften beten, dass sie ihn eines Tages vergessen.
Kingsbury: "Ich glaube, so etwas werden wir nie wieder sehen"
Im Anschluss an das Spiel habe in der Kabine eine Stimmung geherrscht, die er zuvor noch nie erlebt habe, erinnerte sich der Teddy Lehman, Reporter für das Sooners-Radio, später. Die Hälfte des Teams habe gefeiert als hätte sie den Super Bowl gewonnen, die andere wirkte als hätte sie gerade gegen Rutgers verloren.
"Es fühlte sich an als hätten wir verloren. Ja, wir hatten das Spiel gewonnen, aber wir hatten 854 Yards zugelassen. Alle waren ruhig, niemand von uns hat auf der Busfahrt zurück geredet. Wir haben uns geschämt", bestätigte der heutige Rams-Defender Ogbonnia Okoronkwo später. "Ich habe Twitter aufgemacht und die App deinstalliert. Alle unsere Fans haben uns verabscheut."
Riley glaubt jedoch: "Es hätte keine Rolle gespielt, welche Defense auf dem Platz stand. Ich glaube viele Leute, die einfach nur die Statistiken und das Ergebnis gesehen haben, lagen mit ihrem Urteil daneben. Es war ein großartiges Football-Spiel."
Ein Urteil, das Kingsbury wohl unterschreiben würde. "Dass [Mayfield und Mahomes] beide so gespielt haben, wie sie gespielt haben... Ich glaube, so etwas werden wir nie wieder sehen."