Ex-NFL-Profi Moritz Böhringer ist zurück in Deutschland. Sein Traum von der NFL begann 2016 mit einem beispiellosen, historischen Entwicklungssprung und endete im vergangenen August mit der Entlassung beim damals schlechtesten Team der Liga. Im Gespräch mit SPOX blickt er zurück auf seine Zeit in der besten Liga der Welt - und schaut voraus auf seine Rückkehr in den Football und den Alltag hierzulande.
Die NFL-Statistiken von Wide Receiver Moritz Böhringer werden wohl für immer leer bleiben. In fünf Jahren in der Liga durfte er kein NFL-Spiel in der Regular Season absolvieren. Grund für Ärger ist das aus seiner Perspektive aber nicht, gegenüber SPOX zog er ein positives Fazit: "Ich würde es jederzeit nochmal machen, wenn ich dort wäre, wo ich vor fünf Jahren stand."
Mit 22 Jahren schaffte Böhringer als erster Europäer ohne College-Erfahrung den Sprung über den Draft in die NFL zu den Minnesota Vikings. Der mediale Hype war groß um den damaligen Sechstrunden-Pick, auch in Deutschland legten sich immer mehr Fans ein Vikings-Trikot von "MoBo" zu. Böhringer kämpfte zwei Jahre lang um einen Kaderplatz bei den Vikings, schaffte es aber nie in den finalen 53-Mann-Kader.
Seine vorerst letzte NFL-Chance bekam er anschließend im "International Pathway Program" bei den Cincinnati Bengals, wo er abermals unter NFL-Bedingungen trainieren, lernen und sich zeigen konnte.
Auch wenn die Bengals insbesondere in der 2019er Saison sportlich nicht viel zu lachen hatten: "Im letzten Jahr bei den Bengals haben wir nur zwei Spiele gewonnen, und dann ist es weniger lustig, weil die Trainer dann auch Angst um ihren Job bekommen. Dann wird es harte Arbeit und es werden andere Sachen versucht, weil man irgendwie versuchen muss, zu gewinnen."
Böhringer: Dalton "hat uns die Bälle um die Ohren gehauen"
Dort traf Böhringer allerdings auch Quarterback Andy Dalton, der aktuell bei den Chicago Bears unter Vertrag steht.
"Damals war er im Practice Squad unser Scout-Quarterback, als er seinen Startplatz bei den Bengals verloren hatte. Das war ziemlich lustig und hat Spaß gemacht, weil er einfach extrem sauer war", erzählte Böhringer schmunzelnd.
"Andy war eigentlich ein komplett normaler Mensch, ziemlich cool und entspannt, also kaum abgehoben. Er wollte zeigen, dass er Stammspieler sein sollte und hat uns dann die Bälle um die Ohren gehauen", erklärte er weiter. "Er hat ein großes Selbstvertrauen und weiß, dass er ein guter Quarterback ist, er ist richtig korrekt und auch ein guter Leader."
Böhringer verkündet Rückkehr nach Schwäbisch Hall
Dalton kehrte drei Spiele später in die Startelf zurück, Böhringer hingegen wurde nach einem weiteren Jahr im Practice Squad der Bengals schließlich entlassen und gab im Februar 2021 seine Rückkehr zu den Schwäbisch Hall Unicorns in die German Football League bekannt.
"Ich wollte einfach mein Studium in Deutschland fertig machen. Mich haben dann ein paar Teams angeschrieben, ob ich mir vorstellen könne, in Deutschland zu spielen", sagte Böhringer, der auch Angebote aus der neu gegründeten European League of Football bekam, "aber es hat am meisten Sinn gemacht, nach Schwäbisch Hall zurückzukommen, weil ich mich hier auskenne."
Neben Head Coach Jordan Neuman sind noch einige alte Teamkollegen im Team. Zudem kann Böhringer nun sein Maschinenbau-Studium fortsetzen, welches der 27-Jährige für seine NFL-Karriere unterbrach: "Das macht mir auch Spaß, deswegen ist das kein Problem. Aber es ist natürlich vom Tagesablauf etwas anderes, weil ich aktuell auch ein Praktikum machen muss. Das ist schon anders, wenn man acht Stunden am Tag im Ingenieur-Büro sitzt. Dort mache ich mein Zeug, gehe dann nach Hause und trainiere, bevor ich am Wochenende nach Hause zur Familie fahre."
Böhringer: GFL-Rückkehr als einstiger "Rookie of the Year"
Böhringer spielte bereits 2015 in seinem ersten und bisher einzigen GFL-Jahr in Schwäbisch Hall und katapultierte sich direkt zum "Rookie of the Year" - seine Statline: 1.232 Yards aus 59 gefangenen Bällen und 13 Touchdowns. "Hätte ich diese Stats von 2015 auch in der NFL aufgelegt, dann wäre ich auf jeden Fall noch ein paar Jahre dort geblieben", lachte er.
Anfangs sei er sich nicht sicher gewesen, ob er nach fünf Jahren in den USA nochmal in Deutschland spielen wolle. Böhringer: "Aber ich habe Football immer wegen dem Spaß gespielt und nicht, weil man damit Geld verdient hat oder so. Ich bin nicht wirklich verletzt, mein Körper ist in guter Verfassung und es ist ja auch alles noch dran."
Böhringers Spiel zeichnete sich schon immer durch eine großartige Physis aus. Für seine 1,93 Meter Körpergröße bringt er eine außergewöhnliche Wendigkeit und unfassbaren Speed mit. Beim Pro Day 2016 in Florida lief Böhringer den 40-Yard-Dash in 4,43 Sekunden - nur zwei Zehntel langsamer als Draft-Combine-Rekordhalter John Ross.
"Außerdem verstehe ich Football mittlerweile viel besser. 2015/16 habe ich eigentlich nicht so viel über Football gewusst, die ganzen Details", ergänzte er. "Und da habe ich mich in den vergangenen fünf Jahren denke ich schon sehr verbessert. Im Training ist in der NFL alles ein bisschen mehr on Point, alles ein bisschen schneller und mit mehr Dringlichkeit. Und das möchte ich auch in das Training bei den Unicorns einbringen."
Böhringer: "Auf jeden Fall bin ich so gut wie nie"
Die Chancen stehen also gut, dass Moritz Böhringer die Schwäbisch Hall Unicorns sportlich auch außerhalb seiner Leistungen auf dem Platz auf ein neues Level heben wird.
"Alle, die in der NFL in meiner Positionsgruppe waren, haben versucht, sich gegenseitig zu helfen und die neuen Spieler zu integrieren. Das war für mich überraschend, weil eigentlich sehr viel Wettbewerb zwischen den Leuten existiert", erzählte er weiter und fügte mit Blick auf die kommende Spielzeit hierzulande hinzu: "Auf jeden Fall bin ich so gut wie nie. Ich habe die letzten fünf Jahre so viel gelernt, ich verstehe Football viel besser und auch vom Körperlichen her habe ich mich im Prinzip nur weiterentwickelt."
"Ich bin stärker geworden, und der Speed ist auch immer noch der gleiche."
IMAGO / GEPA picturesWie lange man seine Fähigkeiten in der GFL bestaunen kann, ist aber noch offen. Böhringer: "Meine Freundin lebt noch in den USA, von daher habe ich dort noch nicht alle Zelte abgebrochen. Die Option ist also schon gegeben, dass ich nochmal zurückkehre und nach dem Studium eventuell wieder dorthin zurückkehre."
Im Mittelpunkt steht aber für ihn jetzt aber ganz klar: "Ich will so viel Spaß haben, wie es nur geht. Wenn ich bei meinen Teamkollegen Verbesserungspotenzial sehe, gebe ich ihnen natürlich auch Tipps. Ich will den Leuten helfen, besser zu werden. Aber es ist nicht so, dass ich da reinlaufe und denke, dass ich der Beste von allen bin."
Moritz Böhringer: Seine Karriere-Stationen
Team | Zeitraum |
Crailsheim Titans (Jugend/Oberliga) | 2011 bis 2014 |
Schwäbisch Hall Unicorns (GFL) | 2015 |
Minnesota Vikings (NFL) | 2016 bis 2017 |
Cincinnati Bengals (NFL) | 2018 bis 2019 |
Schwäbisch Hall Unicorns (GFL) | seit 2021 |