Eine zusätzliche finanzielle Strafe sprach Robinson nicht aus.
Die Browns hatten Watson vertraglich zugesichert, dass sein Unterschriftsbonus in Höhe von 44,9 Millionen Dollar im Falle einer Suspendierung nicht angefasst wird. Die Sechs-Spiele-Sperre bedeutet somit, dass er lediglich 345.000 Dollar - 57.500 Dollar pro Spiel anteilig an seinem Basisgehalt 2022 in Höhe von 1,035 Millionen Dollar - verliert.
Das Urteil ist allerdings nicht bindend: Sowohl der Spielerverband - die NFLPA -, als auch die NFL können in Berufung gehen. Diese Berufung würde dann vor Commissioner Roger Goodell ausgetragen werden, der in jedem Fall das finale Wort bezüglich Watsons Sperre hat. Ein entsprechender Antrag für eine mögliche Berufung muss innerhalb von drei Tagen nach Robinsons Urteilsverkündung erfolgen. Da die NFL übereinstimmenden Berichten zufolge eine deutlich härtere Strafe gefordert hatte, ist eine Berufung nicht unwahrscheinlich.
Die NFLPA hatte sich am Sonntag bereits klar positioniert und die Liga dazu aufgefordert, das Urteil von Richterin Robinson zu akzeptieren. In einem gemeinsamen Statement von Watson und der NFLPA hieß es unter anderem: "Jeder Spieler, Besitzer, Geschäftspartner und Interessensvertreter verdient das Recht, zu wissen, dass unser Prozess rechtmäßig ist und nicht durch die Launen der Liga-Bosse zu Schaden kommt. Deshalb, unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt, werden Deshaun und die NFLPA ihre Entscheidung unterstützen und wir fordern die NFL dazu auf, es uns gleichzutun."
Nach Verkündung des Urteils bestätigte die NFLPA, dass sie nicht in Berufung gehen wird.
Schwere Vorwürfe gegen Deshaun Watson
Mit Robinsons Urteil steht eine der hässlichsten Geschichten der jüngeren NFL-Vergangenheit zumindest aus der Perspektive der Liga und des Spielers - die Perspektive der potenziellen Opfer steht fraglos auf einem anderen Blatt - kurz vor dem Abschluss.
22 Zivilklagen standen zunächst gegen Watson im Raum, allesamt von Massage-Therapeutinnen, die Watson vorwarfen, während der Behandlung auf verschiedenste Art und Weise sexuell übergriffig geworden zu sein. Zwei Geschworenenjurys in Texas hatten Fälle gegen Watson gehört und auf strafrechtliche Anklagen verzichtet. Watson selbst bestritt die Anschuldigungen gegen ihn stets.
Doch selbst nachdem die Liga Anfang Mai die direkten Gespräche mit Watson im Zuge ihrer Untersuchungen begann, rissen die Vorwürfe nicht ab.
Zwei weitere Frauen klagten Watson wenig später an, und Anfang Juni vermeldete die New York Times, dass Watson zwischen Herbst 2019 und Frühling 2021 in einem Zeitraum von 17 Monaten bei mindestens 66 verschiedenen Frauen Massagen gebucht hatte. Watson hatte öffentlich erklärt, dass er rund 40 verschiedene Massage-Therapeutinnen während seiner fünf Jahre in Houston aufgesucht habe.
Im Zuge ihrer Recherchen sprach die New York Times mit mehreren Frauen, die Watson nicht verklagen und die anonym bleiben wollen. Eine dieser Frauen berichtete, dass Watson wiederholt sexuelle Handlungen verlangt und darum "gebettelt" habe, dass sie seinen Penis in den Mund nimmt. "Ich musste ihm spezifisch sagen, dass ich das nicht machen kann", erzählte die Frau.
Eine andere Frau, die ebenfalls anonym bleiben wollte, berichtete den Reportern der Zeitung, dass Watson von ihr verlangte, sie zwischen den Hoden und dem Anus zu massieren. Als sie versuchte, die Situation zu überspielen, habe er ihr Handgelenk gepackt und ihre Hand an die Position geführt.
Auch Houston Texans geraten ins Visier
Die Anklagen von 25 verschiedenen Frauen standen insgesamt gegen Watson im Raum. Eine wurde zurückgezogen, nachdem gerichtlich verfügt worden war, dass alle Frauen ihren Namen im Rahmen der Anklage preisgeben müssen. Die Houston Texans, Watsons Ex-Team, einigten sich derweil außergerichtlich mit 30 Frauen, die im Zuge der Vorwürfe gegen Watson gegen die Franchise vorgehen wollten. Die Texans, so der Vorwurf, sollen bezüglich der Vorfälle im Bilde gewesen sein und geholfen haben, Watson zu decken.
20 der 24 Anklagen konnte Watson bis Ende Juni schließlich außergerichtlich klären, drei weitere am Sonntag. Zur Urteilsverkündung am Montag stand somit nur noch eine Anklage im Raum, wenngleich die die drei weiteren außergerichtlichen Einigungen keine Auswirkungen auf Robinsons Urteil hatten.
Bis zuletzt hatte es zudem Gespräche zwischen der Watson-Seite und der Liga bezüglich einer Einigung gegeben. Laut ESPN-Informationen soll die NFL allerdings auf einer Sperre über mindestens zwölf Spiele sowie einer zusätzlichen Strafe in Höhe von rund acht Millionen Dollar bestanden haben, während die Watson-Seite maximal sechs bis acht Spiele angeboten habe.
Trotz der Ungewissheit der Situation hatten die Cleveland Browns Watson im Frühjahr via Trade verpflichtet - sowie dem 26-Jährigen nach dem Trade einen neuen, voll garantierten 230 Millionen-Dollar-Vertrag gegeben; ein NFL-Rekord und mutmaßlich ein Grund dafür, dass sich Watson am Ende für die Browns und gegen die Atlanta Falcons und die New Orleans Saints, die ebenfalls in der Endauswahl waren, entschied.