Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 8 in der NFL

Von Adrian Franke
31. Oktober 202209:41
SPOXgetty
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Das Spiel zwischen den Jets und den Patriots war auch das Duell zweier Teams, die sich vielleicht bald kritische Quarterback-Fragen stellen müssen. Außerdem: Welche Teams sollten jetzt zur Trade-Deadline aktiv werden? Und was steht wirklich hinter der Degradierung von Matt Ryan? SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet eure Fragen.

Für die hochgelobte 2021er Quarterback-Klasse kommen wir langsam aber sicher in eine erste kritische Phase. Diese Quarterbacks spielen jetzt ihre zweite Saison, und langsam aber sicher wollen ihre Teams Ergebnisse sehen - oder zumindest merkliche Fortschritte.

Denn es ist das Gesetz der NFL, dass nach zwei Jahren mit einem selbst gedrafteten Quarterback Geduldsfäden dünner werden. Die des Teambesitzers mit GM und Head Coach, die besagten Quarterback ausgewählt haben. Oder die eines neuen Coaches und neuen GMs, die den Quarterback nicht ausgewählt haben, und eine Chance auf ihre eigene Wahl haben wollen.

Oder einfach der normale Ablauf der NFL: Wenn ein Quarterback sich zu lange nicht entwickelt, wird das Team wiederholt hoch picken. Und früher oder später wird es mit einem dieser Picks ein interessantes junges Quarterback-Prospect in Reichweite geben.

Das ganze Thema Quarterback-Entwicklung ist dementsprechend einerseits sehr simpel und andererseits sehr komplex, weil so viele Aspekte mit einfließen. Ein Coach, der ihn richtig einsetzen kann, ein GM, der den Kader entsprechend aufbauen kann, gutes Coaching, ein langfristiger Plan, um ihn zu entwickeln.

Selten sind wirklich all diese Punkte gegeben. Gute Quarterbacks schaffen auch ihren Breakout, wenn nur einige Aspekte zutreffen; und manchmal bekommen wir den perfekten Sturm, wenn ein Josh Allen eine ungeahnte Entwicklung hinlegt, in einem perfekten Ökosystem in Buffalo. Oder wenn Patrick Mahomes in Kansas City ein Playoff-Team unter Andy Reid übernimmt.

Und das rückt für mich mehr und mehr in den Fokus: In welche Umstände kommt ein Rookie-Quarterback? Das ist so essenziell für die Entwicklung eines Quarterbacks, und es kann auch die äußere Wahrnehmung massiv beeinflussen. Mac Jones hatte aus der 2021er Klasse die mit Abstand besten Umstände als Rookie - und er spielte die mit Abstand beste Saison der Rookie-Quarterbacks.

In diesem Jahr hat Trevor Lawrence vorsichtige, wenn auch noch zu inkonstante Fortschritte in einer signifikant verbesserten Situation gemacht. Justin Fields macht diese Fortschritte gerade vor unseren Augen, in einer Offense, die mehr und mehr auf ihn zugeschnitten wird.

Jones dagegen spielt schlechter als letztes Jahr, und nachdem die Jets kräftig in Zach Wilsons Ökosystem investiert haben, wird man sich in New York langsam aber sicher fragen: Wo bleibt die Entwicklung?

1. Patriots und Jets: Vereint in der Quarterback-Kontroverse?

Mich würde wirklich interessieren, was sich Bill Belichick und die Patriots von ihrem Quarterback-Roulette erhofft haben. Mac Jones kam nach seiner Knöchelverletzung am vergangenen Montag gegen Chicago zurück - aber auf einem geplanten Pitch Count.

Dass er dann nach einer Interception rausgenommen und durch Bailey Zappe ersetzt wurde, war vielleicht wirklich nur blödes Timing. Dass Belichick in seinem Halbzeit-Interview sagte, dass beide Quarterbacks in der zweiten Hälfte spielen würden, nur um dann Zappe die zweite Hälfte doch durchspielen zu lassen - vielleicht war es dem Spielverlauf geschuldet?

Wollte er Jones' Knöchel nicht zu sehr strapazieren, nachdem die Bears in der zweiten Hälfte davonzogen? Da wäre die Gegenfrage: Traute er es Jones nicht zu, ein Comeback anzuführen? Und wenn dem so ist, warum hat Jones dann überhaupt gespielt? Wäre es nicht für alle Beteiligten besser gewesen, ihn dann komplett rauszuhalten?

Und selbst wenn man all das irgendwie rational erklären kann: Nach dem Spiel gegen Chicago wurde Belichick die Frage gestellt, ob Jones der Starter sei - und er verwies darauf, dass man gerade erst das Spiel beendet hatte.

Wenn man keinen Kontext hätte, könnte man argumentieren, dass alle Aktionen, alle Aussagen rund um das Bears-Spiel dafür sprechen, dass die Patriots in der Öffentlichkeit eine Quarterback-Kontroverse kreieren wollten. Warum? Ich habe keine Ahnung. Ich denke nicht, dass Teams sich auf Zappe signifikant anders vorbereiten als auf Jones, und im Zweifelsfall ist der größte Effekt der auf Jones' Selbstvertrauen.

Patriots: Mac Jones braucht mehr Hilfe

Jones war alles in allem in Ordnung gegen die Jets. Phasenweise verteilte er den Ball gut, aber noch hatte er zu viele Aussetzer, drei blieben ganz besonders hängen:

  • Zweites Viertel (2:00), Vierter-und-1, gegnerische 21-Yard-Line: Jones hatte bei Fourth Down den Tight End offen in der Flat. Doch er zögerte, versuchte stattdessen, den Receiver daneben weiter Downfield zu dirigieren und überwarf ihn anschließend.
  • Zweites Viertel (0:37), Erster-und-10, gegnerische 25-Yard-Line: Jones hatte eine saubere Pocket und warf den Ball direkt zum Underneath-Verteidiger. Der hätte einen Pick Six erzielt - wenn Jones nicht eine Roughing-the-Passer-Flagge bekommen hätte, welche den Turnover vom Board nahm.
  • Drittes Viertel (1:56), Zweiter-und-5, gegnerische 36-Yard-Line: Jones hielt den Ball ewig, ohne seine Plattform zu verändern oder Druck auszuweichen stand er in der Pocket. Die Folge war ein Sack inklusive Fumble.
  • Viertes Viertel (10:47), Dritter-und-6, gegnerische 33-Yard-Line: Jones hatte eine saubere Pocket und Zeit, sein Wurf aber war der Checkdown zum Running Back über die Mitte, der in Double Coverage war mit einem Pass, der eigentlich hätte abgefangen werden müssen.

Insbesondere hat mich gewundert, dass die Offense mit Zappe in den Wochen davor nicht einfach nur runder lief, weil der Spielverlauf positiver war. Zappe wirkte schneller in seinem ganzen Process, aber er konnte auch viel Underneath operieren, bekam viel Play Action, musste weniger im reinen Dropback Passing Game machen.

Jones mehr einfache Completions zu geben, ihm dabei zu helfen, einen besseren Rhythmus zu finden, und ihn auch weiter zu entwickeln, das ist die Aufgabe, die Joe Judge und Matt Patricia jetzt bewältigen müssen. Phasenweise war das gegen die Jets auch zu sehen, Jones spielte anfangs nicht schlecht. Da war wieder mehr der Game Manager als schneller Ballverteiler zu sehen.

Ich halte Mac Jones nach wie vor für den besseren Quarterback, auch wenn er aktuell zu viele Aussetzer hat. Die Patriots haben keine Quarterback-Debatte, weil Jones der klar bessere Quarterback ist. Doch ein junger Quarterback, der fraglos seine Limitierungen hat, braucht in seinem zweiten Jahr mehr strukturelle Hilfe, als Jones sie zuletzt bekommen hat.

New York Jets: Wie lange hat Zach Wilson noch?

Dass New England dieses Spiel dennoch letztlich sogar relativ souverän gewann, lag zum einen daran, dass Jones' Pick Six nicht zählte - aber noch viel mehr lag es am Quarterback auf der anderen Seite.

Bei Zach Wilson bleiben es Flashes, sonst nichts. Wie der Touchdown-Pass auf Tyler Conklin früh im Spiel, wo er den Ball perfekt platzierte, nach außen, weg vom Verteidiger. Diesen Ball kann man nicht besser werfen, und gelegentlich hat er diese Pässe.

Es ist absolut richtig, jungen Quarterbacks Zeit zu geben. Junge Quarterbacks sollten sich entwickeln können - aber das ist kein Blankoscheck. Es muss schon auch ein Maß an Entwicklung zu sehen sein, und das fehlt einfach komplett. Die Interception spät im dritten Viertel, wo er den Ball scheinbar wegwerfen will, darf nicht passieren. Der Pick etwas später war ein Overthrow, mit seinem vermeintlichen Target in klarer Coverage.

Beide Würfe eint ein problematisches Thema in Wilsons Spiel: Die Tendenz, zu viel zu wollen; Plays retten zu wollen, die überhaupt nicht da sind und Würfe noch anbringen zu wollen, die chancenlos sind. Dazu kam die Interception kurz vor der Halbzeitpause, ebenfalls bei einem deutlichen Overthrow auf kurze Distanz.

Es fehlt an Awareness, es fehlt an Antizipation, es fehlt an Bereitschaft, mit diszipliniertem Timing zu spielen. Und vor allem eben sehe ich keine Entwicklung in seinem Spiel.

Zach Wilson muss sein Spiel umstellen

Die "gute" Version von Wilson, die wir kennen und die ihn zum Nummer-2-Pick gemacht hat, war bei BYU hinter einer herausragenden Offensive Line, mit kaum Druck in der Pocket und defensiver Competition, gegen die er mit seinem Arm jeden Wurf anbringen konnte. Das Armtalent ist da, trotzdem wird Wilson gravierend andere Wege finden müssen, um in der NFL eine Zukunft als Starter zu haben.

Und aktuell sehe ich das nicht. Was nicht heißt, dass ich Wilson jetzt absägen würde - die Jets, so gut sie in diese Saison gestartet sind, müssen nicht jetzt nach einem Titel greifen. Diese Zeit kann man ihm geben.

Doch die Uhr tickt, nicht nur für Wilson, sondern auch für Robert Saleh und auch für diesen Kader: Die Jets-Defense macht sehr viel Spaß, hier entwickelt sich eine Unit, die dominieren kann. Aber die Fenster für solche Units sind in aller Regel kurz, und aus Jets-Sicht gilt es, das auszunutzen.

Es würde mich nicht wundern, wenn - sollte Wilson keine merklichen Fortschritte machen - die Jets ein größeres Interesse an Jimmy Garoppolo in der kommenden Offseason hätten. Der wird Free Agent, sollte sich finanziell im Rahmen bewegen, kennt die Offense und hat zur Genüge bewiesen, dass er als guter Game Manager mit einer starken Defense viele Spiele gewinnen kann.

Wilson hat das bisher nicht, und noch viel weniger als das. Bisher hat er nicht gezeigt, dass er besser ist als mehrere Backup-Quarterbacks, die für New York gespielt haben, seit Wilson gedraftet wurden.

2. Wer sollte jetzt auf dem Trade-Markt aktiv werden?

Vor zwei Wochen hatte ich über mögliche Trade-Kandidaten geschrieben, vor allem durch den Blickwinkel darauf: Welche Teams könnten Spieler abgeben - und welche Spieler könnten das sein?

Dass die Panthers hier ein Team sein könnten, das mehrere Spieler abgibt, hatte sich damals infolge der Entlassung von Matt Rhule bereits abgezeichnet - mit Robbie Anderson und Christian McCaffrey sind zwei Spieler der Liste bereits weg, und vielleicht ist die Deadline an diesem Dienstag ein ausreichend starker Treiber, um noch einen großen Trade in die Wege zu leiten: D.J. Moore und Brian Burns bleiben die beiden Kronjuwelen dieses Teams.

Aber in diesem Jahr finde ich die Frage danach, wer für Spieler traden will, fast spannender, als die Frage danach, wer Spieler weg traden will.

Denn in einer Saison, in der es bislang vor allem in der NFC ein komplett offenes Feld gibt, können Teams sich selbst durchaus davon überzeugen, dass der eine Trade dazu führen könnte, dass sie selbst aus der breiten Masse mittelmäßiger Teams herausstechen; ich hatte diesen Punkt bereits beim Niners-Trade für Christian McCaffrey angebracht.

Und so positiv die Saison aus Sicht der Jets, Giants und Seahawks - und mit etwas Abstand dahinter die der Falcons - bis dato läuft: Diese Teams sollten an ihrem Rebuild-Plan festhalten und sich nicht dazu verleiten lassen, jetzt kurzfristige Baustellen schließen zu wollen um kurzfristige Ziele zu erreichen; so wie es die Jets mit dem James-Robinson-Trade gerade gemacht haben. Denn die Vermutung liegt nahe, dass diesen Teams noch die Substanz fehlt, um wirklich oben angreifen zu können; selbst wenn es für ein überraschendes Playoff-Ticket reicht.

Stattdessen sind in diesen Überlegungen für mich die Teams interessanter, deren Kader bereits in eine bestimmte Richtung gepusht wurde. Teams, die mit hohen Erwartungen in die Saison gestartet sind und sich nach knapp der Hälfte eingestehen müssen, dass sie sich irgendwo verkalkuliert haben. Dass sie eine Baustelle unterschätzt oder ihren Kader irgendwo falsch eingeschätzt haben.

Green Bay Packers: Wide Receiver

Als Aaron Rodgers in der vergangenen Woche in der Pat McAfee Show sagte, dass Spieler, "die zu viele Fehler machen" nicht spielen sollten, und dass man "ein paar Reps reduzieren" müsse, ergänzt durch die Beobachtung, dass man "vielleicht ein paar Jungs, die gerade nicht Spielen, Chancen geben" sollte, wurde auch wirklich jedem klar: Es liegt einiges im Argen in Green Bay gerade.

Selbst wenn man die Offseason der Packers mit sehr viel Wohlwollen bewertet, dann ist auch festzuhalten, dass die schon überschaubare Receiver-Gruppe durch Verletzungen von Randall Cobb sowie Oberschenkelprobleme bei Christian Watson und Sammy Watkins vor zusätzliche Probleme gestellt wurde.

Doch selbst in Bestbesetzung ist es nicht überraschend, dass die individuelle Qualität fehlt. Hier könnte man jetzt eine ausgeprägte Diskussion über die Schuldfrage führen, ich für meinen Teil würde es so zusammenfassen: Die Packers haben nach dem Adams-Abgang zu vorsichtig, beziehungsweise mit zu wenig Blick auf das kurzfristige Fenster, in dem sie sich befinden, reagiert. LaFleurs Offense ist an sich gerüstet, um das zu kompensieren - aber dafür muss der Quarterback komplett All-In sein, um in diesem geduldigen Klein-Klein-Stil zu spielen.

Rodgers zeigt zunehmend, dass er nicht (mehr?) gewillt ist, mit dieser Geduld und Disziplin zu spielen. Und so bekommt man eine Offense, deren 50-Millionen-Dollar-Quarterback einen Stil spielen will, für den es mehr individuelle Receiver-Qualität braucht, mit einer Receiver-Gruppe, die mit einer langfristigeren Perspektive zusammengestellt wurde.

Die Packers können jetzt zu dem Schluss kommen, dass es ein Fehler war, mit Rodgers nochmals All-In zu gehen. Dass man diese Saison zu Ende spielt und danach die - auch aus Cap-Perspektive - bittere Pille einer Trennung schluckt. Oder man geht eben wirklich All-In; und das würde in dem Fall einen Receiver-Trade beinhalten, der konstant Eins-gegen-Eins gewinnen kann.

Mögliche Targets: D.J. Moore (Panthers), Brandin Cooks (Texans), Jerry Jeudy (Broncos), Elijah Moore (Jets)

Dallas Cowboys: Slot Receiver

Es ist eindrucksvoll, nicht nur was die Cowboys dieses Jahr defensiv leisten, sondern auch wie sie erfolgreich sind.

Letztes Jahr hatte Dallas eine vergleichsweise eindimensionale Defense. Die Cowboys waren in der Top-5 in Man-Coverage- und Single-High-Defense-Quote, keine Defense spielte mehr Stacked Boxes. Kurzum: Dallas spielte Cover-1, stellte die Box zu und baute darauf, dass entweder die Front dominiert und der Ball gar nicht rauskommt, oder aber dass die in Kombination damit extrem aggressiv aufspielende Secondary Turnover kreieren kann.

Mit insgesamt 34 defensiven Turnovern (26 Interceptions, 8 Fumbles) führte die Cowboys-Defense die Liga in der vergangenen Saison an. Es war die Nummer-3-Defense in der Regular Season nach Expected Points Added pro Play, nach Dropback-Success-Rate belegten die Cowboys den ersten Platz, noch vor Buffalo.

Hier lagen meine Bedenken hinsichtlich dieser Defense; dahingehend, dass es einfach unwahrscheinlich war, dass diese Masse an Turnovern aufrechterhalten werden kann - und dass dann das restliche Gerüst nicht mehr funktionieren würde.

Was ich nicht erwartet hatte, war, dass Dan Quinn sein Gerüst so radikal verändern würde. Die Cowboys zeigen immer noch viele One-High Shells, spielen aber deutlich mehr "Middle-of-the-Field-Open"-Coverages, also vor allem Cover-2, Cover-4 und Cover-6. Sie spielen weniger Man Coverage, sie sind flexibler in ihren Personnel-Groupings - und: Die Cowboys sind die mit weitem Abstand Stunt-lastigste Defense in der NFL.

Die Cowboys kreieren mehr Verwirrung mit ihren Coverages, als ich von einer Dan-Quinn-Defense jemals gesehen habe, und das kombinieren sie mit Pass-Rush-Designs, die es ihren gefährlichen Pass-Rushern erlauben, Eins-gegen-Eins-Matchups zu bekommen - auch ohne zu blitzen.

Das waren viele - wenn auch wohlverdiente, für eine der besten Defenses dieser Saison - Worte, um zu sagen: Die Cowboys-Defense hat nicht nur die befürchtete Regression vermieden; man könnte argumentieren, dass die Defense noch gefährlicher ist als letztes Jahr, weil sie besser darin ist, Offenses auf vielseitige Art und Weise zu attackieren.

Das ist ein riesiges Pfund in einer NFC, in der nicht viele Teams einen derart klaren Trumpf haben. Micah Parsons, Trevon Diggs, Demarcus Lawrence, dazu Ergänzungsspieler wie Sam Williams oder Malik Hooker, bieten Dallas, so, wie Dan Quinn sie einsetzt, einen hohen Floor, sowie die Möglichkeit, Spiele mit der Defense zu dominieren.

Das kann in der diesjährigen NFC weit führen, zumal Dallas auch mit der Offense schon einen soliden Floor hat, jetzt, da Dak Prescott zurück ist. Die Line spielt besser als gedacht, am Boden bekommen die Cowboys explosive Runs und mit Prescott haben sie mindestens einen High-Level-Game-Manager.

Prescott hat gezeigt, dass er ein exzellenter Ballverteiler sein kann, der Plays diszipliniert ausliest, wenige Fehler macht und sehr konstant aus der Pocket spielt. Er hat aber auch gezeigt, dass er ein Quarterback ist, der stärker von den Umständen abhängig ist als die absolute Liga-Spitze auf der Position.

Die Cowboys haben mit CeeDee Lamb eine Nummer 1, mit Michael Gallup einen klaren Outside- und Deep-Threat - ich würde diese Offense gerne zusätzlich mit einem gefährlichen Underneath-Receiver sehen. Einer wie Elijah Moore oder Jerry Jeudy, der im Slot und außen spielen und schnell im Kurzpassspiel gewinnen kann.

Die Eagles sehen wie das aktuell beste Team in der Conference aus, aber Dallas habe ich nicht mit gravierendem Abstand dahinter. Das könnte das Jahr sein, in dem ein zusätzlicher Playmaker in der Offense die Cowboys zu einem unerwartet kompletten Team und damit zu einem sehr ernsthaften Contender in der NFC macht.

Mögliche Targets: Elijah Moore (Jets), Jerry Jeudy (Broncos)

Kansas City Chiefs: Defensive Line

Auch wenn die Chiefs jetzt mit Mecole Hardman, Rookie Skyy Moore und dem jüngst verpflichteten Kadarius Toney drei ähnliche Receiver-Typen haben, die dementsprechend jetzt vermutlich alle dementsprechend mit einer Rotations-Rolle vorlieb nehmen müssen - ich mag den Trade für Toney.

Natürlich ist ein Risiko mit dabei, natürlich muss Toney nicht nur endlich fit bleiben, sondern auch klar zeigen, dass er gewillt ist, 100 Prozent auch abseits des Platzes zu geben, um eben sein unbestreitbares Potenzial, das in der vergangenen Saison zumindest vereinzelt aufblitzte, auch wirklich abzurufen.

Die Chiefs setzen darauf, dass die Struktur, die allen voran Andy Reid und Patrick Mahomes bereiten, auch Toney aufnehmen kann. Dass sie Toney in eine spannende Rolle packen, und dass seine Athletik und seine Explosivität eine Waffe für die Chiefs werden können; etwas, das das neue Giants-Regime für Toney in New York nicht mehr gesehen hat.

Ich hatte mehrfach im Laufe dieser Saison bereits darauf hingewiesen, dass ich der Receiver-Gruppe der Chiefs - zumindest mit Blick auf die Titelambitionen in KC - noch nicht vollends vertraue; dass es Spiele gab, in denen sichtbar war, dass die Receiver individuell nicht viel Separation kreierten.

Toney ist ein Spieler, der das ändern kann, und selbst wenn er bis auf weiteres nur in eine spezifische Rolle gepackt wird: Er könnte für Kansas City noch ein Schlüsselspieler werden, vielleicht auch in dieser Saison.

Natürlich wäre das der absolute Best Case. Bis dahin bleibt abzuwarten, ob die Chiefs von ihren Wide Receivern genug auch individuelle Production bekommen. Und auch, ob Kansas Citys Offensive-Tackle-Situation noch ein größeres Problem wird.

So oder so gilt, dass die Zeiten, in denen Kansas City Woche für Woche offensive Shootouts anpeilen und gewinnen kann, vorbei sind. So funktioniert die Liga, und, so gut sie nach wie vor ist, auch die Chiefs-Offense nicht mehr. Wenn die laufende Saison uns eine Sache gelehrt hat, dann, dass Defenses deutlich mehr Zugriff auf die Offenses gefunden haben, und dass es wichtig ist, auch auf der defensiven Seite des Balls dagegenhalten zu können.

Hier sehe ich bei Kansas City, wenn wir davon sprechen, die Bills oder vielleicht auch die verbesserten Bengals in den Playoffs zu schlagen, noch Nachholbedarf.

Chiefs: Der Pass-Rush im Liga-Vergleich

SpielerPressuresRanking
Chris Jones28 PressuresPlatz 2 aller DT
Khalen Saunders7 PressuresPlatz 53 aller DT
Tershawn Wharton5 PressuresPlatz 69 aller DT
George Karlaftis20 PressuresPlatz 27 aller Edge
Frank Clark16 PressuresPlatz 42 aller Edge
Carlos Dunlap10 PressuresPlatz 73 aller Edge

Stats via PFF

Kansas City hat in seine Secondary investiert, mit Spielern wie Justin Reid, Bryan Cook, oder auch Erstrunden-Pick Trent McDuffie. Gemeinsam mit L'Jarius Sneed und Juan Thornhill sehe ich hier genügend Optionen und auch genügend Potenzial. Das gilt auch für das Linebacker-Duo Nick Bolton/Willie Gay.

Was für mich aus Chiefs-Perspektive noch fehlt, ist ein zweiter konstanter Pass-Rusher neben Chris Jones. Nach wie vor können sich Teams zu sehr auf Jones fixieren, ohne dass ein anderer Spieler in der Defensive Front sie dafür bestrafen könnte.

Die Bills haben in Von Miller investiert, um diesen "Closer" zu bekommen. Kansas City hat Chris Jones, Karlaftis sollte sich perspektivisch steigern und Dunlap und Clark sind zumindest eine gute Rotation. Einen derart teuren Move bräuchte es also gar nicht - aber eine zusätzliche Pass-Rush-Präsenz könnte einem schon sehr starken Team die entscheidenden finalen Prozentpunkte geben.

Mögliche Targets: DT Grady Jarrett (Falcons), Edge Jadeveon Clowney (Browns), Jerry Hughes (Texans)

Baltimore Ravens: Wide Receiver

Während alles darüber spricht, wie weit offen die NFC ist und wer womöglich in den Playoffs angreifen könnte, muss die Diskussion in AFC ganz anders geführt werden. Hier gibt es die Bills, es gibt die Chiefs, und die Frage lautet weniger, wer sich an die Spitze der Conference setzen könnte, sondern eher: Wer könnte überraschen? Welches Team könnte einen Run hinlegen und der beiden Giganten ärgern?

Viele Teams kommen hier nicht in Frage. Die Cincinnati Bengals - sofern Ja'Marr Chase zeitnah wieder bei 100 Prozent wird - sind eine Option. Die Baltimore Ravens eine andere.

Die bisherige Saison der Ravens schreit förmlich nach einem Team, das noch auf einem schmalen Grat wandert, aber das das Potenzial hat, um oben anzugreifen. Keine Statistik untermauert das besser als diese, nach dem 3-3-Start der Ravens vor zwei Wochen: Die Ravens waren das 39. Team in der NFL-Geschichte, das in jedem seiner ersten sechs Saisonspiele eine zweistellige Führung innehatte; sie waren das erste Team aus dieser Gruppe, das ohne positive Bilanz nach jenen ersten sechs Spielen dastand.

Und es gehören mehrere "Qualitäten" dazu, um dieses Kunststück hinzubekommen. Ein defensiver Meltdown gegen die Dolphins, eine haarscharfe Niederlage gegen Buffalo mit einem vermasselten Fourth-Down-Play, Lamar Jacksons Fehler gegen die Giants: Es gibt viele Wege, um in der NFL Führungen weg zu werfen, die Ravens haben dieses Jahr schon einige ausprobiert. Gegen Cleveland wäre - ebenfalls nach 10-Punkte-Führung - fast noch ein weiterer dazugekommen, als Hills Fumble den Browns eine Chance auf den Game-Winning-Drive gab.

Interessanter als die Art und Weise, wie Baltimore diese Spiele verlor, ist aber vielleicht die Frage, wie die Ravens zu diesen Führungen kamen - und welche Probleme die Ravens schon plagten, bevor die Spiele kippten.

Baltimore hätte jedes einzelne dieser Spiele gewinnen können, und je mehr ich durch die Partien gehe, desto mehr lässt mich diese Aussage selbst stirnrunzelnd zurück. Denn in den ersten Wochen der Saison war das Run Game außerhalb von Lamar Jackson erschreckend zahnlos, und das Passspiel wirkte zu häufig improvisiert.

Ersteres hat sich seither gebessert; Letzteres nicht. Die Ravens sind - mal wieder, muss man an dieser Stelle sagen - im Passspiel eindimensional. Play Action funktioniert nach wie vor gut für sie, die Ravens haben mehr Antworten auf den Blitz gefunden, und Mark Andrews ist ohne Zweifel die Nummer-1-Waffe für Jackson.

Aber das Quick Game ist inkonstant - das liegt auch an Jackson - und vertikal sind die Ravens ganz klar enttäuschend, für ein Team, das noch immer mehr vorteilhafte Shot Plays kreieren können sollte als die meisten Teams, einfach aufgrund dessen, was Jackson im Run Game mitbringt.

So sahen die Receiver der Ravens nach den ersten sieben Wochen der Saison im Ligavergleich aus:

SpielerTargetsCatchesYards
Rashod Bateman27 Targets (#59)15 Catches (#72)285 YDS (#48)
Devin Duvernay20 Targets (#54)20 Catches (#54)282 YDS (#50)
Demarcus Robinson17 Targets (#90)9 Catches (#98)76 YDS (#115)

Stats via PFF. Alle in Klammern angegebenen Rankings beschreiben die Positionierung unter allen Wide Receivern.

Ich sehe in Baltimore ein Team, dessen Offensive Line sich zunehmend stabilisiert, das seine Identität im Run Game zunehmend wiederfindet, das defensiv mehr Potenzial hat als man bisher auf dem Feld sieht. Aber ich sehe auch ein Team, das dringend einen Receiver gebrauchen könnte, der konstant Eins-gegen-Eins gewinnt, und sei es, um die strukturell noch immer vorhandenen

Mögliche Targets: Jerry Jeudy (Broncos), Brandin Cooks (Texans)

3. Rams verlieren erneut: Zu viele Baustellen

Das Duell zwischen den Rams und den 49ers in Woche 4 war eines dieser Spiele, das einem die Augen öffnet. An jenem Montagabend wurde für jeden offensichtlich, dass die Probleme in der Offensive Line der Rams nicht nur eine Momentaufnahme waren, sondern dass L.A. hier eine ernsthafte Großbaustelle hatte. Dass die Offense insgesamt weit weg von der Unit war, die in den vergangenen Playoffs geglänzt hatte, und dass es keine einfachen Reparaturmaßnahmen geben würde.

Bei 41 Prozent seiner Dropbacks stand Matt Stafford lauf PFF unter Druck, zum Vergleich: Im Super Bowl stand er bei 18,6 Prozent seiner Dropbacks unter Druck, im Championship Game gegen eben jene Niners bei 25 Prozent, selbst gegen die Blitz-lastigen Bucs lag seine Pressure-Rate bei unter 37 Prozent.

Woche 18 gegen - erneut - San Francisco war das letzte Mal in der vergangenen Saison, dass Stafford eine Pressure-Rate jenseits der 40 Prozent hatte. Doch legte er damals zum einen 147 Yards und zwei Touchdowns auf einer sauberen Pocket auf, und zum anderen warf er den Ball unter Druck immer noch im Schnitt 12,9 Yards tief, verzeichnete sieben Yards pro Pass und einen Touchdown, bei einer Interception.

Als es in Woche 4 dieser Saison erneut gegen jene Niners-Defense ging, sah das ganz anders aus. Stafford kam auf 4,7 Yards pro Pass unter Druck - bei einer durchschnittlichen Target-tiefe von 5,3 Yards. Nicht einmal die Hälfte von dem, was er im Regular-Season-Finale damals aufgelegt hatte. Es war ein Spiel, in dem offensichtlich wurde, dass die Rams im Spiel darauf reagieren mussten, dass sie deutlich gravierender unterlegen waren als sie das vorher mutmaßlich einkalkuliert hatten. 14 Pressures von Nick Bosa alleine können das bewirken.

Antworten oder Strohfeuer der Rams?

Mit der jüngsten Verletzung von Left Tackle Joe Noteboom wurde die Line nochmals zusätzlich geschwächt, immerhin Center Brian Allen ist mittlerweile wieder mit von der Partie.

Und das ist für mich das Kernthema, wenn wir darüber sprechen, ob die Rams in dieser Saison noch eine relevante (Playoff-)Rolle spielen können: Können sie ihre Line auf ein - für ihre Ansprüche - funktionales Level heben? Und können sie im Passspiel mehr Antworten finden, um hier ein Defizit, das Sean McVay bislang als Head Coach der Rams selten hatte, zu kompensieren?

Die Antwort gegen die Niners unter dem Strich lautete: Vereinzelt, ja. In der ersten Hälfte hatten die Rams mehr Zug im Spiel und variierten ihre Plays. Viele schnell designte schnelle Pässe nach außen, einige gute Screens auch als Drive-Starter, ein paar tiefere Shots via Play Action. L.A. fand einen Rhythmus - aber der stand noch immer auf wackeligen Füßen, der Spielraum für Fehler blieb klein und in der zweiten Hälfte wurde das gnadenlos aufgedeckt.

Die Rams hatten in der zweiten Halbzeit fünf Drives, keiner umfasste mehr als acht Plays oder mehr als 32 Yards und zwei der fünf Drives endeten maßgeblich aufgrund eines Sacks. Deshalb hatte ich die Rams auch nicht bei meinen Teams, die auf dem Trade-Markt aktiv werden sollten, mit aufgeführt: Die Baustellen sind in meinen Augen zu zahlreich. Offensive Line, Edge-Rush, Speed auf Receiver - L.A. hat selbst in einer verwundbaren NFC für mich zu viele Fragezeichen, zu wenig Tiefe und zu wenige tragende Säulen, um All-In zu gehen.

Niners: McCaffrey mit seiner ersten Show

San Francisco ist bereits All-In gegangen, mit einem Move, den Los Angeles auch gerne durchgeführt hätte: Der Trade für Christian McCaffrey war dementsprechend unweigerlich ein großes Thema vor dieser Partie, und als hätte Kyle Shanahan seinem Gegenüber Sean McVay eins auswischen wollen - und ich zweifle für keine Sekunde an, dass das zumindest in seinem Hinterkopf war - bot er die volle McCaffrey-Palette gegen die Rams auf.

Ein Passing-Touchdown, ein Rushing-Touchdown und ein Receiving-Touchdown, seit LaDainian Tomlinson im Jahr 2005 hatte das kein Spieler geschafft. Mindestens 30 Passing-, Rushing- und Receiving-Yards in einem Spiel hatte McCaffrey selbst zuletzt 2018 geschafft.

Sein Speed, seine Agilität im Raum, seine Quickness und seine Fähigkeit, aus kurzen Pässen First Downs zu kreieren, werden eine weitere Stütze sein, um Jimmy Garoppolo unter die Arme zu greifen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Offense in einigen Wochen aussieht, mit McCaffrey und Deebo Samuel gemeinsam auf dem Platz - und dann darauf, wie groß der Impact des Neuzugangs sein kann.

4. Matt Ryans Benching: Sinnbild für gravierendere Probleme

Meine größte Fehleinschätzung dieser Saison steht nach gerade einmal acht Wochen schon fest: Ich dachte, dass Matt Ryan die Colts zwar nicht in den Super Bowl führen, aber einem guten Kader die Stabilität und den hohen Floor geben würde, welcher mit Carson Wentz letztlich gefehlt hatte. Ein Stück weit auch den Leader, den Indianapolis auf der Quarterback-Position gesucht hatte.

Dass die Colts mit ihm, auch wenn die Verpflichtung von Ryan ein weiterer Schritt war, um den eingeschlagenen Weg Richtung Mittelmaß zu manifestieren, zumindest die Division gewinnen sollten, vielleicht sogar mit etwas Abstand.

Die Realität sieht selbstredend anders aus, und mit der Entscheidung, Ryan zu benchen - inklusive der nicht ganz nachvollziehbaren (warum sich selbst so in eine Ecke drängen?) Ankündigung, dass Sam Ehlinger den Rest der Saison spielen soll - muss man hinter dieses Kapitel einen Haken setzen.

Ryan war nicht die Antwort für ein Team, das seit dem Rücktritt von Andrew Luck nach einem Nachfolger sucht und sich dabei von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen hangelt.

Jacoby Brissett war eine vertretbare erste Übergangslösung, Philip Rivers die bisher beste Option. Carson Wentz schien die Wunschoption von Frank Reich gewesen zu sein, der ihn aus Philadelphia kannte und ohne Frage die Chance sah, dessen Upside wieder aus ihm herauszuholen und so endlich eine langfristigere Lösung zu finden.

Colts: Steht Jim Irsay hinter dem Ryan-Benching?

Es entpuppte sich als Fehlgriff, in jeder Hinsicht. Teambesitzer Jim Irsay spuckte Gift und Galle, nachdem man sich nach nur einem Jahr von Wentz wieder getrennt hatte, und ließ das Thema selbst Monate später noch nicht ruhen. Man habe "Inkonstanz" auf der Quarterback-Position gehabt, welche "zu massiven Problemen geführt" habe.

Warum ist das hier wichtig? Weil ich nicht denke, dass Frank Reich Ryan nach sieben Spielen von sich aus gebencht hätte. Offiziell ist es eine Entscheidung, die Reich, Irsay und GM Chris Ballard in einer Triumvirats-Sitzung gemeinsam gefällt haben.

Doch Ballards ganzes Kader-Management zeichnet das Bild eines GMs, der Nachhaltigkeit, Geduld und eine langfristige Perspektive priorisiert - und der keine Schnellschüsse abfeuert. Reich scheint die Zusammenarbeit mit einem Veteran-Quarterback zu bevorzugen, und seine Aussagen über die letzten Tage klingen nicht nach einem Head Coach, der bei seinem Quarterback die Schuld gesehen hat.

Irsay ist der offensichtliche Faktor in diesem Triumvirat, der ein Interesse daran hatte, diese Entscheidung voranzutreiben. Oder mehr noch: Der schlicht und ergreifend genug hatte von den neuen jährlichen Versuchen, mit einem neuen Veteran-Quarterback ein neues Kapitel zu eröffnen - und dann Jahr für Jahr enttäuscht zu werden.

Stehen Reich und Ballard in Indianapolis vor dem Aus?

Und natürlich sind es letztlich nicht nur die Quarterback-Entscheidungen, um die es hier geht, auch wenn diesen das Rampenlicht gehört. Jahrelang wurde Indianapolis für die Zusammenstellung seines Kaders gelobt, doch zu viel war darauf ausgerichtet, den Floor des Teams zu stabilisieren. Running Back, Guard, Center, Linebacker - hier lagen die größten "Treffer" unter Ballard, und das sind eben im Vergleich die wenigsten "wertvollen" Positionen.

Michael Pittman ist ein guter Receiver, vielleicht entpuppt sich Alec Pierce als Treffer. Aber das zögerliche Verhalten im Roster-Building, das "Aufschieben" der Ressourcen von einem auf das nächste Jahr, all das sorgt nur dafür, dass das einst gute Gerüst irgendwann brüchiger wird, während die bestenfalls soliden Quarterback-Lösungen nicht die Elite-Hilfe um sich herum haben, die sie bräuchten, um wirklich erfolgreich zu sein. Und so entsteht ein Teufelskreis, den man nur mit einem drastischen Schritt durchbrechen kann.

War die Entscheidung, Ryan zu benchen, ein solch drastischer Schritt? Vermutlich nicht, dieser Schritt wird noch kommen müssen. Doch falls die generelle These stimmt, muss man Reich und Ballard anzählen. Denn dann ist dieses Benching auch ein klarer Hinweis darauf, dass Irsays nach der Wentz-Episode ohnehin strapazierter Geduldsfaden kurz vor dem Zerreißen steht.

Reich sprach nach Verkündung der Entscheidung davon, dass das Team seinen Teil der Abmachung nicht erfüllt hätte - das Elite-Run-Game und die starke Protection, die man Ryan versprochen hatte, hatten die Colts ganz eindeutig nicht geliefert. Ryan war, um das klar zu sagen, mehr Teil des Problems als der Lösung, aber zumindest kann er einen Game Plan wie den beim Comeback-Sieg gegen Jacksonville umsetzen, mit einer High-Volume-Quick-Game-Offense.

Colts: Wie geht es jetzt weiter mit Sam Ehlinger?

Ehlingers Qualität liegt jetzt eher darin, mit seiner Athletik zu punkten. Als Scrambler kann er am ehesten dabei helfen, die Protection-Probleme ein wenig zu kaschieren - aber es ist schwer vorstellbar, dass er als Passer die Konstanz mitbringt, die es in dieser Situation eben auch bräuchte.

Das war vereinzelt auch gegen Washington zu sehen. Er hatte keine gravierenden Fehler, er holte ein bisschen was am Boden heraus, und er zeigte auch einige Male gutes Pocket-Movement und einige sehenswerte Pässe.

Hier war Fortschritt zu erkennen, aber rechtfertigt das jetzt diesen Schritt? Bleiben die Colts wirklich bei Ehlinger, auch falls er schwächelt? Oder war diese Entscheidung jetzt doch nur eine Kurzschlussreaktion, die der Vorbote für weitere weitreichende Konsequenzen war?

5. Geno-Märchen geht weiter - auch im Frühjahr?

Geno Smith bleibt eine der faszinierendsten Geschichten dieser Saison, und in vielerlei Hinsicht das sprichwörtliche Einhorn.

Nicht nur, dass er so spät in seiner Karriere Leistungen abruft, die er bis dato noch nie gezeigt hatte, und die niemand halbwegs realistisch erwarten konnte - allein, dass er mit seinem Resümee überhaupt die Chance erhielt, nochmals als Starter ein Team anzuführen, hatte schon eine geringe Wahrscheinlichkeit.

Das war auch gegen die Giants sichtbar. Am Ende hatte er nicht die Monster-Stat-Line, die er in manchen anderen Spielen schon hatte. Doch dabei war ein teurer Touchdown-Drop von Tyler Lockett, und vor allem erzählte das Spiel nochmals eine andere Geschichte. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie konstant Smith durch seine Reads geht, Mismatches identifiziert und die Offense generell umsetzt.

Es ist kein Zufall, dass Pete Carroll plötzlich damit anfängt, Fourth Downs auszuspielen und dass die Seahawks so Pass-lastig bei Early Down sind; ich deute das als einen klaren Hinweis darauf, dass er seinem Quarterback komplett vertraut.

Dass er davon ausgeht, dass Smith keine negativen Plays kassieren wird und dass er die Antworten, welche die Offense ihm bietet, annimmt. Und die bisherige Saison gibt ihm Recht: Wir haben mittlerweile von Smith auch schon Spiele gesehen, in denen die Big Plays nicht so da waren, aber auch da spielte er solide und fungierte als Game Manager.

Was machen die Seahawks mit Geno Smith?

Als "Real Deal" bezeichnete Carroll Smith nach dem Sieg gegen die Giants. Wer weiß, wie diese Saison endet, aber aktuell kann man ganz klar festhalten, dass er davon überzeugt scheint, seinen Quarterback gefunden zu haben.

Ich denke dementsprechend auch, dass die Seahawks kein Interesse daran haben werden, dass Smith den Markt testet - die Frage lautet dann: Geben sie ihm den Franchise Tag, um ihn dazu zu bringen, sich nochmals ein Jahr lang zu beweisen - auch auf die Gefahr hin, dass er danach noch teurer wird?

Oder gibt es einen Vertrag, der vergleichbar mit dem ist, was Ryan Tannehill von den Titans bekommen hat? Also, angepasst an den Cap, etwas in der Region von vier Jahren, 130 Millionen Dollar, sowie Garantien in Höhe von rund 60 Millionen Dollar.

Pete Carroll hat vor der Saison mehrfach klargemacht, dass er sich und die Seahawks keineswegs im Rebuild sieht. Smith ist der maßgebliche Grund dafür, dass diese Prognose jetzt gut aussieht, und ich denke, dass sie ihn danach dafür belohnen werden. Nicht mit einem Vertrag, der sich an der Marktspitze bewegt, sondern in der Kategorie darunter.

Und das könnte dann einer der seltenen fairen Quarterback-Deals werden.

Die nächste spannende Frage lautet dann, ob Teams nach Tannehill und Geno Smith den nächsten Veteran suchen, der im Herbst seiner Karriere von seinen Erfahrungen profitieren und doch noch aufblühen kann. Könnte Daniel Jones das in einigen Jahren sein? Jameis Winston? Vielleicht Derek Carr, falls bei den Raiders bald der große Umbruch eingeleitet wird? Wir wissen, dass Teams immer versuchen, erfolgreiche Konzepte zu kopieren, und ich denke nicht, dass es hier anders sein wird.