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NFL Playoffs, Gewinner und Verlierer der Divisional-Runde: Oh, wie schön ist Bruderliebe!

Von Stefan Petri
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In der Divisional Round der NFL Playoffs bringt ein fluchender Lamar Jackson sein Team auf Trab, beim Sieg der Kansas City Chiefs feiern gleich beide Kelce-Brüder. Bei den Buffalo Bills meldet sich ein altes Trauma zurück, Buccaneers-Coach Todd Bowles gibt das Spiel in Detroit vorzeitig verloren - und Brock Purdy spaltet mal wieder die Fangemeinde. Die Gewinner und Verlierer vom Wochenende.

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NFL Playoffs: Divisional Round

DatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
Sa., 20.01.22.30 UhrBaltimore RavensHouston Texans34:10
So., 21.01.2 UhrSan Francisco 49ersGreen Bay Packers24:21
So., 21.01.21 UhrDetroit LionsTampa Bay Buccaneers31:23
Mo., 22.01.0.30 UhrBuffalo BillsKansas City Chiefs24:27

NFL Playoffs: Conference Championships

DatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
So., 28. Januar21 UhrBaltimore RavensKansas City Chiefs-:-
Mo., 29. Januar0.30 UhrSan Francisco 49ersDetroit Lions-:-
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NFL Playoffs, Divisional-Runde - Gewinner: Travis und Jason Kelce

Es hatte sich angehört wie Durchhalteparolen, als Travis Kelce in der Regular Season schwächelte und seine mittlerweile 34 Lenze immer öfter zu sehen waren: "Keine Angst, in den Playoffs wird er da sein! Vielleicht schont ihn das Team auch ein bisschen, damit er auf jeden Fall fit ist." 984 Receiving Yards und fünf Touchdowns sind nicht zu verachten, aber eben auch nicht mehr das, was die Chiefs-Offense in den vergangenen Jahren so unwiderstehlich gemacht hatte.

Vorhang auf für die Postseason - und Kelce ist wieder voll da! Sieben Catches für 71 Yards waren es gegen die Dolphins, in Buffalo dann 75 Yards und zwei Touchdowns. Fünf Catches zwar nur, aber eben auch gleich mehrere Big Plays, die so selten geworden waren. Der 34-Jährige hatte sogar Zeit, seiner Angebeteten in der Loge einen Gruß zu schicken - und den verzweifelten Bills-Fans am Spielende zum Abschied zuzuwinken.

Mit den beiden Touchdowns krönten sich Mahomes und Kelce übrigens zum besten Duo der Playoff-Geschichte, was diese Statistik angeht: Tom Brady und Rob Gronkowski hatten es auf 15 Touchdowns gebracht, Mahomes/Kelce stehen jetzt bei 16.

Noch mehr Spaß als Travis hatte allerdings dessen großer Bruder Jason, der sich das Spiel neben Taylor Swift in der Loge anschaute. Dass der 36-Jährige Center der Philadelphia Eagles seine Karriere beendet hat, wie es in den Medien berichtet wurde, hatte er zuletzt nicht bestätigen wollen. Aber, naja ... sagen wir: Wie ein Vollblutprofi, der genau auf seine Ernährung achtet, um nächste Saison in bestmöglicher Form zu sein, wirkte er nicht. Sensationelle Szene nach dem ersten Touchdown von Travis!

Erste Erkenntnis: So sieht wahre Bruderliebe aus. Zweite Erkenntnis: Wer es schafft, der guten Taylor das Rampenlicht streitig zu machen, dem stehen auch nach der Karriere alle Türen offen. Und die dritte: Schade, dass Kelce nie für Buffalo gespielt hat. Er hätte perfekt zur Bills-Mafia gepasst!

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NFL Playoffs, Divisional-Runde - Ansprache der Woche: Lamar Jackson

Man hätte sich in Baltimore vielleicht einen anderen Gegner für das Championship Game gewünscht als die Playoff-Stammgäste aus Kansas City. Andererseits: Wenn die Ravens die Form aus der zweiten Hälfte gegen Houston (24:0) konservieren können, muss man auch vor den Chiefs keine Angst haben.

Die Wende nach dem 10:10 in den ersten 30 Minuten leitete übrigens Quarterback Lamar Jackson höchstselbst ein: Er habe in der Halbzeitpause am längsten geredet, verriet er auf der Pressekonferenz. Und was sagte er? "Es wäre unangebracht, das hier zu wiederholen. Es wurde viel geflucht." Schimpfwörter in einer Umkleidekabine? Ich bin geschockt!

Allerdings wurde nicht nur geflucht, sondern auch am Gameplan gewerkelt. "Lamar hat einen tollen Job gemacht", lobte Head Coach John Harbaugh. "Es waren vor allem seine Ideen." Nämlich: Kurze, schnelle Pässe, um den Rush der Texans aus dem Spiel zu nehmen, dazu ein paar designte Runs für ihn selbst. Plötzlich war die Ravens-Offense unaufhaltsam. Und der 26 Jahre alte Jackson wurde zum erst fünften Spieler der Playoff-Geschichte mit je zwei Passing- und zwei Rushing-Touchdowns.

Glaubt eigentlich jemand, dass die Ravens den 260-Millionen-Dollar-Vertrag aus der Offseason bereuen, um den Jackson so lange kämpfen musste? Nein? Dachte ich mir.

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NFL Playoffs, Divisional-Runde - Verlierer: Buffalo Bills

Schon wieder "Wide Right": Vor fast genau 33 Jahren hatten die Bills den ersten von unglaublichen vier Super Bowls in Folge verloren. Die entscheidende Szene: Kicker Scott Norwood setzte beim Stand von 20:19 für die New York Giants in den Schlusssekunden ein Field Goal aus 47 Yards Entfernung rechts vorbei. Die Reaktion von Kommentator Al Michaels auf ABC wurde zum geflügelten Ausdruck: "No good ... wide right."

Ganz so dramatisch war es diesmal nicht, aber dennoch ein bitterer Nackenschlag, als Tyler Bass seinen Kick zum Ausgleich vergab. Wieder rechts vorbei, und diesmal sogar nur aus 44 Yards. Fehlerlos hatte der 26-Jährige im Saisonverlauf nicht agiert, gegen die Steelers letzte Woche sogar aus 27 Yards vergeben. Aber wer die Chiefs entthronen will, der muss solche Chancen eben nutzen.

Gut für Bass: Zum alleinigen Sündenbock wird man ihn nicht abstempeln, dafür bot das Spiel zu viele weitere Verlierer.

  • Head Coach Sean McDermott: Seine Defense hatte die Chiefs nicht stoppen können. Insofern verständlich, dass er etwas riskieren wollte und musste. Einen Fake Punt bei 4th-and-5 an der eigenen 30-Yard-Linie anzusagen - und dann auch noch zu laufen!- war aber viel zu riskant. Der Ball gin in dieser Szene an Damar Hamlin - genau den -, was ja eine tolle Geschichte gewesen wäre. Aber warum nicht einfach auf Josh Allen vertrauen, wenn man schon alles riskieren will? Zwei weitere Fourth Downs mit ihm am Ruder wurden erfolgreich ausgespielt. So standen die Chiefs direkt tief in der Hälfte der Bills und es war nur dem Fumble von Mecole Hardman verdanken, dass McDermotts Entscheidung nicht zur Vorentscheidung wurde.
  • Stefon Diggs: Viele Jahre war der mittlerweile 30-Jährige für die Big Plays in Buffalo zuständig, doch die Connection zwischen Josh Allen und dem Wide Receiver funktioniert nicht mehr so richtig. Es fliegen nicht mehr so viele Bälle in Diggs' Richtung, worüber dieser wiederum nicht sonderlich glücklich sein soll. Gegen die Chiefs visierte Allen seinen vermeintlichen Nummer-1-Receiver achtmal an, am Ende wurden es drei Catches für 21 Yards. Fängt er diese Bombe im Schlussviertel, geht das Spiel womöglich anders aus. Nicht auszuschließen, dass sich die Bills im Draft um einen weiteren Top-Receiver bemühen werden.
  • Bills-Defense: Die vermeintlich schlechteste Chiefs-Offense in der Karriere von Patrick Mahomes hatte keine großen Schwierigkeiten, den Ball gegen die Bills zu bewegen. Klammert man die wenigen Sekunden vor der Halbzeit aus, punkteten die Chiefs in ihren ersten fünf Drives, beim sechsten fumbelte Mecole Hardman kurz vor der Endzone. Die Gäste holten starke 7,7 Yard pro Play und schafften gleich acht Plays mit mindestens 20 Yards Raumgewinn, Mahomes wurde zudem kein einziges Mal gesackt.
  • Dieser Bills-Fan. Warum er sich nicht sofort in den Schnee setzte, wird sein Geheimnis bleiben ...
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NFL Playoffs, Divisional-Runde - Verwirrung der Woche: Tampa Bays Timeout

Als Derrick Barnes den Wurf von Bakers Mayfield mit 1:35 Minuten auf der Uhr abfing, gab es im Stadion und ganz Detroit kein Halten mehr: Erstes Championship Game seit 32 Jahren, die Chance auf die erste Super-Bowl-Teilnahme überhaupt! Acht Punkte Vorsprung, Ballbesitz an der gegnerischen 28-Yard-Linie, zudem hatten die Buccaneers nur noch eine Auszeit. Da konnte nichts mehr schiefgehen.

Was dann im ohrenbetäubenden Jubel aber ein bisschen unterging: Jared Goff und seine Offense knieten ab, ohne die Playclock komplett herunterlaufen zu lassen. Als er beim dritten Versuch an der 31-Yard-Linie aufs Knie ging, waren noch 36 Sekunden zu spielen - und die Bucs hatten ihre Auszeit noch! Hätte man sie genommen, hätte man den Ball also auf jeden Fall noch einmal zurückbekommen. Was hatte sich Head Coach Todd Bowles dabei gedacht?

Seine Erklärung nach Spielende: "Sie hatten ihr Field Goal schon vorbereitet und es wären noch etwa zwölf Sekunden auf der Uhr verblieben. Das hätten wir nicht mehr aufholen können." Und weiter: "Sinnlos, das Offensichtliche in die Länge zu ziehen."

Bitte was? Bowles' Rechnung wäre korrekt, hätten die Lions ihre 40 Sekunden auf der Uhr zweimal konsequent heruntergespielt. Und auch so hätte es natürlich ein Wunder gebraucht: Detroit hätte das Field Goal aus 49 Yards verschießen, Tampa das komplette Feld überbrücken und einen Touchdown plus Two-Point-Conversion für die Overtime erzielen müssen.

Aber: Wunder gibt es im Football! Ein Field Goal aus der Distanz haben in den Playoffs schon ganz andere verschossen, ein Hail-Mary-Pass über 50 Yards ist bekanntlich auch schon mal gefangen worden. Da fällt mir der Mann ein, der Gott jahrzehntelang um den Sechser im Lotto bittet - bis der irgendwann genervt antwortet: "Ja dann kauf dir mal endlich ein Los!" Oder, um es mit Eishockey-Legende Wayne Gretzky zu sagen: "Die Schüsse, die man erst gar nicht versucht, gehen zu 100 Prozent nicht rein."

Eine ganz wilde Nummer von Bowles, eigentlich schon nah dran an Amtsmissbrauch: Sein Team hätte nach einem gelungenen Field Goal immer noch die Waffen strecken können. Hatte der Head Coach bei den Kneeldowns der Lions bereits abgeschaltet und nicht bemerkt, dass die ihm eigentlich noch genug Zeit für einen letzten Drive ließen? Einfach nur bizarr ...

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NFL Playoffs, Divisional-Runde - Gewinner: Quarterbacks im Running Game

Ich gestehe, dass ich keine Statistiken vor mir liegen habe. Zu weit aus dem Fenster lehne ich mich aber sicherlich nicht mit der These, dass die Anzahl der Quarterbacks, die im Running Game eine Waffe sind, in den vergangenen Jahren gestiegen ist - und auch in Zukunft noch weiter steigen wird.

Lamar Jackson und Josh Allen waren in diesen Playoffs das perfekte Beispiel dafür, welch einen Trumpf diese Sorte Quarterback darstellen. Allein schon dadurch, dass im Running Game ein Mann mehr als Blocker zur Verfügung steht, wenn der QB den Ball behält, aber auch im Play-Design, etwa bei Fourth Downs - und natürlich bei Scrambles. Jackson kommt dabei über seine Geschwindigkeit und Wendigkeit, der 1,96 Meter große Allen vor allem über seine Physis. Aber beide stellten die gegnerischen Defenses vor extrem große Probleme, verlängerten Drives und tankten sich auch selbst bis in die Endzone durch. Nicht umsonst stellte Allen mit insgesamt 18 Rushing Touchdowns in dieser Saison den NFL-Rekord ein.

Gleichzeitig gilt: Ein Running QB allein reicht nicht. Jackson wird vor allem deshalb der große Wurf in diesen Playoffs zugetraut, weil er sich im Vergleich zu seinem ersten MVP-Jahr auch als Passer verbessert hat. Umgekehrt erlief Allen gegen die Chiefs zwar 72 Yards, wurde im Passing Game aber erfolgreich ausgebremst (4,8 Yards pro Passversuch): Der längste Catch der Bills betrug gerade mal 15 Yards. Als Runner konnten ihn die Chiefs dagegen nie wirklich stoppen.

Während wir in der kommenden Woche in der NFC mit Brock Purdy und Jared Goff zwei klassische "Pocket Passer" sehen werden, wird Jackson gegen Kansas City erneut die Beine in die Hand nehmen. Mahomes holt traditionell übrigens auch so einige Yards am Boden, das gelingt ihm aber vor allem als Scrambler, also in improvisierten Ausbrüchen aus der Pocket.

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NFL Playoffs, Divisional-Runde - Diskussion der Woche: Brock Purdy

An keinem anderen Quarterback hatten sich die Diskussionen im Laufe der Regular Season so entzündet wie an Brock Purdy. Für die einen ein durchschnittlicher QB und das Produkt der vielen Stars um ihn herum, für die anderen ein legitimer MVP-Kandidat.

Beim knappen 24:21 über die Packers lieferte der 24-Jährige - wie könnte es anders sein - beiden Seiten Munition: Zunächst tat er sich im strömenden Regen von Santa Clara sehr schwer, versuchte es zeitweise mit einem Handschuh, um den Ball richtig greifen zu können und hatte bei mehreren Pässen Glück, dass sie nicht als Interception endeten. Als es im Schlussviertel dann aber darauf ankam, lieferte er beim Stand von 17:21 einen perfekten Game Winning Drive ab und brachte mehrere Pässe millimetergenau in engen Fenstern unter. Jordan Love dagegen beendete die Saison der Packers wenig mit einer Interception, die klar auf sein Konto ging.

Und nun? Die Wahrheit liegt natürlich irgendwo in der Mitte. Deshalb wird das Spiel gegen die Lions von vorn losgehen. Und vielleicht sogar ein weiteres Mal im Super Bowl.

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NFL Playoffs, Divisional-Runde: Weitere Gewinner

  • Baker Mayfield: Ja, die Buccaneers sind raus aus den Playoffs, auch dank seiner späten Interception. Aber das sollte nicht überdecken, dass er kurz zuvor unter gleichgroßem Druck einen perfekten Drive zum Touchdown hingelegt hatte. 349 Passing Yards und drei Touchdowns auswärts im Ford Field, Tampa Bay war auch dank Baker bis zum Ende im Spiel. Der 28-Jährige hat sich mindestens als guter NFL-Durchschnitt etabliert und für einen langfristigen Vertrag empfohlen. Er selbst würde gern in Tampa bleiben, auch Head Coach Todd Bowles sprach sich für ihn aus: "Er hat sich das auf jeden Fall [verdient]", betonte er nach dem 23:31 gegen die Lions.
  • Dalton Kincaid: Der Rookie-Tight-End der Bills fing gegen die Chiefs nicht nur alle fünf Pässe in seine Richtung, sondern war auch bei den beiden Fumbles auf dem Posten: Den ersten von Diggs stieß er geistesgegenwärtig über die Seitenlinie, den zweiten von Allen rettete er ebenfalls gerade so vor einem Gegenspieler.
  • Steven Sims: Der Wide Receiver war erst unter der Woche aus dem Practice Squad der Houston Texans befördert worden. Gegen die Ravens hatte er dann seinen großen Moment und erzielte den einzigen Touchdown seines Teams.
  • Kyle Shanahan: Der Head Coach der San Francisco 49ers hatte vor dem Packers-Spiel in 30 Versuchen noch nie einen 5-Punkte-Rückstand vor dem Schlussviertel in einen Sieg umwandeln können. Diesmal gab es endlich den ersehnten Comeback-Sieg.
  • Die Touchback-Regel: Dass die Defense den Ball ab der eigenen 20-Yard-Linie bekommt, wenn ein Offensivspieler den Ball aus der Endzone fumbelt, ist vielen Fans und Experten ein Dorn im Auge. Hätte es sich im Spiel zwischen den Chiefs und Bills am Ende um eigene entscheidende Szene gehandelt, wäre vielleicht Bewegung in die Sache gekommen. So darf sich die Regel wohl weiterhin sicher fühlen.
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NFL Playoffs, Divisional-Runde: Weitere Verlierer

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